Emil Gött
Aphorismen
Emil Gött

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Säe ein bißchen Tod, du erntest tausendfältiges Leben.

 


 

Wie frei und schön ist ein Leben, das keines Schleiers bedarf vor Heimlichkeiten, außer etwa vor seiner Schönheit.

 


 

Ein Leben ohne Grausamkeit und Schmerz wollen, heißt, vom Feuer verlangen, daß es nicht brenne.

 


 

Gegen das brennende Feuer hilft nur selber brennen, und feuriger. So gegen das Leiden schaffende Leben nur: selber leben, lebendiger!

 


 

Beides sucht seine Erfüllung in uns: die höchste Verheißung, die wir uns geben, und das schmerzlichste Los, vor dem wir uns gefürchtet. Das ist das Leben.

 


 

Wie du in die Welt liebst, liebt sie dich zurück. Und das Leben ist dankbar.

 


 

Mit dem Leben ist's wie mit dem Gelde: man muß beide ausgeben, um etwas davon zu haben.

 


 

Der Arbeitsscheue – der Zechpreller am Bankette des Lebens.

 


 

Der Beruf ist der Weg, das Individuum auf eine Weise, die der Gesamtheit dient, vom Leben zum Tod zu bringen.

 


 

Im Leben ist es wie in den schweren Träumen: man muß seine Schrecken angreifen und nicht ihnen entfliehen; entweder weichen sie dann oder wir erwachen an ihnen gestärkt.

 


 

Das Leben ist wie das Meer: den rüstigen Schwimmer trägt es, den Schweren und Trägen läßt es versinken, den Toten wirft es aus.

 


 

Der Humor ist das bewußte Einatmen des Lebens, das nach dem Verhauchen nichts mehr fragt.

 


 

Das Leben ist schwer – ein Grund mehr, es auf die leichte Schulter zu nehmen.

 


 

Kannst du verstehen, daß ich mein Leben so leicht nehme, weil ich es so schwer nehme? Und die andern machen es umgekehrt.

 


 

Erst wenn uns das Leben zum tödlichen Ernst geworden ist, leben wir recht auf, und nehmen es leicht, wenn wir seine ganze Schwere empfunden haben.

 


 

Das Leben ist etwas zu Rätselhaftes: so fest und dicht es sich täglich und stündlich webt, aus Speise und Trank und Schlaf, aus Arbeit und Ruhe, Sorgen und Siegen, Notdürften und Überwindungen, aus Haß und Liebe, Ehrgeiz, Zorn und allen Leidenschaften – ein so luftiges Gewebe ist es doch, wie es hinter uns herflattert, nur flockenweise zu erhaschen und nie wieder ganz zusammenzudenken, was man doch so satt zusammengelebt hat.

 


 

Sein Leben dahin gebracht zu haben, daß es, als gut und schön gefühlt, einen Sinn gegenüber der ungeheuren Not der Welt gewinnt, und gewollt werden kann und muß, bringt dahin, daß die Welt meinetwegen geschaffen worden ist, damit ich werde.

 


 

Der Mensch versäumt zeit seines Lebens das Wichtigste, das er zu tun hätte: sich ein Verhältnis zum Tode zu schaffen. So baut er nur immer am Leben, und sieht dem Tode furchtsam, verdrossen und untätig entgegen. Die letzte Vornehmheit, die Vornehmheit vor dem Letzten, entgeht ihm.

 


 

Was an uns allein sterblich ist, das ist – unsere Seele! Die Seele, das ist die Form, die unser Leben hienieden, das ist in und an uns, erreicht hat.

 


 

Das Furchtbare, das über den kommt, dem der Sinn dafür aufgeht, was leben heißt, ist nur mit dem Grauen zu vergleichen, das die Kreatur in der Nähe des Todes befällt. Eine Höhe reißt ihn hin, jäh und von unersichtlicher Spitze, wie den Todgeweihten ein Abgrund; und er muß dort, wie dieser hier, nur ist sein Muß dort ein Wille. So muß er leben, ziellos vorwärts, wie jener sterben muß, haltlos verfallend.

 


 

Stürme des Herbstes, wilde, wüste Gesellen, wie lieb ich euch! Ihr wettert zusammen, was morsch und welk ist, und macht Bresche für die Entschiedenheit, den klaren, reinlichen Winter.

 


 

Das entschiedene Leben und der entschiedene Tod sind glückliche Zustände – aber die Über- und Niedergangszeiten sind schrecklich. Dann schmeckt nicht einmal der Tod so recht. Auf der höchsten Höhe an ihr zu sterben, das wäre schließlich die höchste Lebenskunst.

 


 

Zwischen Leben und Sterben gibt es ein Drittes: Krankheit, und diese von doppelter Natur: in der einen ringt sich Gesundheit zum Leben durch, in der andern zwingt der Tod Leben nieder, das sich noch wehrt. Beide Arten sind schwer voneinander zu unterscheiden und nie untrüglich.

 


 

Wie oft mag eine Krankheit nur die Mühe sein, die sich das Leben gibt, um gesund zu werden oder zu bleiben.

 


 

Kardinalfrage: warum – wenn Leben heilig ist – warum schont man nicht das heile, blühende, sondern nur das kranke, krüppelhafte, unheilbare, und läßt jenes an diesem verseuchen, versiechen und vergehen? Wo bleibt da seine Heiligkeit?

 


 

Wie leicht haben es die Toten! – Und sie sollten uns das Leben schwer machen? – Hinab mit ihnen!

 


 


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