Johann Wolfgang von Goethe
Tancred. Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire
Johann Wolfgang von Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierter Aufzug

Vorhalle.

 

Erster Auftritt

Tancred, Loredan, Ritter.

Loredan Mit Staunen und mit Trauer schauen wir
Den hohen Sieg, der dich verherrlichet.
Du hast uns einen tapfern Mann geraubt,
Der seine ganze Kraft dem Staat gewidmet,
Und der an Tapferkeit dir selber glich;
Magst du uns, edler Mann, nun deinen Namen
Und welch Geschick dich hergeführt, entdecken?

Tancred Vor seinem Tod' erfuhr es Orbassan,
Und meinen Haß und mein Geheimnis nimmt er
Mit sich ins Grab. Und euch bekümmre nicht
Mein trauriges Geschick; wer ich auch sei,
Ich bin bereit euch ritterlich zu dienen.

Loredan Bleib unbekannt, weil du es so begehrst,
Und laß, durch nützliche, erhabne Taten,
Uns deinen Mut zum Heil des Staates kennen!
Die Scharen der Ungläub'gen sind gerüstet.
Verteidige mit uns Religion,
Gesetz und Freiheit, jenes hohe Recht,
Sich selbst Gesetz zu geben. Solamir
Sei nun dein Feind und deiner Taten Ziel.
Du hast uns unsers besten Arms beraubt;
Der deine fechte nun an seiner Stelle.

Tancred Wie ich versprochen, will ich alsobald
Euch in das Feld begleiten. Solamir
Befeindet mich vielleicht weit mehr als euch;
Ich hass' ihn mehr als ihr. Doch, wie ihm sei,
Zu diesem neuen Kampf bin ich bereitet.

Roderich Wir hoffen viel von solchem hohen Mut;
Doch wird auch Syrakus dich und sich selbst
Durch seine Dankbarkeit zu ehren wissen.

Tancred Mir keinen Dank! Ich fordr', ich wünsch' ihn nicht,
Ich will ihn nicht. In diesem Raum der Trauer
Ist nichts was meine Hoffnungen erregte.
Wenn ich mein Blut vergieße, wenn ich euch,
Mein jammervolles Leben endend, nütze;
So fordr' ich keinen Lohn und kein Bedauren,
Nicht Ruhm, nicht Mitleid. Kommt, zu unsrer Pflicht!
Auf Solamir zu treffen ist mein Wunsch.

Loredan Wir wünschen die Erfüllung! Nun erlaube
Das Heer zu ordnen, vor die Stadt zu führen,
Das mit den Feinden sich zu messen brennt.
Du hörest gleich von uns. Erheitre dich!
Des Siegs, des Ruhms gedenke; alles andre,
Was dir auch Kummer macht, laß hinter dir!

 

Zweiter Auftritt

Tancred. Aldamon.

Tancred Verdienen mag sie's, oder nicht, sie lebt!

Aldamon Sie wissen nicht, welch eine gift'ge Wunde,
Dies zärtlich edle Herz in seinen Tiefen,
Mit unauslöschlich heißer Qual, verzehrt.
Doch wirst du nicht, o Herr, dich überwinden?
Und deinen Schmerz und die Beleidigung
Auf einen Augenblick vergessen? Nach der alten
Bestehnden Rittersitte, dich der Schönen,
Für die du kämpftest, überwandest, zeigen?
Die Leben, Ehre, Freiheit dir verdankt,
Wirst du ihr nicht sogleich die blut'gen Waffen
Des hingestreckten Feinds zu Füßen legen?

Tancred Nein, Aldamon! ich werde sie nicht sehn.

Aldamon Dein Leben wagtest du, um ihr zu dienen.
Nun fliehst du sie?

Tancred                       Wie es ihr Herz verdient.

Aldamon Ich fühle, wie dich ihr Verrat empört;
Doch hast du selbst für den Verrat gestritten.

Tancred Was ich für sie getan, war meine Pflicht.
So untreu sie mir war, vermocht' ich nie
Im Tode sie, in Schande sie zu sehen.
Sie retten mußt' ich, nicht auch ihr verzeihn.
Sie lebe, wenn Tancred im Blute liegt.
Den Freund vermisse sie, den sie verraten,
Das Herz, das sie verlor, das sie zerreißt.
Unmäßig liebt' ich sie, ganz war ich ihr.
Gefürchtet hätt' ich treulos sie zu finden?
Die reinste Tugend dacht' ich anzubeten;
Altar und Tempel, Schwur und Weihe schien
Mir nicht so heilig als von ihr ein Wort.

Aldamon Dich zu verletzen, sollte Barbarei
Sich mit Verrat in Syrakus vereinen.
In früher Jugend wurdest du verbannt,
Nun durchs Gesetz beraubt, gekränkt von Liebe.
Laß uns auf ewig dieses Ufer fliehn.
In Schlachten folg' ich, ewig folg' ich dir!
Hinweg aus diesen schmacherfüllten Mauern!

Tancred Wie herrlich zeigt sich mir das schöne Bild
Der Tugend wieder, das in ihr ich sah!
Die du mich Schmerzbeladenen hinab
Ins Grab verstoßest, dem ich dich entrissen,
Verhaßte Schuldige, Geliebte noch!
Die über mein Geschick noch immer waltet!
O wär' es möglich, könntest du noch sein,
Wofür im Wahne sonst ich dich gehalten!
Nein! Sterbend nur vergess' ich's. Meine Schwäche
Ist schrecklich, schrecklich soll die Buße sein.
Umkommen muß ich. Stirb und laß dir nicht
Von ihr die letzten Augenblicke rauben!

Aldamon Doch schienst du erst an dem Verbrechen selbst
Zu zweifeln. Ist die Welt, so sagtest du,
Der Lüge nicht zur Beute hingegeben?
Regiert nicht die Verleumdung?

Tancred                                         Alles ist,
Ach leider, zu bewiesen, jede Tiefe
Des schrecklichen Geheimnisses erforscht.
Schon in Byzanz hat Solamir für sie,
Ich wußt' es wohl, geglüht; auch hier, vernehm' ich,
Hat seine Leidenschaft ihn angetrieben,
Sich, einem Muselmann, der Christin Hand,
Vom Vater, als des Feindes Pfand, zu fordern.
Er hätt' es nicht gewagt, wenn zwischen ihnen
Sich kein geheim Verständnis angesponnen.
Sie liebt ihn! und mein Herz hat nur umsonst
An sie geglaubt, für sie umsonst gezweifelt.
Nun muß ich ihrem Vater glauben, ihm,
Dem zärtlichsten von allen Vätern, ihm,
Der selber sie verklagt und sie verdammt.
Was sagt' ich! ach! sie selbst, sie klagt sich an.
Mit Augen sah ich jenes Unglücksblatt,
Von ihrer eignen Hand, die Worte sah ich:
»O möchtest du in Syrakus regieren,
Und unsre Stadt beherrschen, wie mein Herz!«
Mein Unglück ist gewiß.

Aldamon                             Vergiß, Erhabner!
Verachtend strafe die Erniedrigte!

Tancred Und was mich kränkender als alles trifft,
Sie glaubte sich zu ehren, glaubte sich
Dem größten Sterblichen zu weihen. Ach!
Wie tief erniedrigt, wie zerknirscht es mich!
Der Fremde kommt und siegt, erfüllt das Land,
Und das leichtsinnige Geschlecht, sogleich
Vom Glanz geblendet der um Sieger strömt,
Entäußert sich der alten frommen Triebe
Und wirft sich dem Tyrannen an die Brust,
Und opfert den Geliebten einem Fremden.
Umsonst ist unsre Liebe still und rein,
Umsonst legt uns die Ehrfurcht Fesseln an,
Umsonst verachten wir den Tod für sie!
Auch mir begegnet's, und ich sollte nicht
Das Leben hassen, die Verrät'rin fliehn?

 

Dritter Auftritt

Tancred, Roderich, Aldamon, Ritter.

Roderich Beisammen ist das Heer; die Zeit enteilt!

Tancred Es ist geschehn, ich folge.

 

Vierter Auftritt

Die Vorigen, Amenaide, Euphanie.

Amenaide (heftig herbeieilend)       Laß, mein Retter!
Herr meines Lebens! mich zu deinen Füßen –
    Tancred hebt sie abgewendet auf.
Ich fühle hier mich nicht erniedrigt. Laß
Auch meinen Vater dir die Knie umfassen!
Entziehe deine hohe Gegenwart
Nicht unsrer Dankbarkeit! Wer darf mich schelten,
Daß ich mit Ungeduld zu dir mich stürze?
Dir, meinem Retter, darf ich meine Freude
Nicht völlig zeigen, nicht mein ganzes Herz.
Nicht nennen darf ich dich – du blickst zur Erde!
Ach! mitten unter Henkern, blickt' ich auf,
Ich sah dich und die Welt verschwand vor mir;
Soll die Befreite dich nicht wieder sehen?
Du scheinst bestürzt, ich selber bin verworren;
Mit dir zu sprechen fürcht' ich. Welcher Zwang!
Du wendest dich von mir? du hörst mich nicht?

Tancred Zu deinem Vater wende dich zurück
Und tröste den gebeugten edlen Greis.
Mich rufen andre Sorgen weg von hier,
Und gegen euch erfüllt' ich meine Pflicht.
Den Preis empfing ich, hoffe sonst nichts mehr.
Zu viele Dankbarkeit verwirret nur,
Mein Herz erläßt sie dir und gibt dir frei,
Mit deinem Herzen, nach Gefühl, zu schalten.
Sei glücklich, wenn du glücklich leben kannst,
Und meiner Qualen Ende sei der Tod.

 

Fünfter Auftritt

Amenaide, Euphanie.

Amenaide Ist es ein Traum? Bin ich dem Grab entstiegen?
Gab mich ein Gott dem Lebenstage wieder?
Und dieses Licht umleuchtet es mich noch?
Was ich vernehmen mußte, war es nicht
Ein Urteil schreckenvoller, schauderhafter
Als jenes das dem Tode mich geweiht?
Wie gräßlich trifft mich dieser neue Schlag!
Ist es Tancred der so sich von mir wendet?
Du sahst wie kalt und tief erniedrigend
Er mit verhaltnem Zorne mich vernichtet.
Die Liebste sah er mit Entsetzen an!
Dem Tod entreißt er mich, um mich zu töten!
Durch welch Verbrechen hab' ich das verdient?

Euphanie In seinen Zügen wandelte der Zorn,
Erzwungne Kälte lebt' in seiner Stimme,
In Tränen schwamm sein abgewandter Blick.

Amenaide Er flieht, verstößt mich, gibt mich auf, beleidigt
Die ihm das Liebste war. Was konnt' ihn so
Verändern? Was hat diesen Sturm erregt:
Was fordert er? Was zürnt er? Niemand ist
Zur Eifersucht ihn aufzureizen würdig.
Das Leben dank' ich ihm, das ist mein Ruhm.
Als Einziger geliebt, mein einz'ger Schutz,
Gewann er mir, durch seinen Sieg, das Leben;
Was ich um ihn verlor erhielt er mir.

Euphanie Die öffentliche Meinung reißt auch ihn
Vielleicht mit fort, vielleicht mißtraut er ihr
Und sie verwirrt ihn dennoch. Jener Doppelsinn
Des Unglücksbriefs, der Name Solamirs,
Sein Ruhm wie seine Werbung, seine Kühnheit,
Spricht alles gegen dich, sogar dein Schweigen,
Dein stolzes großes Schweigen, das ihn selbst,
Tancreden selbst, vor seinen Feinden barg.
Wer könnte dieser Hülle Nacht durchdringen?
Er gab dem Vorurteil, dem Schein sich hin.

Amenaide So hat er mich verkannt?

Euphanie                                         Entschuldige
Den Liebevollen.

Amenaide                 Nichts entschuldigt ihn!
Und wenn mich auch die ganze Welt verklagte;
Auf eignem Urteil ruht ein großer Mann,
Und der betrognen Menge setzt er still
Gerechter Achtung Vollgewicht entgegen.
Aus Mitleid hätt' er nur für mich gestritten?
Die Schmach ist schrecklich, sie vernichtet mich.
Ich ging für ihn, zufrieden, in den Tod;
Und nun entreißt er mir ein Zutraun, das
Mich von dem Tod allein noch retten konnte.
Nein, dieses Herz wird nimmer ihm verzeihn.
Zwar seine Wohltat bleibet stets vor mir,
Auch im gekränkten Herzen, gegenwärtig;
Doch glaubt er mich unwürdig seiner Liebe,
So ist er auch nicht meiner Liebe wert;
Jetzt bin ich erst erniedrigt, erst geschmäht.

Euphanie Er kannte nicht –

Amenaide                           Mich hätt' er kennen sollen!
Mich sollt' er achten wie er mich gekannt,
Und fühlen daß ich solch ein Band, verrätrisch,
Unmöglich zu zerreißen fähig sei.
Sein Arm ist mächtig, stolz ist dieses Herz.
Dies Herz, so groß wie seines, weniger
Geneigt zum Argwohn, zärtlicher gewiß,
Entsagt auf ewig ihm und allen Menschen.
Falsch sind sie, voller Tücke, schwach und grausam,
Betrogene Betrüger! und vergißt
Mein Herz Tancreden, wird's die Welt vergessen.

 

Sechster Auftritt

Arsir, Amenaide, Gefolge.

Arsir Nur langsam kehret meine Kraft zurück,
Das Alter trägt die eignen Lasten kaum,
Den ungeheuren Schmerzen lag ich unter.
Nun laßt mich jenen edlen Helden sehn,
An meine Brust ihn drücken. Sage mir,
Wer war's? wer hat mein einzig Kind gerettet?

Amenaide Ein Mann, der meine Liebe sonst verdient,
Ein Held, den selbst mein Vater unterdrückte,
Den ihr verbanntet, dessen Namen ich
Vor euch verschweigen mußte, den zu mir
Das unglücksel'ge Blatt berufen sollte,
Der letzte Sproß des hohen Ritterstammes,
Der größte Sterbliche, der mich nun auch,
Wie Jedermann, verkennt! es ist Tancred!

Arsir Was sagst du?

Amenaide               Was mein Herz nicht mehr verschweigt,
Was ich mit Furcht bekenne, da ich muß.

Arsir Tancred?

Amenaide       Er selbst! Ich wußt' ihn in der Nähe;
Ihn zu berufen dacht' ich. Mich befreien
Sollt' er von Orbassan; da fiel mein Blatt
In eure Hand. Ihn führt sein eignes Herz
In diese Mauern, mich vom Tod zu retten,
Und ach! nun bin ich auch von ihm verkannt.
Mit unsern Helden eilt er schon hinaus
Und kämpft für uns mit tief zerriss'nem Busen.

Arsir Der Edle, den wir unterdrückten, dem
Wir Güter, Würde, Vaterland geraubt,
Er kommt uns zu beschützen, wenn vor ihm
Als tückische Tyrannen wir erscheinen.

Amenaide Verzeiht euch selbst, er wird euch gern verzeihen;
Auch dir vergeh' ich, daß du allzuschnell
Zu meinen strengen Richtern dich gesellt,
Auf der Natur gelinde Stimme nicht,
Aufs Zeugnis meines Lebens nicht gehört.

Arsir An ihn war jenes Unglücksblatt geschrieben?

Amenaide An ihn, er war mein Einz'ger in der Welt.

Arsir Und wie hat Liebe dich zu ihm geleitet?

Amenaide Schon in Byzanz, an meiner Mutter Hand.

Arsir Nun kränkt dich sein Verdacht? Es irrt auch er?

Amenaide Dem Zeugnis eines Vaters mußt' er glauben.

Arsir Wie übereilt, o! wie verstockt ich war!

Amenaide O! könntest du nun auch das Rätsel lösen!

Arsir Ich eile! Kommt! Zu Pferde! Laßt mich ihm
Bis in der Schlacht verworrne Tiefe folgen;
Dort kämpft er freudiger, wenn er erfährt
Daß du ihn liebst und daß du redlich bist.
Verzweiflung kämpft, ich fühl' es, nun mit ihm;
Den schönern Mut wird ihm die Liebe geben.

Amenaide Du gehst nicht ohne mich!

Arsir                                                 Du bleibst zurück!

Amenaide In diese Mauern soll mich nichts verbannen.
Scharf in die Augen faßt' ich schon den Tod,
Er blickte gräßlich; auf dem Feld der Ehre
Erscheint er mächtig, aber nicht verhaßt.
Nimm mich an deine Brust, an deine Seite!
Verstoße mich zum zweitenmale nicht.

Arsir Gehorsam hab' ich nicht von dir verdient,
Mein väterliches Recht hab' ich verscherzt;
Allein bedenke, welchen kühnen Schritt
Du vor den Augen aller Bürger wagst.
Zum Kampfe zieht ein zärtliches Geschlecht,
Dem engen Zwang entwachsen, nicht hinaus.
In andern Landen mag es Sitte sein;
Doch hier versagt's Gewohnheit und Gesetz.

Amenaide Gesetz, Gewohnheit, Sitte darfst du nennen;
Ich fühle mich erhoben über sie.
An diesem ungerechten Schreckenstage
Soll mir mein Herz allein Gesetze geben.
Was? Die Gesetze, die so schwer auf dir
Und deinem Haus gelastet, die
Geboten deine Tochter unter Henkers Hand,
Vor allem Volk, entwürdigt, hinzustoßen,
Die sollen jetzt verbieten daß ich, dich
Ins Ehrenfeld begleitend, mich entsühne?
Sie sollten mein Geschlecht vor Feindes Pfeilen,
Nicht vor der Schmach des Schandgerüstes wahren?
Du bebst, mein Vater? Hätte damals dich
Ein Schauer überlaufen, als, geneigt,
Der feindlichen Partei zu schmeicheln, du
Dich mit dem stolzen Orbassan vereintest,
Dem einz'gen Sterblichen zu schaden, der
Euch retten sollte, damals, als in mir
Den heiligen Gehorsam du zerstörtest –

Arsir Halt ein und kränke den Gekränkten nicht!
Er ist dein Vater; brauche nicht das Recht,
Mich anzuklagen und verschone mich!
Laß meine Schmerzen mich bestrafen, laß,
Wenn du Verzweiflung eines Vaters ehrst,
Laß von dem Pfeil der Mauren mich allein
An unsers Helden Seite fallen, wenn
Ich deine Lieb' und Unschuld ihm entdeckt.
Ich gehe! Haltet sie!

 

Siebenter Auftritt

Amenaide                     Wer darf mich halten?
Wer hat gelitten was ich leiden muß?
Und wer hilft mir ertragen was ich trage?
Nein! Soll ich nicht elendiglich vergehn,
So muß ich fort, ich muß mich tätig zeigen,
Ich muß ihn suchen, finden! In der Schlacht
Gedrängtestem Gewühle treff ich ihn.
Dort sollen alle Speere die ihm drohn
Auch mir des Lebens nahes Ende deuten.
Dort wirft vielleicht sich diese treue Brust
Dem Streiche, der ihn treffen soll, entgegen.
Er haßt, er flieht mich ungerecht! Auch mir
Empört das Herz im Busen sich, und ihn
Gestraft zu sehen ist mein Wunsch. Gestraft
In mir! An seiner Seite soll des Feinds
Geschärfter Pfeil mich treffen! dann ergreift
Sein kriegerischer Arm die Sinkende;
Alsdann erwacht sein Mitleid, doch zu spät!
Und er erfährt, daß ich ihm treu geblieben;
Er ruft umsonst ins Leben mich zurück,
Und heiße Reue quillt in seinem Busen,
Und alle Schmerzen jammervoller Liebe
Wälz' ich im letzten Seufzer auf ihn los.

 


 << zurück weiter >>