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Indessen, ist auch keine Einheit gestattet, die Vielheit ist nicht ausgeschlossen; es sind ja allzumal Kinder des Fleisches, deren jedes seinen eigenen Willen hat. Also theilt sich die Freischaar wieder nach Belieben in kleinere Haufen unter; und da haben die, welche ihren Stamm aus der Bauhütte des Königs Hiram ableiten, in die erste Rotte sich zusammengedrängt. Das sind die alten geschäftigen Zwerge; Steinzwerge und Staubzwerge, die wie Maden im Erdfleisch sitzen, und es benagen, und feist werden in der Dunkelheit; lassen sie aber aussen vom Tage sich bescheinen, oder dringt das Licht zu ihnen hinunter, dann werden sie sogleich in Stein verwandelt. Sie sind darum auch nur bei nächtlichen Ueberfällen zu brauchen. Dem König Salomo haben sie seinen Tempel aufgebaut; die Abrede war: er sollte ihrem Moloch sammt den Baalims seiner Kebsweiber dienen; der weise König aber, der Alles kannte von der Ceder von Libanon bis zum Mauerkräutchen, hat unversehens die Sonne zu den Wimmelhaufen hineingelassen; und da sie nun zu Stein zusammengiengen, hat er den Tempel seinem Jehova geweiht. Seither haben sie einen bittern Haß auf das Licht geworfen und führen all ihre Bauwerke im Dunkeln, bis an die Oberfläche der Erde auf, daß man über ihr nichts gewahrt; aber wo es etwas niederzureissen und zu demoliren giebt, sind sie immer dabei. Um den Stein, auf dem die Kirche steht, arbeiten sie am emsigsten, damit sie ihn endlich aus dem Wege schaffen; aber es wächst immer am Tage mehr nach, als sie in der Nacht klein gebracht; trotz dem lassen sie jedoch keine Mühe sich verdrießen. In zweiter Rotte ziehen dann die Donnerkinder einher, die sind vom Cyclopengeschlecht mit einem Auge auf der Stirne, und kommen noch aus den Zeiten her, wo die Bären mit abgehauenen Tatzen Schildwacht gestanden. Da haben sie als Wegelagerer an den Heerstrassen gelegen, und die Wanderer mit Roß und Wagen ihren Kindern zum Spielzeug weggefangen. Zum Frühstück verzehren sie eiserne Stangen, und verdauen die zu braunem und rothem Ocher, womit sie wieder sich bemalen, um ihren Feinden sich recht furchtbar zu machen. Sie lieben es, mit ihren ungemein groben Fäusten kurzweg drein zu schlagen; Berge haben sie schon mit ihren nägelbeschlagenen Holzschuhen platt getreten. Sie begreifen nimmer, wie man so viel Federlesens mit dem dummen Volke machen kann; sie würden es ganz anders in ihren Stall eintreiben, und ihm den Stein vor die Thüren setzen, bis es vor Hunger zu Kreuze kröche. Renommiren und Pochen ist ihr natürlicher Finkenschlag; sie lernen aber leicht jede Weise, die ihr Herr ihnen nur einigemal vorgepfiffen, und können dann so zart wie möglich thun. In neuerer Zeit haben sie, da eine Krankheit unter sie gekommen, einige Stockwerke sich abnehmen lassen; aber sie fürchten bald gänzlich auszugehen, weil die Weichlichkeit der Zeit gar sehr der Race schadet. Darum haben Junge, von denen die noch längere Lebenslust in sich verspüren, beim Zuge sich angemeldet. Dort hat man sie zuletzt als Flügelmänner angestellt, wo sie mit weit ausgreifendem Schritt scharf auftretend, die Confusion in Netwa zusammenhalten, daß die Gassenbuben sie unangefochten passiren lassen. Darauf kommen ganz andere Leute, die gemässigten Biedermänner heranmarschirt, die hat dem Riesenvater eine Zwergmutter geboren; da aber das Riesenblut keinen Raum hatte, sich in die Länge auszubreiten, ist es in die Corpulenz geschlagen; und so schlottern sie, ihr den nöthigen Raum vergönnend, sich bei den butterweichen Fäusten fassend, in losen Gliedern einher. Ihr Geschäft ist, die Parität zwischen den Confessionen zu handhaben; dazu haben sie für die Eine das lange Maaß ihrer Väter, für die Andere das kurze aus dem Mutterhause; damit messen sie nun jeder ihre gleiche Anzahl Ellen zu: was will der Dummbart sich nun über seinen kleinen Theil beklagen? Als die beiden Mütter vor Salamo um das lebende Kind und um das todte Kind gehadert, hat der König befohlen: das lebende Kind mit dem Schwerte unter die Hadernden zu theilen, und das Ungetheilte der dann zuerkannt, die überwallend dem Theilen gewehrt, und man hat des Richters Weisheit gerühmt. Diese aber, im Streit der Confessionen um den lebendigen Glauben und den todten Glauben, würden den lebendigen Glauben denen zusprechen, die zur Theilung bereitwillig sich erklärt; und das würde als der Gipfel der Weisheit an ihnen gepriesen werden. Solche höchst gerechte Biedermänner haben übrigens ehmals bei der Reiterei gestanden; wie der Alp haben sie nämlich denen aufgesessen, die sich ihnen hingegeben; endlich sind die Gerittenen wild geworden, und haben die Reiter abgeworfen. Verwundert haben diese sich aufgerafft, verstehen nicht und begreifen nicht, und geben sich alle Mühe, die Welt vom erlittenen Unrecht zu überzeugen; die aber, welche ausgeschlagen, zu überreden, daß sie ihre Reiter wieder aufsitzen lassen. Sie werden ein Einsehens gewinnen, und sich gewöhnen müssen, zu Fuß zu dienen. Darauf kommen nun die Gesalbten des Herrn, rationalistischer Mundart, herangeschritten. Mit dem Herren haben sie aberechnet, der hat ihnen ihr Mütterliches herausgegeben, und sie ziehen lassen; aber ihr Mund trieft noch von der Salbung, und eine eigene Drüse bereitet sie fort und fort. Wie die Bräute des hohen Liedes gehen sie dem Lamme nach, aber dies Lamm hat den Wolf gefressen; sie hören ihn noch vernehmlich heulen aus seinem Kerker, und nun wandeln sie mitleidig dem Wandelnden wehklagend aller Orten nach. Ihre Miene ist Freundlichkeit, ihre Zunge fließt, über von Liebe, Verträglichkeit, ihr ganzes Hautsystem schwitzt toleranteste Gesinnung aus, und sie singen Klaggesänge, wie sie dies Alles immerdar reichlich und unaufhörlich geübt, und nun sey schwarzer Undank ihr Lohn geworden. Der Wolf aber heult aus ihnen Psalmen hervor wie aus dem Lamme. Denn die Tücke und die Falschheit, sie hat sich unter der Fallbrücke der Zunge versteckt; und während die honigsüßen Worte darüber hingleiten, mischen beide behend den Schaum der Giftblase hinter dem Zahne bei, daß sich die ekle Emulsion bereitet, die sie ihren Liebhabern um die Lippen als Mundpommade schmieren. Sie sagen: lange hätten sie mit langmüthiger Mässigung, oder aufrichtig zu sagen, mit Verachtung dem Geläufe am Rheine zugesehen; endlich sey ihnen aber die Geduld gerissen, und sie hätten, obgleich widerwillig, sich entschlossen, den Zug mitzumachen. – Ihnen schließen die Vernunftpraktikanten sich an, die Verstandessensale, die pantheistischen Sachwalter, die nach langem Prozesse ihren Gott fallitt erklärt, und sich in seine Verlassenschaft getheilt: alles große, gesetzte Männer mit sechs Fingern an jeder Hand; auf Beinen einherschreitend gleich Säulen, wie der Engel im Kupferwerke der Apokalypse, ihre Schatten aber nach aufwärts gegen die Wolken werfend. – Dann kömmt eine breite Lücke offen gehalten für jene übertriebenen Katholiken, welche die Wallfahrt und die angeblichen Wunder ungern gesehen; und weil sie von allen diesen Vorgängen unberührt geblieben, die Adressen anonym unterzeichnet haben. Die Magdeburger Zeitung (17. Nov.) schätzt ihre Zahl auf eilf Millionen achtmalhundert sieben tausend Köpfe; indem nach ihrer Angabe derselben gerade zehnmal mehr als der Pilger gewesen; ungerechnet jene, die allzu blöde über die ganze Sache sich nicht ausgesprochen, und füglich noch den Andern beigezählt werden könnten. Der Zeit noch bis zu ihrer förmlichen Einberufung, werden sie von einem schlesischen Fabrikanten ihres Zeichens im Zug vertreten. Darauf kömmt nun Mantis, das wandelnde Blatt, oder der wandernde Weinhandel, ein Artikel aus Raffs Naturgeschichte, langbeinig herangetrippelt und herangeritten; wie die Ketten der Rebhühner in großen Flügen mit lautem Lärm alle Landschaften überziehend. Sie sind überall die Hahnen auf dem Miste, Hans in allen Gassen schauen sie zu allen Fenstern hinein. Oratoren an den Wirthstischen legen sie die Geschichte und die Menschheit den Zuhörern geläufig aus; so viel Mund, so viel Pfund! wer mag da widerstehen. Sie versehen übrigens ihre Geschäfte pünktlich, nehmen zwischendurch Subscription und Pränumeration auf Revolution und Religionskrieg an; und da sie ohnehin immer auf allen Wegen und Stegen umgehen, versehen sie die Dienste der Marschcommissäre bei dem Zuge. Dann folgt wieder eine Lücke, bestimmt um die fünfzig Humoristen einzurangiren, für die so eben ein Concurs ausgeschrieben worden. Die Candidaten müssen in der Schule englischer Publicisten erzogen seyn, und darüber mit hinlänglichen Zeugnissen sich ausweisen können. Drei haben schon ein jedoch nur provisorisches Engagement erhalten, aber ein lästiger Uebelstand tritt bei ihnen ein: der Humor fließt ihnen, wie es bei den Geiern statt findet, als eine widerliche, übelriechende Flüssigkeit aus den Nasenlöchern hervor, was für die Nahestehenden sehr unappetittlich ist. Die also auf die Stelle reflectiren wollen, werden sich besserer Reinlichkeit befleißen müssen, und sich ihrer Effluenzen zu bemeistern suchen. Dann kommen die Männer von Schneidemühl, 20, oder 16, auch 72 Köpfe stark, die aber noch stärkeren Nachschuß erwarten. Sie gehen mit weißen Stäben von ihrem Caplan geführt, der sich Befreiung vom Cölibate, ihnen aber vom Fastenmandate vorbehalten, und werden überall als Proben des reinen Christenthums vorgewiesen. Endlich macht Crethi und Plethi den Schluß; Leute, die ihr Gesicht von der Münze, jedesmal nach dem Regenten wechselnd, ausgeprägt erhalten, und unter ihm nun zu Rotten sich summiren. In ihrer Mitte befindet sich auch die hoffnungsvolle Gassenjugend. Die wird vorgesendet, wenn der Schrecken einer kleinen Emeute eingejagt werden soll, wenn ein bemoostes Haus nicht aus dem Wege geht, wo eine Garde gelind zu mauschelliren, wo irgend ein Pedant die steife Ordnung zu manteniren sich unterfängt. Dieser kleine Krieg hat bei schreckhaften Leuten schon Großes erwirkt.

Nachdem in solcher Weise die Stämme des Heeres sich zusammengefunden, wird zur Organisation der verschiedenen Branchen des Dienstes vorgeschritten. Das Geniecorps macht das wenigste Kopfbrechen; es ist ganz kurz, wie eine homöopathische Apotheke, im Raum eines dünnen Kleinoctavbandes beisammen. Zu Seckelmeistern hat man Anfangs die Augen aus den Gustavadolphsverein hingeworfen; aber obgleich die spendende Liebe, des Menschen schönster Schmuck, des Menschenfreundes Freude, des protestantischen Glaubens sicherste Bürgschaft ist; so hat sich doch bald gezeigt, daß diese Quelle nicht so reichlich, wie bei den sogenannten »guten Deutschen« für diese Zwecke stießen will; der Verein hat also das Geldsammeln und Unterstützen nicht ferner mehr für die Hauptsache erkannt, sondern dem Geist sich zugewendet, »der ewig ist und lebendig macht.« Also hat man lieber den Grundsatz des dreißigjährigen Krieges angenommen: das Heer ernährt sich selber, die Zeche wird dann dem Missionsvereine der guten Deutschen zugesendet. Die vierzehn Uebersetzer von Sue's ewigem Juden sind unterdessen einstweilen zu Proviantkommissären bestellt. Die sind vollkommen instruirt, wie es in der Hofküche, bei der sie ihre Anstellung haben, gehalten wird. Mit dem lauwarmen Gespühlig, auf dem die reizenden Fettaugen orientalisch feurige Blicke schießen, wird die Kleie und der Oelkuchen im Koben gelind angebrüht; die Abfälle und Häutungen von Kartoffeln und anderem Gemüse werden hinzugefügt; Kürbisse ellendick werden hineingeschnitten, mit Trebern wird das delicate Mahl gewürzt, eine Hand voll Salz und Ingwer werden hineingeworfen, zartes Geknöche noch zugebrockt; und so ist die Ambrosia für Götter und unsterbliche Menschen fertig und wird brühwarm verspeist. Ist der welsche Geist erst gesättigt, dann wird mit Wischlappen den werthen Tischgenossen das Maul gesäubert, und was hängen geblieben, sorgfältig aufgefaßt; was sie in den Koth geschüttet und vertreten, von den Vierzehnern fleißig in den Trog hineingeschaufelt, etwas neue Kleie und Fußmehl wird zugesetzt, dann fein geriebene Eichenrinde aufgestreut, und nun wird der Tisch den Fremden gedeckt. Es ist herzerhebend, solcher Speisung zuzuschauen. Auf den Ruf des Hornes kommen alle werthen Gäste herzugestürzt; wahrlich keine Kostverächter, machen sie dem Mahle, das Mahl aber wieder ihnen die größte Ehre. Besonders dann, wenn zur Schärfung des Appetittes auf einige Tage gebotener Fasttag angesagt gewesen, ist es rührend, die Trostlosigkeit der Hungernden und ihre Verzweiflung anzusehen: wie dann endlich, wenn das Signal ertönt, der Heißhunger sich zur Sättigung drängt; wie jeder dem Andern rechts und links die besten Bissen wegzufangen weiß, und mit welcher Schnelle des ägyptischen Josephs volle Scheunen geleert werden. Fängt die Sättigung an, dem Nachdenken und der Vergnüglichkeit Platz zu machen, dann erquickt es, zu schauen, wie liebeselig die Gäste sich untereinander ansehen, während die schmackhafte Brühe ihnen noch in den Mundwinkeln sitzt; wie sie einander kauend sich an die Unterkiefer fahren, und nachdem sie ihre Genüge sich angegessen, sich gegenseitig wieder nett und sauber reiben. Nachdem auf diese Weise für die Verpflegung des Heeres vorgesorgt ist, wird auch das in gebundener und ungebundener Rede schreibende, trommelnde, pfeifende und blasende Hauptquartier eingerichtet. Den sächsischen Vaterlandsblättern ist die Organisation dieses Dienstzweigs anvertraut; begreiflich, daß die ehrenwerthen Collegen den ersten Anspruch auf Anstellung in diesem Departemente haben. Die drängen sich denn auch bald in hellen Haufen zu. Die Elberfelder Zeitung, das Frankfurter Journal und die Postamtszeitung mit ihren Beiwagen, die Mannheimer Abendzeitung, der schwäbische Merkur und der Beobachter, die von Bremen und Magdeburg, die Berliner Zeitungen und die Königsberger, der Herold, die deutsche Allgemeine und die Schlesische, sie kommen herzugelaufen, und empfehlen sich zu Gnaden. Aber der Organisations-Commissarius hat zuvor ein strenges Gericht gehegt. Die rheinischen Zeitungen wurden, wie schon gesagt, als Verräther und Apostaten gleich anfangs fortgejagt. Die illustrirte Zeitung wollte sich, unter dem Haufen der andern, mit einschleichen; die ist aber schön angekommen. Der Commissarius hat ihr eine schöne Anrede (Vaterl. Bl. 16. Nov.) gehalten. Ueber pfäffische Pfaffenpfaffen, ganz verschieden von den Jesuspriestern, wird sie bedeutet; dann von ihrer vagen Charakterlosigkeit geredet, die ein Bildlein des Rocks zu bringen sich nicht gescheut, die Feier in Trier »einen Ausbruch des katholischen Gefühls« genannt, und verächtlich vom » sogenannten freien Geist« geredet; dadurch am Rocke sich betheiligt, bei dessen Ausstellung, wie sie sagt, der Unglaube sich breit gemacht. Plattheiten, Unsinn, Jesuitism werden den Herausgebern dann vorgeworfen, und wie sie allen protestantischen Anstand mit Füßen getreten. Schamröthlich und betreten zieht die Begossene sich zurück, und sucht nachher in der Stille ihr großes Vergehen wieder gut zu machen. Nachdem die Zeitung von Bremen mit einem gelinderen Verweise zurecht gewiesen worden; werden die kleineren Klatschblätter, viele hundert an der Zahl, zum Examen zugelassen. Zur Probe müssen sie die Quadratwurzel aus einer verneinenden Größe ziehen. Die Feldschmiede des Heeres wird diesem Departement beigegeben, damit die handfesten Lügenschmiede ihm den nöthigen Bedarf an dieser Munition fertigen. – So war das Heer in seinen verschiedenen Dienstbranchen eingerichtet, und die Sanitätsbeamten und Stabsärzte wurden sofort angewiesen, im Vorbeiziehen ein aufmerksames Auge auf Böhmen hinzurichten, damit die Infection von Seite der dort herrschenden animalischen Influenza abgehalten werde. Die Rheinländer sahen aufmerksam der ganzen Anstalt zu, schüttelten die Köpfe, und meinten, es werde wohl mit dem ganzen Lärm zuletzt auf eine Schlacht von Jena abgesehen seyn.

Nachdem alle Zweige des Dienstes also eingerichtet worden, wurde ein Kriegsrath abgehalten, um über das Programm des vorhabenden Krieges übereinzukommen. Das lautete ohngefähr folgendermaßen: Wir haben viel geheilet an Babylon, dieser Kirche von Rom; noch ist sie nicht gesund worden, wir wollen sie fahren lassen. Lasset uns zerreissen ihre Bande, und von uns werfen ihre Stricke! wir haben ihre falsche, verführerische, gewaltvermessene Lehre lange genug geduldet; wir wollen sie jetzt ausrotten, daß auch nicht eine Wurzel von ihr überbleibe. Damit das geschehen könne, muß vom ersten Anfang herein Alles, was sie die Welt zu glauben und für wahr und recht zu halten überredet hat, abgethan werden und verdruckt und zerstört. Sie hat einen Pabst in den Himmel gesetzt, daß er Alles dort regiere und beherrsche; sich aber auf Erden einen Andern aufgeworfen, der sich auch als einen Gott stellt, der alle geistlichen Rechte in seines Herzens Kasten gefangen hält, und sich für untrüglich achtet. Beide Päpste müssen abgeschafft werden, denn alle Menschen sind ja Könige, und gleicher Gewalt; und Alles, was aus der Naturtiefe gekrochen, mag sich rühmen, daß es schon als Priester, Bischöfe, Papst im Himmel und auf Erden geweiht worden; obwohl nicht gerade einem Jeden ziemt, dieß Amt zu üben, von der Gemeinde hätten denn zuvor Alle es gutmüthig zugegeben. Sie haben auch viel von der Einheit gefabelt, als sey sie an sich kräftig; ist aber Alles Lug und eitel Täuschwerk; denn ohne Gemeinde ist sie Nichts. Die Gemeinde der Menschen, sie allein ist aller Dinge mächtig, und in ihrem Glauben ist sie Gottes mächtig, ohne daß es der Werke in Wirklichkeit bedürfte. Auch was sie vom Sündenfall erzählen, ist Fabelwerk; sie haben darauf die Zehngebote und die Verzeichnisse von verbotenen und unverbotenen Dingen, von Tugenden und Lastern, von bösen und guten Werken gegründet und darauf wieder ihre Brüderschaften, geistliche und weltliche Butterbriefe, Erpressungen und was des Dinges gleich ist, aufgebaut: aber Alles ist betrügerisches Narrenwerk, und muß ersäuft und umgebracht werden. Auch mit der Wahrheit haben sie nur einen neuen Abgott aufgethan, und haben die Lüge das Böse genannt; da sie doch in scrinio pectoris eines jeden Menschen geschrieben steht, und das hat Gott darein geschrieben, und was er gethan ist gut gethan; und zeigt sich, wenn der Mensch nach seiner Lust und seinem Begehren thun kann; und ist wahr, daß weder der Papst, noch ein Bischof, noch ein Mensch, noch ein Engel, das Recht habe, einem wahren Menschen über seinen Willen hinaus etwas vorzuschreiben. Die Mehrheit der Gegenwärtigen entscheidet dabei allein, was wahr und recht in diesem seinem Willen sey. Weil es also, wie gesagt, gar nicht auf die Werke ankömmt, wie sie geschaffen sind in ihrem Wesen, sondern allein auf den Glauben an die eigene Untrüglichkeit und die Allmacht des vereinigten Willens, die Alles rechtfertigen und möglich machen: darum befiehlt der Kriegsrath auf diese Grundsätze, die unwidersprechlich und unwiderlegbar sind, folgende Thesen als Norm und Richtschnur des Kampfes anzuschlagen:???

1) Der Kriegsrath setzt voraus: daß Alle beim Heere die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele hinter sich haben, daß also keiner durch Furcht vor dem, was nicht ist, sich feige abhalten lassen werde, seine Pflicht zu thun.

2) Die Lehre von der Wahrheit an sich ist eine Erfindung des römischen Antichrist; wahr ist allein, was wir und die Unsrigen für wahr halten, und worüber wir gegenseitig übereingekommen; die also, welche sich zum Andern halten, sind Kinder der Nacht und Finsterniß, und müssen ausgerottet werden.

3) Es giebt auch kein Recht und kein Unrecht an sich; so wie wir über das, was Rechtens ist, miteinander übereingekommen, bleibt den Gegnern keine Wahl, als das Unrecht für ihren Theil zu nehmen; wer widerspricht, wird vogelfrei erklärt.

4) Die natürliche Billigkeit ist ein alt eingewurzelt Vorurtheil; billig mag der Schwache seyn, der Starke darf das Unbillige fordern; wer ist's, der das ihm wehren mögte.

5) Die Scham über ein gemachtes Versehen ist eine böse Angewöhnung, die ihren Ursprung in der Blödigkeit uncultivirter Menschheit genommen; sie kann nicht statthaft seyn, weil wer untrüglich ist, es auch in Nichts versieht. Die Stirne also soll mit dreifachem Eisen im Heere gepanzert seyn.

6) Das sogenannte Gewissen ist eine Vogelscheuche, in Mitte der scheuen Menschheit aufgerichtet, um sie von den Früchten des Baumes der Erkenntniß abzuhalten; Gewissenhaftigkeit soll also im Heere nicht erfunden werden.

7) Was sie Ehre nennen, ist ein Erbstück des finstern Mittelalters, eine widerwärtige Hemmniß des freien Geistes, der nie erröthet, eine Lähmung seines Fluges. Sie ist abgethan erklärt.

8) Der Abscheu vor der Lüge ist eitel Ziererei, aus einer natürlichen Krankheit des menschlichen Geschlechts als Nachwirkung hervorgegangen; behandle das Unwahre, wie du mit dem Wahren zu thun gewohnt gewesen; laß dich durch kein Einreden irre machen, und die Lüge wird dir vollkommen die Dienste der Wahrheit leisten, und du hast dich von einem drückenden Vorurtheile frei gemacht!

9) Ein hocherhabenes, belorbeertes Haupt wird von dem, was sie in ihrer engen Befangenheit Schimpf und Schande nennen, nicht verunziert; denn aus unserem Gesichtspunkte angesehen, stellt es sich als Preis und Ehre dar.

10) Treue ist nur unwürdige Gebundenheit an den Despotism eines Wortes oder Prinzips; der Freie löst sich kühn von dieser Fessel des Fatalismus, und es kümmert ihn nicht, wenn sie ihn falsch und untreu nennen.

11) Nachgiebigkeit, Milde, Verträglichkeit, Liebe, alles Papiergeld aus Lumpen herausgeprägt; Thoren, die sie nach ihrem Nennwerth voll annehmen! Brauchen wir sie aber, um unsere Rechnung zu saldiren.

12) Bemeistern wir uns keck alles dessen, was sie verbotene Mittel nennen; mögen sie sich abängstigen mit ihrem engbrüstigen Halten an dem, was ihnen recht scheint und erlaubt.

13) Das Nichts ist Alles, das Seyende ist nur ein geringes Etwas von diesem Allem; wir aber wollen diese Welt der Wirklichkeit überwinden, und von der Neuentdeckten Besitz ergreifen.

14) Das Heer wird also zur Richtschnur nehmen: in Allem das Gegentheil von dem zu thun, was sich bisher in träger Gewohnheit festgestellt.

15) So nur wird es das starre Vorurtheil des Daseyenden besiegen, und die ganze weite Welt des Nichtseyns sich zum Lohn gewinnen.

Das Programm dieses weltüberwindenden Feldzugs, der mit der Expedition gegen die Rheinländer, die engsten Wirklichkeitspedanten, beginnt, ist Folgendes: Nachdem diese Thesen allerwärts angeschlagen worden, wird zum Verbrennen des Exkommunikationsbriefes des Bisthumsverwesers von Schlesien, der Schuld an der Aufregung der Provinz gewesen, vorgeschritten. Der Brief soll mit den Worten ins Feuer geworfen werden: weil du den Heiligen des Herren betrübt hast, so betrübe und verzehre dich das ewige Feuer! wie sie ihm gethan haben, so thue ihnen wieder! Nun werden Schmähartikel, Schmähschriften, Schmähreden losgelassen und am füglichsten Katholischen in den Mund gelegt, von denen auch die Adressen, Huldigungen und Aufforderungen ausgegangen. Denn, wie in der Zeit der Erhebung, ist es gegen den barbarischen Feind gestattet, die Brunnen und die Bäche zu vergiften, damit er sich darin Verderben trinke. Dann wird den katholischen Pfaffen der Cölibat erlassen, die protestantischen aber werden, damit sie doch einen Vorzug vor Jenen haben, auf ewige Zeiten von jedem möglichen Ehegesetz befreit, das wird schnellen Succurs verschaffen. Dann wird der Bildersturm aufgeführt. Da der Rock, die Veranlassung des ganzen Streites, weil er angeblich das Symbol der Einheit, in Wahrheit aber das des Despotismus der römischen Curie ist, der Apfel der Zwietracht in der Nation geworden; darum soll er, um den Grund des Zwistes aus dem Weg zu räumen, zerrissen werden, darauf aber alle Mittel vorgekehrt, um sich seiner zu bemächtigen. Sofort wird, wenn es nöthig seyn sollte, der Bauernkrieg durch die Proletarier in einer umständlichen Paraphrase vorgestellt. Das Manifest wird sagen: weil die widerchristischen und jesuitischen Widersacher des Wortes, das reine Christenthum schwächen und niederdrücken, und durch den Teufel, den schädlichsten Feind des Evangeliums, das nichts als Lieb, Fried, Geduld und Einigkeit predigt, gänzlich verkehren; darum müssen seine Freunde zu einem Reißlauf sich zusammenrotten, sich heben und aufbäumen und empören, damit sie die Schmach des Wortes Gottes aufheben. Dieser Aufstand soll anfangen im Canton Luzern, soll die ganze Schweiz reinigen, dann nach Schwaben übergreifen, und da soll es nicht heißen Bundschuh oder Stiefel! sondern Barfuß gegen Schuh! jedoch alles mit Glimpf! darum soll dem Graf Helfenstein, wenn er durch die Spieße läuft, der Pfeiffer vorangehen, und ihm die Reveille blasen. Der Zug geht dann rheinabwärts bis Belgien hin, um die Welschen vom Joche der Flamänder zu befreien. Bei allen diesen Vorfallenheiten sollen die Thesen nach der Reihenfolge genau ausgeführt werden. Darum werde bei dem ganzen Handel, als sich von selbst verstehend, vorausgesetzt: die Sache des Gegners sey eine ganz Verlorne, entbehre jedes Grundes und Widerhaltes, und die Gegner selbst erwarteten nur die Annäherung des Heeres, um die Waffen niederzulegen. Also werde, ganz im Geiste des Anschlags, der Zug mit einer rauschenden Siegesfeier begonnen.

Das Heer wurde nun aufgestellt, damit der Feldherr eine ungefähre Uebersicht der unendlichen Streitkraft gewinne. Die Aufstellung aber durfte nicht nach den Regeln ordinären Kriegsdienstes geschehen, mußte vielmehr im Gegensatze mit diesem Schlendrian sich vollbringen. Wenn es also eine altväterische Weise ist, daß die Feinde sich Antlitz gegen Antlitz, Auge gegen Auge einander entgegentreten, so geschah jetzt das Umgekehrte; die Freischaaren kehrten den Rücken dem Rheine zu, das Antlitz gegen ihre Hauptstadt, derzeit Schneidemühl, worauf gegenwärtig das Antlitz des Herrn ruht, gerichtet, und zur Rechten und zur Linken dehnten sich in dieser Stellung ihre Geschwader aus. Während die Linie sich also ordnete, fielen im Oberkommando einige Irrungen vor. Der Oberfeldherr hatte noch, von seinem alten Berufe her, einige Gewohnheiten, die ihm alle Augenblicke zwischen die Füße kamen, und seinen Gang unsicher machten. Sein Vorwärts war ihm genau durch das neue Jerusalem, dem alten Bernsteinparadiese nahe, bezeichnet; aber das ältere machte seinen Zug noch immer geltend. So hatte er einigemal Rücksicht genommen und hinterrücks geblickt; die Zweideutigkeit war nicht unbemerkt geblieben, und man hatte von Berlin aus ihm drohend zugeworfen: solltest du einst aus Rücksichten gehoben werden, dann magst du bedenken, daß man dich aus Rücksichten wieder fallen lassen kann, wie das Andern schon geschehen ist. Darum bleibe fest im Sattel, mit der Gunst hat deine Sache nichts zu thun, wie die von Luther! (D. Allg. Z. Nro. 332.) Aber es war ihm nicht behaglich auf seinem hohen Rosse; was noch Gutes in ihm geblieben, mogte sich empören über den Götzendienst, den sie ihrem selbstgegossenen Kalbe zollten. So war er denn einmal toll geworden, und sprang ab, erklärend: er wolle kein Volksheld seyn, wolle keine Adressen und Pokale, und werde schon selber seines Lebens Unterhalt gewinnen. Man secretirte die befremdliche Erklärung so viel thunlich mit allem Fleiße, und bemühte sich aufs eifrigste, die Vertuschte zu vergessen; doch kam die Sache aus und erregte eine leichte Confusion, die jedoch bald überwunden wurde, und nur die Entbehrlichkeit aller Einheit bei diesem Heere schlagend bewies. Man war schon einig geworden, ihn mit Pension in Ruhestand zu versetzen; und eine körnige Proclamation von Berlin forderte das Publikum auf, Kopf vor Kopf einen Gulden oder einen Thaler zu bezahlen, um ihn bei einer Leibrentenanstalt einzukaufen: es werde dann noch ein Erkleckliches übrig bleiben, um dem armen, verkannten Biester ein Denkmal zu setzen. Unterdessen hatte der Zagende sich ermannt, er stieg wieder zu Rosse, und das Heer jauchzte ihm aufs neue huldigend zu.

Die jauchzenden, todesmuthigen Schaaren setzten sich nun, ihrem Princip gemäß, nach Schneidemühl zu, gegen den Rhein hin in Bewegung. Aber die Rücksichten und verzweifelten Gewohnheiten der alten Ordnung, die den Feldherrn geirrt, machten sich auch bei ihnen geltend; jedesmal wenn sie drei Schritte nach vorwärts gemacht, kam eine Anwandlung, deren sie nicht Meister zu werden vermogten, und die sie wieder zwei Schritte rückwärts führte. Die Rheinländer, unter ihren Weinstöcken sitzend, hatten mit großer Gemüthsruhe dem Spektakel über dem Rheine zugeschaut. Als sie die Aufstellung des Heeres wahrgenommen, das Angesicht gegen das Licht von Orient gekehrt, den Rücken sich selber zugewendet; dachten sie: es sey auf einen Zug gegen Gog und Magog hinter den eisernen Thoren abgesehen, und wünschten Glück zur Fahrt in ferne Lande. Sie musterten ein wenig neugierig die Geschwader der Aufgestellten; die kleine Manekens, die sich lange Schnurrbärte hatten wachsen lassen, und nun grandios einhertrippelten, gewannen ihnen ein Lächeln ab; für die wohlbeleibten Biedermänner hatten sie eine ungeheuchelte Verehrung, vor den Donnerkindern und ihren breiten Schritten fuhren sie etwas zurück; am meisten imponirten ihnen die zwölf Millionen Katholiken, denn viele Hunde sind des Hasen Tod! Da die indessen sich zwar hatten anmelden lassen, aber zur Zeit auf dem Felde der Ehre nicht erschienen, trösteten und beruhigten sie sich wieder. Unterdessen hörten sie vielfach sich bei Namen nennen, und das Manifest war auf sie gestellt. Was wollen denn die Thoren mit ihrem Mummenschanz, dachten sie nun bei sich? etwa unser Land schwarz färben, wie Dupin auf seiner Charte Südfrankreich illuminirt? Sie hefteten nun auf die Bewegungen des Heeres ihre aufmerksamen Blicke hin, wurden aber vollends in ihren Gedanken ganz confus. Im Auftact waren diese Bewegungen allerdings gegen sie hingerichtet, aber im Rückschlag entfernten sie sich immer weiter, als sie zuvor vorgeschritten. Es war eine wogende Bewegung, nun vorschreitend dann wieder rückläufig, wie wenn eine Barke zwischen Gegenwinden hin und her getrieben, auf den Wellen tanzt. Das Ohr berichtigte inzwischen bald die Ungewißheit, zu der das Auge sich hatte verleiten lassen; die allmählige Abnahme des Trommellärmes und das Verhallen der Trompetentöne, ließ nicht länger zweifeln, daß das siegreiche Heer sich allmählig ferne. Nun fingen die Zuschauer endlich an, die Manövres der neuen Kriegsschule zu begreifen. Sie hatte offenbar die Tactik der Bottacuden, jenes brasilianisch americanischen Volkes, sich angeeignet. Wenn dieß nämlich zum Kriege mit seines Gleichen ausgezogen, und ihn glücklich mit Gerten und Prügeln geführt, dann wird nicht der als Sieger anerkannt, der die meisten und fühlbarsten Schläge ausgetheilt; sondern der Andere, der mit größter kaltblütigster Resignation die meisten eingenommen, und sie mit kaltem Blute secretirend eingesteckt. Somit ist also in dieser verkehrten Ordnung, ganz dem Principe gemäß, jede Niederlage ein Sieg; und den Kürzeren ziehen, heißt den Längeren mit Händen fassen. Mit einemmale ist nun den Rheinländern ein Licht aufgegangen: das sind ja die springenden Heiligen, sie halten ihren Kriegstanz ab, drei Schritte vorwärts und zwei wieder zurück, und begannen sofort den Tanz nach der Melodie: Adam hat sieben Söhn, sieben Söhn hat Adam, im vollen Chorus begleitend abzusingen.

Unterdessen war in Vormärschen und Rückmärschen das Heer allmählich im Verlauf von zwei Monaten, vom ersten Ehrensprung der vaterländischen Blätter am 14. November an gerechnet, beim Städtchen Schneidemühl angelangt. Dort war in der Ebene eine hohe Bühne von Sand und Erde aufgeworfen, sie war mit wintergrünen Bäumen umpflanzt, und mit Kränzen umhangen; denn dort war die ganze Gemeinde des reinen Christenthumes viel zahlreicher als zur Apostelzeit versammelt, in ihrer Mitte der Gründer des dritten Bundes. Er saß auf hohem Stuhle, um ihn her die zwölf Aeltesten auf modernen Gestühlen. Im weiteren Kreise standen die Abgeordneten aller der guten Städte, die zuvor auf den roncalischen Feldern bei dem Oberfeldherrn sich eingefunden; und legten auch gleichlautend ihm Adressen, kunstreich dünngeschlagene Becher, Medaillen und Silbergroschen zu Füßen; er hatte alles huldreich aufgenommen, und wie Jener unter dem Siegel der Verschwiegenheit es bewahrt. Mit Ungeduld hatte er schon lange der Ankunft des Oberfeldherrn mit dem Heere entgegengesehen; denn neben ihm saß die Braut im hohen Liede, mit der er schon geraume Zeit in Liebe gefallen. Ecce tu pulchra es, amica mea, ecce tu pulchra es, occuli tui columbarum; hatte der Bräutigam gesungen. Ihm entgegen die Braut: Ecce tu pulcher es; dilecte mi, et decorus. Lectulus noster floridus. Er wieder: Sicut Lilium inter spinas, sic amica mea inter filias. Sie entgegen: Nolite me considerare, quod fusca sim, quia decoloravit me sol; filii matris meae pugnaverunt contra me, posuerunt me custodem in vineis; vineam meam non custodivi. Es galt jetzt die Frage: Quis mihi det te fratrem meum, ut deosculer te, et jam me nemo despiciat. Die Söhne ihrer Mutter hatten nicht gewollt, hartnäckig hatten auch die Andern sich geweigert; aber die Ehen werden im Himmel geschlossen, und das Ministerium hatte seinen Consens gegeben. Jetzt erbat sich der Bräutigam: kein anderer als der Oberfeldherr solle ihren Bund segnen. Hymen, der Sohn der Urania, hatte die Kienfackel schon gezündet, daß sie zur Hochzeitfackel diene. Das Heer schloß einen weiten Kreis um Braut und Bräutigam und das gesammte reine Christenthum; und die zu ihm wallfahrtenden Gesandtschaften intonirten den Gesang: Hymen o hymenaee; hymen ades o hymenaee! Der Feldherr ritt auf die Bühne, legte die Hände der Liebenden zusammen, und sprach den Segen über sie. Das Jubelgeschrei des Heeres: Hoch unser Feldherr, hoch das junge Christenthum und das Brautpaar. Als der Jubel auf seiner Höhe stand, kam ein Herold herangeritten; Königsberg die gute Stadt hatte ihn gesendet, er ritt in die Mitte des Kreises und verkündete: Geliebte katholische Brüder in Schneidemühl! Gnade sey mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo. Was wir von Euch eben gesehen im Geiste, hat uns getrieben, eine Frage an Euch zu richten, auf welche Euere Güte uns Antwort geben wird. Unser Feldherr, den wir Euch gesendet, den aber die, welche der Tyrannei des Papstes und seiner römischen Priester dienen, excommunizirt haben, hat so eben, in Vollmacht seines Priesterthums, euern geistlichen Vater und Vorstand und seine Braut aus dem alten Bunde eingesegnet. Wir nun betrachten diese Ehe als ein Symbol der Union der deutschen katholischen und der deutschen evangelischen Kirche, nachdem Beide dem Papste abgesagt. Ihr bleibt katholische Christen, und wir bleiben evangelische Christes; aber wie Mann und Frau zwei in einem Fleische sind, so erkennen wir fortan Euch in Christo uns verbunden, lieben einander und heirathen einander in einem heiligen Bund. Wir fragen Euch nun: Wollt Ihr in diesem Sinne die Union der deutschen katholischen und der deutschen evangelischen Kirche vor dem Angesichte des Allmächtigen, der die Liebe ist, und vor allen deutschen Völkern laut verkündigen? Wollt Ihr das, wohl, so sagt wie Ihr in Gedanken und Worten dem römischen Papste abgesagt habt, so auch in der That Euch von ihm los; den würdigen Priester aber, der Euch auf die Bahn des Heils geführt, ihn hat Euch Gott gegeben, daß er Euer Papst werde, und daß an seiner Seite die würdige Braut des hohen Liedes die Schlüsselgewalt übe! Der Feldherr aber, der den Bund geschlossen, der männliche, unerschrockene Bekenner der Wahrheit und des Lichts, er soll fortan das Schwert führen in seinem Dienste; er soll sein Vogt und Schirmherr werden, der Kaiser der neuen Kirche, allzeit Mehrer des Reiches. Wollt ihr das ernstlich, dann sprecht und thut nun das eine Wort, und die Jahrhunderte werden von diesem einen Worte zu erzählen wissen! So geht denn mit Euch zu Rathe, und laßt uns und das harrende Vaterland die Antwort hören. Wir grüßen Euch geliebte Brüder in Christo, und die allerbarmende Gnade Gottes sey mit Euch und Euerem Werke! Königsberg am Sonntag Septuagesima nach der Geburt des Heilands 1845. (D. A. Z. Nro. 357.) Eine wundersame Erregung kam durch diese Botschaft unter die Anwesenden. Der Bräutigam soll unser heiliger Vater, die Braut unsere heilige Mutter seyn, hoch lebe der deutsche Papst und die Päpstin Johanna auf immer! Die Acclamation wandte sich dann gegen den Oberfeldherrn: Es lebe der von Gott gekrönte, große friedfertige Kaiser der Deutschen, Leben ihm und Sieg! Alle Geschwader zogen im Parademarsch an dem neugewählten, gekrönten Haupt vorüber; knieeten dann nieder, um den Segen zu erlangen, und wurden zum Pantoffelkusse der heiligsten Mutter zugelassen. Unbeschreiblich war der Jubel der verbundenen Kirchen, daß Deutschland nach so vielen Drangsalen endlich beim Ziele angelangt. Die Begeisterung, höher und höher steigend, trat zuletzt in gebundener Rede auf, in Chöre getheilt sang der Chor der Aeltesten: Sed populus tristis, flebit temporibus istis. Nam sortis mirae videntur fata venire. Chor der Aelteren: Et princeps nescit, quod nova potentia crescit. Chor der Jüngeren: Tandem sceptra gerit, qui stemmatis ultimus erit. – Israel nefandum scelus vidit morte piandum. Chor der Frauen und Jungfrauen: Et pastor gregem recipit, germania regem – Nec lupus nobili plus insidiatur ovili. Alle Chöre im Unison: Allah. Allah, Resul Herman, resul Allag! Da kam mit einemmale ein Schall von ferne, wie das Kommen eines ungestümen Geistes, und die ganze Umgegend erfüllte sich mit dem schallenden Gelächter; denn die Rheinländer hatten eine dreifache Lache aufgeschlagen, sie war rheinaufwärts gegangen und am Main hinauf, und am Riesengebirge wiederhallend, war sie in Schneidemühl angelangt. Der Ton setzte den Erdhügel, der den Stuhl der beiden größten Mächte, auf Erden und im Himmel, trug, in eine mitklingende Bewegung; der Hügel begann zu kreißen, zu den Füßen des Thrones wirbelte der Staub am dicksten; dort schien die in den Wehen begriffene Bühne gebären zu wollen. Nicht lange, und es trat die Schellenkappe hervor, bald auch die Pritsche; zuletzt sprang der durch Godsched von der Bühne verjagte Narr lustig heraus. Er pustete und klopfte sich mit der Pritsche den Sand aus dem Kleide und brummte: gut daß ich oben bin, unten wäre mir vor langer Weile der Bart siebenmal um den Steintisch gewachsen. Er sah dann um sich, verneigte sich tief gegen die Majestäten, schaute im Kreise um, und rief freudig: Ah, meine Kinderchens, Gottes Segen in meinem Hause! das hat sich gemehrt wie der Sand am Meere, und die Sternlein am Himmelszelt; frisch auf! uns gehört die Welt, laßt uns Besitz von ihr ergreifen, die Kinder der Nüchternheit haben sich lange genug gütlich auf ihr gethan! Gegen Johanna gewendet: Sie haben dich zu ihrer Herrin gesetzt; wohlan Frau Hulda, wirf die Verkleidung ab, zeige dich ihnen wie du bist! Zwölfnächten sind vorüber, laß uns nicht säumen den Zug anzutreten. Er hatte sich auf die Laubgehänge der Umfriedigung geschwungen, und wiegte sich lachend auf ihnen; ein scharfer Glockenklang ließ sich vernehmen; ein weißes Luftroß kniete vor Johanna nieder, sie schwang sich auf; der auf den Gewinden schaukelte sich immer heftiger, und hub an, die Synodalgallopade zu pfeifen. Sofort begannen alle Anwesenden in der Tarantela sich zu drehen; schneller und immer hastiger wurde die Mensur, heftiger und heftiger das Drehen; die Ziehkraft mogte die Fliehkraft, durch den überraschen Rhythmus geweckt, nicht ferner mehr bemeistern. Die Tanzenden erhoben sich vom Boden, Hulda an der Spitze, die Stuhlherren nach ihrem Range, dann die Andern; die Einen wie auf zweibeinigen Pferden reitend, die Andern wie an Räder gebunden in krausen Radlinien sich bewegend; andere kopflos hinlaufend, die Schenkel auf den Achseln tragend. Die Abgeordneten der Berliner Interessenten waren dabei als die flüchtigsten immer den Andern voraus; die sächsischen Biedermänner aber keuchten nur als fette Ortolane mühsam nach. So ging der Zug, wie eine Wasserhose gestaltet, durch alle Spinnstuben hindurch; verwirrte alle Rocken, die er nicht abgesponnen fand, ritt als Nachtmar die Rosse in den Ställen zu Schanden, und leerte Becher und Schüsseln. Wie der Landschaden über Wege und Straßen dahin fuhr, Hulda oben an der Spitze, ihr Heergefolge überschauend; da hörte man aus dem Wirbel der Ziehenden den mystischen Chor erschallen:

Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichniß;
Das Unzulängliche
Hier wird's Ereigniß;
Das Unbeschreibliche
Hier ist es gethan;
Das ewig Weibliche
Zieht uns hinan.

Die Wasserhose zog in den Venusberg im Vandalenland, und die Steinthüre wurde hinter ihr zugeschlossen.

Finis.
Ende des Fastnachtspieles.

Erkundigt man sich, nun diese Divina comedia in Dampf und Dunst mit einer ordentlichen Heirath abgelaufen, bei den vernünftigen Leuten, die dem ganzen Auflaufe mit Verdruße zugesehen: wer in aller Welt hat doch diese Masse von Thorheit aus allen Winkeln Deutschlands auf einen solchen Haufen gekehrt, daß sich, nun die Winde ihn aufgejagt, das Licht des Tages am hellen Mittag verfinstert? dann erhält man die Antwort: Kein Anderer wieder als der wohlbekannte Hauscobold, der seit langer Zeit in der deutschen Michelei, die ganze Welt beunruhigend, sich eingenistet. Der bockbeinige Kerl hat auch wieder diesen schönen Handel, wie so viele zuvor schon angerichtet. In der letzten Zeit hat er gar vieles von seinen Silberflotten unter der Nationalflagge auf dem Meere, und von großen Barren aus seinen Goldbergen sich vorgeschwatzt, was wie gewöhnlich beim ersten Thauwetter zerronnen. Darüber ist er wild geworden und melancholisch; und hat eine Weile hingehorcht, auf das, was sich um ihn herum zugetragen. Da hat er dann viel reden und zanken hören von religiösen Dingen, von der Kniebeugung, dem Gustavadolphsvereine, dem Jesuitensiegel, und hat gleich nach seiner Weise sich dafür portirt. Seine Gelehrten, auf die er große Stücke hält, haben ihm zugeredet, er müsse einmal wieder recht als ein Deutschmann sich zeigen; und seine Theologen haben ihn versichert, es sey jetzt hohe Zeit, daß er sich kleide in das Gewand des Königs David, und nach Schleuder und den Bachsteinen gegen den römischen Goliath greife. Da ist er dann halb gähnend und grießgramend an die Lade gegangen, und hat seinen alten Staat mit der Halskrause herausgenommen, und die Schaben und die Motten herausgeklopft. Aber das Ungeziefer hatte, als er näher zugesehen, großen Schaden angerichtet; und er schaute, als er sich angeputzt, schon ganz zornig aus den vielen Löchern heraus. Nun ist zum Unglück das Wallfahrten der Rheinländer angegangen, und da hörte er nun viel erzählen: wie das Kleid schon 1800 Jahre alt, noch so stattlich im Stande sey; wie gut es sich ausnehme, und wie große Dinge die Rheinländer davon hielten; und wie Manche bei der Berührung gar Wunderdinge erfahren. Da hat er Alles für eine boshafte Satyre auf seinen Übeln Aufzug gehalten, und nun ist ihm die Wildheit erst recht in den Leib hineingefahren. In solchen Fällen aber ist er wie ein Rehbock, der, im Grünen aufgewachsen, in der Cultur gezähmt werden soll. Wird der gereizt, dann schaut er erst schief, darauf fangen die Augen sich schnell zu bewegen an; wenn sie aber erst zu rollen begonnen, dann ist er nicht ferner mehr Meister seiner selbst, es zuckt ihm in allen seinen Gebeinen, und er kann nicht ruhen, bis er im Sprunge den Stoß applizirt. So ist es denn auch dießmal ihm ergangen; sie haben ihm so warm gemacht, daß er gegen alles, Steine, Bäume, Wände und Mauern wüthend angerannt, und zum einen Horn, das er längst schon abgelaufen, auch das andere zugesetzt. Um ihn wieder zu beruhigen, müßte man seine Gedanken auf einen andern Gegenstand zu richten suchen. Es würde daher sehr calmirend seyn, wenn sie in Berlin das Ehegesetz neuerdings wieder publiziren wollten. Denn das ist einmal eine große Antipathie für ihn, wie er im vorigen Jahr bewiesen, als man ihm das Papier, schwarz auf weiß damit beschrieben, vorgehalten. Gott sey ja die reinste Liebe, also urtheilt er, die Creatur ihrerseits könne nach keinem besseren Ziele streben; wie wolle nun ein Mensch sich herausnehmen, diesen Trieb zu beschränken. Für die Ehe gelte ja als einziges Gesetz, was sie beim Gustavadolphsvereine als das Ihrige proclamirt: Princip und Zweck sehen weltbekannt und gleich für Alle, dazwischen aber müßte der Liebe mit voller Freiheit nachgegangen werden, begreiflich mit gegenseitiger Einwilligung. So habe, sagte er, die Sitte bei den höheren Ständen es schon längst, zu allseitigem Belieben eingeführt, die Sitte gehe aber dem Gesetze vor. Darauf hat damal das Gesetz vor der Sitte die Flucht genommen; es könnte aber jetzt zur rechten Stunde wiederkehren, um eine kleine Diversion zu machen. So sehr ist ihm der gesetzliche Freiheitsdämpfer zuwider, daß, als jüngst die schlesische Synode in Breslau sich versammelte, und er neuerdings Verdacht gefaßt, es möge dort von diesen con Sordini die Rede seyn, der Zorn ihm sogleich in die Gebeine gefahren; und er ohne Verzug gegen die ehrwürdige Gesellschaft sich in die erste Position gesetzt. Schon kreuzten sich bei ihm unter einem bedenklichen Winkel die Augenachsen; schon zeigten sich vereinzelte Kreißungen und Rouladen um seine Augäpfel her, die bange Befürchtungen in den Bedrohten erweckten; also daß sie bei Mondschein über die Strasse gehend, des Friedens wegen sich immer auf der Schattenseite hielten. Sollte dies sonst probate Mittel als ableitende Fontanelle aber der bösen Säfte nicht Meister werden, dann bliebe freilich kein anderes Auskunftsmittel übrig, als den Narrenschneider von Hans Sachs auf einige Zeit zur Hilfleistung zu erbitten. Der, wenn es mit dem Kaiserschnitte ihm gelungen, würde sich höchlich verwundern über das Nest fröhlicher, munterer Cumpane, das er dort beisammenfände; und wie sie da drinnen bei fröhlichem Gelage pauken und trompeten und bankettiren, und dann dazu lustig die Schellenkappen schütteln. Aber er müßte aufpassen, daß ihm der Narrenkönig, der Hoffartsnarr nicht entschlüpfte; sonst wäre die ganze Sache doch wieder gar vergebens. Der nämlich kann sich einmal klein machen wie der Däumling, und sich ducken und demüthig thun, daß man scharf zusehen muß, um ihn nur etwa an einer Ohrspitze noch zu erkennen. Ein anderesmal kann er sich groß machen wie die Seeschlange der Nordamerikaner, oder breit wie das Thier Krake in den nordischen Meeren. Greift er nun nicht zu rechter Stunde mit der Zange zu, und weiß ihn wohl zu packen; dann hilft Alles nichts, und er tobt und tollt uns in allen Gauen des Vaterlandes herum; vom Teutoburger-Walde bis nach Lithauen hin, wo die letzten Sproßen des urweltlichen Geschlechts der Auerochsen noch umgehen.

So ist es um den ehrlichen Sancho Pansa bestellt? was aber hat seinen Herren und Führer, der doch weiter sieht, und sich die Dinge bestens überlegt, den edlen Ritter von der Mancha, zu diesem abentheuerlichen und hoffnungslosen Zug bestimmt? Ja, der hat vielfach über die Weltgeschichte und den Lauf der Dinge vom Ursprung her nachgedacht, und hat es glücklich ausgefunden, wo der Haft gelegen, und warum es nie recht fort gewollt mit der Welt und dem menschlichen Geschlecht: Es ist nämlich vom Anfang herein zu viel Positivität im ganzen Weltbau gewesen, die ihren Ursprung in der zu großen Präponderanz des Baumeisters gehabt. Da nun ist er nach vielem Nachgrübeln darauf gekommen, wie dem abgeholfen werden könne: man dürfe nur dem verneinenden Geist größeren Einfluß gestatten, damit er dem ewigen Jaherren mit seinem Nein eine Opposition entgegensetze; und so zwischen Bejahung und Verneinung endlich einmal die rechte Ordnung sich in der Mitte finde. Unsere Ueberklugen sind bei ihm zur Schule gegangen, haben den Gedanken vollkommen ausführbar gefunden, und bemühen sich nun aus allen Kräften durch Realisirung desselben der hinfälligen Welt wieder aufzuhelfen. Läßt sich daher in diesem oder jenem Winkel etwas von Religion, Erhebung, Begeisterung, Gottesfurcht oder dergleichen verspüren! gleich denken sie, da sey wieder das alte Uebel im Anzuge; werde ihm nicht schnell gewehrt, dann müsse sich aus diesem Funken bald ein Brand entzünden, den alle Wässer auf Erden nicht zu löschen im Stande seyen. Schnell wird also in Zeiten das kühlende Naß hinzugefahren; der Glaube wird mit Unglauben, die Gottesfurcht mit Gottlosigkeit gelöscht, die Erhebung durch angehängte Gewichte niedergehalten, die Religion aber durch einen kühlenden Ueberschlag gedämpft. Beispielshalber wollen wir nur berühren, was eben die eifernden Blätter uns aus Würtemberg berichten. In Tübingen hatten solche inflammatorische Symptome sich kund gegeben; der Ultramontanism hatte mit einer Plethora gedroht, man konnte selber sich nicht erklären, wie es zugegangen; sich zwar wußte man schuldlos, der Grund des Uebels mußte in die herrschende Witterungsconstitution zurückgehen. Wie dem nun sey, dem Unfug mußte gewehrt werden mit aller Macht. Kein kräftigeres Mittel, um das Gift zu sättigen, als die Pharmacopöe, als der corrosive Sublimat des Junghegelianism; also wurde dieser, mit ästhetischem Syrup versüßt, dem gefährlich Kranken eingegeben. Aber die Dosis war zu stark ausgefallen, es folgte Speichelfluß; der Verneinung wurde zu viel im Kranken, die Symptome deuteten auf Auflösung nicht blos des Leibeslebens, sondern auch des Künftigen. Die Glocken begannen nun von selbst zu läuten, der Kranke wurde im Fackelzuge mit der letzten Wegzehrung versehen, die Prediger der Residenz begannen die Leichenrede, bedauernd: daß während der stärkere Feind drohe, dieser Sterbefall die gemeinsame Sache nur beeinträchtigen könne. Unterdessen wurde von der Facultät der Fanghund der verschluckten Katze nachgesendet, Hund und Katze amortisirten sich gegenseitig, beim Aesthetiker wurde als verzeihlich erkannt, was beim Theologen nicht gut angehe; die angefangene Untersuchung wird die Sache vollends clarifiziren, und die rechte Temperatur zwischen Ja und Nein wieder herzustellen suchen. So ist es denn auch in der Wallfahrtssache ergangen. Das Volk im Norden, dem aus früherer Zeit noch einige Erinnerungen und Gewohnheiten geblieben, wurde seither in einem die Augen schonenden Dämmerlichte gehalten, damit es nicht grübelnd würde, und sich allzu sehr vertiefte. Da kam der Auflauf am Rheine, und es stand zu befahren, jene alten halb träumenden Erinnerungen würden, von dem Lärm geweckt, und schärfer, als es gut seyn mögte, um sich sehen. Da mußte nun die aufgestörte Aufmerksamkeit durch irgend etwas Anderes beschäftigt werden; und die eclatante Bejahung gedeckt und bemäntelt durch eine gleich brillante Verneinung im Contrapunkte. Die Sache ist für Kenner nicht zum Besten ausgefallen. Es hängt immer den Hervorbringungen des verneinenden Geistes ein Makel an, der sie nicht recht gedeihen und zu völligen Kräften kommen läßt; so daß am Anfang wie am Ende der stolze Gegner immer Recht behält. Man weiß, was das Mährchen darüber erzählt. Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen, und sich die Wölfe zu seinen Hunden ausgewählet; blos die Geis hatte er vergessen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise, mit feinen, langen Schwänzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewöhnlich mit ihren Schwänzen in den Dornhecken hängen; da mußte der Teufel hineingehen, und sie mit vieler Mühe losknüpfen. Das verdroß ihn zuletzt, war her und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stümpfen zu sehen ist. Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah, wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edeln Reben schädigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Dieß jammerte ihn, so daß er aus Güte und Gnade seine Wölfe dran hetzte, die dann die Geise, so da gingen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn und sprach: Dein Geschöpf hat mir das Meine zerrissen. Der Herr antwortete: was hattest du es zu Schaden erschaffen? Der Teufel sagte: ich mußte das, gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere Natur haben, und mußt mirs theuer zahlen. Ich zahle dir's, sobald das Eichenlaub abfällt, dann komm, dein Geld ist schon gezählt. Als das Eichenlaub abgefallen war, kam der Teufel, und forderte seine Schuld. Der Herr aber sprach: in der Kirche zu Constantinopel steht eine hohe Eiche, die hat noch alles ihr Laub! Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel, und wollte die Eiche suchen, irrte sechs Monate in der Wüstenei, ehe er sie befand, und als er wieder kam, waren derweil wieder alle andern Eichen voll grüner Blätter. Da mußte er seine Schuld fahren lassen, stach im Zorn allen übrigen Geisen die Augen aus, und setzte ihnen seine eigenen ein. Darum haben alle Geise Teufelsaugen und abgebissene Schwänz, und er nimmt gern ihre Gestalt an.

Die Rheinländer insbesondere, und die Katholischen im Allgemeinen, lassen noch nicht ab von den vernünftigen Leuten auf der Gegenseite, an die sie sich gewendet, und fragen weiter: was haben wir mit diesen euern weißblutigen Phantasten zu schaffen, was haben sie mit uns zu schaffen? Diese sogenannten sächsischen Vaterlandsblätter, als die preußische Regierung sehr löblich der Wallfahrt ihren natürlichen Lauf gelassen, haben in dieser vernünftigen Maasregel, nur eine, wie sie sagen, unendlich weit ausgedehnte Concession gesehen. »Der Staat brauche durchaus nicht, also lassen sie sich vernehmen, die Religion in der Weise frei zu lassen, daß er sich große Aufzüge außerhalb der gottesdienstlichen Gebäude gefallen läßt. In Frankreich, fahren sie fort, sind gesetzlich die Prozessionen verboten; wie wohl wir erleben, daß man sogar offizielle Assistenz bei denselben zu erzwingen weiß, weil man gewisse dämonische Kräfte befriedigen will, und nicht zum Kampfe herausfordern mag. Wie, diese siebenmal gebrannten Thoren, glauben also wirklich, die Katholischen würden sich, wie es in Frankreich in Folge einer blutigen Revolution geschehen, in ihre Kirchen einsperren lassen; blos dem Teufel zu Gefallen, der in diese seine Energumenen hineingefahren, und nun Schonung verlangt? Sie äußern ihr Bedauern über die Zerrüttung des Haushaltes der Pilger, die gerade zur Erndtezeit auf die Fahrt gegangen; sie mögen diese Barmherzigkeit bis zu jener Zeit bewahren, wo die zu Grundegerichteten an ihren Thüren ein Almosen von ihnen sich erbitten. Während sie das Martialgesetz verkünden, und Recht, Sitte, Ehre, Wahrhaftigkeit und jedes Schamgefühl während seiner Dauer abrufen; schreien sie fort und fort, wie beim Anfang des dreißigjährigen Krieges: alle die Infamien, die sie übten, seyen ihnen abgenöthigt; sie hätten sonst immer sich auf der Defensive haltend, nur mit schwerem Herzen sich dazu entschlossen; aber der Ultramontanismus und der Jesuitism hätten sie zu dem Extrem getrieben. Man glaubt, das Geheul des bösen Feindes zu vernehmen, der durch Beschwörungen gedrängt, seinerseits alle rächenden Mächte beschwört, ihn den Harmlosen, niemand ein Haarkrümmenden, in seinen wohlerworbenen Eigenthumsrechten zu schützen. Dasselbe hat in der Schweiz sich zugetragen. Dort kocht und brodelt und wallt seit Jahren schon der Zauberkessel, mit allen Giftkräutern der Erde angesetzt; endlich sind auch da die drei Tropfen erschienen, die tagblind machen aber nachtsehend; also daß jetzt das ganze Unterreich durchsichtig ist, und man klar erschaut, wie Recht und Unrecht alles eins ist und dasselbe; Ehre nur eine Abart der Schande; die Wahrheit eine Schmarotzerpflanze der Lüge; Muth und Feigheit aber Synonyme. Der Geist dieser Freischaaren, er ist wie Aphrodite aus jenem Abschaum des Kessels hervorgegangen; aber welche idyllische Unschuldswelt hat sich in ihnen aufgethan, daß selbst offizielle und halboffizielle Blätter in tiefster Rührung sie unter ihre schirmenden Flügel genommen, und durch Allocutionen sie zu ihrem Werke angefrischt. Taubeneinfalt hat sich in ihnen mit Lammesmuth verbunden, und so sind diese Unschuldsvögel gegen die Störenfriede in den Urkantonen ausgezogen, diese schneeweißen Lämmer aber gegen die Brücke von Luzern vorgegangen. Obgleich ohne Galle haben doch die Einen sich erzürnen müssen; obgleich ohne Falsch sind doch die Andern falsch geworden, als sie den Jesuitengräuel angesehen; haben in das Volk blind hineingeschossen, und sind dann davongelaufen, um wieder in ihre Defensive sich zu setzen; in der sie fort und fort von den gottlosen Urkantonen beunruhigt werden. Die Vernünftigen in den Gebieten dieser Freischaaren, die unter die Stillen im Lande sich eingeschrieben, haben dem Unfuge ruhig zugesehen, und den Trostspruch, womit eine Behörde ihr Mitglied gerechtfertigt: an der Eidgenossenschaft sey nichts zu verderben! sich gefallen lassen. Was kümmert das uns, haben sie gesagt; sie werden die Kühnheit nicht so weit treiben, uns eine Pulvertonne zwischen die Knie zu schieben? Es geschieht aber doch, und die Tonne steht. So räumt, heißt es, den Tollkühnen alles Feuer auf die Seite. Das geschieht, die aber kommen, und schlagen dem Langmuth das Feuer aus den Augen, und die Hoffnungsvollen fahren in alle Lüfte. Eben so sitzen die Vernünftigen in Norddeutschland, und strecken sich auf ihren Stühlen; denn sie haben auch unter die Stillen im Lande sich einschreiben lassen, und denken: Kömmt die Zeit, daß die Rache umgeht im Lande, dann salben wir die Thürpfosten mit dem Blute des Osterlammes, und der Würgengel wird an uns vorübergehen. Das Schwert, wenn es aber einmal umgeht, wird die Gesalbten wie die Ungesalbten fressen. Es sind auch dort wieder die schwer Gekränkten, die sich endlich zur Wehr gesetzt; nie ist ein Gedanke in der Arglosigkeit ihrer Seele aufgestiegen, die Rechte ihrer katholischen Brüder zu verletzen; sie tragen sie vielmehr tief in ihrem Herzen eingeschrieben, und würden sie nimmer antasten lassen, denn sie hegen vor ihrer Ueberzeugung die größte Achtung. Aber die Ultramontanen, die von Anfang heran die arglosen Deutschen überlistet, und ihrer Unbefangenheit das eigene Fabrikat für Gottes Werk aufgeschwazt, sie sind es, gegen die sie sich erhoben. Da haben sie sich nun ein Fabelwerk über Rom und seine Ränke und seine Absichten aufgebaut, über die verschmitzten Pläne, die Jahr aus und ein geschmiedet werden, über den Jesuitengeneral, der dort im Hinterhalte lauert, und nicht abläßt, dem deutschen Philisterlande aufzupaßen. Aber die Philistim sind nicht dumm, er verrechnet sich mit ihnen; er meint, sie fürchteten sich vor ihm, aber ganz und gar nicht; es wäre ihm besser, wenn er Furcht vor ihnen hätte, denn sie sind ein kriegerisch Geschlecht, das sich, wie in der Lebensbeschreibung steht, sehr laut schneuzt, und dabei doch immer sehr aufmerksam auf Alles, was vorgeht, um sich sieht. Daß die ganze Pilgerfahrt ein von dort angestifteter Handel gewesen, haben sie gleich gemerkt, und ohne Verzug ihre Maaßregeln genommen. Anfänglich haben sie klüglich still geschwiegen, dann aber, gerade zur rechten Zeit, ist ihnen die Geduld gerissen, und sie haben keine Rücksicht weiter auf Freund und Feind genommen. Gegen den Ultramontanen sind sie ausgezogen, mit ihm hatten sie es allein zu thun; um aber den zu finden, können sie, wie viel Thränen es sie kosten mag, den Hausfrieden ihrer katholischen Brüder nimmer achten; sie müssen einbrechen in den Versteck, wohin er sich geflüchtet, und fasse er im innersten Herzen, sie müssen mit dem Dolche nach ihm sondiren; aller Druck, der dabei unausbleiblich mit unterläuft, alle scheinbare Ungerechtigkeit, alle Verfolgungen, Bosheiten, Gehässigkeiten und Gewaltthätigkeiten, sind nur unvermeidliche Zuthaten zur eifernden Liebe, die sie beseelt, und die alles zugefügte Böse nach Erreichung des Ziels tausendfältig zu vergelten im Stande ist. Anders zu handeln würde eine Gewissenssache für sie seyn, und sie halten sich nicht ermächtigt, in schwächlicher Sentimentalität schonend zu verfahren. Da man die billige Forderung der Auslieferung der Schuldigen ihnen abgeschlagen, sind sie auch ihrerseits zornmüthig geworden; ein Wort gab das Andere, wie es so ihre Art ist, wenn sie sich für siegreich halten, das Letzte immer gröber als das Erste; zuletzt mußten sie die Hehler mit den Stehlern auf den gleichen Fuß zu setzen sich entschließen. Von der Zeit an haben sie kein Quartier fernerhin gegeben; ohne Ansehen der Person haben sie das scharfe Schwert ihres Mundes geschwungen; was konnte den Erzürnten die Privatehre eines tadellosen Bischofs gelten, was die Standesehre eines sogenannten Clerus, der sich gegen sie verschworen; was der ganze katholische Quark? Wir erklären ihn rechtlos und vogelfrei, und treten ihn ohne weiteres unter die Füße. So haben die Philister in ihrer Begeisterung sich zugerufen; einer hat immer den Andern überboten, einer immer einen Ton höher als der Andere gekräht, bis die letzte Saite gar zersprungen. So hat diese Kriegsfurie des im Harnisch stehenden Sachsen- und Preußenlandes, der Vernunft, zum Preis und zum unverwelklichen Ehrenkränzlein des zweiköpfigen Reichsadlers in der Sterblichkeit unserer Zeit gewüthet. Umsonst beriefen die geängstigten Pilger sich darauf, sie hätten ihnen ja kein Wasser getrübt; eben darum, guter Freund! erwiedern sie, weil wir Mitleiden mit deiner Unschuld haben, müssen wir wüthen gegen dich, damit du deinen schadhaften Zahn von Aberglauben los und ledig werdest; darum füge dich in Geduld, erwehrst du dich unserer hilfreichen Hand, dann werden wir dich binden, und dir mit Gewalt dein Heil aufdringen müssen. Wollt ihr nun etwa auch die ungeschlachte Zudringlichkeit dieser Zahnausbrecher damit rechtfertigen, an Deutschland sey längst schon nichts mehr zu verderben?

Weiter ergeht die dritte Frage, glaubt ihr denn wirklich, Deutschland sey zu dem Grade kindischgewordener Geistesschwäche herabgesunken, daß es ihm nicht ferner mehr angemuthet werden könne, anders als mit solchen Possen der Zeit, die ihm kommen soll, entgegen zu gehen? Die Fügungen scheinen nicht der gleichen Meinung zu seyn, vielmehr noch Manches mit ihm vorzuhaben, darum senden sie ihm solche Crisen, damit es in ihnen sich übe, prüfe und bewähre. Aber Gott sei es geklagt, wie hat es sich geübt und geprüft und bewährt? Sollte man nach den Leistungen des Volkes, das sich hier zugedrängt, urtheilen, und nach dem Benehmen derer, die sein Thun beifällig aufgenommen, dann müßte man sagen: jammervoll, armselig und zum Verzweifeln stümperhaft. Jegliches Thier, bis zu den untersten Geschlechtern hinab, hat seine untrüglichen Instincte, die es leiten zu seinem Ziele; diese aber haben den ganzen Vorrath, mit dem die Mutter sie ausgestattet, um hohlen, leeren Wortkram verstudiert und durchgetrieben. Die Biene, ihrem eingepflanzten Triebe folgend, sammelt sich um ihren Weisel; und vollbringt ihr Werk nun in geschlossener Gemeinsamkeit, ohne Mangel und ohne Fehl. Diese aber sind einem Papiere nachgezogen, das der Wind auf der Landstraße mit den Staubwolken hin und her geweht; das, haben sie gerufen, soll unser Weisel, das soll unser Luther seyn! Nie ist Luthern ein solches Leid geschehen, nie solche Kränkung ihm widerfahren; während dagegen der arme Tetzel, durch den Vergleich mit dem Bischof Arnoldi, auch einmal zu Ehren gekommen. Jedes Wort, das Luther damal geredet, vibrirte in der Fülle aufgeregter Gemüthskraft, und das Metall im Charakter des Mannes gab ihm Schwung und elastische Energie. Er konnte in die Irre führen, aber es war wenigstens zu entschuldigen, mit ihm vom rechten Wege auszuweichen. Bei diesem aber zeigt schon Stellung, Wahl und klanglose aufgeblasene Mattheit des Wortes, gänzliche Nullität; die an sie sich angehangen, haben mit ihr in ihren Bettel sich getheilt, und sind selber Nullitäten zweiter Potenz geworden, und mögen sich nun in Marzipan ausbacken lassen, wie sie es mit dem Rocke, ihm zum Spott gethan. Um diese seine hohle Mitte her geklümpt, ist der Schwarm nun in die Wildniß gezogen, zu einem hohlen Baume, mit Moder und Verwüstung gefüllt, wie so häufig in dieser Zeit, und hat dort sein leeres Wespennest, wieder aus Papier geklebt, ausgebaut. Dort hat auch Einer gesessen, dessen Drangsal der Cölibat gewesen, und der nur ganz einfach darauf gesonnen, wie er von ihm mit guter Gelegenheit loskommen möge. Da sind sie mit ihrem Enthusiasm auch über ihn hergefallen, und er hat sich ihnen lassen müssen; auf die Gefahr hin, ist er noch bei gutem Verstande ein Thor, und ist dieser schon etwas schadhaft, ein completer Narr zu werden. Sie aber räuchern nun ihren Oelgötzen fort und fort, und besalben ihm den stummen Mund mit immer frischer Butter, um ihn zum Reden zu bringen. Wahrlich, die Fügungen haben es mit Deutschland gut gemeint, als sie ihm diese Wallfahrtsgeschichte hingeworfen; es sollte sich an ihr in Besonnenheit fassen, ordnen und in seinem Verhalten sich bemeistern lernen, damit es einst im ernsten Spiel der Geschichte und auf den Schlachtfeldern bestehen könne. Setzen wir nun den Fall, statt jener ruhigen Pilgerschaaren, die vom Rheine moselaufwärts zum heil. Rocke gewallfahrtet, habe ein feindliches Heer in entgegengesetzter Richtung moselabwärts gegen den Rhein eine Kriegsfahrt angestellt, und das deutsche Heer hätte sich ihm gegenüber ohngefähr also gehalten, wie die deutsche Presse und ihre Abonnenten und die Unterzeichner der Adressen, welches würde der Ausgang des Feldzugs gewesen seyn? Ohne Zweifel derselbe, den wir in den Feldzügen Napoleons so oft gesehen, nur, da seither alle Dimensionen sich verkürzt, rascher noch und entscheidender. Glaubt ihr wohl, all dieser matte, abständige, in Worten sprudelnde, in Thaten lendenlahme fingirte Enthusiasm, all diese oratorischen Exerzitien halbverrückter Candidaten des Predigtamtes, alle diese Schulfuchsereien lächerlicher Pedanten, all dieser überkochende Phrasenschaum halbverbrannter Gehirne, all diese abgeschmackten rhetorischen Variationen eines noch abgeschmacktern Thema's, würden eine feste Wagenburg um sie her gebildet haben, die der Feind zu ersteigen sich gescheut? Meint ihr, er hätte durch euer prahlerisches Siegsgepränge, das ihr, ohne den Feind auch nur gesehen zu haben, abgehalten; durch die gegenseitige Assecuranz aller Lügen und Thorheiten und Einbildungen und vorgefaßten Meinungen und Illusionen, denen ihr euch hingegeben, durch diese Selbstbethörung, in der ihr euch unbesiegbar wähnt, sich abhalten lassen, durch all diesen Schein und Rauch und Qualm durchzudringen, und nach dem Kern in der Mitte mit des Schwertes Spitze zu suchen? Glaubt ihr, er werde durch euere lügenhaften Bülletins, durch euere Ueberschwenglichkeiten, euere lächerlichen Pleonasmen sich täuschen lassen; glaubt ihr, er werde den seichten Graben, den ihr zwischen Wahrheit und Irrthum gezogen, nicht überspringen; er werde euer Nichtwissenwollen respectiren, und wenn ihr euch und den Euern alle andringende Wahrheit aufs sorgfältigste vertuscht, auch sich selbst und seine Uebermacht von euch vertuschen lassen? Mit Nichten, es würde gehen, wie es so oft gegangen, aber nicht am Niemen würde ein solches gespenstisches Heer sich sammeln, sondern um die Erde würde es wie im Sturm gejagt. Dann kommen wieder die Zeiten, wie wir sie schon gesehen, die Zeiten des Insichgehens; da die Aufgeblasenheit geborsten, und das innere blähende Gas entwichen, würde die leere Hülse schnell zusammenschrumpfen, unsere Sünden würden sich zu Haufen um uns sammeln, alle Schlechtigkeiten und Treulosigkeiten, die wir geübt, würden uns Vorwürfe machen, wir würden wieder in uns gehen, mit Zerknirschung an die Brust schlagen, und in unserer Verzagtheit wieder mehr als nöthig und zuträglich wäre, uns reumüthig bezeigen. Aber an wen der Himmlischen sollten wir dann uns wenden, gegen welchen unter Allen haben wir in unserer Verrücktheit nicht gefrevelt, welchem unter Allen würde unsere geheuchelte Reue nicht als ein neuer Frevel nur erscheinen? Darum müßten wir verzweifeln, wenn die gesammte Nation, in einen solchen wesenlosen Dunst verfahren und zerstoben, an allen diesen Verkehrtheiten sich betheiligt hätte. Dem ist aber in keiner Weise so, katholisch oder protestantisch, es ist ihr ein massenhafter Kern unversehrt geblieben, den jene Dunsthülle nur umwickelt und zu Zeiten verhüllt; in dieser treiben sich die flüchtigen Schemen, die lustigen Meteore um, wie dergleichen in diesem Augenblicke an uns vorüberzieht; in den Tiefen des Volkes aber verbergen sich alle die conservativen Instincte, um in Zeiten der Gefahr, wie wir das einmal schon gesehen, rettend und wiederherstellend einzuschreiten.

Also nochmal, da wir bei Sinnen sind, laßt uns die Thoren ertragen. Die rheinischen Völker haben im ganzen Verlauf der Sache bis zu diesem Augenblicke, wo Cöln in ihrem Namen mit einer That und ein Bischof mit einer Rede das Wort ergriffen, sich wohl gehalten; sie haben die Rache für die Unbill den Fügungen anheimgestellt, und diese haben den Kompromiß angenommen, und ihn schon vollkommen erfüllt. Erbarmungslos sind sie, wie eine Art von tragischem Schicksal durch den Rumor gegangen; mit kalter Ironie haben sie die Geschäftigen, sie gewähren lassend, unsichtbar ihrem Ziele zugelenkt, dort angekommen ist der Bombast geplatzt, und das ganze, leere Bemühen dem Lächerlichen preisgegeben. Die Rheinländer, indem sie darin ihre volle Genugthuung erlangt, mögen daraus abnehmen, wie verhaßt den höheren Mächten Uebermuth und Hoffart ist, und wie empfindlich sie die zu züchtigen wissen, die aus ihnen sich betreten lassen, und sie werden in aller Bescheidenheit sich dieses ihnen vergönnten neuen Siegs gebrauchen. Haben ihre Gegner alle Billigkeit verletzt, sie dürfen dadurch sich nicht abwendig machen lassen, sie selbst ihrerseits fort und fort zu üben, haben jene zu ihrer ewigen Schmach Recht und Gerechtigkeit mit Füßen getreten, das ermächtigt sie nicht, sich auch ihrerseits darüber hinauszusetzen; haben jene als gänzlich unverträglich sich gezeigt, wohl, sie mögen sie ausstossen, und sie sind ausgestossen, aber sie müssen darum nicht Massen, jenem Kernhaften hinter dieser Schaale zuzuhalten, und mit ihm geeinigt zu bleiben, weil sonst kein Heil wäre für das gesammte Ganze. Die katholischen wie die protestantischen Völker insgesammt, indem vor ihren Augen seit drei Monaten diese Fratze der Reformation sich aufgeführt, haben dadurch einen Maaßstab gewonnen, was sie von dieser historischen Erscheinung zu denken haben. Sie können es nun mit Händen greifen, wie es damal zugegangen; welcher Grad von Wahrheit den maaßlosen Angriffen auf die Kirche eingewohnt, was von der Oppositionsliteratur zu halten; welches Urtheil über den Ablaßspektakel zu fällen; was sie über die Haltung der Fürsten und Mächtigen zu denken haben und mehr dergleichen. Alle, die damal dafür oder dagegen wirksam gewesen, sie wandeln, in verkleinerten Dimensionen, jetzt als lebende Personen unter ihnen um, Tetzel als Bischof Arnoldi, Luther, Huß, Carlstadt, Zwingli, Calvin, sie alle haben ihre Pendanten, die noch umgehen, sie können forschen, überlegen, vergleichen; es ist als sehen sie in jene Zeiten zurückversetzt, und mehr noch als das, denn die drei Jahrhunderte sind dem Urtheile nicht verloren, noch auch die nahe Zukunft, die ihnen vor der Thüre haltend, um Einlaß bittet. Sie können also ein ruhiges, unparteiisches, auf den Augenschein sich gründendes Urtheil fällen, was in historischen Dingen so selten dem urtheilenden Verstande sich so günstig fügt, daß er im Besitze aller Acten zugleich den Fall noch einmal vor dem schauenden Auge sich wiederholen steht. Benutzen sie nun die günstige Gelegenheit, schöpfen sie ein besonnenes und gerechtes Urtheil, und thun sie darnach, wie sie sollen, dann wird es ihnen zum Heil gedeihen. Sie dürfen dann nicht zagen, wenn sie noch einmal nach dem Verlaufe eines Menschenalters vor die wieder erscheinenden Symbole geladen werden, um die Schicksale Deutschlands zu erfahren. Vor vielen Jahrhunderten hat der erste Wurf des Würfels zwischen Papst und Kaiser entschieden. Der Zweite hat den Königen und den Fürsten des einen oder des andern Bekenntnisses gegolten. Jetzt sollte er zwischen den Massen entscheidend in die Mitte treten. Aber wie drohend auch jetzt seine Augen nach Osten oder Westen blicken, wie sehr Vernunft oder Unvernunft, Seyn oder Nichtseyn auf dem Spiele zu stehen scheinen, bis dahin hätte Alles sich von selbst gefügt, und würde sich zum Besten legen. Gott hat Deutschland viel und oft gezüchtigt, aber er wird nicht von ihm lassen!

München, den 25. Jänner 1845.

 


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