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Wie aber das ewige Wort, das die Welt als ein Behalter durch die sieben Jahreswochen ihrer Geschichte sie hindurch führend, erhält, im Anfange im Verlaufe von sieben ersten Weltaltern sie erbaut; so wird auch dies Wort in der Eucharistie wirksam, das auf die kleine Welt im Menschen, vom Tage des Herren auf die ganze folgende Woche, conservirend wirkt, und selbst den Kranken und Alternden im Leben erhält, auch am Anfange erbauend in der Gesellschaft dieser Menschen gewirkt haben; das Werk aber in ihm erbaut, wird die Kirche seyn, die es dann fort und fort in ihrem Bestand erhält. Der Graal, beschließend und eröffnend das Centralmysterium des Glaubens, hat mithin, in die Wirklichkeit einstrahlend, aus sich und seiner inwohnenden Fülle, die ganze Kirche als seine Hülle um sich her, in seinen schöpferischen Ausstrahlungen aufgebaut; und diese seine Kirche, der andere nur erweiterte Graal, wird in der Dichtung durch den Graalstempel ausgedrückt. In Saluaterre, vom Salvator also genannt, einem Lande voll des Reichthums von Golderz, lag ein wilder Urwald sechzig Meilen weit allum, ein pfadlos Dickigt mannifach verschlungener Gewächse; in seiner Mitte erhob sich ein Berg, von dem aus überall dreißig Meilen bis zum Saum der Wildniß war zu reiten; Montsalvatsch, der behalten Berg wurde er genennet, und niemand mogte ihn finden, dem die Engel nicht zum Geleite dienten. Ihn hatte Gott zum Sitz des Graals erlesen. Auf der geschliffenen Felsentafel von Onichel, hundert Klaftern breit allum, fand sich der Grundriß von selber gerissen; eine Rotunde mit 72 Chören; aussenher dann acht Ecken, jeder Chor besonders ausgeschossen; der Plan des himmlischen Jerusalem im fronen Paradiese lag dem Riß zum Grunde. Nach diesem Risse schafft nun der Graal das Material zur Stelle: Lauter edeles Gestein, rothes Gold und Aloeholz, daraus erbaut sich sofort das Werk, und auf jener Grundlage wölbt es sich gar spehe; die Gewölbe reihen sich nach der Schwibbogen Krümme; die Kleinen und die Großen aber sind mit Pfeilern unterstossen. Nach dem Bilde der Welt ist die Kirche aufgebaut. Unten im Grunde lag der geschliffene Onyx, das Element der Erde ausdrückend; darin waren gegossen und erhauen Fische und die Bilder gar vieler Meerwunder, jedes in seiner Form; und fuhren recht, als ob sie wären wild, und als ob sie in Wasserwogen lebten. Mit klaren Crystallen war dann dieser Esterich überlegt, daß er einem wallenden See glich, bedeckt mit Eise, und durchsichtig, daß man alle Wunderthiere darin gesehen mogte, Wasser und Erde war damit also angedeutet, und die Ungethüme des Seegrundes, die der vierte Schöpfungstag hervorgerufen. Oben waren die Gewölbe mit Saphir gebläuet, lauter lichtgestirnt mit Karfunkeln; von Gold war das Bild der Sonne, von Silber das Bild des Mondes gewirkt, und künstlich bewegten sich Beide nach ihren Bewegungen am Himmel; damit also waren die Himmel oben ausgedrückt. Die Fenster waren mit Beryllen ausgesetzt, und mannigfache Gebilde aus farbigem Gestein daraus gewirkt; dadurch brach des Lichtes Glanz und entzündete des Goldes Röthe. An den Mauern waren Lauben, Bogen waren aus Spindeln gesetzt, und dann mit Reben gar durchflochten, und Rosen und Blumen aller Art, und Vögel schwangen sich singend auf den Zweigen: also das Pflanzenreich, des dritten Tages Werk, und der Vögel Geschlecht, das am fünften sich in der lichtgetränkten Luft aufgeschwungen. Die zwei und siebenzig Chöre sind die Kirchen der 72 Völker, die vom zweiten Stammvater ihren Ursprung genommen, auf je zwei immer ein Glockenhaus gelegt; alle Chöre also bilden eine Rotunde um das überreiche Werk des Graals her, das Gott und dem Graal zu Ehren, wie die Grabeskapelle in Jerusalem im Kleinen den Tempel wiederholte. Alle Glockenhäuser aber fügen sich in einen Kranz um den Thurm in der Mitte zusammen, über dem ein Karfunkel leuchtet, wie auf den andern kristallene schwanenweiße Kreuze. Der kleine Tempel in des großen Mitte birgt aber den Graal, das innerste Mysterium der Kirche; ihm gleich nahe standen alle Völkerkirchen, denn die Chöre waren in die Runde aufgestellt, wie Boisseré es nachgewiesen; in ihren Altären waren sie meist nach Osten hingerichtet, ihre Thürme verkündeten mit den Zungen ihrer Glocken die Ehre des Kreuzes; der Mittlere aber insbesondere die des Graales. Der Tempel ist vom Bischofe Penitentze zum Lob der Trinität und der Jungfrau geweiht; sein Patron aber ist der heilige Geist, weil dieser insbesondere der Schirmherr der Kirche ist; ein eigener Chor, reich geschmückt, findet sich daher ihm geweiht, der Jungfrau ein zweiter, dem Johannes und seinen eilf Genossen der dritte. Drei Thore, mit reichen Vorlauben wohl gezieret, führten von Mittag, Morgen und Mitternacht in den Tempel ein; das waren der rechte Glaube, Minne und das Gedinge; das ist Glaube, Liebe und Hoffnung, darin überall der Eingang zur Kirche sich aufthut. Zehn große Balsamlichter brannten im Innern, das bedeutete die zehn Gebote des alten Bundes; während zwölf leuchtende Steine die zwölf Tugenden oder Glaubenslehren ausdrückten. Ein Pallast für die Diener des Graales stand mittagwärts vom Tempel, durch einen Kreuzgang mit ihm verbunden. Umher aber war Alles mit Mauern umfangen und Thürme erhoben sich zur Abwehr jedes feindlichen Angriffs: denn die Kirche, nach innen triumphirend, muß nach aussen fort und fort streitend seyn; umher aber ist sie vom Walde paradiesesgleich umhegt. Das sind die Geheimnisse und Räthsel des Graales, zu denen nur die Kirche den Schlüssel besitzt, und doch schließt die Dichtung zuletzt: des Graales Zeichnung mag Niemand gar voll deuten. Man sieht, alle Künste haben sich vereint, um wetteifernd dies Werk zu schmücken; denn es ist diese Kirche selber, die Herrin aller Kunst, die sich hier im Gebiet des Schönen aufgebaut. Als der Graal nach dem Morgenlande gebracht wird, schifft er sich im Hafen von Marsilie (Marseille) ein, und die Schiffer führen ihn nach einer Stadt, so gelegen, als ob sie auf wildem Meere schwebend wäre, aber mit dem festen Land vereinet; Grandiponte hieß die Landzunge, wäre es eine Brücke, sie hätte wohl 500 Meilen Länge. Pittimonte aber hieß die Stadt; fünf Tage weilt dort der Graal, und die Bürger bauen ihm einen Tempel, nach dem Plan der Kirche. 72 Chöre fügten sich auch an ihm mit Meisterschaft zusammen; aber aus grauen Steinen wurde er gebaut, nicht aus Türkisen und Amethysten, und Grales hieß fortan die Stadt, dem Graal zu Würd und Ehre. Das himmlische Jerusalem war also das Vorbild, der Graalstempel das Abbild. Natur und Kunst hatten sich vereint, um diesen Canon auszuschmücken; jene hatte ihre kostbaren Gesteine, Metalle, Hölzer hergegeben; das Gestein hatte die andere in Mosaik gefaßt oder in die Fenster eingesetzt; die Metalle zu Bildwerk und Arabesken und Schmelzwerk verarbeitet; die Hölzer in Gestühlen und Altären kunstreich geschnitzt; die Malerei hatte Alles mit ihren Schöpfungen angehaucht, und in dem großen Orgelwerk, den singenden Vögeln und den: Wohl auf ihr Todten! posaunenden Engeln, umwebte die Musik mit ihren Tönen, wie mit Geisterreigen, alle diese Gebilde. Der Tempel in Grales war eine Nachbildung dieses architectonischen Canons in ärmlicherem Erdenstoffe; jede andere Kirche auf Erden ist ein Ausschnitt in Kreuzesform, die versammelte Gemeine in der gleichen Grundform zusammenfassend. So der Dom in Cöln mit seinen sieben Chören, so die Capelle auf dem Carlstein, ein Abbild eines der 72 Chöre, und zwar der des Slavenstammes: denn alle Architektur ist vom Graale ausgegangen.

Aber der Graal hatte noch eine dritte Eigenschaft, er sammelte selbst seine Gemeinde um sich her. Das Mysterium hat die Natur der Einheit, die da einstrahlend in die Herzen, mit ihren Funken sie erregt, und die Erregten an ihre Mitte bindet. Der Graal erwählte sich daher selber seine Hüter; die Unlautern wurden nicht genennet, die aber, welche die Wahl getroffen, deren Keiner gieng den Pfad zur Hölle; und wer nach Montsalvaz kam, der war wohl behalten im fronen Paradiese, und ewige Freude war sein Theil. Wer aber zu dieser Bruderschaft benennet wurde, dessen Art und Namen sagte an des Steines Rand ein Epitaphium; war die Schrift gelesen, dann zergieng sie wieder vor den Augen. Als Kinder kommen Alle hin; Arme und Reiche freuen sich, wenn man ihrer Kinder begehrt; man holt sie aus manchen Landen, und ihnen Allen wird dann der Himmel zum Lohne. Nur den Erwählten ist der Graal sichtbar, sie sind die Epopten oder Sehenden, und in eine Genossenschaft oder Massenie verbunden, die der Tempeleisen, oder Hüter des Graaltempels genannt; und diese ist einem Haupt und König untergeben, deren Erstem der Graal von oben auch zuerst zugekommen. Diesem, dem Titurel, hatte die Schrift am Steine zu lesen gegeben: ihm wär ein ehelich Weib erlaubt, die Andern aber mußten solcher Würde entbehren; denn des Priesters ist die Kirche ganz alleine. Der Graal aber will niemand zu Herren, er hab dann Treu und Milde; darwider gewährt er Glück und Ehre, und verleiht Würde, wie er auch würdig gesehen werden soll. Wer darin ganz keusch erfunden worden, der ist an dem Tag behütet wohl vor allen gefährlichen Wunden; Stahl und Eisen mag ihn nicht verschneiden. Wer aber ihn sieht mit unkeuschen Gedanken, den wird man des Tages wund finden, am achten Tage aber mag er wieder Helm aufbinden; wer aber innerliche Begierden hegt, der wird dann zerhauen zum Tode, oder so hart, daß er nimmermehr überwinden mag. Die Tempeleisen sind also Priester nach innen, und als Priester von Gott zu Königen geordnet; ihre Krone aber ist die Tonsur, und ihre Gewalt ist größer als die der Könige, denn ihr Gebet dringt bis zum Himmel. Aber haben die Hüter priesterlichen Orden, dann haben sie zugleich auch Ritterlichen; denn welchem männlichen Kinde der Graal geneigt, der ist zu Hand auch Ritter worden, und diese Ritter und Mannen des Schwertes müßen ihm mit Streit alle die abwehren, die ihm nahen wollen, ohne daß Tugend sie dazu würdig machte, oder die ihn zu Unrecht erstreiten mögten. Täglich halten sie daher Waffenübungen mit Ringen, Laufen, Springen, Schießen; nur an den vier großen Feiertagen des Jahres: Christi Geburt, Todestag, Auferstehung, Pfingsten war Waffenruhe. Auf den äußeren Wänden des Tempels waren Bilder ergraben und ergossen, wie diese Tempeleisen gewappnet unverdrossen jeden Tages ritterlich gestritten mit großem Ernst im Dienst des Graales. Wie Montsalvaz eine Kirche und einen Pallast, die Wohnung der Genossenschaft, umfaßte, beide aber nach aussen mit Thürmen und Mauern bewehrt erschienen; so war auch die Priesterschaft, die der Friedens- und Kriegsburg wahrnahm, geharnischt und bewaffnet zu Schutz und Trutz. Ihr Oberpriester war auch ihr Hauptmann, und dieser, des Graales Herr soll vor Allen lauter hell mit Keusche seyn gereinet; all seine Sorge muß sich gegen die Jugend wenden, daß sie dem Graale diene mit völliglicher Tugend, wie er Solches gehrt. Diese Jugend hat sich der Graal aus allem Volk, Hohen und Niederen, ausgewählt. Als dem Titurel die Braut Richaude zugeführt wurde, kam sie mit reichem Gefolge von Jungherren und Mägdlein, vierhundert und achtzig an der Zahl. Titurel las am Graale: er sollte sich daraus zweihundert Schildgefährten wählen, die blieben auf Montsalvaz; die Andern mußten wiederkehren. Der König trug Sorge, daß sie in der Tugend Lehre und Orden unterrichtet wurden, die er gleichfalls am Graal geschrieben gefunden, und sich in die Disziplin der Gesellschaft eingewöhnten. – Er ist also in seiner Weise ein Nachfolger der Apostel, ihres Hauptes insbesondere; er ist aber auch wie Orendel ein Fischer, der im Teiche das Netz nach den Fischen, den uralten Symbolen der Neophyten, ausgeworfen, und Amfortas wird ausdrücklich le roi pécheur genannt. Die Massenie, die ihn umgiebt, aber ist die bewaffnete Hierarchie der streitenden Kirche um ihren Führer her gesammelt; ihr Zeichen aber die Turteltaube. Damit sind die Rosse des Graales und ihre Sättel bezeichnet, ihr Banner trägt das Bild, und Cundrie la Sorziere trägt ein Gewand, dem mannich Turteltäublein eingewirkt worden, und an diesem Insiegel des Graals erkennt man diese seine Botin. Die Turteltaube aber ist die trauernde Braut, die nach dem Hingange des Bräutigams, wie Sigune im Baume, seufzt und zu seiner Erinnerung stets das Geheimniß des Graales feiert. Auch um den heil. Rock hat, wie wir gesehen, ein Ansatz zu einer solchen Massenie bestanden; vier Hüter sind bei ihm bestellt, die wissen, wo er verborgen ist; an sie aber hat später eine Bruderschaft sich angelegt, die das Domcapitel im XII. Jahrhundert aufgerichtet, dem Leiden Christi und dem würdigen Heilthume zu Ehren, wie viel andächtiger Menschen, edel und unedel es gewünscht, und an der sogleich manch tausend Menschen Theil genommen, und die fortwährend sich täglich gemehrt. Ein wahrhaftiger Tractat wie man das Hochwirdig Heiligthum verkündt und geweist hat in der heiligen Stadt Trier am Rhein, p. 12. Fünf Gebete sind dort beigefügt, die man bei dieser Bruderschaft gebetet. Auch die Turteltaube kömmt im Gedichte als Botin vor.

Wie nun aber in dem Helden Orendel, der den grauen Rock erworben, seine Legende mit der Heldensage sich verbindet; so im Titurel, dem der Graal zu Theil geworden, in gleicher Weise. Orendel ist der allerälteste Held gewesen, den die germanische Sage kennt; eben so wird es Titurel in der romanischen Sage seyn. Wie Orendel dem Ursprunge des belgischen Trevirerstammes nahe steht; so nicht minder Titurel, nahe dem Quell, dem der Seinige entflossen. Aber die Sage soll einer christlichen Legende sich verbinden, darum werden ihre Helden an die christliche Zeit herangerückt; so daß sie statt nahe den ersten Anfängen der Stämme, dem Anfange des Christenthumes sich anreihen. Es entsteht zunächst die Frage: welches ist der Stamm, dem der Titurel angehört; der Ursprung und der ganze Charakter der Dichtung spricht dafür, daß es ein südlich romanischer gewesen. Montsalvaz, die Burg, an die der Mittelpunkt der Dichtung und der ganzen Handlung sich anknüpft, wird uns dann nähere Auskunft geben. Der Graal-Tempel von M. ist in Salvatierra gebaut; wer nach Compostella in Gallizien pilgert, weiß um diese Gegend Bescheid; sein Weg führt ihn nahe daran vorüber. Er muß aber, um dahin zu gelangen, durch die vereinigten Königreiche von Arragonien und Catalonien wandern; dort also wird der Mittelpunkt der ganzen Sage zu suchen seyn. Das Reich der Tempeleisen breitet sich von da aus über Saragossa gegen Galizien, andrerseits gegen Ache, wohl Aix. Der Kaiser von Rom hat dem Großvater des Titurel Frankreich gegeben, das machte er zu Christen; seine Gattin war eine Königstochter von Arragonien; die des Titurel war Eine von Castilien; Anjou und Cornwallis gehörten dem Geschlechte an; die Heiden von Auverne und Navarra heerfahrten auf ihn, er aber führt die Karlinger, die von Prouenza, von Arle und von Lothringen. Man sieht also: Spanien und das heutige Frankreich waren der Schauplatz der Sage vom Graal; seine Hüter also spanische Iberier, oder französische und britanische Gallier, oder ein aus beiden Stämmen gemischter Stamm, der der Celtiberier. Für die letztere Annahme scheint selbst der Name des Stammvaters von Titurel zu sprechen; Senabor, wohl gleichbedeutend mit Sen – iber, ist gleich Celtiber; weil Sen oder Seim im armoricanischen noch heute Schwan bezeichnet; der Schwan aber das Heerzeichen der Senonen, eines herrschenden Celtenstammes gewesen. Diese Senaboriden sind aber von Osten her, wie die Dichtung beibringt, aus Oberphrygien und Cappadokien, dicht an Armenien gränzend, eingewandert. Der Stamm theilt sich, wie der des Aggl unter den Trevirern in seinen Söhnen sich dreigetheilt, nach abwärts in drei Zweige: der Eine bleibt im östlichen Vaterhause, in Cappadokien und Persiene, die Andern wandern in den Westen ein. Der Erste derselben unter Sabilor und Azubar setzt sich in Anjou und Cornwallis, im Stamm der Mazadanier, die von den Feen ihre Abkunft herleiteten; das sind die Cymry, die vom Liger aus Britannien besetzten. Der andere Hauptstamm wandert von Südgallien ein, Parille ist sein Führer, Titurisone sein nächster Sproße, welcher mit der Elizabel von Arragonien den Titurelle erzeugt, der den Graal erhält, und ihm seine Burg erbaut. Das ist also der Stamm der Celtiberier gewesen, der durch Norditalien gewandert, über die Alpen und von der Saone, der Rhone entlang gegangen, und am mittelländischen Meere zwischen dem Strome und den Pyrenäen und in einem Theile von Aquitanien sich niedergelassen, und dort ein mächtiges Volk gebildet. Um die Zeit, wo unter Belloves und Sigoves die stammverwandten Gallier nach Germanien und Italien übergewandert, sind diese Celtiberier über die Pyrenäen gegangen; haben im westlichen Oberarragonien in dem Hochlande sich festgesetzt, dem der Duero, Tajo, die Guadiana, der Guadalquivir und der Guadalaviar entströmen; von wo aus sie dann in den Häuptern dieser Flüsse das ganze, tiefer gelegene Land beherrschten; das sie von da mit ihren Heereszügen in allen Richtungen erobernd durchzogen, und mit ihren Stämmen bis zu den Ufern des atlantischen Meeres in Galizien und bis nach Algarve hinunter besetzten. Da in alter Zeit die erobernden Heerfahrten immer zugleich auch religiöse gewesen, und einen Wechsel in der Doctrin der Priester zum Grunde hatten, die mit den Wanderzügen eingewandert; so wird dies auch hier der Fall gewesen seyn. Die erobernden Heracliden aus der gälischen Wurzel, hatten auch heraclidische Priester an ihrer Spitze, die die Mysterien des Stammes hüteten, und sie, falls er siegreich wurde, ausbreiteten. So war es also auch in jenen alten Tagen eine iberisch-gallische Massenie, die dieser Huth sich angenommen; und das ist die Genossenschaft des Bechers oder des Kessels der Ceridwen gewesen.

In dem alten Naturdienste der Gälen ist aber Ceridwen die irdische Natur; ihr Becher oder Kessel diese Erde, selber zugleich Krippe und Grab und bergende Arche allem Lebenden. Sie hat dem Gatten, dem leeren Aether, einen Sohn und eine Tochter geboren; die Letztere wie Frau Breid, die Schönste aller Weiber; neben ihnen aber noch einen zweiten Sohn, der jedoch unlieblich und über die Maßen häßlich gewesen; sie will ihm daher das Wasser des Lebens und des begeisterten Hellsehens in ihrem Kessel brauen. Sie sammelt daher alle Kräuter, denen eine Kraft einwohnt, unter günstigen Aspecten in dem Mischbecher. Ein Jahr und einen Tag muß unausgesetzt die Mischung sieden; die Sonne im Jahreslauf giebt das Feuer her; Morda, der blinde Herr des Meeres, dessen Dünste im Glauben des Alterthums die Sonne ernähren, und Gwion der Sohn des Heroldes aus dem Lande des Schlafes, im Reiche der Nacht, in die auch die Sonne niedergeht, sie werden bestellt, das Feuer unter dem Siedkessel zu erhalten; dann wird, wie der Alkohol aus der destillirten Süße, so das Lebenswasser aus der Mischung sich entbinden. Das Jahr ist nahe zum Ende, da fliegen drei Tropfen auf die Finger des einheizenden Kindes der Nacht; er steckt sie vor Schmerz in den Mund, und wird sofort hellsehend; sieht aber nun auch die Gefahren, die die Ceridwen ihm bereitet. Er entflieht vor ihr in eines Hasen Gestalt, sie verfolgt ihn als Jagdhündin; er wandelt sich in einen Fisch, sie in ein Otterweibchen; er fliegt als Vogel auf, sie aber ihm nach in Gestalt eines Finkenfalken. Endlich läßt er sich als Waizenkorn in einen Haufen Waizen fallen: sie aber scharrt ihn als schwarze Henne aus; verschlingt ihn, wird mit ihm schwanger, und gebährt ihn als liebliches Kind, das sie nicht tödtet, aber in einem Boote ins Meer aussendet. Die kleine Arche aber landet am Wehr des mächtigen Bärenherrschers Gwiddno; wird dort von seinem Sohne Elphin gefunden; das Kind aber, das er aufgenommen, ist Taliesin, der Inhaber und Ausdruck der ganzen Druidenweisheit und ihrer mystischen Poesie; die immerdar gewesen, ist, und ohne Ende seyn wird. Der Dichter des Graal fand die Sage von dem Kessel der Ceridwen bei den Celtiberern und den Celtobritonen ausgebreitet; jene hatten sie nach dem südlichen, diese nach dem nördlichen Gallien zuerst gebracht, und dann in die Insel und die iberische Halbinsel hinüberwandernd, mit den Mysterien des Bechers und seinen Lebenstropfen die wilderen Eingebornen gesittigt. Die Pflanzen, die die Erdmutter in dem Kessel zum Sud geeint, sie mußten dem christlichen Dichter als die Zweige vom Versuchungsbaume erscheinen; nachdem das Feuer die Lebenstropfen aus dem Guten in diesen Zweigen entbunden, mußte das Böse allein übrig bleiben; als daher der Kessel geborsten, war der ganze übrige Inhalt Gift, an dem die Rosse des Gwiddno sich den Tod getrunken. Die Natur: Erde, Sonne und Sonnenfeuer, Meer, Tag und Nacht, sie sollten hier die Erlösung, das Heil und das Leben den irdischen Elementen abgewinnen; und diese dann dem erstgebornen Sohne der Natur zu Theile werden. Aber es fügte sich anders, wie im Schlafe wurde die Gabe dem Sohne der Nacht zu Theil; er aber mußte nun wiedergeboren werden von der Erde, damit er bei ihr Sohnesrecht erlange. Die Wiedergeburt konnte aber nur geschehen, wenn er durch alle Reiche der Natur bis zum Waizenkorn in absteigender Seelenwanderung niederging; das Korn aber mußte zuletzt in der Erde ersterben, damit es aus ihr wiedergeboren werde. Das Kind wird am Wehr gefunden und von Elphin adoptirt, vollends eingeweiht und ist nun Taliesin, der in Folge seiner Weihe geworden, wie der Elohim einer, kennend das Gute und das Böse. Darum sagt er in seinem verchristlichten Weihe-Liede: »ich war in der höheren Welt, in der Heimath der Cherubim, als die gefallenen Geister stürzten in die Tiefe; ich kenne die Namen aller Sterne zwischen Norden und Süden; ich war beim Thurme von Babel zugegen, wie beim Untergang Sodoma's und Gomorra's und bei Absolons Tode; ich war in der Krippe des Erlösers, litt Hunger für ihn, und war bei seinem Kreuzestode zugegen; ich wohnte im Königreiche der Trinität, ein Lehrer der ganzen Welt und bleibe bis zum jüngsten Tage im Angesichte der Erde.« So war durch Taliesin selber in Brittanien eine Verbindung des Naturbechers mit dem Christenthume schon eingeleitet. Der Dichter des Graals vollendete sie in ganz katholischem Sinne. Er gründete diese Verbindung auf das Princip, vermöge dessen die Kirche immer den besseren Zweig, dem Wildlinge des Heidenthumes eingepfropft; so daß der grüne Natursaft im höheren Gewächse sich reinigen und läutern mogte. Darum sah er im Kessel der Ceridwen ein natürliches Vorbild des Graals, den er statt desselben seiner Dichtung unterlegte. In jenem wollte die Tausendkünstlerin die Natur, übereinstimmend mit den Geheimnissen der Bücher des Pheryllt oder der Naturkunde, unter der Brutwärme der Sonne in Jahresfrist aus allen Zauberpflanzen des Versuchungsbaumes das Wasser des Lebens abziehen; das da die wahre Weisheit giebt, und Einsicht und Hellsehen in Zeit und Raum, und die wahre Meisterschaft in aller Symbolik verleiht. Der christliche Becher aber befaßte im Waizen und im Saft der Rebe, die der von oben Herabgestiegene in sein Mark und Blut gewandelt, die Frucht des Lebensbaumes, den das Christenthum dem Baume der Versuchung eingepfropft, der alle guten Säfte aus ihm sammelte, die Bösen aber ausgeschieden. So wurden alle Naturbeziehungen der alten symbolischen Dichtung durch das aufgenommene Prinzip von oben, in Katholisch-christliche umgewandelt; und die ganze druidische Natursymbolik war nur der Wildling, dem der Zweig einer göttlichen Symbolik sich aufgesetzt. Taliesin hatte aus jenem Naturbecher die ganze Druidenweisheit getrunken; ihr Mittelpunkt war im Mysterium des Bechers gegeben, und sie ließ sich ganz aus ihm ableiten; und er hat deßwegen auch mit seiner ganzen Umgebung seine Stelle unter den Gestirnen gefunden. Der Dichter hatte diese Weisheit sich angeeignet, und sie hatte wieder ihn sich angeeignet; dasselbe Wechselverhältniß hatte bei seiner Wiedergeburt aus der Natur stattgefunden: so Fleisch und Blut vom Marke der Natur geworden, hatte sein Geist auch Theil an ihrem Geiste genommen; und so war ihr Kind auch zugleich ihr Logos, der in ihm Mensch geworden, um durch ihre Weisheit Alle zu befreien, die da kommen, um an allen Wissenschaften der Welt Theil zu nehmen, die seine Brust umschließt. Wer aber aus dem Becher des Logos, der von oben aus Gott niedergekommen, getrunken; der trinkt jene Weisheit, die Gott besessen im Anfang seiner Wege, ehe er etwas gemacht; die schon empfangen war, ehe der Abgrund gewesen, und als die Quellen noch nicht geflossen, und als die Berge noch nicht gestanden. Als er den Himmel bereitet, als er den Aether oben gevestet, und die Wässer unten abgewogen und mit ihren Gränzen umschrieben; da war sie schon bei ihm, und ordnete Alles und spielte vor ihm, ihre Lust aber war es, unter den Menschenkindern zu wandern. Der Mittelpunkt dieser Weisheit in solchem Wandel auf der Erde ist aber die Eucharistie, und alle Dogmen ihrer Symbolik lassen aus diesem einen Grunddogma sich ableiten. Und wer diese Sophia aus dem Graale sich aneignet, der wird wieder von ihr angeeignet, so leiblich wie im Geiste; und in die Kirche und unter ihre Disziplin ausgenommen wird er Glied im Leibe des Logos, wie Geist in seinem Geiste, von dem göttlichen Elemente mit den Andern in Eins verbunden. Die Bruderschaft der Tempeleisen, die zur Hut des Graal's im Lande der Gälen und Iberer und Britonen sich verbunden, hat in der Vorzeit dieser Völker, im Naturdienst als Druidenorden den Weltbecher der Ceridwen gehütet; der eine Orden ist dem Andern nachgebildet, und die Gesetze, in denen der Erste sich gestaltet und bewahrt, haben auch zum Theil die Tempeleisen beherrscht; die gleich den Druiden sich selbst ergänzt, und in der Jugend, nach vieljährigem Unterrichte in Lehre und Disziplin, ihren Orden fortgepflanzt. Was Orendel an der Spitze der Tempelherren beim heiligen Grab gewesen, das Titurel beim Graale und Taliesin bei der Druidenschule in Brittanien; dahin hatte Joseph von Arimathia darum nach der Legende den Graal zuerst gebracht, und ihn dem von ihm gestifteten ersten Kloster auf der Insel Avallon zurückgelassen. Die Druidenkreise dort und in Gallien und Hispanien, sie sind daher die Vorbilder des Graaltempels gewesen. Der von Stonehenge bei Salisbury ist kreisrund wie dieser Tempel. Sechzig große cyclopische Steinmassen und neunzehn kleinere in zweiter Reihe, entsprechen den 72 Chören; nur daß hier andere Grundzahlen, aus dem Sonnen- und Mondlaufe hergenommen, zum Grunde liegen; und wie im Centrum der ganze Bau des Tempels sich nochmal wiederholte, so steht im Centrum jenes Kreises wieder eine höhere Steinmasse, oder ein Kromlech; zwei solche Massen, die horizontal eine Dritte tragen, das Grundelement des ganzen Cyclopenbaues.

Welche Stellung hat aber nun die Kirche dieser Kunstsymbolik gegenüber, eingenommen? Sie hat vor Allem die Thatsachen festgestellt. Als Constantin im Zeichen des Kreuzes, das er auch am Himmel gesehen, den Maxentius überwunden; da mußte die stolze, blutbefleckte Roma, die Mitschuldige von Jerusalem, sich vor diesem Zeichen demüthigen, das der Sieger auf dem Capitol, über dem Götterhofe der heidnischen Welt, aufgestellt. Als er dann ferner auch im Kampfe mit den Mitkaisern im gleichen Zeichen sammt denen, die sich zu ihm bekannten, gesiegt; da hatte er begriffen, daß eine neue Welt aus der untergehenden Alten aufzutauchen beginne, und daß die andere Ordnung der Dinge auch einen andern Schwerpunkt hervorgerufen, in dem er den Stuhl der neuen Herrschaft aufzustellen habe. Die sündenbedeckte Salem hatte schon mit ihrem Untergang gebüßt; über Rom war das Urtheil längst gefällt, und die Vollstreckung hatte nicht gezögert, und sollte nur mit seinem Untergange ablassen. Eine Zeitlang hatte der christliche Kaiser an die alte Troja anknüpfen wollen, um der Hauptstadt des christlichen Reiches eine historische Unterlage zu geben; aber Byzanz hatte zuletzt gesiegt, und um das nach ihm genannte Forum und die Porphyrsäule her, die sein Bildniß trug, wurde Constantinopel aufgebaut. Nun hatte er seine Aufmerksamkeit auf die gebeugte Aelia hingerichtet, die zerrissen und bis in ihre Gebeine zermalmt, noch immer an der Erde lag. Die alte Zeit war aber von da in ihrem tiefinnersten Brunnquell ausgegangen, und die Neue hatte ebenfalls in ihr ihren Ursprung genommen; ihre Unthat schien jetzt durch die Zerstreuung des ganzen Volkes gesühnt; sie aber geeignet, aus ihrer Erniedrigung wieder zu erstehen, damit sie als die Hauptstadt des neuen Glaubens in die neuere Geschichte eintrete. Die Kirchengeschichtschreiber berichten darüber: Der Kaiser, dem Trieb und Eifer der Mutter Helena entsprechend, habe sie, ausgerüstet mit allen Mitteln, und dem heil. Macarius dem Bischof des Orts empfohlen, nach Jerusalem hinüberziehen lassen, damit sie die heiligen Orte aufsuche mitten im Wuste, den die Zeit und die Wuth der Zerstörung über ihnen angehäuft. Als Aelius Adrianus den Namen der Stadt ausgetilgt, da hatte der Haß gegen das alte Prinzip, in den Juden lebend, gleich sehr wie die Ahnung, daß vom neuen Prinzipe aus dem Aeltern hervorgegangen, Rom Verderben drohe, ihn geleitet, und er hatte daher die Spur dieser Prinzipien auch in der ganzen Umgegend auszutilgen gesucht. Nach der Römer Weise wurde daher von ihm über Golgatha ein mächtiger Schutthügel aufgethürmt; über diesem aber ein Tempel gegründet, in dem er der himmlischen Liebe zum Hohne das Bild der Venus vulgivaga aufgestellt; deren Klagen um den vom Zahn des Ebers getroffenen Adonis er ironisch aus der Höhle von Bethlehem ertönen ließ. Helena, an Ort und Stelle angelangt, befragte die Tradizion der Eingebornen, was die Erinnerung von Juden und Christen über die Oertlichkeiten aufbewahrt; der Bischof begab sich seinerseits ins Gebet, und die Weisungen, die ihm zu Theile wurden, stimmten mit den örtlichen Sagen überein, jene Stellen als die gesuchten zu bezeichnen. Die Kaiserin hieß nun die Soldaten und die Arbeiter den Tempel abbrechen und den Schutthügel abtragen, und der Golgatha trat zu Tage, wie er vor der Zerstörung bestanden. Die Grabeshöhle ward wieder sichtbar, und östlich von ihr in einiger Entfernung fand man drei Kreuze verscharrt; und dabei eine Tafel, die man für jene erkannte, die Pilatus mit den vier Buchstaben beschrieben, obgleich diese unter der Einwirkung von drei Jahrhunderten erloschen waren. Die Frage, welches unter den drei Kreuzen das Gesuchte sey, löste der Bischof, indem er sie zu einer Todtkranken bringen hieß; die Falschen brachten keine Wirkung auf sie hervor; sie genas, als das Wahre sie berührte. Die Kaiserin theilte das Gefundene; die größere Hälfte ließ sie dem Bischof von Jerusalem zurück, die Kleinere sandte sie dem Sohne, zugleich mit den Nägeln, die man gleichfalls gefunden. Constantin schloß nun einen Theil des Gesendeten in sein Bild auf der Porphyrsäule ein, damit er als ein Schutzwächter auf immerdar seine neugebaute Stadt behüte; ein anderer Theil wurde, wie es scheint, später in der Sophienkirche niedergelegt, ein Dritter noch vom Kaiser nach Rom gesendet, wo er in der Kreuzkirche, in die das neue Prinzip, zum Zeichen seines Sieges, den alten Venustempel umgewandelt, aufgestellt wurde. Von dem Nagel ließ der Kaiser einen Theil in die Krone seines Helms, einen Andern in das Gebiß seines Rosses verschmieden, damit es ihm in aller Gefährde den Sieg verleihe. Er schrieb nun in einem noch vorhandenen Briefe dem Bischof Macarius: wie er zum Andenken an die wunderbare Entdeckung alle heiligen Orte zu überbauen beschlossen; und daher den Praefectus praetorio hinübersende, damit er alle Anstalt dazu treffe, und das nöthige Material, um das Beschlossene in würdiger Weise auszuführen, beischaffe. Und so wurde die erste Grabeskirche auf dem Calvariberge aufgebaut; eine zweite an der Stelle, wo die drei Kreuze gefunden worden; eine dritte auf dem Oelberg und eine vierte über die Höhle von Bethlehem. Helena aber, nachdem Alles vollendet war, kehrte zum Sohne zurück; ihr Andenken aber lebt, wie dort im Orient, so im Occident in der Tradizion vieler Orte fort. – Die Kirche, die diese Umstände, wie sie glaubhafte, zum Theile nahe gleichzeitige Kirchenhistorien erzählen, übereinstimmend mit ihren Tradizionen gefunden, erklärte sie als authentisch, ordnete drei Feste alljährlich zur Verherrlichung des Kreuzes an; Kreuzkirchen wurden aller Orten gebaut, und die Kreuzesform als Regel dem Kirchenbaue unterstellt. In Jerusalem wurde dem Kreuze ein eigener Hüter geordnet; an den Tagen, wo es der Verehrung ausgesetzt wurde, versammelten sich aus allen benachbarten Ländern unglaubliche Volksmassen, um dem, der an ihm gelitten, ihre Huldigung darzubringen. Die Kreuzpartikel verbreiteten sich in großer Menge durch die Christenheit, und die Legende erklärte: der Stamm, von dem sie genommen, nähme nimmer ab; auf das Prinzip in allen Symbolen sich gründend, daß sie wie die Sonne unaufhörlich, ohne sich zu mindern, strahlen; und wie alle höheren Einheitskräfte in der Natur durch die Vertheilung wirken, und sich also ins Unendliche mehren. Die Legende wurde aber von der Kirche bei ihrer Authenticitätserklärung ausdrücklich ausgeschlossen; und der Papst Gelasius hat in einer Synode von 70 Bischöfen, im Jahre 494 abgehalten, wo er die authentischen Bücher von den Apocryphen ausgeschieden, auch ausdrücklich authentische Schriften über die Auffindung des Kreuzes von den neuerdings ausgegangenen apocryphischen Berichten ausscheidend, die Letzteren verworfen. Diese Apocryphen waren aber Legenden, die sich schon in den ersten Zeiten an den Erlöser angelegt; und die hier Ausgeschlossene ist, wie kaum zu zweifeln, jene gewesen, welche die jüdische Landessage, die mit bei der Entdeckung geholfen, unter dem Namen des Juden Simon personifizirt; der die Tradizion vom wahren Leidensort vom Vater zum Sohne überliefert erhalten, sie der Kaiserin mitgetheilt, und nun, nachdem er Christ geworden, unter dem Namen Cyriacus dem Bischof Macarius in seiner Würde gefolgt seyn sollte.

Die Wichtigkeit der Entdeckung der Geburts-, Leidens – und Auferstehungsstätte des Erlösers für den neuen Glauben hatte, eine ganz unzweifelhaft authentische Constatirung derselben nothwendig, und das Offenkundige der ganzen Handlung eine solche zugleich möglich gemacht; und so war sie durch die Sanction der Gesammtkirche geschehen. Nun aber hatte das Interesse für diese Denkmäler, einmal geweckt, die angefangenen Nachsuchungen fortgesetzt, und diese waren nicht ohne Erfolg geblieben. Die Christen, als sie vor der Zerstörung Jerusalems nach Pella ausgewandert, hatten, was von solchen Angedenken an den Hingegangenen noch übrig geblieben, ohne Zweifel zu seiner Erinnerung mit auf die Wanderschaft genommen, und als sie in der Folge in die verschiedenen Landeskirchen sich vertheilt, mogte, wie zu glauben, Jede einen solchen Gegenstand der Verehrung mit sich dahin genommen haben. Jetzt nun, wo der Glaube vollkommen gesiegt, und die Tempel an den heiligen Orten als die Signale sich erhoben, mußte das Verlangen entstehen, alle diese Reste der Vergangenheit in ihnen wieder vereint zu sehen; ein Verlangen, was in Hinsicht dessen, was an Ort und Stelle noch vorhanden gewesen, sich leicht befriedigen ließ. So entstand, wie früher der Canon der Evangelien, so ein Canon solcher Reliquien. Ihre Legitimirung war, wie bei der Tafel am Kreuze und den Nägeln, sowohl denen des Kreuzes wie der Kreuzigung, in jener der Hauptacte schon gegeben; theils auch wurde sie auf anderem Wege durch die Zustimmung und Acclamation der Kirche, die zu ihrem Besitze gelangt, ergänzt. Zur Feststellung aller Thatsachen von der ersten Wichtigkeit war allerdings die Zustimmung der ganzen Kirche, verbunden mit ihrem Oberhaupte, nöthig; bei den von jenen abhängigen Acten zweiter und dritter Ordnung, wurde jene vorausgesetzt, wenn die legale, wohlbegründete Beistimmung der zunächst betheiligten Kirche eingetreten; und die Gesammtkirche gab dann den Gegenstand der Besonderen zur Privaterbauung frei. So ist ein großer Theil der Heiligen des alten Calenders, ohne authentischen Proceß der Heiligsprechung, in allen geordneten Formen eines authentischen Actes, nur durch eine Art von Acclamation der zunächst angehörigen Kirche entstanden; und die Gewähr der Wunder, worauf sich diese Canonisation gestützt, blieb der Gemeinde überlassen. So ist es mit der Dornenkrone gegangen, in deren Blätter sich die christlichen Völker getheilt; so mit der Säule, an der die Geißelung sich begeben, so mit der Lanze, die die Seite durchbohrt, mit dem Schweißtuche und andern Gegenständen. Nur das Untergewand des Herrn schien wichtig genug, um für dasselbe auf eine Gewähr der ersten Ordnung sich zu berufen; und so hat die Tradizion der Kirche von Trier sich zu diesem Zwecke auf ein Decret Pabst Sylvester, des Zeitgenossen der Helena, sich bezogen, worin er dieser Kirche den Primat in Gallien und Germanien bestätigt, der Kaiserin zu Ehren, die sie nebst andern Reliquien mit dem Gewande des Herrn geehrt. Aber die alte Treviris mit ihrer ganzen merkwürdigen alten Geschichte, mit all ihren Denkmälern, mit allen den christlichen Gaben, womit sie beschenkt worden, mit allen Reliquien und Authentiken wurde mit dem Schutte der Völkerwanderung, bis zum Ablauf des Hunnenzuges in fünf Schichten übereinander angehäuft, bedeckt. Auf diesem Schutte wurde dann das mittlere christliche Trier erbaut, und die Ueberlieferung schreibt dem Erzbischof Volusian eine Erneuerung der Authentika unter dem Pabste Hilarius zu. Vier Jahrhunderte sind kaum verflossen, da kehrt in den Normanenzügen ähnliches Unheil zurück; auch die mittlere Treviris wird verbrannt und ausgetilgt, eine sechste Schuttschichte legt sich über sie her; und unter ihr wird, wie man schließen muß, die Authentika mit ihrem Gegenstand begraben. Das dritte heutige Trier wird nun nach dem Ablauf dieser Fluth aufgebaut, nur die Erinnerung an den Verborgenen hat sich hinübergerettet, und der summarische Inhalt der Authentica. Drei Menschenalter nach der Verwüstung im Jahre 969 läßt sich daher der Erzbischof Theoderich, vom Pabst Johannes, mit dem Primat auch alle die andern Rechte und Besitzthümer der trierischen Kirche, deren Authentiken im Brande verloren gegangen, neuerdings bekräftigen: des Gewandes aber geschieht keine besondere Erwähnung, weil die Stätte seiner Verborgenheit dem Gedächtnisse der Zeitgenossen entschwunden. Erst nahe drei Jahrhunderte nach der Verwüstung wird diese Stätte aufgefunden, und nun wird er wieder in die summarische Authentica eingetragen. Die erste ursprüngliche, so wie sie die neuere Critik fordert, liegt also unter vielen Trümmerschichten begraben; und nahe zwölf Jahrhunderte können für ihr Zeugniß den Beweis nicht liefern, wie sie ihn verlangt. Das ist also ein rechter Glücksfund für jene negative Richtung der Wissenschaft, die nur gräbt, nicht um Verlornes zu suchen, sondern um Gefundenes zu verlieren und Bestehendes zu destruiren; im Schutte kann sie nach Herzenslust ihre Schachte und Stollen treiben, und sie müßte sehr ungeschickt seyn, wenn sie nicht ihren Zweck erreichte, und die Wahrheit glücklich zu Grabe brächte. Selbst, wenn sie thäte, wie Helena gethan, und den Schutthügel abräumend, etwa eine gekohlte Papyrusrolle fände; das würde sie wenig irren, denn die Verfälschung ist ja bekanntlich älter als die Völkerwanderung. Aber wie das Naturleben, unter Ruin und Graus verschüttet, sich nicht ersticken läßt, sondern die Lebenswurzeln, sich durch die Trümmer ringend bald wieder zu Tage brechen, und den Ruin mit frischer Grüne umkleiden; so ist es um das kirchliche Leben auch beschaffen. Die Irrthümer, die Wuth und die Leidenschaften der Menschen, sie häufen Berge darüber her, aber die Wahrheit läßt sich nicht begraben; sind die Stürmer davon gegangen, dann sproßt sie wieder still und mit beschleunigter Zunahme in ihrer Macht und Wirksamkeit fort; und während jene geglaubt, sie hätten sie gründlich und mit der letzten Wurzel ausgerottet, zeigt sie sich mit Einem wieder ganz und unversehrt vor den Augen der Erstaunten und Verblüfften. So hat denn auch diese Tradizion der Trierschen Kirche durch alle Jahrhunderte der Verwüstung sich durchgegraben; und grünt und blüht zur Stunde noch in ihrer ganzen ursprünglich unverwüstlichen Lebenskraft im Gemüthe des katholischen Volkes. Daß die Kirche bei der Begründung und Bestätigung solcher unsterblicher Tradizionen aber auch nicht leichtsinnig verfahren, hat sich eben am Graal erwiesen. Wie nämlich die Divina comedia des Dante die Freude und die Lust aller Völker italienischer Zunge gewesen; so ist früher, durch das ganze Mittelalter hindurch, die Dichtung vom Graal das Lieblingswerk so vieler Jahrhunderte bei den gälischen und hispanischen Völkern gewesen, die darin ihres Herzens Geist und Empfindung am treuesten ausgedrückt gefühlt. Die Kirche hat sich dieser Dichtung geneigt gezeigt, wie sie von der Andern sich nicht abgewendet; aber wie es ihr niemals eingefallen, der Weise, wie Jener Hölle, Fegfeuer und Himmel dargestellt und bevölkert hat, das Siegel ihrer Beistimmung aufzudrücken; so hat sie auch niemal dem Versuche, den ursprünglichen Graal in die Reihe der wirklich bestehenden Gegenstände einzuführen, ihre Approbation gegeben. Dieser Versuch war zur Zeit der Kreuzzüge gemacht worden, und die Genuesen zeigten in ihrer Hauptkirche zu St. Laurenz ein reiches Gefäß, wie man glaubte von Smaragd, das der wahre Graal seyn sollte. Eine Sage, ganz im Geiste der früheren Zeit gedacht, hatte sich an dies Gefäß geknüpft, und gab Rechenschaft, wie es zum Besitze der Genuesen gelangt. Im Jahre 1101, als Jerusalem von den Kreuzfahrern gewonnen wird, erzählte sie, waren die Pisaner Herren des Meeres; und mit den Venezianern und Genuesern bei allen grossen Heerfahrten über See gegenwärtig, gewannen die Verbundenen von den Feinden viele Städte, Burgen und Inseln, unter Andern auch Jerusalem und Antiochia, und reiche Beute fiel ihnen zu. Diese wurde nun in drei Theile getheilt: die Herrschaften und Grund und Boden wurden auf den einen Theil gelegt; die Schätze und Reichthümer und aller bewegliche Besitz auf den Andern, das kostbare Smaragdgefäß galt für den Dritten; die drei verbundenen Städte sollten sich in den dreifachen Besitzstand theilen. Den Pisanern, den stärksten unter den dreien, die auch das Beste gethan, wurde das Recht der ersten Wahl gestattet. Sie wählten Land und Herrschaft, den ehrenvollsten Theil, und die Straßen und Pforten der heiligen Stadt wurden gegen Pisa hingerichtet, und alle festen Plätze ihnen übergeben, in deren Besitze sie so lange geblieben, bis sie dieselben den Ungläubigen verkauft. Die Venetianer, deren Sinn immer auf Geld und Gut gestanden, nahmen Gold und Silber und Kleinodien und Seidenstoffe, so viel sie fortschaffen mochten für ihren Antheil; und so blieb den Genuesern das kostbare Gefäß nur übrig, das sie in ihre Stadt hinüberschafften. Man sieht, von den drei in die Erbe sich theilenden Ländern hat der Stärkste die Herrschaft an sich genommen; der Andere als der Kaufherr den Schatz, so ist dem Dritten als dem Priester die Idee mit ihrer Fassung allein geblieben. Italien war im Besitze des seltenen Denkmals, das konnte jeden andern Richter leicht bestechen. Die Kirche hat aber nie diesen Tradizionen ihre Sanction gegeben; sie begnügte sich damit, daß sie im Sacramente den Gegenstand selbst in ihren Altären beschloß; und so wurde dieser Graal nur als eine wundersame Antiquität gezeigt, niemals aber der Verehrung ausgesetzt. Der Titurel redet auch ausdrücklich von diesem falschen Graal, berichtend: die Constantinopler hätten ihn untergeschoben; und es hat sich bei näherer Untersuchung ergeben, daß er nicht von Smaragd, sondern von Glas gewesen. Thevet in seiner Cosmographie [1575] sagt von ihm S. 710: im Jahre 1160 gingen die Genueser nach Syrien, dem Balduin König von Jerusalem zu helfen, und eroberten Tripolis, Baruth und Cäsarea. Es war dieser König, der ihnen das reiche Smaragdgesäß gab, einer der größten Schätze Italiens, wie Einige unter ihnen mich glauben machen wollten. Aber ich weiß das Gegentheil, daß als Alonso König von Castilien mit dem Grafen von Barcellona und einigen Hilfstruppen der Genueser, Almeria in Spanien belagerte, das damal ein Mohrenkönig aus Spanien inne hatte; und als die Stadt nun genommen wurde, der König lieber seine Schätze hingeben, als sein Leben verlieren mogte. Unter den reichen, ausgesuchten Dingen aber fand sich jene Smaragdtafel, die sein Großahne, genannt Kogom-melach aus Meroe gebracht, als diese Insel von den Afrikanern verwüstet wurde, und diese schenkte der König Alonso den edeln Genuesern, die durch Meerunfälle 14 Schiffe verloren hatten. Der Stein ist einer der reichsten und schönsten der Welt, und sagt man, er sei einigemal für 1 400 000 Dukaten versetzt gewesen. – Hier also dieser Graal der Sonnentisch der Macrobioten.

Alle diese Gegenstände, die die Kirche als die Hüllen ihrer Dogmen anerkennt, haben nun die Kirchenväter in ihre großartige Symbolik aufgenommen, und die Synthese derselben an sie geknüpft. So ist ihnen das Zeichen des Kreuzes das Symbol geworden, in dessen Form und Kraft das ganze Weltall geordnet ist; die Heiden haben die Macht ihrer Götter von ihm abgeleitet; die Propheten haben von ihm geweissagt, und durch alle Reiche der Natur und durch die ganze Geschichte hat es geherrscht und seine Macht erwiesen, die erste Oberfläche sei im Kreuz beschrieben, sagten die Araber; es sey aus der Kraft der Sterne hervorgegangen, und behalte in sich diese Kraft und den ganzen Geist der Natur. Das gesammte Universum, in der Richtung von der Oberwelt zur Unterwelt durch die Mittelwelt mit ihren beiden Seitenrichtungen, sey nach ihm gebaut, und die Weltgegenden in ihm hätten sich gleichfalls ins Kreuz gestellt. Das Henkelkreuz war eine ägyptische Hieroglyphe, und bedeutete das künftige Leben, alle ihre Götter führten es daher in Händen. So hatten die alterthumskundigen Heiden des Landes den Christen aus alter Ueberlieferung berichtet, als diese im Tempel des Serapis überall die Kreuzeszeichen aufgestellt. Sie hatten hinzugefügt: ein altes Wort habe geweissagt: so lange würde das Altverehrte aufrecht stehen, bis jenes Zeichen erscheine, in dem da das Leben sey; was jetzt einzutreffen angefangen, und unter Theodosius sich vollends ganz erfüllte, wo man mit den andern Tempeln der Götter auch den des Serapis schleifte, und die Grundsteine mit demselben Zeichen bezeichnet fand. So hat denn auch die Sibylle von diesem Symbol geweissagt, die Orakel haben es gepriesen, der 21. und 138. Psalm haben davon gesungen. Moses hat es mit der Schlange in der Wüste aufgerichtet. Durch die ganze Natur tritt es hervor, die Bäume erwachsen in seinem Gesetz; die Vögel durch die Lüfte fliegend, sie bilden mit ausgebreiteten Flügeln die Kreuzesform; die menschliche Gestalt ist in dieser Form aufgebaut; allem also, was er ersinnt und erwachtet, bis zur innersten Werkstätte des Gedankens hin, ist sie ausgeprägt; wenn er wandelt, wenn er auf den Wässern schwimmt, es ist nur das Zeichen, das er in seinen Elementen bewegt. Wenn er mit dem Pfluge die Erde bebaut, so wirft er sie in diesem Zeichen auf; wenn er im Schiffe über die Meere segelt, so einigen sich Mast und Segel in diesem Zeichen, und in ihm zieht sich die Meeresfurche; wenn er als Plastiker menschliche Gestalten bildet, er prägt in ihnen dasselbe Zeichen aus. Wenn die Römer ihre Trophäen aufgestellt, die aufgehängten Waffen haben sich in ihm zusammengefunden; und der Betende bringt in dieser Form seine Huldigung dem Gegenstande seiner Verehrung dar. So ist es also eine der Grundformen aller Form auf Erden, und als die Vierzahl eine der Grundzahlen, die sich allen Zahlen unterstellen. Wie das Kreuz, so ist auch das Grab und die Krippe ein solches Symbol. Der herabgestiegene Logos ist in der Einen, nachdem er den Menschen angezogen, in die Geschichte eingetreten; im Andern, nachdem er zuvor den Leib abgelegt, hat er ihn wieder an sich genommen, und ist nun der Stammvater eines neuen Geschlechtes geworden. Beide gehen daher in die Arche zurück, die von dem vorfluthigen Geschlechte die letzten geretteten Sproßen in sich aufgenommen; die dann in ihr, in Mitte der Schatten des Todes, zu Keimen eines neuen Geschlechtes sich umgestaltet; das aus dem allgemeinen Untergange hervorgehend, aufs Neue in der Erde Wurzel gefaßt. Wieder ist die Bundeslade einer ihrer Typen, über den Elohim geschwebt, wie der Logos über den Andern, und die eben so die Zeichen des Bundes auf dem Berg Sinai in sich beschloß, wie diese die des Neuen in dem sichtbar gewordenen Unsichtbaren. Wie daher das Kreuz später an dieser, in neuerer Zeit gleichfalls erst sichtbar gewordenen Südhälfte des Himmels, aufgegangen; so in der Argo schon in ältester Zeit das Symbol des sich offenbarenden und bergenden Gottmenschen. Eben so ist dem Kelche der Eucharistie der Mischbecher in der großen Schöpfungsfeier typisch vorangegangen. Der Werkmeister des alten Weltbaus hat in diesem Becher die Elemente zu dem Bau gemischt; und indem er das umgestaltende Wort der Weihe darüber ausgesprochen, ist zu dem aus dem Nichtseyn ins Daseyn transsubstanziirten Stoffe, zugleich die Form hinzugetreten, und aus dem Becher ist der ganze Weltbau in all seiner Schöne hervorgegangen. Auch diesen Becher kennen die Ueberlieferungen aller Völker, er glänzt daher gleichfalls im Sternenlicht am Firmamente, und auch der sternkundige erste Sammler der Graalsagen hat ihn dort gesehen. So hat denn nun endlich auch diese Symbolik das untrennliche Gewand des Herrn in ihren Kreis hineingezogen. Der Rock aber, über den das Loos geworfen worden ist, sagt Augustin, bezeichnet die Einheit aller Theile, welche durch das Band der Liebe zusammengehalten wird. Derselbe ist ungenäht, damit er nicht irgend einmal aufgetrennt werde; er ist an Einen gekommen, daher sammelt er Alle in Eins. Von der Einheit hat die Kirche ihren Ausgang genommen, und zu ihr will sie die Gesammtheit der ihr Angehörigen zurückführen. Darum wird diese Einheit fließend in einem Band der Liebe, die zugleich Wahrheit ist; und das Band umschlingt alle die, welche ihr gegeben sind zu einer Webe, die der Geist von oben selbst gewebt, und die er auch zusammenhält; also daß dies aus einem Faden gewirkte Ganze unlösbar wird. Wer daher eine solche Trennung versucht, wird durch die einwohnende Schutzmacht ausgeworfen; denn er hat Gottes Gesetz verletzt, dessen Einheit nimmer zerrissen werden mag.

So ist es um diese christliche Symbolik bestellt, in der die Kirche den unergründlich tiefen Inhalt ihrer Dogmen, mit der bedeutungsvollen äußeren Form, wie mit einem Netzwerke umschrieben; und so den größten Reichthum in engster Fassung auf den gediegensten und kürzesten Ausdruck gebracht. Diese Symbolik ist daher in sich einig und ungetheilt wie die Kirche, und doch wieder katholisch und allgemein gleich ihr; geschlossen in sich selber, in steter gegenseitiger Wechselbeziehung aller ihrer sie constituirenden Elemente auf einander; daher in sich subsistirend, während sie zugleich in ihrem Urheber subsistirt; und so stets der höheren Einwirkung bedürftig, doch auch wieder sich selbst genug. Sie ist in der Zeit, und doch auch wieder, weil sie in aller Zeit ist, in ihrem höheren Elemente über ihr. Sie ist daher schon in ihren ersten Anfängen beim Ausgange der Dinge gewesen; ist in der Gegenwart, und wird in aller Zukunft bleibend bestehen. Sie ist aus der wahren Weisheit, die Gott im Anfang seiner Wege besessen; die von ihm in seinem Worte den Ausgang genommen, und die er durch alle seine Werke ausgegossen, und über alles Lebende je nach seinem Maaße, und die er denen gegeben, die Liebe zu ihr tragen. Die Natur weiß daher in ihrer Sprache von dieser uranfänglichen Weisheit lallend zu erzählen; denn auch in ihr hat sich, aus reichem Stoffe in der Einheit zur Form gebracht, eine physische Symbolik aufgebaut. Die Mythologien aller Völker wissen von ihr zu berichten. Sie haben dem Spiele der Weltkräfte zugeschaut, die Bewegungen der Gestirne haben sie belauscht, dem Walten der elementarischen Kräfte um sie her haben sie ihre Aufmerksamkeit zugewendet; in Allem haben sie die Geschichte der Natur gelesen, der sie ihre Verehrung zugewendet; und darauf haben sie ihre Mythen gebaut, die, je nach Sonnenlage und Erdlage wechselnd, die Erde wie mit einem blühenden Garten eingehüllt; in dem jede Blume in eigener Zunge ihr eigen Theil an jener großen Symbolik, nach der Blumenweise, ausgesprochen. Auch in der Geschichte des Menschengeschlechtes hat die Sage diese in sie gelegten Symbole ausgefunden und sie, stufenweise voranschreitend von träumerischem Befangenseyn bis zur klaren Besonnenheit, in allen Formen der Kunst ausgesprochen. Die Wissenschaft hat dann den durchlaufenden Faden weiter fort in die Gedankenwelt verfolgt, und auch in diesen Gebieten die Keime nachgewiesen, um die her sich überall die Massen angelegt. So ist also diese Symbolik durch alle Zeiten hindurchgegangen; in den Naturzeiten unter dem Gepräge der Natur erscheinend, in den Mythischen mythisch, in den Sagenhaften in der Art der Sage hervortretend, in den Historischen in den Formen der Historie und der strengeren Wissenschaft; auf allen diesen Stufen ist sie aber eine vorbildlich prophetische gewesen. Als aber die Fülle der Zeit herangekommen, hat auch diese Prophetie sich an ihr erfüllt; sie ist aus allen diesen Hüllen in der ihr innerlich eigenthümlichen kirchlichen Natur hervorgebrochen, und hat nun in ihr die kommenden Zeiten beherrscht. Um das Kreuz hat der Kaiser Heraclius mit dem Perser Chosroes gestritten, und der besiegte Iranier hat das Entführte zurückgeben müssen. Um das heilige Grab haben die Christen mit den Mahomedanern Jahrhunderte gerungen, und indem sie mit dem Kreuze sich bezeichnend, zehn große Heerfahrten ausgerichtet, haben sie mit den losgebrochenen Kräften des Orients sich in Asien messend, den Einbruch derselben in den Occident abgewehrt. Um den Kelch haben sich die Hussitenkämpfe zuerst entzündet, und die der Reformation haben sich wesentlich um ihn und die übrigen Symbole her bewegt; und selbst die große Heerfahrt der neuesten Zeit ist unter einem derselben geschehen. In diesen Kreis sind nun die rheinischen Völker eingetreten, als sie ihre Pilgerfahrt zu dem Symbole der unzerreißbaren Einheit angestellt. Und auch an ihnen hat sich das Wort bewährt: Suche vor Allem Gottes Reich, das übrige wird dir von selbst zufallen! Darum haben sie, wenn auch unbewußt, am ganzen Reichthume dieses Symboles Theil genommen; die Geschichte ihrer Väter in den früheren Geschlechtern hat sich dadurch in den lebenden Enkeln fortgesetzt; in den Garten ihrer Kunst haben sie hineingeblickt, ihre Wissenschaft hat ihnen ein Hineinschauen in ihre Tiefen gestattet, und die Natur hat sich ihnen nicht verschlossen. Was haben sie von diesem inneren Zusammenhange, was von der Geschichte, Kunst, Wissenschaft und Natur gewußt, die in ihr beschlossen ruht? Sie haben der Kirche geglaubt und vertraut, und das hat sie in Bewegung gesetzt; das Uebrige hat das deutsche Gemüth vollbracht. Dies Gemüth, aus nie versiegender Quelle fort und fort Wärme strahlend, durchdringt den Gegenstand, an den es sich einmal angesogen, schnell mit dem von ihm ausgehenden Elemente; daß er von ihm durchgossen und getränkt, gleichfalls strahlend wird, und es nun in der engen Verbindung den Anschein gewinnt: als sei er nur die Fortsetzung von ihm selber, und das Gemüth habe in ihm nur sich selbst ergriffen, und halte in ihm sich fest. Darum wird die ganze Fülle des Gegenstandes ihm einwohnend, ohne daß es seiner gänzlich mächtig wäre; und in seiner Einfalt besitzt es schon in den Keimen alles das, dessen Erwerbung in allen seinen Entfaltungen freilich nur anhaltenden Mühen gestattet ist. Und so ist es reicher als die seichten Gesellen, die es schelten in seinem Thun, und bettelarm und dürftig, mit einem Scheinwissen von heut und gestern sich haben abfinden lassen, und in ihm sich blähen.

Alle kirchlichen Symbole setzen sich aus einem doppelten Elemente zusammen: einem Göttlichen, das ihr Mysterium, ihren eigentlichen Inhalt bildet; und einem geschaffenen Weltlichen, das als dessen Träger von dem Unterstellten befaßt wird. Um des ersten Elementes wegen sind sie Gegenstände der Verehrung der Gläubigen; denn die Form allein für sich gesondert etwa anzubeten, wäre verwerflicher Götzendienst. Bei den christlichen, auf den Erlöser sich beziehenden Mysterien, ist der Gott, in der innigen, untrennlichen Verbindung der beiden Naturen, das göttliche Element; das weltliche Element, das mit diesem sich verbindet, wird nun gleichfalls durchgängig zwiefach seyn, wie die Welt selber. Da nämlich diese in Himmel und Erde getheilt erscheint; so wird auch in der Hülle der Symbole, das, was am meisten von der Einheit hat, dem Himmlischen entsprechen; was aber am meisten von der Getheiltheit, dem Irdischen. Die Verbindung des höheren göttlichen Inhalts mit dem geschaffenen Träger wird nun also geschehen: daß das menschlich seelische Element im Gottmenschen sich eingiebt, dem leiblichen in seinen beiden Formen; also daß es zunächst sich dem verbindet, was am meisten von der Einheit hat, und in diesem dann auch zugleich mit dem, was am meisten von der Getheiltheit besitzt, sich verbunden findet; während der Gott dann das ganze überschwebt, durchdringt und in sich befaßt. So ist bei der Kreuzigung nicht der Gott, sondern der Mensch in seinen beiden Naturen, der seelischen und der leiblichen, an das geistige Kreuz der Seelenleiden, und an das physische der Körperleiden geschlagen worden; und das Symbol im Crucifixe drückt den in seiner Menschheit leidenden Gott vollkommen entsprechend aus. Das Symbol der Krippe, diesen Gottmenschen in Kindesgestalt unter den Thieren zeigend, vor ihm die Magier anbetend, ist ein eben so erschöpfender Ausdruck des Gottes, der ins Fleisch herabgekommen, in den Naturreichen das Indigenat angenommen, zugleich aber als König sie beherrscht, und im Reiche der Menschen Anbetung fordert. Die Auferstehung aus dem geöffneten Grabe, welches den Leib, den es beschlossen gehalten, der Seele des Gottmenschen zurückgegeben; der nun, das Lamm, das den Löwen des Todes überwunden, siegreich über dem Schlachtfeld schwebt, in Mitte der schlafenden Wächter, die die Beute dem Besiegten zu hüten gesendet worden, ist gleichfalls ein Bild, das sich rund und klar selbst ausspricht. Im Kelche des Altarsacramentes ist der Wein befaßt, in seiner Flüssigkeit die Unbestimmtheit des irdischen Elementes ausdrückend; über ihm in der Schüssel des Graals das Brod, das in der Wirkung der Natureinheit bestimmte Gestalt angenommen, und nun näher der Höhe steht. Der Gründer dieses Symboles aller Symbole spricht durch den Mund des Priesters selber die Einsetzungsworte aus; und der Mensch in ihm wandelt den Wein in sein Blut, das Brod in seinen Leib; beide durchgeistet mit seinem Seelischen, und der Gott in ihm unterstellt sich dem Gewandelten, durchwohnt es und befaßt es in sich; und das Sacrament wird zum Grundworte der kirchlich symbolischen Sprache, wie die hebräische Sprache der Rabbinen das Wort Jehova zu einem solchen Grundstein genommen. So auch ist es mit den Gewanden. Der Rock, über den das Loos geworfen worden, bezeichnet die Einheit aller Theile der Kirche, welche durch das Band der Liebe zusammengehalten wird. Gewirkt von oben, hat diese Einheit auch die Natur der Höhe und des Himmels; das Untergewand ist daher auch der Träger des himmlischen Mysteriums in der Kirche. Diesem Untergewand aber hat sich ein Obergewand beigefügt, der Purpurmantel; und dieser weit sich ausbreitende Mantel, den die Soldaten in vier getheilt, hat auch die viergetheilte Kirche vorgebildet, die nach den vier Richtungen auf dem Erdkreise sich ausgebreitet; und auch in alle Theile gleichmäßig, das ist einträchtig, sich vertheilt. Das Eine der beiden Gewänder ist also im Gleichniß des Himmels gewirkt, das Andere in dem der Erde; und das Symbol des guten Hirten, wie er in das Eine sich gekleidet und in den Mantel sich gehüllt, ist der prägnanteste Ausdruck dessen, der seine Heerde, wie im Himmel, so auf Erden weidet. In allen diesen Symbolen findet der Inhalt sich vollkommen durch die Form gedeckt, und doch wieder sie durchleuchtend und durchdringend; Beide sind untrennbar voneinander, Eines steht daher fürs Andere ein, und beide mögen nur in einer falschen Abstraktion geschieden werden. Die Welt anbeten, als sey sie Gott, ist allerdings Abgötterei; in der schönen Ordnung der Welt Gott verehren, aber kann keineswegs Götzendienst gescholten werden; und so auch die Form in ihrer Abgezogenheit als den Inhalt anbeten, wäre allerdings Aberglauben, mit nichten aber wird es eine Idolatrie genannt werden mögen, dem Gott in der angenommenen Form die Huldigung darzubringen.

Die entscheidende Frage für die gegenwärtige Untersuchung ist nun: wie verhält sich der Inhalt der kirchlichen Symbolik, oder das Mysterium in ihr zur Zeit, wie theilt es sich ihr mit, und verbreitet es sich in ihr von einem Geschlecht zum Andern? Das Mysterium hat die Natur der Einheit, es wird also nach der Weise der Einheit sich öffnen, und in die Zeit ausgehen. Die Einheit kann aber wieder nur in das Gleiche sich aufthun; denn sie geht wohl in das Gezweite, dies aber nicht zurück in ihre Wesenheit ein. Die ganze Fülle der Einheit ergießt sich also in dem Gleichen, das also wieder Einheit ist. So ist es mit dem großen Mysterium der schaffenden Gottheit, das im Naturmysterium der Fortpflanzung der Gattung wiederstrahlt. Der erste Mensch hat die Einheit des gesammten Menschengeschlechtes durch alle Generationen hindurch in sich beschlossen, das der Möglichkeit nach in ihm gelegen; durch die Folge der Zeugungen aber allmählich aus ihm sich in die Zeit entwickelt. Diese erste Einheit hat also Einheiten zweiter Ordnung ausgestrahlt; die ihrerseits wieder in solche von der Dritten sich geöffnet, und so bis zum heutigen Tage. Die erste Einheit hat in allen diesen abgeleiteten Einheiten ihren blos möglichen Inhalt in der Zeit wirklich bekräftigt; jede von diesen ist in ihrer Art volle Persönlichkeit, aber, obgleich untergeordnet, dasselbe was die erste Einheit gewesen. Diese tritt in ihr wieder als gesondertes Individuum hervor, Jede führt zu ihr zurück, und sie kehrt ganz im Ganzen Aller, und gesondert in jedem Einzelnen zurück. Vollkommen eben so ist es nun um die Eingeburt der Mysterien religiöser Symbolik gethan. Der Erlöser hat die Apostel angehaucht mit den Worten: Nehmet hin den heiligen Geist! und damit hat er die Weihe ihnen mitgetheilt, und in ihr durch das Band des Geistes sie mit sich verbunden; also daß sie in diesem Bande in die unmittelbare Wirkungssphäre seiner Heiligkeit versetzt, die Einströmung derselben erfahren. Wie er mit Ihnen gethan, so haben sie es mit den Bischöfen gethan, denen sie die Hände aufgelegt; die dann wieder den empfangenen Geist und die Einströmung auf Andere übertrugen, bis sie auf unsere Zeit herabgekommen. Das ist die geistige Zeugung, die die Naturzeugung ausschließend, wie auch die Incarnation sie ausgeschlossen, successiv eine kirchliche Generation nach der Anderen activirt. Der erste Act des Erlösers bricht also in jeder neuen Priesterweihe hervor, es ist sein Odem, der alle Zeiten durchweht; und an ihn geknüpft ist die Einheit seines Geistes ausgegangen, hat sich über jedem geweihten Haupte niedergelassen, und verknüpft sie nun alle untereinander und mit sich; als die, welche als die Kinder seiner Adoption sein Geschlecht und sein Haus bilden und zusammensetzen sollen. Denen nun, die in solcher Weise in die Hausgenossenschaft aufgenommen worden, ist auch mit dem ausgehenden Odem das Wort in den Mund gelegt, das bei der Einsetzung des Sacramentes in der Coena gesprochen worden; und in der Wandlung setzt die in der Individualität vollendete Incarnation des Erlösers sich durch die Kirche in der Geschichte fort. Es ist das Wort dieses Erlösers, was damal den historischen Faden zuerst angeknüpft; dies Wort in jeder Generation im Munde der Sprechenden sich wiedergebährend, setzt das damals angefangene Werk immer fort. Was bei der irdischen Fortpflanzung der Segen der Gottheit ist: Wachset und mehret Euch! das sind hier die Worte der Einsetzung: Thut das zu meinem Gedächtniß! die Möglichkeit des Thuns und des Nichtthuns aber ist an die Weihe geknüpft. Wie also die Coena in jedem Meßopfer wiederkehrt, und die unendliche Fülle dieser ersten symbolischen Handlung in Allen sich durch die gesammte Zeit nur aufgethan; also daß jedes Meßopfer, obgleich wieder selbstständig, dem Andern gleiche, weil Alle dem Ersten gleich sind, Alle mithin auch, die an diesem Tische sitzen, das Brod mit dem Herrn brechen; so wird es auch um alles Heilige der unteren Ordnungen der kirchlichen Symbolik beschaffen seyn; es wird sich nach der ihm einwohnenden Natur der Einheit in seiner Vertheilung halten. Es wird seyn wie eine Flamme, die tausend Flammen zündet, ohne sich selber zu mindern; denn es theilt nicht wie das Gezweite, von ihm selbst sich abziehend, sich mit; sondern vielmehr durch Dividiren sich mehrend, wie das Saatkorn sich zur Aehre mehrt; weil es den Prozeß, aus dem es hervorgegangen, in der Erde wiederholt und nun in's Mehr sich entfaltet. Das wird auch der Fall mit dem heiligen Gewande seyn; das ursprüngliche, unmittelbar Gegebene, in Berührung gebracht mit einem homogenen Träger, wiederholt in ihm den Act, aus dem es selbst geheiligt hervorgegangen; wie ein Wort in tausend Hörern tausend Gedanken weckt, und ein Magnet hundert Magnete macht. Wie also die volksmässige Legende erzählt: das Kreuz sey wie ein lebendiger Baum nachgewachsen, je mehr man davon geschnitten; so erzählte sie vom Gewande: es sey mit seinem Eigener gewachsen; und hätte in gleicher Naivität berichten mögen, vom ursprünglichen heil. Rocke hätten alle Andern sich abgeschält, ohne daß er sich gemindert hätte; oder der erste Graal habe mit seinem Tempel auch die Kelche der 72 Altäre hervorgetrieben, und von da seyen alle Kelche auf Erden ausgegangen; was, aufs einwohnende Heilige bezogen, alles nur strenge Wahrheit seyn würde. Die also, welche an das bloß äußerliche in gelehrter Weise sich haltend, mit großem Fleiße alle Spuren von andern Gewändern neben dem von Trier gesammelt haben, in Meinung die Ehre Aller niederzudrücken, haben in der That eine preiswürdige, zur Verherrlichung derselben ausschlagende Arbeit verrichtet, und wenn auch widerwillig ihre Ehre ausgebreitet. Die griechischen Kunsttypen der Götterwelt haben jeder einen Formenkreis um sich gezogen, wo die typische Grundform in aller Mannigfaltigkeit abgewandelt sich immer wiederholt. Jeder Dom des Mittelalters hat einen gleichen Kreis um sich her abgerundet, innerhalb dessen er, entweder als Ganzes nur in geminderten Dimensionen, oder in seinen einzelnen Elementen immer wiederkehrt; wie jedes bedeutende musikalische Werk in den Compositionen seiner Zeit seine Wiederklänge hat. Als mit der Kreuzerfindung die Möglichkeit sich zeigte, das Verlangen nach ähnlichen Symbolen zu befriedigen; mußte auch vor Allen ein Suchen nach dem der Einheit, in der damaligen kirchlichen wie bürgerlichen Gesellschaft, beginnen. Jerusalem hatte, als die Stadt, in der der Erlöser gewandelt, das erste Anrecht. Aber es traten daneben noch andere Ansprüche auf. Die Mitte der Kirche war nicht Jerusalem, sondern Rom; die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft aber Constantinopel. Geometrisch theilen ließ sich aber das Symbol der Einheit nicht; sollten also jene Ansprüche befriedigt werden, blieb nur der Weg der Mehrung übrig; die erste Einheit erschloß sich daher in eine Dreiheit, im Lateran, in der Sophienkirche und der Grabeskirche. Kurz vorher war die bürgerliche Einheit in untergeordnete Einheiten gegliedert gewesen, und die Hauptorte dieser Gliederung Sirmium, Mailand und Trier standen noch in Blüthe; auch in ihnen war ein Verlangen nach dem Symbol erwacht. Für Sirmium mag Constantinopel eingetreten seyn, wie für Mailand Rom; Trier blieb noch allein, und die Vorliebe Constantins für diese Stadt mag entschieden haben, daß auch in ihm das Symbol aufgestellt wurde. Später, als die einzelnen Völker sich abgliederten, regte sich das gleiche Verlangen auch in ihnen. Spanien leitet das Seine von dem von Jerusalem ab, das sich beim Einbruch der Perser in den Westen geflüchtet. Georgien von eben diesen Persern, oder von dem von Constantinopel durch flüchtende Griechen, von wo er dann wieder nach Rußland übergegangen. Frankreich, vielleicht auch Bremen leitet seinen Mantel, durch Vermittlung Carl des Großen, ab von Byzanz, und England wieder durch Carlmann vom französischen. Alle haben, wie kaum zu zweifeln, päpstliche Authentiken gehabt, daß die Transfusion des Heiligen in allen kirchlichen Formen sich übertragen; sie waren also kirchlich auch völlig identisch, nur dasselbe Gewand in eine Vielheit von Gewändern ausgegangen. Es ist also kein Widerspruch in der Sache; eine Kirchenversammlung, sollten die verschiedenen Ansprüche ihr vorgelegt werden, würde die Urkunden prüfen, allenfallsige sichtlich unächte verwerfen, die von Trier wohl als die älteren anerkennen, die verschiedenen Gewandarten sondern, und was sich als ächt befunden, bestätigen, schwerlich aber weiter gehen.

 


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