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12. Schluß.

Lucky sagt, daß es jetzt gleich Zeit sein wird, Mr. Sellers. Der Schaum geht zurück in das Loch.

Diese Worte drangen an des Detektivs Ohr, der sich kurze Zeit zum Schlummer niedergelegt hatte und nun sofort aufsprang, als Downs ihn weckte. Nach der heißen Quelle blickend, konnte er deutlich erkennen, daß dieselbe schon etwa zwanzig Fuß aus der Bodensenkung zurückgewichen war, und es konnte gar nicht lange dauern, bis sie ganz versiegte.

Es gibt im Westen eine Menge derartiger heißer Geiser, ein seltsames Spiel der unterirdischen Gewalten, die regelmäßig kommen und verschwinden, namentlich im sogenannten Yellowstone-Park, aber auch in den Gebirgen Wyomings und Nevadas.

Wie lange dauert es, ehe sie wieder anschwillt? fragte Sellers.

Nicht länger als zehn Minuten, Sir, sagte Lucky. Dann kommt ein neuer gewaltiger heißer Strom aus dem Felsentor, der sechs Stunden ohne Unterbrechung anhält.

Was sagt er von den Pferden? Können wir damit in die Höhle hinein?

Gewiß, gewiß. Lucky ist schon voraus und wir haben keinen Augenblick zu verlieren, Sir.

Dann also vorwärts! befahl Sellers, und vorsichtig ging es in die dunkle Höhlung hinein, wo man schon das Pferd des Indianers in dem seichten Wasser plätschern hörte.

Der alte Trapper und Sam Bellow hatten eine Fackel aus dürrem Holz gefertigt, auch Sellers' kleine Blendlaterne, die er immer bei sich führte, erleuchtete den unheimlichen Weg notdürftig und das war gut, denn oft kamen sie an großen Erdlöchern vorüber, die der Strudel gerissen und halb mit Schwefel aufgefüllt hatte, auch weißer Borax war überall abgelagert. So rasch wie nur irgend möglich ging es vorwärts und kaum leuchtete ihnen wieder neues Tageslicht entgegen, da begann auch die Quelle wieder unter ihnen zu kochen, so daß die erschrockenen Pferde entsetzt vorwärts sprangen, schon halb in den weißen Nebel eingehüllt. Der weiße Tod lag hinter ihnen!

Halt! befahl Sellers mit halblauter Stimme und sprang aus dem Sattel. Der eine Feind wäre überwunden, aber der andere lauert vielleicht schon an der nächsten Ecke. Wartet hier!

Er zog den ebenfalls abgesprungenen Indianer auf die Seite und rief ihm ins Ohr: Wo ist das Lager, Lucky?

Der Alte blickte sich scheu um und deutete dann rechts hinüber, wo sich die bereits erwähnte Felsenmauer wie ein natürlicher Wall lang hinzog. Der Detektiv winkte den übrigen, zurückzubleiben und schlich dann geräuschlos vorwärts, jede sich ihm bietende Deckung benutzend. Jetzt hatte er die Höhe erreicht, nahm den Hut vom Kopfe und blickte dann hinab auf die andere Seite. In demselben Augenblick wurde der scharfe Knall einer Büchse hörbar. Mit einem lauten Ausruf des Schreckens sprang Sellers sofort zurück und schwang sich in den Sattel.

Dann rief er in größter Aufregung: Schnell, schnell! Jetzt oder nie! Sie haben soeben einen Mann erschossen und mein junger Assistent ist der nächste. Heiliger Himmel! Ich glaube, ich komme zu spät, ihn noch zu retten!

Im sausenden Galopp ging es den felsigen Abhang empor und auf der anderen Seite hinab. Jetzt galt es Leben oder Tod. Der Rückzug war ihnen ja doch durch den weißen Tod abgeschnitten.

*

In Patsys Angelegenheiten hatte sich die Krisis schneller eingestellt, als er erwartete.

Als der Kapitän die verhängnisvolle Frage an ihn stellte, ging es ihm blitzschnell durch den Kopf: Jetzt gibt es nur einen Ausweg und der ist: Die Wahrheit zu sagen, und kaum hatte er diesen Entschluß gefaßt, so verschränkte er seine Arme über der Brust und sagte in keckem Tone: Well, ich will meine Identität nicht länger leugnen. Ich bin Patsy, der Assistent des berühmten Detektivs, doch trotzdem habe ich Ihnen und dem Jungen bewiesen, daß ich es gut mit euch meinte.

Wirklich, sagte der Verbrecher. Aber es ist gut, daß du deine Lage nicht durch längeres Leugnen verschlimmerst. Was führt dich hierher nach Wyoming? Wie konntest du den Mut finden, mein Lager aufzusuchen?

Es geschah nur im Interesse des Jungen. Ich kannte das Testament von Elias Sniffin, ich wußte, daß dieser Boy Ihr Neffe ist und war entschlossen, Sie davon zu unterrichten.

Was! rief Charles, sich aufgeregt von seinem Lager erhebend. Sie sind mein Onkel?

Das bin ich, mein Junge, war des Kapitäns Antwort. Du bist der Sohn meiner Schwester und hast nichts von mir zu fürchten.

O, tun Sie ihm nichts zu leide. Er hat mein Leben gerettet! rief Charles.

Genug. Lege dich wieder nieder und verhalte dich ruhig, sagte der Kapitän. Und du, Patsy, folgst mir!

Da gab es nichts anderes, als zu gehorchen, und der junge Detektiv verließ niedergeschlagen die Hütte. Die ganze Situation bekam kein besseres Aussehen, als er da draußen den Advokaten mit den Armen fest an einen Baum gebunden und von den Banditen mit grimmigen Gesichtern umringt sah.

Boys! sagte der Anführer, rasch auf die Gruppe zutretend, ich muß euch etwas Wichtiges mitteilen: Es ist leider notwendig, daß wir die Transportwagen so bald als möglich hier wieder fortschaffen. Wir werden sie an einer der nächsten Eisenbahnstationen verladen, wie wir ursprünglich vorhatten und in Cheyenne an unsere Unterhändler abliefern. Ich habe beschlossen, diesen Schlupfwinkel aufzugeben, denn er ist nach allem, was ich jetzt weiß, nicht mehr sicher. Haltet euch bereit. Der verwundete Junge kommt in einen der Wagen. Nehmt auch den nötigen Proviant mit. Also vorwärts an die Arbeit, Boys! – Well, Patsy, mach dich dabei nützlich. Da du nichts Böses gegen mich unternommen hast, will ich mir deinen Fall nochmals überlegen.

Im höchsten Grade überrascht, trat der junge Detektiv zurück und beteiligte sich eifrig an den Vorbereitungen zum Aufbruch. Niemand sprach mit ihm. Kapitän Thunderbolt verschwand in einer der Hütten und es war etwa zwei Stunden später, ehe er mit Sophie, der schönen Goldsuchertochter wieder zum Vorschein kam. Die Männer hatten schon längst die Wagen mit Pferden bespannt und warteten ungeduldig neben ihren eigenen Tieren auf das Erscheinen des Führers.

Während der Kapitän nun rasch zu seinen Leuten ging, schritt das Mädchen unruhig vor der Hütte auf und ab. Da plötzlich traten auf einen Wink Thunderbolts Dick und Dan auf sie zu, packten sie an den Armen und schleppten sie trotz ihres Sträubens zu einem der Transportwagen.

Vergeblich war ihr Schreien, der Kapitän befahl kalt: Hebt sie hinein. Ich werde sie schon zähmen, wenn wir erst unterwegs sind.

Patsys Blut kochte in den Adern beim Anblick dieser Roheit gegen das arme wehrlose Weib.

Nun den Jungen, kam der Befehl. Seid vorsichtig mit ihm.

Grayball hatte während der ganzen Zeit immer noch an den Baum gefesselt gestanden, man schien ihn gar nicht mehr zu beachten. Jetzt schritt der Kapitän auf Patsy zu und streckte ihm die Hand entgegen. Da, nimm sie, sagte er. Weißt du auch, daß ich deine Kaltblütigkeit bewundere? Noch nie sah ich einen jungen Burschen mit so kräftigen Nerven. Hahaha!

Patsy lachte auch und nahm die Hand des Verbrechers. Wie mit eisernen Klammern legte es sich um seine Finger, im nächsten Augenblicke wurde er vorwärts gerissen, erhielt einen furchtbaren Stoß gegen den Magen und rollte wie ein Kreisel nach dem Baume des New-Yorkers.

Du junger Hund! Infamer Spion! brüllte der Kapitän. Du wagst es, gegen mich zu konspirieren. Du kennst uns aber schlecht. Hängt ihn auf, Boys, oder besser – wir wollen die beiden Verräter erschießen, ehe wir abrücken!

Und so kam es, daß sich der junge Detektiv im nächsten Augenblick, die Hände auf den Rücken gebunden, dicht neben dem befand, den er eigentlich in der letzten halben Stunde etwas bedauert hatte, neben Mr. J. Steel Grayball. In einem Halbkreis, kaum fünfzig Schritte entfernt, standen die Banditen höhnisch lächelnd, während ihr Anführer, das Gewehr an der Wange, sich das grausame Vergnügen machte, auf das erste seiner Opfer, den todbleichen Advokaten, sorgfältig zu zielen. Heulend schrie der Mann um Gnade.

Nummer eins! klang es kaltblütig zurück, und der Schuß krachte.

Er hatte nur zu gut getroffen, aber da Grayball an den Baum gebunden war, fiel er nicht zu Boden, nur sein Kopf sank schwer herab auf die Brust.

Nummer zwei, klang es schrecklich deutlich in Patsys Ohren.

Wieder ein lauter Knall und der junge Mann fiel fast gleichzeitig vornüber auf sein Gesicht, da man ihn nicht an den Baum gebunden hatte.

Das genügt, schnarrte der Kapitän und wandte sich befriedigt ab, als seine Augen auf einmal einen Ausdruck größter Überraschung zeigten und er im nächsten Moment mit Donnerstimme brüllte: Verrat! Verrat! Wer ist das? Das ganze Tal voll Leute! Zu den Waffen, Boys, wir sind verraten!

Ein wirres Durcheinander folgte. Kaum hatten sich die Banditen umgewandt, da mußten sie erkennen, daß ihr Führer vollständig recht hatte. Doch sie waren vollständig vorbereitet auf einen Angriff. Sie sprangen sofort in die Sättel der bereitstehenden Pferde.

Aber Sellers mit seinen Leuten war schon zu nahe, ihr erster wohlgezielter Schuß streckte so viele der Banditen zu Boden, daß die anderen es für geraten hielten, ihr Heil in der Flucht zu suchen und wie eine Meute Hunde auseinanderstoben, nicht aber, ohne selbst vorher gegen die Anstürmenden abzufeuern. Wilde Schreie, knatternde Schüsse und Pulverrauch erfüllten die Luft. Dann war alles auf einmal vorüber. Von den Arbeitern war nicht einer verwundet worden, nur zwei Pferde hatten die Räuber getroffen, aber unter den letzteren hatten die Leute Sellers' schrecklich aufgeräumt. Kapitän Thunderbolt selbst lag tot auf dem Boden.

Schon wollten die aufgeregten Männer die Banditen hastig verfolgen, als ihnen der Detektiv hastig zurief: Laßt sie laufen, Boys. Es könnte euch selber noch das Leben kosten, wenn einer von den Halunken sich hinter einem der Felsen versteckt hat!

Die Banditen waren alle dem geheimen Ausgang zu geflohen und wie spurlos verschwunden.

Sellers' erster Schritt war nun nach dem Baum, wo er vor kaum zwei Minuten seinen armen jungen Assistenten zum Tode getroffen vorwärts stürzen sah. Da wurde ihm ein merkwürdiger Anblick: Der Tote erhob sich plötzlich auf seine Hände, machte einen gewaltigen Purzelbaum und stand dann lachend auf seinen Füßen.

O, mein lieber Boy! rief Sellers. Ich dachte schon, ich würde dir nie wieder die Hand drücken können, ich –

Drücken Sie, – drücken Sie, verehrter Chef und Freund! schrie Patsy immer noch lachend. Ich müßte doch nicht Ihr gelehriger Schüler und ein ehemaliger smarter Zeitungsjunge von New-York gewesen sein, wenn ich nicht gelernt hätte, wie man einer unbequemen Kugel aus dem Wege geht. Aber – haben Sie ihn, den Halunken, der allen Respekt vor einem Schüler von Ihnen außer acht ließ? Ah – da liegt er, der Multimillionär!

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Von all den braven Männern umringt, gab Patsy schnell eine kurze Erklärung, warum er erschossen werden sollte. Sellers war erschüttert, als er nun auch auf das andere Opfer des Kapitäns aufmerksam gemacht wurde und in ihm Mr. Steel Grayball erkannte. Downs aber hatte inzwischen schon in sämtlichen Hütten nach dem Mädchen gesucht, und als er nun verstört näher trat, kam er eben zurecht, um durch Patsy zu erfahren, daß sich seine Braut in einem der Wagen befand. Die Wagen hatten die Räuber natürlich im Stich gelassen und Sellers drängte sofort wieder zum Aufbruch aus dem gefährlichen Tale, denn er hatte noch einen Verdacht, der sich auch nur zu bald bestätigen sollte.

Dank der Vorbereitungen der Banditen brauchte man die Wagenpferde nur in Bewegung zu setzen und rasch ging es dem Ausgange zu, der, wie ja nicht anders zu erwarten war, weit offen vor ihnen lag. Und nicht die geringste Spur von den Räubern zeigte sich, aber kaum waren sie fünfzig Schritte von dem Felstore entfernt, da erfolgte hinter ihnen eine furchtbare Detonation, Felsstücke flogen umher und ein gewaltiges Gepolter zeigte an, daß der Eingang zu dem Todestale von einem der Räuber durch Dynamit wahrscheinlich für immer verschüttet worden war.

Das war ihr letzter Schlag, sagte Sellers aufatmend zu dem dicht neben ihm reitenden Patsy und ließ dann die ganze Kolonne Halt machen.

Jetzt erst kam man dazu, den Inhalt der Transportwagen zu prüfen und fand da natürlich den verwundeten Charles Burton, aber – von der schönen Sophie Mink war keine Spur zu entdecken. Sellers blickte sich sofort nach Downs um – auch er fehlte. Er mußte also Gelegenheit gefunden haben, bei dem fluchtähnlichen Aufbruch sich mit dem Mädchen zu verständigen und seitwärts in die Büsche zu schlagen.

Wieder ging es vorwärts und erst an der Blockhütte Minks wurde ein zweiter Halt gemacht und von dem in den Wagen gefundenen Proviant der Banditen ein ordentliches Mahl bereitet, von dem natürlich auch der alte Indianer Lucky seinen Anteil und vor allem auch das versprochene zweite Goldstück bekam. Im Laufe des Tages wurden die Goldbarren nach den Schmelzwerken zurücktransportiert und damit war die Aufgabe Fred Sellers' erledigt. Über Rawlins und Cheyenne kehrte er, selbstverständlich nicht ohne den verwundeten jungen Charles Burton, nach New-York zurück.

In Rawlins gab der Detektiv der Kompanie der Schmelzwerke einen genauen Bericht und wurde später von derselben anständig für seine ausgezeichneten Dienste bezahlt. In Cheyenne meldete er dem Gouverneur den Erfolg seiner Expedition und erhielt die vereinbarte Belohnung für die Unschädlichmachung des Kapitäns Thunderbolt, nachdem er durch die Aussagen der Schmelzarbeiter bewiesen hatte, daß der gefürchtete Bandit wirklich tot sei.

Und nun wurde Charles Burton von dem großen Glück in Kenntnis gesetzt, welches ihm bevorstand. Der Nachlaß des alten Elias Sniffin gehörte dem Jungen, als dem einzigen Sohn der verstorbenen Tochter des Millionärs. Es war für Sellers nicht schwer, die nötigen Papiere in New-York herbeizuschaffen, die das bewiesen. Als Vormund des Jungen wurde Sellers selbst eingesetzt, nachdem das Charles Burton bestimmt verlangt hatte. Auf den Rat seines erfahrenen Freundes besuchte der glückliche Junge noch eine gute Schule, in der er jetzt noch als einer der eifrigsten und verständigsten Schüler studiert.

Er versichert es einem jeden seiner Bekannten, der seine bisherigen Schicksale kennt, daß er, wenn er erst großjährig ist und frei über sein Vermögen verfügen darf, sowohl Patsy als auch Fred Sellers ordentlich für die Mühe bezahlen will, die sie gehabt haben, um ihn glücklich zu machen.

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