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5. Signale in der Nacht.

Ungefähr um dieselbe Zeit, als der geheimnisvolle Schuß das Lager der Banditen in Aufruhr versetzte, erreichte Fred Sellers mit seinen Begleitern nach mehrstündigem Ritte die letzte Anhöhe vor den Perkins-Schmelzwerken. Als er die Gebäude, fast schon in Dunkel gehüllt, da unten im Tale vor sich sah, hielt er allerdings einen Überfall auf dieselben fast für ein Ding der Unmöglichkeit und mußte, da er ja von dieser Absicht nur zu wohl unterrichtet worden war, die Verwegenheit dieses Kapitän Thunderbolt und seiner Bande bewundern. Dort unten befanden sich nicht allein, wohleingezäunt, zwei lange Gebäude mit Schmelzöfen und Stampfwerken, sondern auch ein großer Lagerraum für das Golderz, ansehnliche Stallungen und mehr als ein Dutzend Arbeiterhäuser mit hübschen Gärten und Schattenbäumen.

Die müssen gute Geschäfte hier machen, sagte Sellers zu dem alten Moses Medford.

Ganz gewiß, Sir, erwiderte der Trapper. Sie schmelzen hier das ganze Gold von der Südseite der Big Horn-Berge.

Sind viele Minen in den Bergen?

Mindestens zwanzig!

Gold oder Silber?

Beides, aber am meisten Gold.

Hat der Kapitän schon einmal diese Schmelzwerke überfallen?

Vor ungefähr einem Jahre hat er's versucht, ist aber energisch zurückgewiesen worden. Seitdem hat er sie in Ruhe gelassen.

Während dieses Gespräches hatte man die hohe Einzäunung erreicht und war durch ein weit offenstehendes Tor in den großen Vorplatz hineingeritten, der durch elektrisches Licht ziemlich hell erleuchtet war. Nur wenige Arbeiter schienen dort noch mit Aufräumungsarbeiten oder mit der Reinigung eines schweren Lastwagens beschäftigt zu sein. Sie trieben sich wenigstens alle in der Nähe des letzteren herum, ohne die späten Ankömmlinge besonders zu beachten. Fred Sellers ritt direkt auf ein kleineres zweistöckiges Gebäude zu, dessen Eingang ebenfalls beleuchtet und das in groben Lettern mit dem Worte »Office« verziert oder besser verunziert war. Der Amerikaner gibt in seinen Arbeitsräumen nichts auf äußeren Schmuck, Ordnung und Reinlichkeit, die Hauptsache ist, daß Geld verdient wird, ob der Arbeiter dabei im Schmutz erstickt – ist ihm gleich.

Kaum war Sellers aus dem Sattel gesprungen, als nun doch jemand mit raschen Schritten auf ihn zukam, ein alter grauhaariger Mann mit rußigem Gesicht, ihn einen Augenblick verwundert anstarrte und dann fragte: Zu wem wollt Ihr, Boß?

Zum Manager, Mr. Downs. Ist er da?

Er ist in der Office. Tretet ein.

Wartet hier, Boys! rief der Detektiv seinen Begleitern zu. Ich bin bald wieder zurück.

Er öffnete die Tür und befand sich, ohne einen weiteren Eingang zu passieren, im Kontor des Werkes.

Ein großer, entschlossen aussehender Mann saß schreibend an einem offenen Rollpult, während ein junger Buchhalter soeben beschäftigt war, verschieden große Geschäftsbücher in einen eisernen Schrank zu verschließen, aber beim Anblick des Fremden sofort auf diesen zutrat. Sellers überreichte ihm seine Karte und dann, fragend auf den älteren Herrn blickend, sagte er höflich: Habe ich die Ehre, Mr. Downs zu sehen?

Der Mann vor dem Pult las die Karte, dann sah er mit einem unangenehm scharfen Blick nach dem Besucher und sagte endlich nach kurzer Pause: Well, Sir, was wünschen Sie? Diese Worte klangen kalt und hochmütig, fast beleidigend.

Ich möchte einige Worte mit Ihnen allein sprechen, Sir, erwiderte der Detektiv immer noch in zuvorkommendem höflichen Tone. Vielleicht ist Ihnen mein Name nicht ganz unbekannt.

Ich habe allerdings bereits von Ihnen gehört. Sie können sich ungeniert aussprechen, Sir. Ich habe keine Geheimnisse vor dem jungen Mann.

All right, Sir. Ich bin also durch den Gouverneur von Wyoming beauftragt, den berüchtigten Kapitän Thunderbolt unschädlich zu machen. Ich habe sofort mit meiner Arbeit begonnen und eine meiner ersten Entdeckungen war oder besser ist, daß dieser sogenannte Kapitän und seine Bande die Absicht haben, heute nacht die Perkinswerke mit ihrem Besuche zu beehren.

O, wirklich! erwiderte der Geschäftsführer in frostigem Tone. Und ich vermute wohl ganz richtig, daß Sie von dem Herrn Kapitän vorausgesandt worden sind, das Terrain zu rekognoszieren!

Sellers blieb bei diesen beleidigenden, aber immerhin nicht ganz unberechtigten mißtrauischen Worten ganz kaltblütig. Ich sehe, Sir, daß ich bei meiner Einführung nicht ganz richtig vorgegangen bin. Gestatten Sie mir also, daß ich das Versäumte nachhole und Ihnen zunächst mein Beglaubigungsschreiben vom Gouverneur vorlege. Er entnahm seiner Brusttasche das Papier und legte es vor den Manager. Es konstatierte in glaubwürdiger Form die Aufgabe des Detektivs und enthielt zugleich die Aufforderung an alle Bürger Wyomings, ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen.

Downs sah es sorgfältig durch und erwiderte nach kurzer Pause: Das legitimiert Sie allerdings vollständig. Ich – ich bitte also höflich um Entschuldigung wegen meiner etwas vorschnellen Bemerkungen. Aber was weiter?

Was weiter? Ist Ihnen die Warnung gleichgültig, Sir, die ich Ihnen bringe. Ich habe einen langen Weg gemacht, um dieselbe rechtzeitig an den Mann zu bringen und muß gestehen, daß ich ein etwas höflicheres Entgegenkommen erwartet habe.

Das lag durchaus nicht in meiner Absicht, Mr. Sellers, doch gleichzeitig muß ich Ihnen sagen, daß Ihre Warnung durchaus nicht so große Bedeutung für mich hat, als Sie zu meinen scheinen. Ich bin vollständig auf irgend einen räuberischen Überfall vorbereitet. Unser Sicherheitsdienst ist perfekt ausgebildet. Wir haben jenen Kapitän Thunderbolt schon einmal mit den Waffen abgewiesen und können das wieder tun.

Dann ist es Ihnen also nicht von Wert, zu hören, was ich zu sagen habe?

Nicht besonders – nein! Ich brauche weder Ihre noch des Gouverneurs Hilfe.

Sehr gut, Sir! Unter solchen Umständen habe ich nur um Entschuldigung wegen der Störung zu bitten, sagte Sellers mit seinem verbindlichsten Lächeln. Guten Abend, Mr. Downs. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.

Und mit einer höflichen Verbeugung schritt er zur Tür und verschwand. Das, was Patsy gefürchtet hatte, war geschehen: Dieser Mr. Downs war ein widerhaariger Bursche und Patsy hätte noch viel weniger bei ihm ausrichten können als sein Chef. Dieser war aber durch den augenscheinlichen Mißerfolg weder ärgerlich noch entmutigt worden. Solche Dinge gehörten zu seinem Geschäft. Er bildete sich seine eigene Meinung über den Geschäftsführer der Perkinswerke nach dieser kurzen, stürmischen Unterredung und es würde irgend jemand schwer geworden sein, diese Meinung zu ändern.

Ohne mehr Leute kann ich allerdings vorläufig nichts unternehmen, dachte er für sich.

Well, was habt Ihr ausgemacht, Sellers? war Moses Medfords Frage, als der Detektiv jetzt wieder zu seinen Begleitern zurückkehrte. Bleiben wir hier?

Nein, das tun wir nicht, war die Antwort. Man kann uns nicht hier gebrauchen, also müssen wir uns schon einen anderen Platz suchen.

Aber wo? Wir finden kein bequemeres Lager im Umkreis von zwanzig Meilen.

Sind Sie so wählerisch, alter Herr? Ich dächte, ein Trapper übernachtete in dieser prachtvollen Jahreszeit ebensogern bei »Mutter Grün«, als in irgend einem Federbette der Vereinigten Staaten.

Da haben Sie allerdings recht, und wenn ich ein Wort zuviel darüber verloren habe, dann lassen Sie's nur liegen. Ich wollte nur für Ihre Bequemlichkeit sorgen.

O, darum brauchen Sie keine Angst zu haben, ich schlafe auf einer harten Planke gerade so gut als in einem Himmelsbette in New-York, das gehört zu unserm – ah, was ist denn da noch los?

Der junge Mann aus der »Office« trat soeben, als sich Sellers in den Sattel schwang, hinzu. Mr. Sellers, sagte er, Mr. Downs läßt Ihnen mitteilen, daß, wenn Sie sonst nicht wissen, wohin, Sie und Ihre Begleiter ein Zimmer mit Decken für diese Nacht bei uns haben können. Auch für Ihre Pferde wird gesorgt werden.

Sagen Sie Mr. Downs, ich wäre ihm sehr verbunden, aber ich könnte sein Anerbieten nicht annehmen, erwiderte der Detektiv kurz.

Wie Sie wünschen, Sir, sagte der Clerk und verschwand wieder in dem Bureau.

Da brat mir einen 'nen Storch, murmelte der alte Trapper. Da konnten wir alles haben, was das Herz sich wünscht und der Körper braucht, und es wird – –

Und es wird dankend abgelehnt, fuhr Sellers lächelnd fort. Ja, werter Herr, Ihre Gedanken sind nicht meine Gedanken, aber vorläufig sind meine Wege die Ihrigen, wenn Sie sich nicht seitwärts in die Büsche schlagen und den Tensleepern erzählen wollen, daß Sie mich schmählich im Stiche gelassen haben.

Das glauben Sie doch selber nicht, erwiderte der Alte. Wenn ich auch das ganze Alphabet nicht mehr im Kopfe habe, weiß ich doch, wer A sagt, muß auch B sagen.

Nach diesem kleinen Zwischenfall ritt Sellers mit seinen Begleitern wieder der Anhöhe zu. Halten wir uns jetzt etwas mehr rechts, Boys, sagte er auf halber Höhe. Da drüben sah ich vorhin ein hübsches Nadelwäldchen. Dort können wir's uns ebenso behaglich machen, als da unten.

Er ritt voraus, aber schon nach wenigen Augenblicken war der Alte an seiner Seite und begann: Entschuldigen Sie, Kapitän, sagte er, aber es interessiert mich natürlich sehr, was Sie mit Mr. Downs gehabt haben. Werde Ihnen dann auch sagen, warum.

O, ich habe nichts Besonderes mit ihm gehabt, erwiderte Sellers, der Mann war kalt und unfreundlich. Er verzichtete auf unsere Hilfe und hatte keine Lust, meine Ratschläge anzuhören. Er sagte mir ziemlich unverblümt: Packe dich und kümmere dich um dein eigenes Geschäft, und das habe ich mir noch niemals von jemand zweimal sagen lassen.

Moses überlegte mehrere Minuten, ehe er antwortete: Ist das nicht recht merkwürdig, Boß?

Ziemlich.

Was denken Sie darüber?

Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Wollen Sie nicht mal Ihre Meinung zum besten geben, Moses? Sie sagten, Sie hätten für den Mann gearbeitet, Sie scheinen mehr über ihn zu wissen.

Das stimmt auffallend.

Was für ein Mann ist er?

Ein gefährlicher Mann, ein Leuteschinder und regulärer Gauner. Er nimmt, was er bekommen kann und am liebsten noch etwas mehr.

Sie glauben also, daß er auf schiefen Wegen geht?

Den Glauben haben sie alle da unten, aber erwischt hat ihn noch keiner und am Ende geht es sie auch nichts an, so lange er den Lohn ordentlich bezahlt.

Well, wir wollen aufpassen, was diese Nacht hier passiert, sagte der Detektiv. Da ist schon unser Lagerplatz, mit den nötigen Eßwaren haben uns ja die wackeren Bürger von Tensleep versehen und Schlafdecken haben wir auch, also sind wir ganz gut eingerichtet, wenn wir erst ein Feuer angezündet und unsern Tee vor uns haben.

Die nötigen Vorbereitungen waren auch in kurzer Zeit getroffen und Moses hatte sich selbst in der edlen Kochkunst übertroffen. Bald saßen die Männer gemütlich rauchend am Feuerplatze und machten ein Spielchen.

.

Sellers beteiligte sich freilich nicht daran, er machte die Runde um das Wäldchen und als er zurückgekehrt war, sagte er: Es dürfte sich allerdings empfehlen, Boys, das Feuer möglichst bald auszulöschen, wenn wir in dieser Nacht etwas anderes als Moskitos fangen wollen.

Das stimmt auffallend, erklärte Moses sofort und holte bereitwillig einen großen Stein herbei, den er auf die Flammen warf, und auch die beiden anderen schleppten Rasenstücke herzu und erstickten das Feuer.

Sellers sagte zu ihnen: Ich werde inzwischen noch einen kleinen Rundgang machen, laßt euch nur Zeit.

Er schritt langsam den Hügel wieder hinab in der Richtung der Schmelzwerke, die kaum eine halbe Meile von ihnen entfernt sein konnten. Er hatte noch nicht ein Drittel des Weges dahin zurückgelegt, als er einen Mann in hellem Sommeranzug mit weißem Panamahut, eine brennende Zigarre im Munde, auf sich zukommen sah. Hallo! Wen haben wir da? dachte der Detektiv. Der Spitzbube sieht dem impertinenten Manager Mr. Downs da unten auf ein Haar ähnlich.

Der Mond war schon seit einiger Zeit in voller Klarheit am Himmel emporgestiegen, so daß nicht allein Sellers den späten Spaziergänger, sondern dieser auch ihn bemerkt hatte.

Der Detektiv ließ sich auf einem der am Abhange umherliegenden Steine nieder und erwartete ruhig den Näherkommenden. Dieser, in dem Sellers tatsächlich den Geschäftsleiter Downs erkannte, schien nichts von ihm zu bemerken, bis er plötzlich ganz dicht in seine Nähe gekommen war, dann aber blickte er scheinbar verwundert auf und rief, erstaunt vor ihm stehen bleibend: Ah! Sie sind es, Sir?

Good evening, Mr. Downs, erwiderte der Detektiv nachlässig. Machen Sie noch einen kleinen Spaziergang?

Wie Sie sehen. Ich hätte allerdings nicht erwartet, Sie zu treffen. Ich glaubte, Sie wären inzwischen über alle Berge.

Der Mensch muß auch einmal ausruhen.

So beabsichtigen Sie also hier zu übernachten?

Fällt uns gar nicht ein! Wir haben nur da drüben im Wäldchen unser Abendbrot verzehrt. In einer Viertelstunde geht's weiter.

Wollen Sie nach Tensleep zurückreiten?

Jedenfalls.

Es tut mir leid, Sir, daß Sie den weiten Ritt umsonst gemacht haben!

Mir aber durchaus nicht, Mr. Downs. Ich hatte Gelegenheit, einen Teil von Wyoming kennen zu lernen, den ich vorher noch nicht sah. Das genügt mir vollständig.

Es tut mir ernstlich leid, Mr. Sellers, daß ich Sie heute abend etwas abstoßend behandelt habe.

Well, Sir, jeder nach seiner Art. Sie haben sich nun genugsam entschuldigt, denke ich.

Und Sie sind mit meiner Entschuldigung nun zufrieden?

Vollständig.

Das freut mich, denn es liegt mir etwas an Ihrer guten Meinung. Ich habe schon oft von Ihnen gehört, denn Sie haben einen internationalen Ruf. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, und wenn Sie unter so veränderten Umständen noch Lust haben, mir Ihre Meinung und Ihren Rat wegen des vermutlichen Überfalls dieses Kapitän Thunderbolt nicht vorzuenthalten, wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Mir liegt aber jetzt nichts mehr an der Sache. Ich will Ihnen nur im allgemeinen sagen, daß der Bandit heute morgen das kleine Nest Tensleep überfallen hat und – –

Was, schon wieder?

Gewiß.

Und hat er viel Schaden dort angerichtet?

Mehr als genug. Er hat mehrere Bürger getötet und dann zusammengestohlen, was er konnte.

Schrecklich!

Das dachte ich auch. Und als ich dann erfuhr, daß er es für heute abend auf diese Schmelzwerke abgesehen habe, hielt ich es für nicht weniger schrecklich und gefährlich.

Wer unterrichtete Sie davon?

Das ist meine Sache, Mr. Downs.

All right, Sir. Ich habe nicht die Absicht, Sie auszuhorchen. Aber darf ich vielleicht fragen, in welcher Weise Sie mir helfen wollten?

Es liegt mir jetzt nichts mehr daran, darauf Antwort zu geben. Sie wiesen meinen Rat zurück und das genügt. Ich bin keiner von denen, die sich jemand aufdrängen.

Der Grund meiner anfänglichen Abweisung, Sir, war nur der, daß wir in derartigen Fällen am liebsten selber uns unserer Haut wehren. Meine Leute sind gute Kämpfer und vorzüglich gedrillt, so daß ich keinen Überfall zu fürchten brauche. Jeder Mißerfolg ist ausgeschlossen. Wenn Sie aber als Zuschauer an dem nächtlichen Rekontre dabei sein wollen, sind Sie uns immer noch herzlich willkommen.

Ich muß nochmals dankend ablehnen, Sir, denn ich habe meine Pläne geändert und will Sie nicht länger aufhalten.

Der Manager schüttelte verwundert den Kopf, dann sagte er in verbindlichem Tone: Dann wünsche ich Ihnen also besten Erfolg, Sir, und glückliche Reise.

Wir werden voraussichtlich einen prächtigen Nachtritt nach Tensleep haben. Meine Leute sind jedenfalls schon reisefertig, erwiderte Sellers.

Guten Abend, Sir!

Gute Nacht! Und der Geschäftsführer der Perkinswerke schritt, leicht den Hut lüftend, davon.

Wenn der Bursche nicht etwas Besonderes vor sich hat, will ich »Mops« heißen, dachte Sellers. Aber warte nur, du schlauer Fuchs! Ehe der Hahn kräht, habe ich dich in der Falle, und dann wollen wir sehen, wer den Braten bekommt.

Hastig machte er sich auf den Rückweg nach dem Gehölz, aber nicht ohne sich dabei nach einem geeigneten Versteck umzusehen, wo man das Schmelzwerk besser übersehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Bald entdeckte er auch rechts neben dem Wäldchen eine von zwei mächtigen Steinen gebildete Höhle, von der aus man sowohl den breiten Fahrweg, als auch die Häuser unten im Tal deutlich überblicken konnte. Der durch Gesträuch fast verdeckte Eingang war so hoch, daß ein bewaffneter Mann ihn gut passieren konnte, und außerdem war er durch die Stellung des Mondes noch bis nach Mitternacht in dichten Schatten gehüllt.

Nachdem er sich vorsichtig überzeugt hatte, daß Downs ihn nicht beobachtete, sondern, ohne sich umzuwenden, wieder den Abhang hinabschritt, wandte sich der Detektiv rasch nach dem alten Lagerplatze und in zehn Minuten war der Umzug seiner »Truppen« bewerkstelligt. Die Pferde fanden in der natürlichen Höhle hinter den Felsen, die ein ganzes Regiment hätte aufnehmen können, bequeme Unterkunft. Man zündete natürlich hier kein Feuer an, da Sellers überzeugt war, daß nur der Rauch des vorigen diesen Mr. Downs veranlaßt hatte, die Richtung nach dem Nadelwäldchen einzuschlagen, um zu erfahren, was das bedeuten sollte.

Ich übernehme die erste Wache, Boys, erklärte dann der Detektiv den von dem weiten Ritte ziemlich ermüdeten Männern. Wenn ich jemand von euch zur Ablösung brauche, werde ich ihn mir holen! Und während er hinaus vor die Höhle trat und sich ungefähr zehn Schritte vom Eingange unter einem Gebüsch niederließ, wickelten sich die andern behaglich in ihre Decken und waren bald eingeschlafen.

Bis kurz vor Mitternacht geschah nicht das geringste, was seine Aufmerksamkeit erregt hätte, und soeben war er, von dem ewigen Hinabstarren aufs äußerste erschöpft, eingenickt, als ihn plötzlich ein einzelner Schuß aus den umliegenden Bergen emporschreckte. Sellers sprang sofort auf seine Füße und lauschte gespannt.

Das genügt! sagte er endlich, als der Schuß sich nicht wiederholte. Es war ein Signal. Dumme Geschichte, daß ich gerade jetzt einschlafen mußte und nicht gesehen habe, woher es kam!

Er lehnte sich an einen der Felsblöcke und blickte aufmerksam hinab auf die klar und deutlich im hellen Mondlicht erkennbaren Gebäude. Etwa eine halbe Stunde dauerte es, ehe er die einzelnen Häuser überflogen hatte, und soeben war sein Blick auf die »Office« gerichtet, als er zu seinem Erstaunen bemerkte, daß dort im oberen Stockwerke ein Fenster geöffnet wurde und sich jemand herausbeugte. Die Person hielt in ihrer Rechten eine hellbrennende Laterne und schwang sie dreimal hin und her. Dann wurde das Fenster wieder geschlossen und der Mann verschwand.

Das war sicher Downs! murmelte Sellers. Er hat das Signal beantwortet. Was hat der Bursche vor? Da scheint außer dem Überfall noch etwas anderes im Werke zu sein.

Wenn er aber nun vielleicht erwartet hatte, die Banditen würden sich auf das verabredete Zeichen hin nun zum Angriff bereit machen, so sollte er sich allerdings getäuscht haben. Es geschah vielmehr in der folgenden Stunde etwas ganz anderes, was aber auch seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Eine Anzahl Männer bewegten sich bald langsam, bald rasch mit ihren Laternen da unten auf dem weiten Hofe hin und her. Sie schienen schwere Lasten, wahrscheinlich Gold- und Silberbarren, nach den beiden in der Mitte stehenden großen leinwandüberdeckten Wagen zu schleppen, auch Pferde, wohl zwanzig, wurden aus den Ställen gezogen und angespannt.

Ah! ein Goldtransport! dachte der Detektiv. Es ist ein Komplott und dieser Downs steckt dahinter. Nun wundert's mich nicht mehr, warum der Bursche mich für diese Nacht nicht gebrauchen konnte. Er macht's den Banditen äußerst bequem.

Er war mit diesen Gedanken kaum fertig, als ihm eine neue Überraschung zuteil wurde. Ein stark bewaffneter Mann erschien an der Spitze der Wagen, ritt aus dem offenen Gittertor den Abhang empor, direkt auf den kleinen Nadelwald zu, wo Sellers vorher mit seinen Begleitern gelagert hatte.

Hallo! Hallo! hörte ihn der Detektiv rufen. Hallo! Ihr da drin! Ist Mr. Sellers hier? Mr. Down wünscht ihn zu sehen, wenn er noch hier ist.

Es erfolgte natürlich keine Antwort. Der Ruf wurde noch einmal wiederholt, dann hörte ihn Sellers wieder langsam zurückreiten und als er sich eben vorbeugte, um den Mann zu beobachten, legte sich plötzlich eine schwere Hand auf seine Schulter. Der Detektiv zog blitzschnell seinen Revolver und drehte sich mit einem gewaltigen Ruck um.

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