Jean Giraudoux
Bella
Jean Giraudoux

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Viertes Kapitel

Moïse bestellte mich zu Maxim. Es war der einzige Tag im Monat, an dem er nicht zum Schwimmen kam. Er widmete ihn dem Gedenken an seine Frau. Seit zwanzig Jahren verbrachte er diesen monatlich wiederkehrenden Gedenkvormittag auf dem Père-Lachaise, um Blumensträuße in die Gruft zu bringen oder auch Blumen auf die Gräber der benachbarten Frauen niederzulegen. Denn er bildete sich ein, dieser Gesellschaft der Toten, in welcher der Schatten der Sarah Griffith die Liebe und die Treue ihres Gatten widerstrahlte, zu gewissen Aufmerksamkeiten verpflichtet zu sein. Ehemänner ließen ihn überwachen und ihm einschärfen, er möchte die bescheidenen Denkmäler ihrer Frauen doch nicht mit Blumensträußen bedecken, die die Familien glauben ließen, jene hätten Liebhaber gehabt. Er gehorchte wie ein Liebhaber und begnügte sich hinfort damit, heimlich an der Ecke des Grabes ein Veilchenbukett niederzulegen, doch er litt darunter, daß er ihnen nicht Ringe und Armbänder schenken konnte, sei es auch nur, um die alten Witwen und die guten Familien zu ärgern, die sich darüber aufregten, daß ihre Schwiegertöchter im Jenseits so vornehme Beziehungen anknüpfen konnten. Er führte ein genaues Register über die Männer der beiden Nachbarinnen, die Sarah zunächst lagen. Er ruinierte den einen, der sich versündigt hatte und der es nie erfuhr, daß die Gassa-Aktien an einem Tag nur deshalb um vierzig Punkte gefallen waren, weil er an einem Abend kurz vorher in der Abbey de Thelème »Meine Frau ist tot« gesungen hatte. Nachdem er die rituellen Gaben dargebracht, öffnete er Sarahs Gruft mit derselben Chiffre, die sein Geldschrank hatte, und schloß sich dort ein. Freunde behaupten, daß er der Toten die Ereignisse des verflossenen Monats laut erzählte, und Spione, welche ihre Ohren an die durchbrochenen Blumen dieses marmornen Geldschranks preßten, versuchten auf diese Weise etwas über die Zukunft der Kurse zu erfahren. Er kam voll eines Friedens heraus, den ihm das Schwimmbassin nicht immer geben konnte, aber die Demut vor den Gräbern, die in ihm war, bevor er in die Unterwelt hinabstieg, wandelte sich vor dem Abstieg nach Paris in Stolz und Verachtung. Es schien, als hätten besondere Auskünfte ihm die Weichlichkeit der Toten, ihre Heuchelei, ihre tief antisemitische Gesinnung enthüllt. Er folgte nicht mehr den Alleen, er hatte auf dem Père-Lachaise nicht mehr wie eben noch jenen gleitenden und heiteren Gang, der dem Schritte dessen, der über die Gewässer schreitet, nachgeahmt war. Er tätschelte mit weltmännischer Hand die Hand des Präsidenten Felix Faure, schnippste über den Schenkel der Beweinerin Rothschilds, schüttelte den früchtelosen Baum auf dem Grabe Mussets, und indem er alle Toten links liegen ließ, die Sarah verpetzt hatte, dehnte er seinen Spaziergang höchstens bis zum frischen Grabe eines Feindes aus, wenn sich eine solche Gelegenheit bot. Heute war es Enaldo. Aus freier Höhe blickte er mit Genugtuung auf Paris hinab, mit jenem Blick, mit dem sein berühmter Vorfahre das verheißene Land betrachtet haben würde, aber erst nachdem er dort eingedrungen wäre und so viel gewonnen hätte, um die Gesetzestafeln in massivem Gold zu gießen, und stellte sich seit zwanzig Jahren die gleiche Frage, wie es kam, daß er jeden Monat den Friedhof mit Saint-Sulpice in der Seitenansicht verließ und immer in der Vorderansicht wiederfand. Dann stieg er hinab, um bei Maxim zu frühstücken, vorausgesetzt, daß er in der großen Allee nicht einen Trauerzug bemerkte, der sich in die Richtung der Abteilung, wo Sarah lag, bewegte. Sonst aber folgte er ihm von ferne, suchte den Namen zu erfahren, war erfreut, wenn es wieder eine junge Genossin für sie war, und verließ den Friedhof nicht, ohne die neue Nachbarschaft festgestellt zu haben.

Ich kam etwas früher und fand ihn bereits am Tisch. Seine Unterhaltung mit Sarah mußte kurz gewesen sein oder im Telegrammstil: »Kampf Rebendart-Dubardeau begonnen« – wird er wohl gesagt haben. »Enaldo gestern gestorben. Aufsatz gelesen in der Revue Universelle über den klassischen Unterricht vom amerikanischen Botschafter. Ziemlich idiotisch. Wetter dagegen recht angenehm. Erfrischende Platzregen bei Nacht, sonnige Tage.« Ich dachte, er wolle mit mir über Rebendart sprechen. Ich hatte mir vorgenommen, vor allem etwas über Bella zu erfahren, die ich seit dem Tage, da sie meinen Namen erfahren, vergeblich jeden Morgen erwartete. Sie kam nicht mehr, sie antwortete nicht mehr. Ich benutzte den Morgen, um zu lesen. Getrennt von Bella und früh erwacht, las ich die Bücher, die gerade in Mode waren: Istrati, Ossendowsky. Doch es blieb die Frage, ob das Abenteuer eines Polen in der Umgebung des Jenissei einen anmutigen, sich anschmiegenden Leib aufwog; ob die Rede des Barons Ungern über die Diktatur in seiner Festung Urga eine Minute des Liebeskampfes aufwog, die himmlische Ruhe darnach, gefolgt von einer warmen Schokolade und Toast; ob die Angriffspraktiken im Hochland von Tibet und die Schleichwege vor den Karawanen zwei dankbare Augen aufwogen, tausend herzliche Küsse, nicht gerechnet eine Flut von Eau de Cologne mitten ins Kreuz. Ermüdet von diesem Durcheinander von Sehnsucht und Mongolei, warf ich Ossendowsky beiseite. Ich nahm von den Büchern das trübste, das traurigste zur Hand: das Schwarzbuch der Sowjets. Doch die Frage blieb die gleiche, immer und ewig die gleiche. Es blieb zu erwägen, ob die Gewißheit, daß der »Matin« von Rußland bestochen sei, eine junge Frau, die aufsteht und sich ankleidet, ersetzen könne, ob die Anprangerung des »Eclair« durch Herrn Bojarski die Trennung an der Ecke der Rue Daunou wettmachte, ob irgendein Wort auf der Welt die im Spiegel eines Geschäfts wahrgenommene Gestalt Bellas aufwog, die tägliche ausweglose Verzweiflung unserer Trennung ... Das alles mußte ergründet werden ... Zumal der Mangel an Liebe mir am Vormittag so viel Freiheit ließ wie die Liebe selbst.

Moïse wollte nicht von Bella sprechen. Er hatte am Tag vorher Rebendart besucht. Der Minister hatte ihn in seinem am Vendôme-Platz gelegenen Arbeitszimmer empfangen, bei offenen Fenstern, zwischen dem Garten, aus dem das Murmeln des Springbrunnens, der Duft der Rosen hereindrang, und dem Ministerrat. Die Minister unterhielten sich, während sie den Hausherrn erwarteten. Rebendart, gereizt, riß die große Doppeltüre auf und schrie: »Ich bitte, meine Herren!« Darauf war es still geworden. Doch der Springbrunnen sprach weiter, und die Rosen dufteten mit aller Kraft. Rebendart wandte sich gegen den Garten, entschlossen, auch sie zurechtzuweisen, begnügte sich aber damit, das Fenster zu schließen. Endlich hörte Moïse Rebendart hinter dieser gegen die Blumen aufgerichteten und nach den Ministern hin geöffneten Schleuse sprechen:

»Herr Moïse,« hatte Rebendart gefragt, »sind Sie für oder gegen mich?«

Denn Rebendart verschmähte nicht die Einschüchterung. Sowie es sich um den Staat handelte, glaubte er sich aller Bande, Vorurteile oder Formeln ledig, die für seine persönliche Lebensführung maßgebend waren. Er, der im Amt sein Vermögen verzehrte, hielt bei den andern Bestechung und Gewissenskauf für zulässig. Untadelig im Verkehr mit seinem Weinhändler, mit seiner Zeitungsfrau und seinem Verwalter, war er mit dem Präsidenten des Senats und mit Eduard VII. doppelzüngig. Nie hat jemand seinen Tabak mit mehr Ehrlichkeit eingekauft und mit mehr Treulosigkeit Gambetta und Waldeck-Rousseau Beifall geklatscht. Moïse dagegen, der in seinen persönlichen Geschäften nicht sonderlich auf Grundsätze hielt und nicht zögerte, ein falsches Geldstück zum Schaden eines Chauffeurs loszuwerden, war einwandfrei, sobald er es mit jenen Wesen, die nicht kaufen und nicht verkaufen, mit dem Glauben, dem Staat, mit Frankreich – Werte, die keine Vorliebe für den Wechsel haben – zu tun hatte. Während das biedre Skelett Rebendarts unter der Einwirkung einer unbekannten Säure in seinem Ministerkörper schmolz, wuchs in Moïses fettem orientalischen Körper, sobald es sich um das Land handelte, ein Knochengerüst aus großen Zeiten, aus dem Mittelalter empor, das sogar seine Haltung aufrechter und würdiger machte. Das war aber noch nicht alles. Rebendart behandelte den Staat, wie er Menschen behandelte, mit Jurisprudenz, mit Beweisführungen, mit Autorität. Moïse dagegen wertete die weiblichen Eigenschaften Frankreichs aufs feinste. Er fühlte, daß ein Land aus einem Königreich in eine Republik zu verwandeln soviel wie sein Geschlecht verändern hieß. Von allem, was Frankreich betraf, von allem, was er ihm gegeben hatte, sprach er nie. Man wußte nicht, daß die Macht, die Frankreich eines Morgens in einer Zeit finanziellen Ruins plötzlich gegenüber der City hatte, von Moïse herrührte, der dabei ein Drittel seines Vermögens opferte: das war das Kapitel Frau. Es blieb sein Geheimnis. Wenn er Frankreich verehrte, diesen Chor im Kirchenschiff Europa, wo seine Glaubensgenossen sich ebenso in geistiger Sicherheit fühlten wie im Mittelalter an einem Altar, so gehörte das in das Kapitel Liebesverhältnisse. Das ging ihn allein an und durchaus nicht Rebendart. So daß in diesem Duell der Christ aus der Champagne und der Jude nur die Waffen tauschten, indem der Christ Hinterlist und Offenheit wählte, der Jude Ehrlichkeit und Verschwiegenheit. Beide maßen sich, jeder mit seiner Kampfesehre bewaffnet, welche für den andern die Alltagsehre war.

»Herr Präsident!« hatte Moïse geantwortet, »ich bin der Inhaber einer Wechselbank. In dem Maße, als Ihre Wünsche und die Erfordernisse der Bank in Übereinstimmung zu bringen sind, finden Sie mich immer zu Ihrer Verfügung.«

»Ich drücke Ihnen meinen Dank aus«, hatte Rebendart erwidert, »und füge mein Bedauern hinzu, Sie Einschränkungen formulieren zu hören.«

Rebendarts Unterhaltung nämlich schien einem praktischen Handbuch der Konversation für Staatsmänner entnommen zu sein.

»Ein Land, selbst wenn es am Meere liegt, kann Ebbe und Flut nicht regulieren«, fing Moïse wieder an, den diese Banalität belustigte. »Doch bin ich ganz zu Ihrer Verfügung, wenn es sich darum handelt, sie voraus zu berechnen.«

Rebendart sprang in die Höhe, und die Metapher als alter Parlamentarier fortspinnend, sagte er:

»Schweifen wir nicht ab, Herr Moïse. Es handelt sich nicht um den Mond. Es handelt sich um Dubardeau.«

Das Fenster nach dem Garten, das schlecht geschlossen war, hatte sich wieder geöffnet. Ein Luftzug drang ein, den der Ministerrat schweigend erlitt. Moïse wartete. Er war seiner sicher. Seit seiner Jugend hatte er ein Mittel, um stets bei sich, im Zentrum seiner Kraft zu sein. Ob er in einer Stadt war oder auf einem Berg, berechnete er mit einem Blick um sich herum, was sein Vermögen ihm ringsum zu kaufen erlaubte, fühlte sich dadurch als Meister, und seine Unterredner standen plötzlich vor einem Eigentümer. Am Beginn seiner Laufbahn war dieser Umkreis noch sehr klein, kaum einige Quadratfuß auf dem Parkett aus Kärntnerholz bei Cohn in Triest, wo er angefangen hatte. Es hätte damals genügt, daß der Kollege Hahnensteg den Stuhl, auf den er sich hinsetzte, zurückzog, damit Moïse aus seinem Besitz herausfiel. Dann war er genau so groß wie das Mosaik im Wartezimmer bei Laberti in Genua. Dann einige schmale Hundertstel Ar von richtigem Grasland in Chaville, als er eines Sonntags um das Jahr 1890 dort mit Sarahs Bruder frühstückte. Doch dieses Vermessungssystem schlug ihm schon im Jahre 1912 mitten in den Severinen das ganze Departement Lozère zu, und in diesem Augenblick im Arbeitszimmer Rebendarts lieferte es ihm die ganze Place de la Concorde, die Rue Royale, den Süden bis zur Rue de Grenelle aus, alle diese Blocks von Paris, die man auf drei Milliarden in Gold schätzen konnte. Die Börse war ihm übrigens an diesem Morgen so einträglich gewesen, daß er, in dem Maße als Rebendart, der Mieter Rebendart, weitersprach, seinen magischen Zirkel immer weiter nach der Madeleine hin greifen, die Pferde von Marly im Westen und das Rhinozeros der Tuilerien im Osten verschlingen, nach Süden zu bis zum Grabe Napoleons sich ausdehnen sah. Das Gefühl der Macht wuchs in ihm bei jeder Unterredung, sobald er um sich diese Schranken von Gold aufrichtete. Er setzte sich. Er boxte im Sitzen ...

Rebendart dagegen blieb stehen. Er schien nicht aus der Mitte seines Wahlkreises zu sprechen, wie es sich für einen Parlamentarier gehört, sondern vom Fuß eines Denkmals aus. Welches Denkmals? Man brauchte nicht lange zu raten: vom Fuß seines eigenen Monuments natürlich. Ein Rebendart aus Bronze beherrschte ihn und diktierte ihm sein Wort. Seine Egeria, das war er selbst, er selbst in Erz. Er hatte in seiner Einbildung einen eigensinnigen und empfindungslosen Rebendart aufgerichtet, der ihm Erörterung und Energie ersparte, denn im Grunde war er beeinflußbar und schwach. Sein Wille war außerhalb seiner in dieser Kopie aus Gußeisen. Es blieb ihm nur so viel Bewegung, wie eine Statue hat, die Bewegung ihres Schattens, des Schattens seines Entschlusses, der Reflex seines Willens. Nie war irgendeiner seiner Entschlüsse von der Zukunft befohlen, von Zeichen, die aus der Zukunft winkten, sondern von der letzten Entscheidung, die jener erzene Komtur bereits getroffen hatte. Er gab sich keine Rechenschaft darüber, daß er für diesen gußeisernen Leib seine Seele allen Mächten der Vergangenheit, allen veralteten Formen der Zivilisation verkaufte und daß er in ihrem Namen eben im Begriffe war, zänkisch, widerborstig und beleidigend, wie er war, sich vor Moïse zu demütigen.

»Ich habe Sie gestern in der Oper gesehen«, sagte er, den Ton wechselnd. »Ich liebe Mozart.«

Moïse hatte nun einige Hoffnung, mit Rebendart zu einer menschlichen Aussprache zu kommen. Nie war Mozart so vollendet gespielt worden wie gestern. Moïse war noch ganz davon erfüllt ... Der Haß gegen seine Feinde, seine Gewinnsucht, ja die Raschheit seiner Rede waren dadurch gedämpft. Was einem physischen Wohlsein zugute kam, das ihn seit dem Morgen erfüllte. Diese Schwäche in den Knieen, diese Betäubung der Ohren, das war in der Tat, er erkannte es jetzt, die göttliche Leichtigkeit, die erhabene Harnsäure, das war wohl Mozart. Er freute sich, über Dubardeau mit einem Manne zu sprechen, der zu Beginn der Nacht Mozart gehört hatte. Er wußte nicht, daß die Musik auf Rebendart eigenartige Wirkungen übte, daß Cäsar Frank ihn zum Ungestüm erregte, Debussy Energie in ihm entfachte, Leoncavallo ihn zum Nachdenken stimmte, und was ihn heute auf den Weg der Eifersucht, der Verachtung und des Hasses stieß, eben Mozart war.

»Herr Moïse,« sagte Rebendart, indem er sein Handbuch zu einer höheren Lektion wieder aufnahm, »sprechen wir offen. Die festesten Stützen, die unsere Könige im Kampf gegen die Feudalität gefunden hatten, sind die Bankiers und die Juden gewesen. Sie sind die Vereinigung von beiden. Keine Redensarten. Es ist nicht persönlicher Haß gegen die Dubardeaus, der mich beseelt, aber ihr Beispiel ist unheilvoll. Sie sind die richtigen Feudalen. Indem sie verbreiten, daß sie über den göttlichen Gesetzen schweben, daß sie die physikalischen und chemischen Gesetze modifizieren, ziehen sie daraus den Vorteil, sich den Gesetzen schlechthin zu entziehen. Es sind unanständige Leute. Die Anständigkeit besteht doch nicht darin, daß man den Besuch von Parlamentariern ablehnt und die Kubisten liebt. Auf allen Gebieten, auf denen sie wirken, in der Politik, in der Wissenschaft, in den Finanzen sind sie die Wegbahner für einen Geist des Stolzes, der Unabhängigkeit und des Unglaubens. Ich werde unerbittlich sein. Übrigens haben Sie meine letzten Reden gelesen. Ich habe ihnen nichts hinzuzufügen.«

»Ah!« machte Moïse.

So wenig er von Rebendart hielt, hatten ihn diese letzten Worte doch enttäuscht. Jede Unterhaltung mit einem Staatsmann hatte ihm diesen anders als seine Reden und fast stets ihnen überlegen gezeigt. Eine politische Rede ist in Frankreich eine Art ebenso unpersönlichen Monologs wie die Erzählung vom Tode des Hippolyt oder der Monolog Karls V. Alle Welt erwartet sie, doch niemand hört sie. Eine politische Rede in Frankreich ist eine Geste, eine neue Geste zuweilen, doch die Worte, die Absätze, das Thema sind ganz mechanisch gewählt und vorgetragen. Es sind die Uniformen des Worts oder der Seele, die man bei feierlichen Anlässen anlegt. Doch wäre es Moïse nie eingefallen, Rebendart nach seinen Reden zu beurteilen, so wenig wie das Familienleben einer Schauspielerin nach ihrer Deklamation der Athalie. Moïse wußte, daß die Staatsmänner, nachdem sie die Reden, die sie gegeneinander halten, wie Holzschwerter abgelegt haben, erst am Fuß der Tribüne ihre wahren Waffen wieder aufnahmen: die Bildung, die Jovialität, den Geist, die Feinfühligkeit, und mit ihnen erst den wahren Kampf in den Wandelgängen ausfochten. Daß Rebendart sich auf seine Reden bezog, damit gestand er Moïse einfach zu, daß er, um ihn zu überzeugen, nicht das Lachen, nicht die Herzlichkeit, nicht die Leidenschaft, ja nicht einmal den gesunden Menschenverstand zu gebrauchen wußte.

»Lassen Sie sich überzeugen«, sagte Rebendart. »Sie haben sich einmal gegen mich auf das Personal der Ministerien berufen, welche die Dubardeau geleitet haben. Sie glauben, daß sie hier populär gewesen seien, daß man sie vermisse, daß jeder Beamte ein Zeuge für ihre Ehre sei. Was das Justizministerium betrifft, so werden Sie sehen.«

Er klingelte nach Crapuce.

Moïse hatte Lust, aufzustehen und fortzugehen. Er verstand Rebendarts Absicht. Man wollte meinen Vater durch seine Mitarbeiter verleugnen lassen. Durch jene zumal, die ihm alles verdankten. Rebendart liebte es in seiner Menschenverachtung, sie vor so erniedrigende Entscheidungen zu stellen. Zum Glück sah Moïse plötzlich, wie die Sonne im Garten die beiden Statuen der Flora und der Pomona beschien, die mein Vater in einem Speicher der Staatsmöbelkammer entdeckt hatte. Auf Flora und Pomona konnte man nicht rechnen, daß sie meinen Vater verleugnen würden. Ihr Busen, ihr Geheimnis lag klar zutage. Sie schienen ihre statuarische Scham der Dankbarkeit zu opfern. Was galt denn der Meineid eines Crapuce? – Moïse wartete.

Rebendarts Generalsekretär im Justizministerium, Crapuce, war schon bei seinen fünf Vorgängern im gleichen Amte. Es sind noch einige antike Worte vorhanden, die sich mit gewissen modernen Seelen und ihren Handlungen vollständig decken: Crapuce war ein Freigelassener. Er besaß die klassischen charakteristischen Eigenschaften des Freigelassenen. Er war geil, liebedienerisch, feig. Jede seiner Niedrigkeiten und selbst seine Ticks könnten bei Tacitus stehen. Seine armselige Erscheinung rief einen schönen klassischen Ausdruck, sein jammervoller Blick eines dieser netten und feinen lateinischen Worte ins Gedächtnis, welche in zwei Silben auszudrücken verstehen, daß man, erstens, gegen Tieferstehende unerbittlich, mit einer Donnerstimme begabt und von gewaltiger Körpergröße ist, und daß man, zweitens, gegenüber den Mächtigen schmelzend, bucklig sein und mit einer Fistelstimme reden kann. Den Korridor, der sein Bureau vom Salon des Ministers trennte, war die Requisitenkammer, in der Crapuce in einem Augenblick die Maske der äußersten Tyrannei gegen die der äußersten Servilität vertauschte. Jedesmal, wenn das Rufsignal Rebendarts wie das Zirpen der Grille ertönte – dieses Zirpen der Grille, welches jedes freie Herz vibrieren läßt und zur Freiheit erregt –, wurde Crapuce von einem wahren Delirium der Untertänigkeit ergriffen. Er hörte auf, die Amtsdiener zu beschimpfen, nahm die Aktenmappen, trug sie horizontal vor sich her, wie Kissen mit den Schlüsseln der Stadt, und es war in der Tat stets die vollständige Übergabe des Ministeriums, des Personals, des Budgets, der Verbrecher, alles dessen, was er zu verteidigen verpflichtet war und nun preisgab. Es unterhielt mich, aus archäologischen Gründen, das Leben dieses Freigelassenen zu beobachten, so wie ich einst einen ganzen Vormittag damit zugebracht habe, in einem See in der Nähe von Rom den Bewegungen eines Fisches zu folgen, von dem man mir sagte, er sei die Muräne; die Muräne mit verwöhnten Zähnen. Crapuces Dasein war ein solches Kreisen um das Leben des Ministers. Es kam darauf an, daß er vor seinem Meister aufstand und nach ihm zu Bette ging. Da die Minister nie ein schmutziges Papier, eine gebrauchte Feder, ein beflecktes Löschblatt fanden, duldeten sie es, daß ihr Arbeitstag derart von Crapuce eingerahmt wurde. Sie konnten ruhig schlafen, ohne zu befürchten, daß ein Tintenfaß auf ihrem kostbaren Schreibtisch umgestoßen wurde, und manchmal fanden sie am Morgen ein Fünffrankstück, das Crapuce vom Teppich aufgelesen hatte. Im übrigen benutzten sie ihn, mißtrauisch wie sie sind, hauptsächlich um unerwünschte Besucher fern zu halten. Crapuce war es, der die Staatsmänner von übelriechendem Atem, die häßlichen Akademiemitglieder, die unliebenswürdigen Bischöfe empfing. Er war gleichsam der Reinemacher im Vorzimmer ihres Kabinetts. Er verteilte auch die Bestechungen. Man kann sich denken, wie eingebildet Crapuce durch diesen Verkehr, den einzigen übrigens, den er hatte, mit nur häßlichen Schauspielerinnen, mit nur schranzenhaften Generalen und bettelhaften Gelehrten geworden war. Er folgerte daraus, daß er selbst schön, unabhängig und tadellos sei. Auch für die telephonischen Gespräche überließ ihm Rebendart ausschließlich die Stotterer, die Lügner und solche, die sich schon durch ihre Aussprache als Ausländer verrieten. So daß er sich sogar für einen eleganten Redner halten durfte. Bei den offiziellen Essen setzte man Crapuce zur Seite eines idiotischen Großfürsten, eines tauben Marschalls, einer umherziehenden Prinzessin. Also durfte er die Großen verachten. Von Politik, von Staatsgeschäften, ja selbst vom Kriege kannte er durch seine Funktionen und seine Natur nur die schändliche oder lächerliche Seite. In den Büchern las er nur die obszönen Stellen, um die Minister darauf aufmerksam zu machen, in den Zeitungen nur die Skandalaffären. Er selbst unterzeichnete nur die Verweise oder die Verabschiedungen, während der Minister um seiner Popularität willen sich die andern Akten vorbehielt. Er hatte also nicht den geringsten Grund, an die Schönheit dieses Lebens zu glauben, in welchem er mit den scheuen Bewegungen, mit dem Schnurrbart und mit den Augen einer Gossenratte hin und her lief. In der Tat kannte er seine wahre Natur gar nicht; sie bestand nicht darin, einen in Ungnade gefallenen Staatsanwalt von Riom nach Barcelonette zu versetzen, sondern die Augen einer Nachtigall auszustechen, nicht die Einbürgerung eines griechischen Schriftstellers, der in den Nouveautés gefeiert worden war, zu verhindern, sondern einer Schildkröte die Pfoten abzuschneiden, nicht den reaktionären Staatsanwalt von Aix zu verabschieden, der seine Reisekosten forderte, sondern Stricknadeln in die Backen seiner Amtsdiener zu stechen, wenn sie lachten. Denn was er am meisten in der Welt verabscheute, war das Lachen, ein Ausdruck von Freiheit, den die Freigelassenen nie begreifen werden.

»Crapuce,« fragte Rebendart geradezu, »antworten Sie mir nur mit einem Wort, mit einem einzigen. Hat Dubardeau Gutes oder Böses dem Land getan?«

Crapuce verdankte meinem Vater alles, seinen Aufstieg, seine Stellung. Als er Unterpräfekt von Compiègne war und ihm die Absetzung drohte, hatte ihn mein Vater gerettet. Als man ihn eines Tages bei einer Razzia aufgriff, denn er liebte die kleinen Mädchen, hatte ihm mein Vater die Polizeiwache erspart. Er war anwesend, als mein Vater von Wilson das Bündnis, von Kitchener die ägyptische Armee erhielt. Er zögerte nicht ...

»Wohl mehr Böses, Herr Minister.«

»Bleiben Sie bei Ihrem ›wohl mehr‹?«

»Böses! Wenn Sie wollen, Herr Minister.«

»Ich will nichts. Ich frage Sie um Ihre Meinung!«

»Böses!«

Bei diesem Wort überschwemmte eine Flut von Licht den Garten. Die Schenkel der Pomona erglänzten. Der Springbrunnen, den mein Vater hatte reinigen lassen, stieg in die Höhe. Die Amseln pfiffen gemeinschaftlich zwischen Ritz und dem Ministerium, zwischen den schönen Amerikanerinnen und der Gerechtigkeit. Die Vögel wissen geheimnisvoll den Augenblick zu erraten, da jemand verraten wird. An Stelle eines Hahns kam ein Vögelchen und setzte sich aufs Fenster ... Drei kleine Spatzenschreie ... Doch jeder hörte es, der Spatz hatte gekräht! Rebendart setzte die Tortur Crapuces fort.

»Ich verlange keine Zustimmung aus Gefälligkeit, Crapuce. Ich weiß, daß Ihre alten Beziehungen zu Dubardeau Ihnen die Offenheit erschweren. Antworten Sie, was Sie denken, und nicht, was ich denke. Ist nach Ihrer Meinung ein Dubardeau, welche Qualitäten immer er haben mag, nützlich oder schädlich?«

»Manche Leute halten ihn für schädlich.«

»Das, zum Teufel, weiß ich wohl. Ich selbst gehöre zu ihnen. Es handelt sich um Sie.«

Crapuce war bleich. Er versuchte zu erraten, was für eine Falle ihm Rebendart da legte. Endlich sagte er:

»Schädlich.«

»Wie bitte? Es ist unglaublich, man hört kein Wort bei diesem offenen Fenster!«

»Schädlich.«

Rebendart verabschiedete ihn mit einer Handbewegung und klingelte nach Basquettot, dem Vorstand der Zivilabteilung.

Ich kenne in der gesamten Literaturgeschichte nicht nur Frankreichs, sondern aller Zeitalter, keinen Schriftsteller, der oberflächlich genug wäre, daß ich ihm die Beschreibung des Barons Basquettot anvertrauen möchte. Wenn ich an ihn denke, kommt mir die Feder Andrè Theuriets wie ein gewaltiger Griffel vor. Das geringste Merkmal der Tiefe oder des Reliefs schon würde die Natur seines Charakters völlig verfehlen. Nicht, daß er nicht ebenso hinterhältig, eitel oder ehrgeizig gewesen wäre, wie das ein Beamter nur sein kann, aber diese Fehler, durch welche die Seelen im allgemeinen Substanz erhalten, verdünnte die seine noch mehr, und selbst die Worte Heuchelei und Ehrgeiz machen sich beim Anblick Basquettots mit einer nachlässigen Geste aus dem Staube. Es hätte genügt zu sagen, Basquettot sei lasterhaft, verräterisch oder feige, damit Feigheit, Verrat und Laster als Fehler an Geschöpfen zweiten Ranges erschienen, wie es die Stare und die Austern sind. Man hätte übrigens auch die Probe aufs Absurde machen können und das Wort Basquettot dem Wort Liebe oder dem Wort Noblesse oder bloß dem Wort Gerechtigkeit verbinden, denn er war ja Richter gewesen: es hätte nur ein Lachen hervorgerufen. Der Krach der Société Generale, der Fall Dreyfus, der Sturz des Franken verwandelte sich, sobald man die Schwelle seines Arbeitszimmers überschritt, in ein Wortspiel. Die charakteristischen Merkmale Basquettots waren: absolute Inkonsequenz, verdoppelt durch ein gutes Gedächtnis, völlige Unfähigkeit zu begreifen, verdoppelt durch Fleiß, unausrechenbarer Mangel an Vorstellungskraft, verdoppelt durch eine Leidenschaft für schlechte Witze. Dabei kannte er sich in der gesellschaftlichen Welt gar nicht aus. Er brauchte nur eine Einladung zum Diner anzunehmen, um bald hinterher zu erfahren, daß der Hausherr auf der Liste der Unerwünschten, der nicht rechtzeitig Eingerückten oder der Geheimpolizei stand. Er soupierte bei Eheleuten am Abend vor ihrer Scheidung, bei Finanzmännern am Tag ihres Bankerotts, bei Madame Steinheil am Tag vor der Ausführung ihres Verbrechens. Doch war seine Persönlichkeit in einem Grade nichtig, daß keinem Menschen der Gedanke kam, die Sitten und die Ehrbarkeit Basquettots in Zweifel zu ziehen, obgleich dessen hauptsächlicher Verkehr bisher Adelswart, Lenoir, Rochette und Madame de Tessancourt waren. Sein Spürsinn war nicht minder glücklich, wenn es Tiere oder Pflanzen betraf. Die Rassehunde, die er jeden Morgen im Bois spazieren führte, waren kurzbeinige Windhunde, Dackel ohne Schwanz. Das Schicksal schien ihn dennoch unter den andern Sterblichen besonders ins Auge gefaßt zu haben und hatte ihn sogar dazu ausersehen, die großen menschlichen Rollen zu spielen. Nach einem Schiffbruch fand er sich als Robinson Crusoe einsam auf einer Insel, aber er entdeckte dabei nur ein Mittel gegen den Bandwurm. Er bekam auch den Ödipus zu spielen: von seiner Mutter, die damals achtzehn Jahre alt war, bei der Geburt schon getrennt, traf er sie auf einer Reise wieder und hätte sie fast verführt, doch von diesem Abenteuer behielt er nichts als einen Monolog in Versen, den er gerne deklamierte. Er bewährte sich auch als Prometheus: in einer Karawane in Zentralasien, als alle Werkzeuge, um Feuer zu machen, verloren waren, war er der einzige, der Streichhölzer besaß, und die Begehrlichkeit und das Verbrechen umkreisten ihn, doch er verschwendete seinen ganzen Vorrat an einem Abend, um eine Omelette in Rum anzuzünden. Seine Karriere war nichtsdestoweniger sehr flott gewesen. Sooft ein wichtiger Posten im Ministerium begabten Juristen oder einfach einem Weisen anvertraut wurde, die um sich nur einen Statisten brauchten, war Basquettot zur Stelle. Doch eines Tages war das Licht verlöscht, der bedeutende Mann ging ab, und der Gehilfe Basquettot blieb an seiner Statt. Auf diese Weise hatte er die sechs obersten Sprossen erklommen, und die Tatsache, daß Basquettot jetzt hier der erste war, bedeutete nur, daß das Ministerium sechs Intelligenzen sich hatte amputieren lassen.

»Basquettot,« sagte der Minister, »ein Wort! Was hält man von Dubardeau in Europa?«

Basquettot war dabei gewesen, als der König von England meinen Vater auf französisch duzte, doch er hatte ihn nie bei Mata Hari getroffen; er hatte ihn vom König der Belgier zum Ritter schlagen sehen, war ihm jedoch nie bei Bolo begegnet. Es war in den letzten zehn Jahren kein Herrscher und kein sozialistischer Führer, der meinen Vater nicht umarmt hätte, doch mein Vater hatte Madame Comarin-Buchenfeld nie die Hand geküßt.

»Nichts«, sagte Basquettot.

Moïse hatte sich erhoben.

»Nun,« sagte Rebendart, »genügt der Versuch? Sind Sie überzeugt?«

»Ich bitte um eine dritte Probe«, sagte Moïse, den die Sache zu belustigen anfing.

»Wollen Sie, daß ich den Vorstand der Abteilung für Strafsachen kommen lasse?«

»Nein!« antwortete Moïse. »Lassen wir es auf den Zufall ankommen. Nehmen wir den Attaché vom Dienst zum Beispiel.«

»Wer ist es?« fragte Rebendart.

»Es ist ein gewisser Brody-Larondet, der Leiter der dritten Abteilung«, sagte Basquettot. »Ein bedeutender Bursche. Der beste Registrator in der ganzen Abteilung. Er war es, der die Umnumerierung der Register vorgenommen hat, indem er das O durch ein Y ersetzte und die doppelten Buchstaben beseitigte. Dadurch ist es uns möglich geworden, die gesamten Vorakten der begnadigten Verurteilten wiederzufinden, die wir seit zehn Jahren verlegt hatten.«

»Lassen Sie ihn kommen«, sagte der Ministerpräsident. Brody-Larondet, der Mann, welcher die Vergangenheit von Cayenne wiedergefunden hatte, trat ein. Es war ein Mann von vierzig Jahren, kurzsichtig, gekrümmt, rheumatisch, mit einem dicken Daumen, falschen Augen; kurz, der auf sich alle die physischen Fehler versammelte, welche das Geschlecht der Richter gern auf die Verbrecher abzuschieben pflegt. Er hatte keine Vergangenheit, es sei denn, daß er als Student in der Rue Cujas seine Kollegen einzuladen pflegte, wenn seine Mutter ihm aus Cahors Gänseleberpastete schickte, und daß man ihn um Mitternacht zwang, sich vor allen einem der anwesenden Mädchen zu vermählen, während die Versammelten um das Bett herum auf leeren Konservenbüchsen und Kasserollen trommelten. Er hatte keine Zukunft, es sei denn, daß er im Begriff war, eine häßliche arme Cousine aus Perigord wirklich zu heiraten, um sich nun still und für sein ganzes Leben zu ihr zu legen. Er zitterte schon vor Angst, da er dachte, es sei wohl in der Tat unvorsichtig gewesen, das O durch ein Y zu ersetzen, stellte sich vor, daß der Minister begeisterter Anhänger der Doppelbuchstaben sei, und verbeugte sich, bereit, alles zurückzunehmen.

»Brody-Larondet,« sagte Basquettot, »der Minister wünscht zu wissen, was Sie von Herrn Dubardeau denken, seinem Vorgänger in diesem Hause.«

Brody-Larondet atmete auf. Also hatte der Minister sein System gutgeheißen! Er war von einer Dankbarkeit gegen Rebendart erfüllt, die sich nur im Ausdruck vergriff:

»Er ist ein großer Mann, Herr Minister, ein sehr großer Mann!«

»Erklären Sie sich näher«, sagte Rebendart eisig.

Brody-Larondet begriff nun. Er war nicht der Mann, um zu lügen, doch er hatte seine Ungnade vor Augen. Er versuchte, um den Groll Rebendarts zu dämpfen, sein Lob auf einen Dubardeau abzulenken, auf den der Minister nicht eifersüchtig sein konnte. Er erinnerte sich, daß er mit meinem Vater einmal über Vincent d'Indy gesprochen hatte. Nie hatte ihm jemand die moderne Musik so klargemacht. Er hatte unmittelbar darauf »Fervaal« dem Blasorchester des Dorfes seiner Cousine in Perigord geschickt.

»Er ist ein großer Musiker,« sagte er, »ein großer Musiker.«

Rebendart nahm die Sache übel. Brody fühlte das. Er machte einen letzten Versuch. Er erinnerte sich, meinen Vater einmal auf dem Bildermarkt getroffen zu haben. Mein Vater hatte ihm freundlich auseinandergesetzt, warum ein Bild, das Brody ziemlich teuer gekauft hatte, kein Leonardo und kein Rembrandt war, wie Brody sicher glaubte, sondern von einem gewissen Durand, der gerade die Antiquitätenläden überschwemmte.

»Er ist hauptsächlich ein großer Maler,« sagte er, »ein sehr großer Maler!«

»Sie sind ein großer Dummkopf,« sagte Basquettot, »gehen Sie!«


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