Friedrich Gerstäcker
Irrfahrten
Friedrich Gerstäcker

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9. Schluß – natürlich mit einer Heirat.

Er hatte schon fast die Moselbrücke wieder erreicht, als ihm ein Herr begegnete, der ihn, als er ihn fast erreicht, scharf fixierte und etwas erstaunt über die Person schien; Fritz achtete allerdings nicht auf ihn und wollte vorüber gehen, als der Fremde auf ihn zutrat, ihm die Hand aus die Schulter legte und ausrief:

»Bist du's denn wirklich oder bist du's nicht?«

Fritz, eben nicht besonders guter Laune, warf nur einen raschen Blick auf den Fremden und knurrte dann ärgerlich:

»Lassen Sie mich ungeschoren! – ich bin's nicht.« – Und damit schritt er weiter.

»Aber das ist ja gar nicht möglich!« rief jener hinter ihm drein: »Wladimir!«

Bei dem Namen zuckte Fritz zusammen: Wladimir? – er blieb fast unwillkürlich stehen.

»Nun, ich wußte doch, daß ich mich nicht geirrt haben konnte; sage mir nur, Mensch, wo kommst du jetzt noch, nach dem Vorgefallenen in Ems, hierher in die preußische Festung? Bist du denn wahnsinnig?«

Fritz hatte sich umgedreht und sah ihn starr und aufmerksam an; der andere mochte aber doch jetzt wohl, da er ihn genauer betrachtete, etwas Fremdes in seinen Zügen entdeckt haben, denn er war wieder zweifelhaft geworden.

»Was wünschen Sie eigentlich?« fragte Fritz ruhig. – »Habe ich Ihnen nicht eben gesagt, daß ich es nicht bin?«

»Gut, mein Herr!« sagte der Fremde verdutzt; »es ist möglich, daß Sie es wirklich nicht sind; wenn aber doch, so erlauben Sie mir, Ihnen mitzuteilen, daß Sie mit einem Gesicht hier spazieren gehen, hinter dem ein Steckbrief erlassen ist, und Sie also eine sehr gefährliche Ähnlichkeit mit einer dritten Person haben –«

»Die Wladimir heißt?«

»Allerdings!«

»Und angeblich ein polnischer Graf und Ihr Freund ist?«

»Das erstere ja, das zweite nein!« rief der Fremde, durch die halbe Beschuldigung doch erschreckt. Er hatte den Steckbrief nur erwähnt, weil er, wenn auch zweifelhaft gemacht, trotzdem die Ähnlichkeit auffallend fand und dadurch, falls er es doch vielleicht gewesen wäre, eine versteckte Warnung geben konnte. – »Sie müssen mich entschuldigen, aber ich habe nie in meinem Leben zwei Menschen gesehen, die sich so auffallend einander glichen – es ist zu merkwürdig.«

»Und können Sie mir vielleicht sagen, wo ich imstande wäre, diesem Herrn Wladimir zu begegnen, um mich selber davon zu überzeugen?« fragte Fritz, nur um etwas Näheres über den Burschen zu erfahren, denn die erst gemachte Andeutung verriet, daß er wohl schwerlich mehr in Ems zu finden sein würde. Der Fremde, wenn er es überhaupt wußte, ging aber nicht in die Falle, denn er mochte jetzt selber unsicher geworden sein.

»Mein werter Herr,« sagte er verbindlich, »wenn Sie vorher wußten, daß jener Wladimir ein polnischer Graf sei, so müssen Sie ihm doch wohl schon einmal im Leben begegnet sein; ich habe ihn nur flüchtig in Ems kennen gelernt und dort, denke ich, werden Sie wohl das Nähere über ihn erfahren können!« – Und seinen Hut lüftend, drehte er sich ab und verfolgte seinen Weg, Fritz eben nicht in der besten Stimmung zurücklassend.

Der verdammte Steckbrief! Denn obgleich er sich legitimieren konnte, hatte er doch nur Unannehmlichkeiten und Laufereien davon. Und wenn er nun ohne weiteres den Rhein verließ und vielleicht einmal nach Norden hinauf zur Küste fuhr? – er hatte so noch nie das Meer gesehen; aber konnte er denn jetzt gerade fort, wo er dem Major versprochen, noch einmal zu ihm hinaus zu kommen? – Und welche Verpflichtungen hatte er gegen den Major? – Allerdings keine, aber sein Wort durfte er nicht brechen. Dieser verwünschte Pole! und war der es etwa, der als sein Doppelgänger in der Welt herumzog? Er selber hatte doch an ihm, als er ihn damals auf dem Perron traf, nicht die geringste Ähnlichkeit mit sich entdeckt – das sah man freilich selber auch nur selten und dazu gehörten fremde Augen. Und von Ems schien sich der Bursche also auch wieder gedrückt zu haben. Was konnte da nur vorgefallen sein? – es war rein zum Verzweifeln.

Fritz schritt in tiefen Gedanken nach Koblenz zurück, aber er war fast menschenscheu geworden, denn er mochte keinem der ihm Begegnenden ins Auge sehen, nur aus Furcht, wieder angeredet und für irgend einen andern gehalten zu werden. In seinem Hotel angekommen, schloß er sich gleich in sein Zimmer ein und begann einen Brief an seinen Vater, in dem er diesem seine bisherigen Erlebnisse schildern wollte. Merkwürdig leicht und rasch ging er aber bis zu dem heutigen Tage über alles hin, was ihn betroffen, und beschrieb nur aus das Ausführlichste sein Begegnen mit dem alten Major und dessen Tochter.

Als er den Brief beendet und etwaige Antwort nach Köln an den Kanzleirat adressiert hatte, machte er einen Ausflug in die benachbarten Berge und nahm sein Skizzenbuch mit. Er wollte so wenig als möglich mit Menschen zusammentreffen und konnte sich dort draußen ja am besten seinen Platz nach Gefallen aussuchen. Es war auch schon dunkel, ehe er nach Koblenz zurückkehrte; der nächste Morgen fand ihn aber schon wieder auf der Straße nach Mühlheim und er brauchte diesmal keinen Führer, um ihm den Weg zu dem kleinen ärmlichen Hause zu zeigen. Er fand ihn allein und fand ihn Tag nach Tag, bis er mit sich im klaren war, daß er – wenn er denn einmal heiraten sollte – keine bessere und bravere Frau auf der weiten Welt finden könne als eben Margaret.

Diese stille Sorgfalt im Hause, diese Liebe zum Vater, diese ruhige Heiterkeit in all der schweren Sorge und Armut; die Tränen traten ihm oft in die Augen, wenn er sie heimlich dabei beobachtete. Und kein Wort der Klage hatte sie – und doch wie anders mußte ihr Leben in ihren Kinderjahren gewesen sein, wo sie, wie aus des alten Majors Erzählung hervorging, sich in glücklichen Verhältnissen bewegte, während jetzt der Mangel an ihrem Tisch saß und Sorge und Not bei ihnen eingekehrt waren.

Und liebte sie ihn wieder? – Er glaubte: Ja. – Er hatte freilich keinen Beweis dafür als ihr freundliches Lächeln und leises Erröten, wenn er kam – den Blick mit dem sie von ihm Abschied nahm, wenn er ging; aber er hoffte, daß sie sich an seiner Seite glücklich fühlen könne, und wenn er auch nicht imstande war, ihr ein glänzendes Los zu bieten, ein sorgenfreies jedenfalls.

In dieser Zeit erhielt er einen Brief von seinem Vater, der ihm auf die Seele band, sich näher nach den Umständen des Majors zu erkundigen und »alles zu tun, was in seinen Kräften stehe, um dessen Lage zu erleichtern« – Geld könne er dazu von ihm bekommen, so viel er brauche, aber er fürchte, es würde dem alten hartköpfigen Soldaten schwer beizukommen sein.

Fritz lachte still vor sich hin – er wußte ein Mittel, ihm seine Lage zu erleichtern, und wanderte unmittelbar nach Empfang des Briefes wieder nach Mühlheim hinaus, erstaunte aber nicht wenig, als er einen kleinen gepackten Koffer mitten in der Stube und Margaret in Tränen fand. So herzlich ihn der Major bisher immer aufgenommen hatte, so schien er ihm doch heute nicht gelegen zu kommen. Er grüßte ihn halb verwirrt, und es war kein Zweifel, daß er irgend etwas hatte, was er nicht gern aussprechen mochte oder worin ihn wenigstens die Gegenwart des Fremden störte. Fritz versuchte eine gleichgültige Unterhaltung anzuknüpfen, aber es ging nicht; der Major selber unterstützte ihn nicht darin und gab ihm nur ausweichende Antworten, und als endlich Margaret vollständig reisefertig das Zimmer betrat und ordentlich erschrak, als sie den jungen Freund bemerkte, da half eben nichts mehr – das eigentliche Hauptthema ließ sich nicht länger umgehen, es mußte zur Sprache gebracht werden.

»Sie wollen verreisen, mein gnädiges Fräulein,« rief Fritz bestürzt aus, – »und wenn ich nicht zufällig herausgekommen wäre, hätte ich nicht einmal Abschied von Ihnen nehmen können?«

»Es ist so plötzlich gekommen,« sagte Margaret leise.

»Und darf ich wissen, wohin Sie gehen?« fragte der junge Maler und sah sie dabei mit einem so herzlichen Blicke an, daß sie errötend die Augen zu Boden schlug. Sie erwiderte aber kein Wort und es entstand eine Pause, die zuletzt dem alten Manne peinlich wurde.

»Ja, Sie dürfen's wissen,« sagte er endlich, »denn ein Geheimnis ist's ja doch nicht – Gretchen hat gestern abend noch einen Brief bekommen, worin ihr in einer bekannten und guten Familie eine Stelle als Gouvernante angeboten wurde, wenn sie eben augenblicklich eintreten könnte. Die Sache ging ein bißchen Hals über Kopf, aber – es läßt sich eben nicht ändern.«

Der alte Herr schwieg und drehte sich dabei halb ab, denn das Auge des jungen Malers, das seines suchte, sollte die zerdrückte Träne nicht sehen, die sich ihm zwischen die Wimpern stahl. Sie war ihm aber trotzdem nicht entgangen, und als sein Blick jetzt hinüber zu dem Mädchen flog und auch dort die stille, resignierte Trauer in ihren lieben Zügen entdeckte, da hielt er sich nicht länger.

»Herr Major,« sagte er mit bewegter Stimme; »seien Sie mir nicht böse, daß ich mich in die Angelegenheiten Ihrer Familie gedrängt habe, aber ich möchte Ihnen gern mehr sein als ein fremder, wandernder Maler, der flüchtig Ihr Haus besucht und dann weiter in die Ferne zieht. Sie sind der alte bewährte Freund meines Vaters, der noch an Ihnen mit all der alten Liebe hängt und mir noch heute geschrieben hat, wie er sich gefreut, daß ich Sie aufgesucht, und wie froh es ihn machen würde, etwas recht Gutes von Ihnen zu erfahren.«

»Da wird er freilich noch ein klein wenig warten müssen,« sagte der alte Soldat trocken; – »der gegenwärtige Augenblick, wo ich mich von meinem einzigen Kinde trennen soll, ist wenigstens nicht geeignet, ihm eine solche Mitteilung zu machen.«

»Und wenn Sie sich nun doch nicht von ihm zu trennen brauchten?« rief Fritz mit zitternder Stimme.

»Nicht zu trennen brauchten?« wiederholte der Major erstaunt; – »wie meinen Sie das? Ich verstehe Sie nicht!«

»Herr Major!« brach da aber Fritz aus; »ich liebe Ihre Tochter! Margaret, wenn Sie mir nur ein klein wenig gut sind und glauben, mit einem so einfachen Menschen, wie ich bin, auskommen zu können, o so reichen Sie mir Ihre Hand und sagen Sie das kleine Wörtchen: Ja! – Seien Sie versichert,« fuhr er bewegt fort, als das junge Mädchen wie mit Blut übergossen vor ihm stand und keine Silbe über die Lippen bringen konnte, – »daß ich nicht immer so ungeschickt bin, wie ich mich vielleicht in Ihrer Gegenwart gezeigt. Von Herzen bin ich auch gewiß nicht böse, und wenn Sie mich zu einem glücklichen Menschen machen, will ich Ihnen danken mein ganzes Leben lang. – Herr Major, legen Sie ein gutes Wort für mich ein.«

Der alte Major stand sprachlos vor Überraschung und nur sein Blick suchte die Tochter, aber Fritz war einmal im Gang. So schüchtern er sich sonst gewöhnlich bei allen wichtigen Lebensfragen zeigte, heute schien er seine Scheu gewaltsam abgeschüttelt zu haben, und auf Margaret zugehend und ihre Hand ergreifend, sagte er leise und herzlich:

»Margaret, willst du mein liebes Weib sein? – bist du mir denn ein ganz klein wenig gut?« – Da neigte sie leise ihr Haupt auf seine Schulter und flüsterte ein kaum hörbares, aber doch so seliges: »Ja!« und Fritz umschlang sie jubelnd mit seinem rechten Arm, und drückte den ersten, heiligen Kuß auf ihre Stirn.

Es wäre aber unmöglich, das Glück der guten Menschen jetzt zu schildern, und dem alten Manne liefen dabei die großen hellen Tränen in den weißen Bart hinab. Fritz hatte aber auch schon allerlei Pläne fix und fertig. Hier durfte der Major natürlich nicht allein wohnen bleiben; er sollte sein Häuschen verkaufen und mit seinen Kindern nach Haßburg zu seinem alten Freunde ziehen. »Die Regulierung seiner Geschäfte würde sein eigener Vater schon übernehmen, der sei außerordentlich praktisch; er selber verstehe gar nichts davon, und daß sich Margaret wohl und glücklich bei ihm fühlen würde, dafür bürge er ihm mit seinem eigenen Herzblut.«

Der Major lächelte, aber er ließ ihn plaudern, sprudelte es doch auch nur so in Glück und Seligkeit von seinen Lippen, als er jetzt mit leuchtenden Blicken erzählte, wie ihn sein Vater eigenhändig auf die Brautschau geschickt habe, damit er endlich einmal ein selbständiger, vernünftiger Mensch – natürlich mit Hilfe einer Frau – werden solle.

Von Margarets Reise war natürlich nicht mehr die Rede; sie mußte sich augenblicklich hinsetzen und einen Absagebrief schreiben, und Fritz selber eilte an dem Nachmittag in einem wahren Taumel von Wonne nach Koblenz zurück, um zuerst an seinen Vater zu telegraphieren und ihm dann noch an demselben Abend ausführlich zu schreiben und ihn zu bitten, selber nach Koblenz zu kommen, um alles weitere zu ordnen und die nötigen Papiere – ohne die wir armen Sterblichen nun einmal nicht glücklich werden können – mitzubringen.

In diesen Tagen, die er natürlich mehr in Mühlheim als in Koblenz zubrachte und wo er nur nachts in seinem Hotel schlief, erhielt er eines Abends einen Brief aus Köln von seinem alten Freund, dem Kanzleirat, worin ihn dieser bat, ungesäumt auf einen Tag nach Köln zu kommen, da die Polizei nach ihm verlangt habe. Er würde nicht lange aufgehalten werden; übrigens begriffe der Kanzleirat nicht, was er so lange in dem langweiligen Nest, dem Koblenz zu sitzen habe; er hätte wohl schon lange wieder einmal einen Abstecher nach dem freundlichen Köln machen können, ohne erst auf eine polizeiliche Einladung zu warten.

Fritz, obgleich er sich jetzt nicht gern von Mühlheim trennte, war doch insofern mit einem kurzen Abstecher nach Köln einverstanden, als er eine Masse von Einkäufen zu machen hatte, die er jedenfalls dort besser als in Koblenz ausführen konnte. Schon am nächsten Morgen, nachdem er Margaret nur ein paar erklärende Zeilen geschrieben, fuhr er mit dem Frühzug ab und wurde wieder im Hause des Kanzleirats auf das herzlichste aufgenommen, überraschte diesen aber gründlich mit der Nachricht seiner Verlobung, die jedoch den alten, freundlichen Herrn fast zu Tränen rührte und seine volle Billigung fand.

Und was sollte er auf der Polizei? – Ja, davon wußte der Kanzleirat gar nichts. Der Polizeidirektor hatte nur zu ihm geschickt und ihn bitten lassen, wenn er die Adresse des Herrn Friedrich Wessel wisse und dieser sich noch in der Nähe befinde, ihn zu ersuchen, sich so bald als möglich auf dem Amt einzufinden, da er ihm eine Mitteilung zu machen habe.

Fritz, um die Sache so rasch als tunlich zu erledigen, begab sich ungesäumt dorthin und erfuhr hier, daß man jenen Grafen Wladimir alias Baron von Senken, alias Friedrich Wessel, alias Lord Douglas, der, wie sich jetzt herausgestellt, aber nur ein Schneidergeselle namens Oskar Schullek aus Haßburg war, bei einem Silberdiebstahl eingefangen und auch schon zu einem vollen Geständnis gebracht habe. Er hatte erzählt, daß er schon in Haßburg oft für den Maler Wessel, den er recht gut von Ansehen kannte, da er bei seinem Meister arbeiten ließ, gehalten worden sei und die Ähnlichkeit auch zuweilen benützt habe, um sich aus Verlegenheiten zu ziehen. Er bestätigte auch, ihn in Mainz gesehen zu haben. In Ems machte er, wie sich nach dort eingegangenen Erkundigungen ergab, einen Versuch, die Spielbank zu bestehlen, wurde aber entdeckt und aus dem Saal gestoßen und verließ Ems gleich darauf. Dadurch erklärte sich auch wohl das Aufsehen, das Fritz erregte, als er mit der unbefangensten Miene von der Welt gleich den Abend darnach – und wie man glaubte, nur mit abrasiertem Schnurrbart – in den nämlichen Sälen spazieren ging, und er wunderte sich jetzt nicht mehr über die Aufmerksamkeit, die man ihm dort geschenkt.

Und die beiden Damen, Komtesse Olga und ihre Mutter?

Waren ein paar ganz gemeine Betrügerinnen, die in dem polnischen Hause, dessen Namen sie sich fälschlich zugeeignet, als Kammerfrau und Haushälterin gedient und dann einen gemeinschaftlichen Diebstahl ausgeführt hatten. Ein russischer Beamter war ihnen gefolgt und hatte sie drüben in Deutz erkannt. Sie befanden sich jetzt, in seiner Begleitung, auf ihrem Weg in die Heimat, um dort ihre verdiente Strafe zu verbüßen.

Fritz, wenn auch nicht durch die Ähnlichkeit geschmeichelt, fühlte sich doch insofern durch das Einbringen des fatalen Menschen beruhigt, daß er jetzt unschädlich gemacht worden und für ihn selber keine weiteren Unannehmlichkeiten mehr entstehen konnten. Er ging aber, um nicht zu viel Zeit zu versäumen und bald nach Koblenz zurückkehren zu können, jetzt ungesäumt daran, seine Einkäufe in Köln zu machen, und der alte Kanzleirat begleitete ihn dabei und half ihm aussuchen.

Am zweiten Abend hatte er alles besorgt und seine Abreise auf den nächsten Morgen festgestellt. Gegen Abend, bei wundervollem Wetter, machten sie noch einen Spaziergang nach dem zoologischen Garten hinaus und schlenderten dort in den herrlichen Anlagen und zwischen den wilden Bestien herum. Da hörte Fritz plötzlich seinen Namen rufen, und sich rasch darnach umdrehend, sah er sich der ganzen Familie des Doktor Raspe, den beiden jungen Damen Rosa und Viola und seinem alten Freund Claus Beldorf gegenüber, der auf ihn zusprang und ihm herzlich die Hand schüttelte.

Nicht so erfreut schienen die beiden jungen Damen über das Zusammentreffen; sie sahen wenigstens außerordentlich verlegen aus und waren blutrot geworden. Auch Dr. Raspe mochte sich nicht recht behaglich fühlen; er ging wenigstens auf Fritz zu, reichte ihm die Hand und sagte:

»Der Schafskops von Oberkellner hat uns da eine schöne Geschichte aufgebunden; – es freut mich außerordentlich, daß Sie –«

»Kein tatsächlicher Spitzbube sind, nicht wahr, Herr Doktor?« lachte Fritz: – »und die jungen Damen haben es gewiß so bedauert.«

»Aber weißt du denn, daß sie den eigentlichen Cujon, der auf deinen Namen gereist ist, eingefangen haben?« rief Claus.

»O sicher,« lächelte der junge Maler; – »ich stehe seit der Zeit mit der Polizei in so genauer Verbindung, daß ich von allem unterrichtet werde. Aber ich fürchte, wir stören die Damen –«

»Ich bitte Sie dringend,« nahm der Doktor das Gespräch wieder auf, – »uns ja zu besuchen, wenn Sie wieder nach Mainz kommen. Wir wollen morgen früh dahin aufbrechen.«

»Dann habe ich vielleicht das Vergnügen Ihrer Begleitung bis Koblenz,« erwiderte Fritz, »wohin ich ebenfalls morgen früh zurückkehre, um meine Braut dort nicht so lange allein zu lassen.«

»Deine Braut?« rief Claus erstaunt aus; – »und darf man fragen?«

»Gewiß! – Fräulein von Buttenholt, die Tochter des alten Majors von Buttenholt, eines alten Freundes meines Vaters.«

»In der Tat?« stotterte der Doktor; »das ist ja recht rasch gekommen.«

»Eine alte Bekanntschaft,« lächelte Fritz und warf einen Blick auf Viola hinüber, die jetzt aber plötzlich ein sehr ernstes und vornehmes Gesicht machte. – »Doch ich störe gewiß die Damen – mein lieber Herr Doktor, es hat mich herzlich gefreut, Ihnen wieder begegnet zu sein. – Lieber Claus, wir sehen uns jedenfalls in Haßburg. Meine Damen, ich habe die Ehre, mich Ihnen gehorsamst zu empfehlen!« – Und mit einer sehr höflichen, aber auch förmlichen Verbeugung nahm er den Arm des Kanzleirats, den er der Gesellschaft nicht einmal vorgestellt, und wanderte mit ihm weiter in einem der Gänge hinab.

Das übrige ist bald erzählt. Zwei Tage später traf sein Vater in Koblenz ein und rührend war das Wiedersehen der beiden alten Herren in dem Glück ihrer Kinder.

Der Major sträubte sich allerdings anfangs, noch mit nach Haßburg zu ziehen, aber es half ihm nichts, der Regierungsrat gab nicht nach. Die Hochzeit wurde auch jetzt beschleunigt und vier Wochen später reiste das junge, glückliche Paar, von den Segenswünschen der Väter begleitet, über Hamburg und Berlin zurück in die Heimat, um sich dort ihren eigenen Herd zu gründen, und erst in Hamburg ließ sich Fritz seinen schon ziemlich stark gewachsenen Bart abrasieren – Margaret hatte ihn darum gebeten, weil sie ihn jetzt gegen alle weiteren Anfechtungen vollständig gesichert glaubte.

 


 


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