Friedrich Gerstäcker
Die Südsee-Inseln
Friedrich Gerstäcker

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Tahiti.

(Fortsetzung).

Am 5. Abends saß ich im American Hotel und spielte mit ein paar amerikanischen Capitänen eine Partie Whist. Draußen vor der Thür, gerade dem belebtesten Theil der Stadt, spazierte die farbige schöne Welt auf und ab, und es war etwa dicht vor der Zeit des Appells, als plötzlich eine kreischende Weiberstimme zu uns herein tönte, worauf wir natürlich augenblicklich aufsprangen, zu sehen was da draußen vorging. Draußen ging aber auch in der That etwas vor, denn wir fanden uns gerade vor einer Gruppe, in deren Mittelpunkt eine junge Dame eben auf das eifrigste beschäftigt war ihre sämmtlichen, nicht überreichen Kleidungsstücke abzuwerfen. Als das nach wenigen Augenblicken glücklich bewerkstelligt war, flüchtete sie sich in einen Schwarm junger Mädchen hinein, die sie augenblicklich in ihre Mitte nahmen und mit rasch abgeworfenen pareu's oder Lendentüchern umhüllten. Die Kleider aber blieben in der Mitte der Straße liegen.

»What, in the name of common sense, is the matter?« schrie der eine Capitän als niemand die Kleider anfassen wollte.

Die Antwort lautete befriedigend: »Ein Centiped oder Tausendfuß!« Das Mädchen hatte dieß giftige Insekt an sich gefühlt, und mit wahrer Todesverachtung sämmtliche Kleidungsstücke abgeworfen, dadurch das gefürchtete Thier ebenfalls los zu werden.

Ich hatte ein ganzes Glas voll californischer Ungethüme; unter diesen fehlte mir aber entschieden ein tahitischer Tausendfuß, und sämmtliche Kleidungsstücke wurden deßhalb, ohne die mindeste Störung von Seiten der Eingeborenen, als gute Prise erklärt, und in das American Hotel hineingetragen.

Solche Untersuchung einer completen Damengarderobe war allerdings vielleicht etwas undelikat; der Zweck heiligte aber hier die Mittel, und was ist einem Naturforscher nicht alles gestattet! Nach kurzer Jagd umstellten wir auch richtig den Feind, trieben ihn in eine Falte und hatten ihn gleich darauf fest und sicher in einem Bierglas halb mit Brandy gefüllt, von wo aus ich ihn später in meine Flasche verpflanzte.

Die Kleider brachten wir dann wieder ihrer Eigenthümerin zurück, bei der es aber erst mehrerer Versicherungen bedurfte daß der Centiped nicht mehr darin, sondern in vollkommener Sicherheit sey.

Der Centiped ist das einzige giftige Thier das auf diesen Inseln lebt, und auch dieser hat ein keineswegs gefährliches Gift in sich, sondern nur einen scharfen Saft, der den gebissenen Theil aufschwellen macht, aber nie den Tod herbeiführt. Diese Thiere sind auch dabei noch ziemlich harmlos, und beißen nur wenn gereizt. In Maiao fiel mir z. B. einer der größten die ich gesehen habe auf den nackten Hals und lief mir darüber hin; ich fühlte dort etwas, wußte aber damals noch gar nicht was es war, und schlug es mit der Hand herunter; er fiel mir dann auf den Arm, glitt über meine bloße Hand ohne später die mindesten bösen Folgen zu hinterlassen, und ließ sich auf die Erde hinunter fallen, wo er gleich darauf unter den Binsen und Matten verschwand, ehe ich seiner habhaft werben konnte. Die ausgewachsenen Centipeden sind von einer grünlichen Farbe.

Schlangen gibt es gar nicht auf diesen Inseln, nur eine kleine ganz harmlose Eidechsenart. Herr Orsmond erzählte mir übrigens daß man früher in einem, etwa 7 Meilen von dort entfernten Thal eine Art Eidechsen mit vier Schwänzen gehabt, die sich der frühere König Pomare habe manchmal fangen lassen, seit langer Zeit seyen aber keine mehr zum Vorschein gekommen.

Schmetterlinge habe ich nur sehr wenige, Käfer gar keine schönen gesehen, doch möchte wohl auch in dieser Art, bei einem längern Aufenthalt hier, manches zu sammeln seyn.

Der nächste Tag war ein Donnerstag, und es wunderte mich erst, Nachmittags die Kanaka-Frauen sämmtlich in großer Galla zu sehen; ich erfuhr aber bald daß alle Donnerstag und Sonntag bei dem Gouverneur Militärmusik ist, und in Folge hiervon diese beiden Tage zu ordentlichen Festtagen geworden sind, an denen die Eingeborenen ihre buntesten Kleider, ihren schönsten Putz zur Schau tragen. Dieser besteht meistens in Blumen und Guirlanden, und die Männer schmücken sich auch manchmal mit Franzen der gelbgewordenen langen Bananenblätter, oder mit den gelben Nüssen der Pandanusart.

Die Blumen sind freilich jetzt erst wieder eine neue »Errungenschaft«, die sie der französischen Hülfe verdanken, denn früher hatten sie ihnen die Missionäre, als ein Gräuel den Herren untersagt. Schon Commodore Wilkes berührt diesen Punkt, und erwähnt daß sogar das Vermeiden von angepflanzten Blumen um die Wohnungen der Missionäre her, auffallend sey. So rissen die frommen Männer den schönen Mädchen dieser Inseln die Blumen aus den Locken und stülpten ihnen ihre schauerlichen Kohlenschaufelhüte auf – Gottes Ebenbilder dadurch verunstaltend; und das sollte ihrem Schöpfer wohlgefällig seyn.

Sich selbst überlassen, wissen die wilden Mädchen viel besser, was sie am freundlichsten kleidet, und ob sie nun die wehenden flatternden Diademe und Kränze oder weiche grüngelb zackende Schlingpflanzen, ja selbst die Auswüchse des Ananas, auf Bast gereiht in die Haare geflochten haben, es sind andere Wesen als unter den entsetzlichen Hüten ihrer frommen Lehrer.

Ungemein reinlich tragen sich Männer wie Frauen; ihre bunten Kattunkleider und seidenen Tücher – denn auf die letztern halten sie sehr viel – sind immer frisch aus der Wäsche, die Haare glatt gekämmt und geölt, und ihre Körper rein und sauber. Sie sind wie eine Art Amphibie, und man kann tagtäglich junge Leute beider Geschlechter am Strand drei bis vier Stunden lang in einem Strich bis an den Gürtel im Wasser stehen und nach kleinen Fischen angeln sehen.

Tahiti war früher berühmt wegen seiner Tättowirer – die Leser der »Abenteuer in der Südsee« von Melville erinnern sich vielleicht jener reizenden Schilderung der Art, wie das Tättowiren sonst auf den Südseeinseln betrieben wurde. Jetzt haben es aber die Missionäre »aus der Mode gebracht,« und man sieht nur noch ältere Leute tättowirt; Mädchen und Knaben gar nicht mehr. Natürlich lag mir besonders daran, diesen alten, nach und nach mit der Civilisation bei den Eingeborenen aussterbenden Gebrauch kennen zu lernen, und mir wurde zu diesem Zweck ein alter Tättowirer, Taitaou, der beste auf der Insel, empfohlen.

Mit einem der französischen Soldaten, einem Straßburger, den ich dort kennen gelernt, und der, seit langen Jahren auf der Insel, der tahitischen Sprache vollkommen mächtig war, machte ich mich eines Morgens auf den Weg, die Broomroad entlang und fünf englische Meilen etwa um die Insel herum, ihn aufzusuchen.

Der Weg selber war reizend, dicht am Ufer der See führte er hin, nur hie und da, wo ein kleiner frischer Wasserbach aus den Bergen kam, lief das flache Land weiter hinaus auf die Korallen, und freundliche Gärten und dichte Anpflanzungen aller möglichen Früchte, mit den lauschigen Hütten tief versteckt unter den breiten rauschenden Blättern, schattige Cocospalmenhaine lagen hier überall zerstreut. Zwischen den niedern Büschen oder den hohen schlanken Stämmen hindurch, gewann der Blick die Fernsicht auf das weite offene Meer, und zwischen das Rauschen der Wipfel tönte das dumpfe Donnern der ewigen stürmenden Brandung.

Die Anlage dieser Straße ist übrigens mit vielen Schwierigkeiten verknüpft gewesen, und die Indianer mußten dazu gezwungen werden. Alle Strafen wurden zu gleicher Zeit dahin gerichtet, so und so viele Faden (sechs Fuß) Straße zu arbeiten, und die Franzosen gewannen dadurch einen Communicationsweg um die ganze Insel herum, und durchbrachen theils, theils überbrückten sie Stellen, wo sonst zu manchen Jahreszeiten besonders, eine Passage ganz unmöglich war, und die Indianer, wenn sie von einem Punkt der Küste zum andern wollten, in ihren Canoes den Weg zurücklegen mußten. Militärische Operationen besonders wurden dadurch natürlich unmöglich, während jetzt das schwerste Geschütz mit Leichtigkeit zu jedem Punkt des Ufers gebracht werden kann.

Die Aussicht auf das Binnenwasser der Riffe ist ebenfalls reizend, die wunderliche Färbung des Wassers, denen die seichten und hellen Korallenbänke ein ganz eigenthümliches Licht verleihen – die schlanken dunkeln Canoes, die langsam und geräuschlos über die spiegelglatte Fläche gleiten – die einzelnen Seevögel, die anscheinend nur ihrem Vergnügen nachgehend durch die, von keiner Wolke getrübte Luft kreisen, plötzlich aber einen Moment mit flatternden Schwingen förmlich still steh, und dann mit Blitzesschnelle auf die erspähte zu sorglose Beute hinabschießen; – weit draußen in See ein einzelnes Segel, das dem wohl lang ersehnten Port mit günstiger Brise entgegenstrebt, und darüber der blaue klare Himmel – und um uns her der weite herrliche Rahmen wehender Palmen, das Alles bot ein wundervolles schwer zu beschreibendes Bild, und mein Führer, dem die Landschaft hier schon etwas ganz, alltägliches geworden, wurde zuletzt ordentlich ungeduldig, daß ich gar nicht aus der Stelle wollte, und halbe Stunden lang stehen konnte, bloß durch die Büsche zu sehn,« wie er meinte.

Unterwegs überholten wir ein junges Mädchen, das in der gewöhnlichen Tracht, mit einem weiten Cattunoberhemd und barfuß, auf den schwarzen flatternden Locken aber einen breitrandigen Panama-Strohhut, die Straße entlang ging, ihrer eigenen Hütte zu. Mein Begleiter kannte sie, und an ihr vorbeigehend, rief er ihr ein freundliches Joranna hinüber und reichte ihr die Hand.

Joranna, A-u-ma-ma, woher des Wegs und wohin?

»Wohin? – zu den Kindern – bring' ihnen Milch, weil sie's wollen. –« »Und wie gehts Lefevre? – ist er noch in Papetee? –«

»Bah!« rief das Mädchen, und warf den Kopf herum, daß ihr die Locken um die Schläfe flogen, »bah – so viel für ihn, und sie schlug mit ihrer flachen Hand, ein Zeichen gründlicher Verachtung, auf ihre Lende – dann sich abwendend, wollte sie rasch vorauseilen, der junge Bursch aber, der vielleicht glaubte, er könne sich einen Spaß mit ihr erlauben, ergriff sie am Kleid, und blitzesschnell drehte sie sich nach ihm um. Sie sprach kein Wort, aber der Blick, den sie, ihm zuwarf, glühte in einem unheimlichen Feuer, und ein paar große helle Thränen standen in ihren Augen. Der Straßburger ließ sie erschreckt los, aber durch die Thränen hindurch lachte das Mädchen auch schon wieder hell auf und ihm ein paar Blumen ins Gesicht werfend, die sie in der Hand hielt, sprang sie in flüchtigen Sätzen die Straße etwa hundert Schritt weiter hinab, und verschwand dann rechts vom Weg in einer niederen Bambushütte.

»A-u-ma-ma hat ihren Namen mit Recht,« lachte der Soldat, »sie ist flüchtig wie eine kleine Eidechse, aber – ein wildes Mädchen bleibts doch – einem Kameraden von mir hat sie neulich ein Messer gerade in die Schulter gerannt. Freilich, sie haben sie auch geärgert,« setzte er dann in seiner gemütlichen Weise hinzu, »Lefevre heirathete sie erst, wie man hier überhaupt heirathet, und sie hat zwei Kinder mit ihm – seit ein paar Monaten hat er aber die jüngere Schwester genommen, und da wollte dieß wilde Ding da nicht mit im Haus bleiben, und ist mit ihren Kindern in die alte verfallene Hütte da gezogen. Manchmal kommt's mir ordentlich so vor, als ob sie nicht so recht bei Verstand wäre – sie spricht aber so weit ganz vernünftig.«

Wir hatten jetzt die Hütte erreicht, wo der alte Tättowirer wohnte, und wurden, von diesem freundlich empfangen, obgleich die Nähe einer Stadt, wo Produkte für Geld abzusetzen sind, allerdings einen sehr merklichen Einfluß auf die Gastfreundschaft dieser Leute ausübt. Da ich nach einer Weile Durst bekam, bat ich um eine Cocosnuß, und ein Knabe erbot sich augenblicklich – mir »einen Stock voll,« wie sie zum Gebrauch nach Papetee geführt werden, von dem Nachbar zu holen – wenn ich ihm das Geld dazu gäbe. – So ist es aber auf der ganzen Welt – die Civilisation muß die Gastfreundschaft verdrängen, und wo die Leute erst einmal rechnen lernen, da zählen sie dann auch schon die Früchte auf ihren Bäumen, und selbst die Cocosnüsse fangen an Geld zu kosten.

Um nun übrigens ein Andenken von Tahiti mitzunehmen, beschloß ich mich tättowiren zu lassen, und Taitaou war auch augenblicklich bereit, die Operation mit mir vorzunehmen. Die ganze Behandlungsart war übrigens schon an und für sich interessant genug, und der Ernst, mit dem der Künstler an sein Geschäft ging, entsprach ganz der Wichtigkeit des Unternehmens; jemandem nämlich ein Kleid anzulegen, das er nicht etwa auf Monate oder Jahre, sondern sein ganzes Leben lang tragen und einst mit in sein Grab nehmen soll.

Er selber trug die Spuren der alten Heidenzeit in reichem Maaße auf sich, und ganz besonders die mondartigen Zeichnungen über sein Rücktheil, schien auch aus dieser Sache – wie mir übrigens schon vorher war gesagt worden – eine Art von Geschäft zu machen, denn er hielt sich ein besonderes Musterbuch, und als ich ihm meinen Wunsch kund gegeben, und ihm zugleich ein paar Zeilen zu dem Zweck von Mr. Orsmond gebracht hatte, holte er dieses aus einer alten »Seekiste« heraus, legte es mir vor, und schien, die wilden Zeichnungen darin mit Wohlgefallen betrachtend, meine Wahl zu erwarten.

Das Buch war ein wunderliches Album roher Zeichnungen von Schiffen vor allen Dingen, vollen Schiffen und Barquen, Brigs und Schoonern – dann kamen Flaggen verschiedener Nationen, besonders französische, englische und amerikanische – die Schwarz-roth-goldene war ihm wahrscheinlich noch nicht gemeldet worden. Eine vortreffliche Auswahl von Meerweibchen hatte er ebenfalls, und einige von ihnen mit einem Kamm in der Hand wie ein Gartenrechen. Dann kamen Anker und Walisische, und nachher eine wundervolle Sammlung von europäischen Damen, alle mit einer entsetzlichen Frisur und einem blau und rothen Kleidmuster, sehr bauschigen Aermeln und ungemein kurzer Taille. – Es war dieß die Sammlung von Mustern, unter denen Matrosen gewöhnlich ihre Wahl treffen, wenn sie sich die Arme oder die Brust mit Anker, Meerweibchen, Schiffen und Schönen zeichnen lassen, und sie sehen dann besonders darauf, die Bilder abwechselnd hübsch roth und blau zu haben, die Indianer selber bedienten sich früher aber nur der blauen Farbe für sich selber, und ich habe nie einen mit einer rothen Zeichnung oder Malerei gesehen.

Ich selber war ebenfalls nicht gesonnen, mich mit derartigen Emblemen zu verunstalten, und bat ihn, durch meinen Dollmetscher, mir mit seiner eigenen Farbe die alten heidnischen Zeichen der Tahitier in die Haut zu graben, und der alte Bursche schien damit ebenfalls von Herzen gern einverstanden. Er warf sein Musterbuch, das er im Anfang so achtungsvoll und sorgfältig vorgesucht, mit einem Ruck seines Armes in die fernste Ecke der Hütte, und sein Kästchen vorholend, begann er ohne weiteres seine Arbeit aus freier Hand, als ob es seine alltägliche Beschäftigung sey, und gar nicht zu den jetzt so streng verpönten, heidnischen Künsten gehöre.

Das Tättowiren hatte auch früher eine weit höhere Bedeutung, wie nur die Haut zu färben; gewisse Zeichen an bestimmten Theilen des Körpers, wie z. B. bei den Frauen das Tättowiren der Knöchel, galten als Zeichen der Mannbarkeit. Die Priester tättowirten sich anders als die Krieger, und Auszeichnungen in der Schlacht sollen hie und da gewissermaßen durch Hieroglyphen dargestellt seyn. Auch nahmen sie Thiere zu diesen Symbolen, und Fische spielen dabei eine sehr bedeutende Rolle.

Als Farbe benutzen sie den unter einem flachen Stein aufgefangenen Qualm der tui tui oder Lichtnuß, was der Zeichnung eine schöne blaue Farbe gibt, und zu Instrumenten haben sie kleine, mit aus Knochen und Haifischzähnen bewaffnete Werkzeuge, die in ihrer Gestalt unfern Gartenrechen ähneln, und etwa 3 1/2 bis 4 Zoll lang sind. Diese Instrumente haben je einen bis zwölf Zähne, je nachdem sie die Striche lang brauchen, und jeder Zahn läßt in der Haut einen Punkt zurück. Beim Tättowiren setzen sie die Zähne auf die Haut, halten den Stiel mit der linken Hand, während Zeigefinger und Daumen dieser Hand das Instrument lenken, und schlagen dabei fortwährend mit einem kleinen Stöckchen leichten Holzes auf den Stiel, wodurch sie eben die Zähne in die Haut eintreiben. Dieses Aufschlagen, dem Takt nach gewöhnlich in Triolen, hat nach seinem Geräusch tat tat tat – tat tat tat, der ganzen Behandlung den Namen Tattowiren gegeben.

Das Tättowiren selbst ist nicht besonders schmerzhaft, und die Zeichnung schwillt nur am nächsten Tag etwas auf.

So lange war ich nun übrigens schon auf Tahiti und hatte noch nicht einmal die Königin des Landes, Pomare IV., die berühmte Königin der Gesellschaftsinseln gesehn, war aber fest entschlossen, Tahiti nicht eher wieder zu verlassen, bis ich eine Audienz bei ihr gehabt hätte. Dem stellte sich jedoch manche Schwierigkeit entgegen.

Hr. Orsmond hatte mir versprochen, mir dazu behülflich zu seyn, schien aber Schwierigkeiten gefunden zu haben, auch sagte mir sein Sohn,, daß etwas wegen eines Landbesitzes zwischen ihnen vorgekommen wäre, wonach sie nicht auf dem besten Fuß stünden. Sonst kannte ich niemanden, an den ich mich wenden konnte, und ich wußte nicht recht wie es anzufangen. Außerdem hörte ich von meinem Straßburger Soldaten, der mich versicherte, mit dem Kronprinzen sowohl als den beiden jüngeren Prinzen auf sehr freundschaftlichem Fuße zu stehen, daß die Königin jetzt gerade erst vor ganz kurzer Zeit ihr schönes und vollkommen europäisch eingerichtetes Haus einer kranken Verwandten überlassen habe, und in eine ganz gewöhnliche Bambushütte am Strand gezogen sey, wo sie sich jetzt aufhalte, und dort wohl sehr schwer veranlaßt werden dürfte, überhaupt irgend eine Audienz zu ertheilen, was unter solchen Verhältnissen gar nicht mit der gehörigen Würde geschehen könne.

An einer ordentlichen Audienz war mir überdieß gar Nichts gelegen – ließ ich mich ihr als ein Reisender aus Deutschland vorstellen, so wurde jedenfalls große Toilette verlangt, mit der ich nicht einmal eingerichtet war, und das Ganze lief auf nichts als eine steife Ceremonie hinaus; dagegen gab es ein anderes Mittel. – Ich bat den Straßburger mich Ihrer Majestät als einen fremden Musikanten anzukündigen, der ein ganz neues Instrument mit nach Tahiti gebracht habe, denn ich war ziemlich sicher, daß sie hier noch keine Cither gesehen hatten, und mein neuer Dolmetscher, dem ich die auch ihm fremde »Musik« zeigte, war so entzückt davon, daß er mir die Versicherung gab, die Königin würde die Zeit gar nicht erwarten können.

»Ich bin doch selber musikalisch,« sagte er – er war Trommelschläger – »aber so ein Instrument hab' ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.«

Seines Beifalls gewiß, konnte ich darauf rechnen, daß er durch den Thronfolger auch Ihro Majestät für mich interessiren würde, und am Montag Morgen kam er dann auch richtig schon zu mir, und kündigte mir an, wir könnten noch an demselben Abend zur Königin gehn.

Die Sonne mochte noch etwa anderthalb Stunden hoch seyn, als wir uns anschickten, Ihro Majestät, die jetzt ganz am westlichen Ende der Stadt wohnte, unsere Aufwartung zu machen, und wir mußten zu diesem Zweck fast ganz Papetee durchwandern.

Gegen Abend beginnt aber in den Straßen der Stadt das Leben, und die Hotels und Weinhäuser füllen sich. Die letzteren haben dabei ausschließlich die meisten Gäste, denn der größte Theil der Europäer auf Tahiti sind Franzosen, und diese können nun einmal nicht ohne ihren »Claret« existiren – den ich denn auch wirklich noch nirgends so schlecht getrunken habe, als gerade auf Tahiti.

Der Franzose ist überhaupt lebenslustig, und überall sitzen dann lachende, singende, trinkende Gruppen an den Tischen herum, Billard wird sogar schon gespielt, und in dieser Hinsicht sind die Gesellschaftsinseln den Hawaiischen glücklich nachgeeilt; die Zeit fliegt, und weshalb nicht die fliegende benutzen, noch dazu unter solchem Himmel. Darin sind aber auch die Indianer mit ihren neuen Herren vollkommen einverstanden, und die frommen Väter der protestantischen Missionäre mögen eifern und predigen so viel sie wollen gegen das Sabbathbrechen der Militärmusik z. B. – geistliche Lieder ausgenommen – die Franzosen und Indianer nehmen eben geistliche Lieder aus, und sind lästerlicher Weise auch in ihrem Gott vergnügt, während Walzer, Polkas und Märsche von einem tüchtigen Musikchor gespielt werden.

Wir konnten uns jetzt aber nicht so lange hier aufhalten – an der Kirche der Eingeborenen vorüber, deren Glocke in einem stattlichen Orangenbusch dicht am Strande hing, passirten wir Mr. Pritchards und ich glaube auch Mr. Howes der Missionäre schon ältere stattliche Wohngebäude, an denen man recht sehen konnte, wie sauer es den armen Männern geworden seyn muß, unter Strapazen und Entbehrungen auf dieser wunderschönen Insel auszuharren, und ließen so die Stadt mit ihren Bananen und Brodfruchtgärten hinter uns, die einzelnen kleinen indianischen Wohnstellen jetzt betretend.

Dicht am Strand, von hohen Bäumen überragt, aber auf dürrem steinigem Boden, doch mit der Aussicht zwischen den Stämmen und unter dem Laubdach hin nach der reizenden kleinen Insel Motuuta, dem eigentlichen königlichen Stammsitz der Pomares, stand eine der langen gewöhnlichen Bambushütten, in denen größere indianische Familien, oft zwei und drei zusammen gewöhnlich, ihren Aufenthalt haben – und hier residirte jetzt die Königin der Gesellschaftsinseln – hier wohnte Aimata – von den Pomaren die vierteDer Königsname Pomare scheint noch gar nicht so lange aus einem etwas eigenthümlichen Grund entstanden zu seyn – der junge König Otu hatte einst sein Zelt, wie Mr. Ellis in seiner Polynesian Researches erzählt, an einer dem Wetter etwas zugänglichen Stelle aufgeschlagen, und ein schwerer Thau fiel die Nacht von den Gebirgen. Er erkältete sich und hatte am nächsten Morgen einen starken Husten; einige seiner Höflinge aber gaben der vergangenen Nacht den Namen »Hustennacht,« von po Nacht und mare Husten, und Sr. Majestät gefiel der Klang den also zusammengesetzten Wörter dermaßen, daß sie den Namen anzunehmen geruhten, und von der Zeit ab, wie ihre Nachfolger, immer po-maregenannt wurden. – (Enkelin des ersten Pomare und Schwester des verstorbenen höchstseligen Königs) und als ich mich dem Hause näherte, fühlte ich ordentlich, daß ich klassischen Boden betrat.

Es war gegen Abend, und einer der jungen Prinzen saß vor der Thür auf einem Stein und verzehrte seine Brodfrucht und rohen Fisch. Pomare's Tochter, ein junges Mädchen von etwa 12 Jahren, und die Zwillingsschwester des ältesten Sohnes, kam uns entgegen, und betrachtete sehr neugierig das Instrument.

Die königliche Familie war gerade beim Souper, und wir lagerten uns indessen draußen unter dem Hofstaat zwischen den Steinen, und einige der Kammerherrn und Hoffräuleins die »Eina-as« des Mahora von Tahiti, mit Ihro Königl. Hoheit der jungen Prinzeß setzten sich dicht um uns her auf die Steine nieder und verlangten ziemlich bestimmt, und alle Etikette hintansetzend nach der II. MM. – (ich finde die europäische Verdoppelung der Sylben oder Buchstaben hat auch noch außerdem viel Aehnlichkeit mit dem Tahitischen) doch jedenfalls zuerst mußten etwas vorgespielt bekommen, die Musik zu hören.

Die älteste Prinzeß waren ein wildes kleines Ding, sprangen nach Herzenslust um uns herum, schon im Voraus nach den, in Gedanken heraufbeschworenen Tönen tanzend, und kauten indessen mit höchst eigenen Zähnen ein Stück geröstete Brodfrucht (es ist doch etwas Schönes um die Biegsamkeit unserer deutschen Sprache) und die Einanas prüften die Saiten, ließen ihren kleinen niedlichen Finger darüber hinstreichen, und freuten sich kindisch, wenn sie das Wiederklingen hörten.

Endlich schien das Souper beendigt, der jüngste Prinz kam wenigstens in die Thür gesprungen, und gab uns ein Zeichen näher zu treten.

Der innere Raum des Hauses war in drei Abtheilungen geschieden, entsprach aber sonst in seiner Einfachheit vollkommen den einfachsten Hütten der übrigen Eingeborenen. – Das erste dieser Zimmer, wenn ich Wände von Bambusstäben und den nackten Fußboden eben so nennen darf, schien zur Vorhalle wie zugleich zum Schlafcabinet der Einaas oder Hoffräulein zu dienen, das zweite den Kindern zugetheilt zu seyn, und das dritte – das inwendig einfach mit Kattunvorhängen versehen war, das königliche Paar den Blicken der Unterthanen zu entziehen – diente der Königin und ihrem Gemahl zum Aufenthalt.

Im zweiten blieben wir einen Augenblick, und der jüngste kleine Bursch, ein Lockenkopf von neun oder zehn Jahren, sprang voran uns zu melden; wenige Sekunden später standen wir in Gegenwart der Königin.

Pomare saß hier allein auf einer Matte und nähte an einem Kleid – unser Gruß lautete Joranna Pomaré und sie winkte uns freundlich, vor ihr niederzusitzen.

Mein Begleiter nahm dann das Wort und erzählte ihr, ich sey hier zu ihr gekommen, nicht gerade ganz direkt von Deutschland, aber doch von Califoli, dem Lande wo das viele Perú gefunden würde – (und sie sah dabei eigentlich zum ersten Mal ordentlich von ihrer Arbeit auf, da ich ihr aber nicht wie Einer vorkommen mochte, der das viele Peru gefunden hätte, fuhr sie wieder zu nähen fort, bis die Rede auf das Instrument kam) ihr diese neue deutsche Musik zu zeigen, die sie noch nicht kenne, und er hoffte, daß es ihr gefallen würde.. Ich stand dann auf und reichte ihr das Instrument, damit sie es in der Nähe genau besehen könne. Sie betrachtete es auch aufmerksam, aber mit weit weniger Neugierde, als ich erwartet hatte, und das, was ihr am meisten daran aufzufallen schien, war, der oben als Knauf geschnitzte Bärenkopf.

Die Hofherren und Damen klemmten indessen draußen ihre Nasen zwischen die Bambusstäbe der Hütte, zu sehen was inwendig vorging, und als ich ein paar Akkorde auf dem Instrument griff, schienen sie die Bambuswand eindrücken zu wollen. Pomare lächelte, und sich wieder zu meinem Dollmetscher wendend, sagte sie ihm, ich möchte Draußen im Freien spielen, daß ihre Leute es ebenfalls hören könnten, sie wolle zu uns hinauskommen.

Natürlich leisteten wir ihrem Wunsch augenblicklich Folge, und ich suchte mir jetzt vor dem Hause einen passenden Stein zum Niedersitzen, während die Schaar draußen, die uns schon mit Ungeduld erwartet hatte, rasch um uns herlagerte, und Ihro Königl. Hoheit die Kronprinzeß sich mir höchsteigenarmig auf die Schulter lehnten, um ja keinen Ton der »deutschen Musik« zu verlieren. Die Königin selber setzte sich auf die Schwelle ihres Hauses, mir gerade gegenüber.

Hier muß ich die Königin Pomare gegen all die vielen übertriebenen und lügenhaften Beschreibungen in Schutz nehmen, nach denen sie, bei einer ungeheuren Dicke, sich nach Tisch, um besser zu verdauen, von ihren Hofdamen walken lasse u. s. w. Erstens leben alle diese Indianer sehr mäßig und essen wenig, also auch die Königin, und dann ist Pomare nicht allein nicht übertrieben, sondern gar nicht, was man dick nennen kann. Sie hat eine nicht gerade schlanke, aber doch wohlproportionirte Gestalt, ist von mittlerer Größe, mit einem weit ernstern und auch wohl etwas stolzerm Wesen, als es die Kanakafrauen sonst haben, was ihr aber ganz gut steht. Sie ist aus dem jugendlichen Alter heraus, hat aber doch noch immer viel Frische bewahrt, und ihr Anstand ist edel und frei – ihre Tracht dabei aber auch so einfach, wie die aller übrigen Kanakafrauen, von denen man sie, dem Aeußern nach, nicht unterscheiden könnte. Sie trug an diesem Tag ein rothmusselinenes Kleid, das ihr, nach dem Schnitt der übrigen, von den Schultern bis auf die Knöchel herunterfiel, ein kleines Tuch um den Hals, und einen Männerstrohhut – eine ziemlich allgemeine Sitte unter den Frauen – auf dem Kopf. Sonst ging sie wie alle andern Indianerinnen barfuß.

Während wir alle mitsammen vor der Thür saßen, kam auch ihr Gemahl, der dieselbe Stelle zu bekleiden scheint, wie Prinz Albert in England, zu uns heran. Er war augenscheinlich jünger als Pomare, und ein schlanker, hübscher Indianer, mit ausdrucksvollen, aber etwas weichlichen Zügen. Er lehnte sich, neben der Königin, mit dem Ellbogen an den Thürsims, und blieb so stehen.

Wir müssen, wie wir so da saßen, ein ziemlich eigenthümliches Bild gegeben haben. Die Gruppe, die um mich her lagerte, war wirklich malerisch, und mag es seyn, daß die Gegenwart der Fürstin die Jungen im Zaum hielt – kein Wort wurde gesprochen, während ich spielte, und nur das Rauschen der Wipfel über uns, und das ferne Donnern der Brandung begleitete die weichen Töne des Instruments. Ich spielte ihnen theils deutsche, theils irische und schottische Melodien, die einfachsten schienen ihnen aber immer die liebsten, und wunderbarer Weise machte ein und dasselbe Lied, welchem Stamme, welcher Nation von Naturmenschen ich es auch vorspielte, stets denselben und zwar den günstigsten Eindruck auf sie – unser einfaches Schweizerliedchen: »Steh nur auf, steh nur auf!« was sie auch dazwischen hörten, das mußte ich immer wiederholen, und sie hatten augenblicklich Worte dafür, die sie aus den Klängen des Instrumentes heraushorchten und nachsangen. Ja auf Maiao summten sie schon am nächsten Tag die Melodie wohin ich kam; überhaupt ist das Ohr dieser Stämme leicht empfänglich für Musik.

Allerdings haben sie bis jetzt eigentlich nur zwei Arten solcher hier herüber bekommen, Hymnen und Matrosenlieder, die ersten durch die Missionäre, die zweiten durch die Seeleute der verschiedenen Schiffe, und beide, wie sich denken läßt, sehr verschiedenen Inhalts an Text, andere Melodien haben sich aber selbst unter den ersteren eingeschlichen, denn die, Geistlichen, von der Communikation mit dem alten Vaterland abgeschnitten, und selber oft vielleicht nichts weniger als musikalisch, fanden sich nicht selten in Verlegenheit neuer Melodien wegen, und benutzten dann häufig vaterländische, gerade nicht geistliche Lieder, den Tahitischen Hymnen anzupassen. So hab' ich auf Imeo sowohl als Tahiti mehrmals »auld lang syne« – home sweet home, und besonders die englische Nationalhymne von den Indianern singen hören, natürlich mit anderem Text.

Dämmerung brach aber jetzt ein, und ich hielt es für Zeit mich zu empfehlen, stand also, zum Aerger der Kinder, die noch mehr zu hören wünschten, auf, gab Pomare und ihrem königlichen Gemahl die Hand, und empfahl mich, gnädig entlassen.

Lange schon war es mein Wunsch gewesen, die in der Bai unfern der Einfahrt des Hafens liegende, und von weiten Korallenbänken umgebene kleine reizende Insel Motuuta einmal zu besuchen. Um das aber ganz ungestört thun zu können, borgte ich mir eines der gewöhnlichen indianischen Canoes und ruderte langsam hinüber.

Ich war schon früher in dieser Art von Canoes mit einem »outrigger« oder ausstehenden Wuchtholz (sogenannten Luvbaum) gefahren, und wenn das Canoe Segel führt, oder auch vielleicht der Wind schwerer weht als gewöhnlich, gebe ich zu, daß sie weit sicherer gehen als ohne dieselben, denn dem Umschlagen sind sie fast gar nicht ausgesetzt, aber dadurch auch weit unbehülflicher zu lenken und schwerer zu steuern, indem die Wirkung des im Wasser liegenden Luvbaums dem schmalen Ruder meist immer entgegenarbeitet. Es läßt sich auch denken, wie viel schwerer eine rasche Wendung damit seyn muß, da ich nach innen zu das Gewicht des Holzes erst durch das Wasser zurückzupressen habe, während ich nach außen dasselbe mit herumbringen muß. Nichtsdestoweniger kommt hier das federleichte Holz verschiedener Baumarten diesem indianischen Schiffsbau sehr zu statten, und wenn auch alle die Canoes, die ich hier sah, an Zierlichkeit und Zweckmäßigkeit des Baus lange denen der nordamerikanischen Indianer nicht gleich kommen, lagen sie doch verhältnißmaßig sehr leicht auf dem Wasser.

Einzelne der Südseeinseln sind übrigens ihrer Canoes wegen berühmt, so die Neuseeländer des scharfen Bau's und der wunderlichen Schnitzereien wegen, besonders aber die der navigators group, die ihre Canoes aus zwei Theilen, lang gespalten, zusammenfügten, den einen Theil verschieden geformt vom andern, wodurch sie einen außerordentlichen Grad von Schnelligkeit erreichen sollen.

Das Canoe das ich hatte, war einfach aus einem Brodfruchtstamm ausgehauen, und nichts weniger als künstlich, trotzdem entsprach es meinem Zweck vollkommen, und die Entfernung betrug auch kaum mehr, als eine oder anderthalb englische Meilen.

Diese kleine Insel ist berühmt in der tahitischen Geschichte – früher war es der Lieblingsaufenthalt der tahitischen Fürsten, hieß auch die Königsinsel, und selbst der letzte König hatte dort noch seinen Schießstand und seine Bogen und Pfeile – mehr eine Vergnügungs- als Kriegswaffe – in einem besondern Haus, von welcher Sammlung er so viel hielt, daß Fremden besonders der Zutritt nur sehr selten gestattet wurde. Die Königin selber hat hier mehrere ihrer Kinder geboren, und die freundliche Insel muß für die Leute damals ein kleines Paradies gewesen seyn. Und jetzt? – haben die Franzosen Besitz von derselben genommen; nach dem Eingang des Hafens zu steht eine Batterie von vier 32-Pfündern; die Gebäude enthalten Waarenräume für alle möglichen Schiffsbedürfnisse: Taue, Blöcke, Ketten etc., ebenso für Munition; zerbrochenes und gebrauchtes Geräthe liegt überall umher; das Gras ist niedergetreten; auf den Spielplätzen der Kinder wachst Gebüsch, und die einzelnen Cocospalmen senken trauernd ihre Häupter über das verödete Familienheiligthum.

Ein einziger Indianer wohnt hier als Aufseher über die Schiffsgüter, und die Königin selber ist seit langen Jahren nicht mehr herüber gekommen; aber die Palmen schaukeln noch so still und friedlich als damals ihre breiten herrlichen Wipfel, und das durchsichtige krystallreine Wasser spiegelt noch wie früher die lauschigen Schatten der Büsche wieder; – nur die freundlichen Gesichter sind verschwunden, die sich sonst darin neckten und haschten, die schlanken Gestalten gleiten nicht mehr aus dem schützenden Dickicht, und das weite Korallbassin, das die Natur hier für ihr Bad gebildet, und mit scharfen zackigen Pflanzen gegen die gefräßigen Ungeheuer der Tiefe gesichert hat. – Ihre fröhlichen Weisen schwellen nicht mehr – horch – was war das? – Trommelschlag – ein Wirbel rasselte, und die Möve, die eben dicht an dem dunklen Buschwerk vorüber strich, schießt in gähem Schreck ab, von den feindlichen Tönen, und sucht sich einen stilleren, friedlicheren Platz für ihren Flug.

Ich hatte einige Mühe, einen Weg mit meinem selbst nur wenige Zoll im Wasser gehenden Canoe zu der Insel zu finden, obgleich mehre ziemlich tiefe Canäle dorthin führen – so hoch ragten die Korallen, gerade wo ich die Anfahrt versuchte, an die Oberfläche empor. Endlich erreichte ich eine etwas vorragende Landspitze und sprang ans Ufer – Niemand hinderte mich – während Hermann Melville damals auf so entschieden hartnäckige Weise von der einen Schildwache rund um die Insel herum vom Landen abgehalten war, und unverrichteter Sache hatte wieder zurückkehren müssen – ein einziger alter Indianer hütet den Platz, sieht danach, daß Niemand die dort aufgespeicherten Vorräthe berührt, und verträumt seine Zeit als General-Gouverneur und Schildwacht des Platzes. Um so mehr war ich erstaunt, hier die kriegerischen Töne der Trommel zu hören, und als ich mir durch ein wirres Dickicht von wild aufgewachsenen Büschen Bahn brach zu der Stelle, fand ich – Niemand andern als meinen Straßburger, mit den drei Prinzen des königlichen Hauses, denen er, auf dem Erbsitz, von dem sie die Fremden gestoßen – Trommelstunde gab.

Die drei Knaben, die übrigens in Hosen und Jacken gekleidet waren, und jeder einen goldenen Ring am Finger hatte, kamen freundlich auf mich zu – sie kannten mich noch, und gewissermaßen als eine Art Revanche, da ich ihnen doch auch früher »Musik gemacht,« trommelten sie mir jetzt nach der Reihe etwas auf ihrem Lieblingsinstrument vor.

Ich blieb nicht lange auf der Insel, der Platz bot nichts freundliches, was mich dort lange hätte halten können. Vorher aber zeigte mir der Straßburger noch eine Partie Hölzer, die wie starke Kanonen geformt, aber höchstens fünf Fuß lang und ohne Mündung waren. Ein englisches Schiff hatte vor mehreren Jahren hier einlaufen wollen, scheiterte aber auf den Riffen, und die Franzosen fischten unter den ans Land treibenden Hölzern auch diese Kanonen auf, von denen der Engländer, glaub' ich, 27 an Bord gehabt, und die wahrscheinlich hatten dazu dienen sollen, die Franzosen einzuschüchtern – ein sehr verfehlter Zweck, denn diese nachgemachten Kanonen liegen jetzt hier wie ein von Kindern entlarvter und verlachter Popanz.

Von der Insel ab trieb ich langsam und ohne zu rudern, von einer leichten Brise fortbewegt, über die Korallenriffe, und sah unter mir nieder, gerade wie bei Imeo, die kleinen Fische spielen, und die wunderlichen Stämme und Pflanzen zu mir heraufragen. Seesterne und Igel lagen tief versteckt zwischen den zackigen Aesten und Zweigen, und wie ein Wald krystallisirter Bäume zog es sich in breiten Gebirgsstreifen und tiefen, mit blauem Nebel gefüllten Thälern unter mir hin. So muß dem Aeronauten zu Muthe seyn, wenn er in luftiger Höhe hoch, hoch über den Bergen und Seen des festen Landes schifft, und unter ihm Wälder und Thäler, belebte Städte und Flecken wie flüchtige Nebelbilder dahinschwinden.

Den Nachmittag wanderte ich in die Berge, und suchte die Bibidios oder kleinen rothen Beeren, die von den Indianern zum Schmuck gebraucht werden. Gern hätt' ich in diesen Tagen einmal eine größere Tour in die höchsten Berge unternommen, denn es sollen da oben wunderschöne Blumen blühen; das Wetter war aber zu bös und unbeständig, und dichte Nebel deckten fast fortwährend die höchsten Spitzen der Gebirge. Mir wurde überall gesagt, daß dieß gerade die schlechtesten Monate seyen ins Innere zu gehen.

Der englische Arzt in Papetee, wenn ich nicht irre ist sein Name Johnson, erzählte mir besonders viel von der Vegetation der höchsten Berge, und wie da oben unter anderen eine Blume blühe, die auf keinem andern Theil der Erde vorkomme, und den lieblichsten Duft verbreite, den man sich denken könne. Er selbst hatte den Versuch gemacht sie unten im flachen Lande fortzubringen, aber sie wollte nicht gedeihen. Er erzählte mir dabei, daß vor einigen Jahren ein deutscher Botaniker, dessen Namen er aber vergessen hatte, nach Tahiti gekommen, und hier nicht allein mehre Monate in den Bergen herumgeklettert sey, sondern auch eine äußerst werthvolle Sammlung angelegt habe, leider aber auf der Heimfahrt mit Schiff und Allem zu Grunde gegangen sey. Der Doktor hatte in seinem eigenen Garten eine recht hübsche Sammlung tropischer Pflanzen – die Vanille von Brasilien, die Norfolktanne von Australien, die Lotosblume und den Kapasbaum von Indien und manche andere mehr, die hier alle in dem wundervollen Klima Tahitis trefflich gedeihen.

In diesen Tagen lief auch hier ein deutscher Wallfischfänger ein. Die Otaheite, und ich sah mit inniger Freude die Bremer Flagge, eine alte liebe Bekannte, von dessen Gaffel wehen. Natürlich fuhr ich gleich an Bord hinüber, und wurde von Kapitain Wieding auf das freundlichste empfangen.

Die Otaheiti war ein reizendes, noch ganz neues Schiff, sehr geschmackvoll ja elegant eingerichtet und machte Furore in Tahiti.

Als ich zum zweiten oder dritten Mal auf dem Schiff war, und über Deck ging, mir das nette Fahrzeug von allen Seiten zu besehen, trat, als ich nach vorn kam, einer der Matrosen, mit einem ächt deutschen Gesicht auf mich zu, und redete mich etwas verlegen an: er hätte gehört ich wäre ein Sachse. – Ich versicherte ihn daß ich wenigstens in Sachsen jetzt zu Hause sei, und sein breites –: Ne da währen Se wohl gar a Laipziger? versetzte mich im Nu an die Ufer der Pleiße und Elster zurück.

Unsere Begrüßung war herzlich und als ich ihn frug wie er, ein richtiges Kind des inneren Landes nur um Gotteswillen hier beinah zu den Antipoden gekommen wäre auf Wallfische zu jagen – ein Leipziger und Wallfische – erzählte er mir mit freudestrahlendem Gesicht, daß er eigentlich der »Scharfrichters« Knecht aus Leipzig wäre und »wie man nun so manchmal in der Welt herum käme«, auch an Bord eines Wallfischfängers gerathen sey, und jetzt »ganze Stücken mit einem Mal« von der Welt zu sehn bekäme. »Ach heren Se, mei gutes Herrechen,« setzte er dann einschmeichelnd hinzu – »haben Se denn gar keye Nachrichten kerzlich von Laipzig?« –

Ich versicherte ihn daß ich die letzten sieben oder acht Monate keinen Brief von dorther, keine Zeitung gesehen habe, die mir die geringste Auskunft ertheilt hätte und in seiner gemüthlichen Weise fuhr er dann fort mir zu erzählen, was »für ein paar scheene Mordthaten« da erst ganz kürzlich wieder vorgefallen wären; – eine »sehre scheene« wo ein Sohn seine Mutter um ein paar Thaler erschlagen hatte, eine andere minder scheußlich, aber doch auch angenehm, und er bedauerte jetzt daß er nicht doch lieber dort geblieben wäre – aber »wer hätte denn das wissen können.«

Der Mann war wirklich ein Original und jetzt, da er einen Landsmann vor sich zu sehen glaubte waren all seine Sympathien auf alle nur erdenklichen Mordthaten und Schreckensgeschichten des alten Landes in einer so harmlosen als rührenden Weise gerichtet. – Wie sich der Ackerbauer, wenn lange Zeit in See, nach seinem Pflüg, der Jäger nach seinem Wald sehnt, so weckte der Name der Heimath in seinem Herzen eben so liebgewonnene Klänge, die das Blut eines Anderen erstarren gemacht.

Ein schöner Mord –was für eine furchtbare Poesie liegt in den wenigen Worten, – ich glaube der Mann würde einem ihm zur Exekution übergebenen in voller Seelenfreude um den Hals gefallen seyn, und sich auf so herzliche wie aufrichtige Weise bei ihm bedankt haben, daß er ihm das Vergnügen mache sich von ihm hängen zu lassen. Und trotz dem lag wieder eine unendliche Gutmüthigkeit in seinen Zügen; der Mann selber, das bin ich überzeugt, hätte nicht so leicht ein Verbrechen begehen können, ausgenommen vielleicht in Aufopferung für die Kunst, dann aber auch mit Wonne.

Der Bursche soll übrigens später, trotz seiner anscheinenden Harmlosigkeit, wenigstens gezeigt haben daß er Mutterwitz habe, denn als das Schiff Monate nachher auf den Sandwichsinseln noch mit vielen anderen Wallfischfängern zusammen kam, wußte er sich dort einige Medicinen zu verschaffen, und trat nun plötzlich, in seiner Eigenschaft als Scharfrichter, dem die stets abergläubischen Matrosen nur zu gern geheime Wissenschaften und Kräfte zuschreiben, als eine Art Doktor auf der »für Alles gut war« und bekam bedeutenden Zuspruch. Ich weiß freilich nicht, ob er sich später noch gut aus der Affaire gezogen.

Mit dem Arzt der Otaheite, ebenfalls einem Deutschen, machte ich am 12. Februar einen kurzen Ausflug in das gleich oberhalb Papetee liegende Thal, das in sofern historische Bedeutung hat, als sich die Eingeborenen hier in dem letzten französischen Krieg, von anderen Fremden besonders von Engländern und Amerikanern, heimlich mit Waffen und Munition versehen, tapfer und unüberwunden, durch das Terrain unterstützt, hielten, bis Einer ihres eigenen Stammes verrätherischer Weise den Feinden des Vaterlandes einen Engpaß zeigte. Und dieser Mann – eine kleine untersetzte tättowirte Gestalt mit schmalen unsteten Augen, geht jetzt gar fromm und ehrbar in schwarzem Frack und rothen Lendentuch einher, gehört zu den innigsten Anhängern der Kirche, und ist eines der geachtelten Glieder der christlichen tahitischen Gemeinde.

Dem kleinen Fluß aufwärts folgend, in dessen untern Thal noch einzelne kleine Wohnhäuser und Gärten von einer Fenz umschlossen waren; konnten wir im Anfang wirklich kaum durch den fast undurchdringlichen Guiavenwald pressen, der hier Alles mit einer wildverwachsenen Masse von Sträuchern und Bäumen überzogen hatte.

Die Missionäre haben die Guiaven mit anderen Früchten hier herüber gebracht, und wenngleich im Anfang gut gemeint, ist es doch fast zum Fluch der schönen Thäler dieser Inseln geworden. So ungern dabei der Indianer selbst früher daran ging, wo das Land ihm noch nicht die mindesten Schwierigkeiten bot seinen Acker zu bebauen, und süße Kartoffeln zu pflanzen oder einen Bananengarten anzulegen, so viel schwerer wird es ihm jetzt gemacht, wo er selbst anfangen muß hartnäckiges Buschwerk und junge zähe Baumwurzeln auszuroden, nur erst einmal zu dem Boden zu kommen den er bepflanzen will.

Die Guiaven zogen sich bis hoch in das Thal hinauf, und erst wo wirklich steilere Hügel begonnen blieben sie zurück, oder kamen hier wenigstens nur einzeln mehr vor, anderen Fruchtbäumen den Vorrang lassend. – Einzelne Cocospalmen standen hier eben so zerstreut als Orangen und Citronen, mit der tahitischen Castanie, sogenannten mapeund dem stattlichen Wi-baum, wie der indischen manga(spondias) – und bald fanden wir uns in einer engen, aber höchst romantischen Schlucht, an deren beiden Seiten hohe schroffe, aber nichtsdestoweniger dicht bewaldete und bewachsene Felshänge emporstiegen, den zwischen ihnen durchbrausenden Strom oft fast überragend.

Je weiter wir auswärts kamen desto seltener wurden die Palmen, und als wir die Guiaven auch hinter uns ließen, traten wir in einen fast europäisch wenigstens nordisch aussehenden Wald, in dem die mapés mit ihren großen lorbeerähnlichen Blättern, und wie gefalteten Stämmen, mit den stattlichen Wibäumen, die in Wuchs und Aussehen viel Aehnlichkeit mit unseren Buchen hatten, entschieden vorherrschend waren. Der Tutui oder Lichtnußbaum (aleurites tribola) mit seinen ahorngleichen Blättern stand hier ebenfalls in großen Massen. Hoch darüber hinaus ragten die grünen jähen Felswände, an denen hinauf zu schauen man schon schwindlich wurde, während hie und da an kleinen Hängen, selbst hoch oben, vielleicht tausend Fuß über der Meeresfläche, kleine Gruppen von Palmen, etwa fünf oder sechs, zusammen standen, und wie schüchtern an dem Hang niederschauten, wo doch dicht bei ihnen hin ein kleiner Quell rasch und sprudelnd vorüberbrauste, und mit keckem Satz, gerade an der schroffsten, gefährlichst aussehenden Stelle, in die Tiefe sprang.

Der Weg wurde hier mühsam, denn die Felswände bildeten nur ein ganz schmales mit großen Steinen meist überworfenes Thal, durch das sich der kleine Bergstrom rauschend und stürmisch die oft gehinderte Bahn brach, bald an dieser, bald an jener schroff abgerissenen Wand hinunterbrausend, und den schmalen Pfad, der das Thal herunter kam dadurch bald auf diese, bald auf jene Seite zwingend. Es blieb uns deßhalb auch gar Nichts weiter übrig als herüber und hinüber zu waten, so oft er sich uns in den Weg warf, denn eine Eidechse hätte kaum an den schlüpfrigen steilen Felsen hinüber kommen können, ihn zu umgehen. Das Wasser war selten tiefer als bis zu den Knieen, aber ungemein reißend, und die Steine, die rauh und wild über einander hin den Grund bildeten, schlüpfrig und mit schleimigem Moos überzogen.

Die Hitze wurde dabei ziemlich drückend, aber wir hatten nicht allein frisches Wasser genug, und zwar mehr als uns lieb war, sondern auch hie und da herrliche Orangen, wegen denen Tahiti überhaupt berühmt ist.

Mit dem Doktor war übrigens bös fort zu kommen; noch an keine solche Touren gewöhnt, und wenn ich nicht irre zum ersten Mal in seinem Leben auf fremdem Boden, nachdem er das Vaterland verlassen, und der Boden gleich Tahiti, wußte er sich eben nicht sogleich in die Unbequemlichkeiten des Weges zu schicken. An dem einen Ufer des Stroms kriegte er seine Stiefel gewöhnlich nicht aus, und an dem anderen nicht wieder an, und barfuß weiter gehen konnte er auch nicht, so versäumten wir denn eine Masse Zeit, und rückten nur ungemein langsam vorwärts. So viel als möglich suchten wir dabei die Biegungen des Flusses zu umgehen, wo sich das wenigstens nur halbweg machen ließ, und wir kletterten auch eben wieder an einem der feuchten schattigen Hänge hin, die hier gar kein Unterholz, nur Moos trugen, und deren Wald fast allein aus Tutui, Mapes und anderen hochstämmigen Hölzern bestanden, als ich eine Art grauer Nüsse auf der Erde, und zwar in ziemlicher Menge, liegen fand, die dem Aussehen nach ungefähr den amerikanischen Hickory oder Wallnüssen glichen. Ich schlug eine auf und kostete sie; sie enthielt einen etwas öligen, aber sehr wohlschmeckenden süßen, gelblich weißen Kern; dem Doktor schmeckte sie auch, und wir machten uns – hungrig waren wir beide etwas geworden – ohne weiteres darüber her. Ich meines Theils, der ich mit dem Aufschlagen wohl schneller fertig wurde, verzehrte eine sehr bedeutende Quantität, und mochte etwa drei Dutzend gegessen haben, als es mir plötzlich vorkam als ob die Nuß einen dem Opium gleichenden Geschmack habe. Ich theilte diese Bemerkung dem Doktor mit, und dieser meinte es sey ihm selber schon so vorgekommen, als ob die Nuß »stark narkotische Theile enthalte.«

Alle Wetter, wenn wir uns hier oben in den Bergen über eine Giftfrucht hergemacht hätten – aber kein Mensch in Papetee hatte mir gesagt, daß es überhaupt giftige Früchte in den Bergen gäbe. Wir beschlossen übrigens für jetzt mit weiterem Verzehren derselben einzuhalten – ich hatte überdieß soviel davon gegessen daß ich nicht mehr konnte – und erst die etwaigen Folgen des Genusses abzuwarten. Auf dem Heimweg wollten wir uns nur eine Parthie davon mitnehmen, denn sie hatten gar so gut geschmeckt.

Wir sollten aber nicht lange über die Wirkung dieser Nüsse in Zweifel bleiben, ich, der ich am meisten gegessen hatte, fühlte sie zuerst: der Kopf wurde mir schwer, die Augen trübe, und im Magen lag es mir wie ein Klumpen Blei. Dem Doktor war auch nicht recht, und wir beschlossen uns lieber auf den Heimweg zu machen, da man ja gar nicht wissen konnte ob nicht noch schlimmere Folgen im Hintergrund wären. Es sollte auch noch schlimmer kommen; es wurde uns bald übel und weh zu Muth, und der Saft von einem halben Duzend Orangen etwa, den wir aussogen, konnte unsern Zustand für einen Augenblick lindern, aber nicht bessern. Das Gift lag einmal im Körper und wollte wieder heraus, und Dank meiner guten Natur daß es sich endlich von selber Luft machte. Der Doktor der, wie er mich versicherte, kein Dutzend gegessen hatte, kam besser weg, und in Papetee angekommen, ließen wir uns im American Hotel einen recht starken Kaffee brauen, was uns wieder etwas auf die Beine brachte, mir war aber noch zwei Tage lang der Körper wie zerschlagen und der Kopf wüst und voll.

Als wir in die Stadt kamen, und dort erzählten wie es uns gegangen war, wußten es plötzlich alle Leute –: ja das hätten sie uns vorher sagen können – die Nuß sey wirklich ungemein giftig, und sie begriffen nur nicht, wie wir noch so gut weggekommen wären, leichtsinnige Menschenkinder wir, denn so viel hätte noch Niemand ungestraft gegessen.

Die »Otaheite,« die für diese Inseln auch eine Anzahl von Waaren, fertige Kleider, Kattune, wohlriechende Seifen und Oele etc. mitgebracht, kam direkt von Bremen und hatte nur unterwegs zwei Spermfische von nicht ganz 100 Barrel gefangen und eingenommen. Sie war von hier nach den Sandwichsinseln und nach der Behringsstraße bestimmt, und einer der wenigen deutschen Wallfischfänger die fast durchaus deutsche Harpuniere und Bootssteuern führte. Den nächsten Tag ließ ich mich übrigens nicht abhalten noch einmal, und zwar nach der andern Richtung hin, das Innere des Landes zu besehen; ich wanderte also die Broom-road hinunter, und bog dann links in die Berge ab, die sich in nicht gerade zu steilen Hängen dem Mittelpunkt der Insel und den höchsten Gipfeln der Berge zuzogen. Interessant war mir hier eine, an den Hängen der Hügel und zwar mitten im Wald angelegte Kaffeeplantage, bei der ich wirklich nur durch die regelmäßig gepflanzten Kaffeebäumchen darauf aufmerksam gemacht wurde, daß ich mich nicht im freien Walde befinde. Der Kaffee will nämlich Schatten um zu gedeihen, und wo solche Plantagen angelegt werden und noch keine größeren Bäume stehen, müssen sie gepflanzt werden. Das hatte man denn hier ganz vortheilhaft benutzt, und die kleinen Stämme gediehen gar wacker, und saßen voller Früchte.

Auch heute machte ich wieder einen Versuch einen der höheren Punkte zu erreichen, theils aber war ich noch, nach dem Genuß der verwünschten LichtnüsseLichtnuß werden sie von den Europäern und auch von den Eingeborenen genannt, weil sie so viel Oel enthalten, daß sie diese, besonders auf den Sandwichsinseln auf einen Stock reihen und zur Fackel gebrauchen – sie geben ein helles schönes Licht. zu schwach und angegriffen, eine so beschwerliche Tour, und noch dazu allein, zu unternehmen, theils überraschte mich wieder einer der fast regelmäßigen Nachmittagsregen mit einem so furchtbaren Guß, daß ich wirklich fürchtete, weggewaschen zu werden. Die Büsche waren dabei so naß geworden, und wenn es eine Viertelstunde aufgehört hatte, fing es mit solcher Gewalt wieder an, während schwere Nebel ja fast Wolkenmassen immer tiefer und tiefer lagerten, daß ich froh war als ich das Haus wieder erreicht hatte, meine Kleider zu wechseln.

Wie ich zurück in das Thal und auf die Broomroad, vielleicht noch anderthalb englische Meilen von der Stadt entfernt, kam, sah ich vor mir eine kleine Hütte, und in den Büschen ein paar Menschen die mit einander zu ringen schienen. Es waren Indianer und mitten in einem förmlich tropischen Regenguß konnte das wahrlich nicht zum Vergnügen seyn; rasch näher eilend fand ich auch bald die Ursache. – Es war eine alte Frau, toll und voll getrunken, und der Sohn wahrscheinlich, bemüht, sie nicht allein dem Regenguß sondern auch den Blicken der Vorübergehenden zu entziehen, und in's Haus zu bringen, während sich die Trunkene mit all dem Eigensinn eines solchen Zustandes auf das entschiedenste dagegen sträubte, und mit Armen und Füßen anfocht. Wieder und wieder warf sie sich auf den schmutzigen Boden, und klammerte sich endlich an einen Busch mit solchem Erfolg an, daß der junge schwächliche Bursch wirklich nichts weiter ausrichten konnte, und nach der, nicht mehr fernen Hütte um Hülfe rief. Gleich darauf erschien eine junge kräftige Frau in der Thür, und ihr oberes Tuch von den Schultern werfend, theils wohl es trocken zu behalten, theils freieren Gebrauch der Arme zu haben, sprang sie hinaus in den Regen, machte die Hand der Mutter, denn diese war es doch aller Wahrscheinlichkeit nach, von dem Busche los, und während der Sohn den einen Arm festhielt ergriff sie den anderen und durch Schlamm und Pfützen schleiften sie den fast bewußtlosen Körper in die Hütte.

Es war ein entsetzlicher Anblick, und ist allerdings leider der Fluch der spirituösen Getränke, die von den jetzigen Herren der Inseln in vollem Maaße eingeführt werden. Allerdings besteht das Gesetz, den Eingeborenen selber keinen Tropfen irgend eines berauschenden Getränkes zu verkaufen, aber wo so und so viel Schenkwirthe ihre Stände aufgeschlagen haben, die alle zu ihrer eigenen Bedienung theils, theils zu der der Gäste Eingeborene brauchen, und diese immer am allerbilligsten in spirituösen Getränken bezahlen können, läßt es sich denken wie ein solches Gesetz aufrecht gehalten wird. In dieser Hinsicht wäre allerdings der Zwang zurück zu wünschen den die Missionäre z. B. noch jetzt auf den Sandwichsinseln über den Vertrieb von Spirituosen ausüben, denn die Eingeborenen, wenn sie sich einmal dem Trunk ergeben haben, sind fast so schlimm als die Irländer – sie können oder wollen sich nicht mäßigen.

Am nächsten Tag kam bei meinem kleinen Schneider, den ich fast zu lange außer Acht gelassen habe, ein trauriger Fall vor – Familienverhältnisse allerdings, da sie aber auch zugleich das Familienleben fast sämmtlicher unverheiratheter Fremden hier berühren, glaube ich nicht umhin zu können sie mitzutheilen.

Mein kleiner Schneider hatte sich nämlich vor einigen Tagen eine Frau genommen, d. h. er hatte nicht etwa geheirathet, denn unter Frau nehmen und heirathen ist hier ein sehr bedeutender Unterschied. Nein, er hatte sich nur eines der gewöhnlich zum Besuch in die Stadt kommenden Mädchen in's Haus genommen, die ihm »weiter keine Arbeit that« und dafür, wie er mir sagte, »Essen, Trinken und Schlafstelle« bekam. Die Verwandten des Mädchens waren aber damit nicht einverstanden; ich glaube nicht daß sie für die Tugend desselben besorgt waren, aber sie gedachten vielleicht durch das Mädchen ihre eigenen Umstände verbessern zu können, und wollten sie ihm wieder aus dem Hause holen, mein kleiner Schneider vertheidigte seine Dame aber ritterlich, warf die »Anverwandten« vorn zum Hause hinaus und schimpfte in einer Anzahl unbekannter Sprachen auf das rohrsperlingartigste. Als er jedoch nach glücklich behauptetem Schlachtfeld zu seiner Dulcinea zurückkehren wollte sie zu trösten, hatte sich diese aus der Hinterthür empfohlen.

Der Tailleur wüthete, und sein Zorn wurde noch erhöht als er nach einer halben Stunde etwa einen Zettel des Polizeidirektors erhielt, den er sich noch dazu von einem Nachbar mußte vorlesen lassen, da ihm diese Wissenschaft nicht beigebracht war, worin ihn jener auffordert, »unverweilt das Frauenzimmer das er widerrechtlicherweise in seinem Zimmer versteckt halte, ihren Verwandten auszuliefern.« War das noch Spott mit seinem Verlust getrieben?

Er war aber nicht so leicht eingeschüchtert, »jetzt erst recht!« sagte er, drückte sich seinen Hut in die Stirn, nahm ihn wieder ab, sich erst ein reines Hemd anzuziehen, fuhr dann in seine Schuh, griff den Hut zum zweitenmale auf und verließ sein Haus in solcher Eile, daß er selbst vergaß die Thüre zuzuschließen. Er fand seine Donna auch wahrhaftig wieder, die Verwandten konnten wahrscheinlich dieser rührenden ausdauernden Liebe nicht länger widerstehen, und brachte die junge Frau im Triumph zurück.

Vier Tage hatten sie so in unendlicher Eintracht zusammen gelebt, so lange brauchte Dulcinea nämlich einen neuen Rock, den ihr ihr Anbeter gekauft hatte, für sich zu nähen, den alten gab sie dann in die Wäsche. Hiernach hatte sie einige Auftritte mit dem kleinen Schneider, von dem sie Geld zu einigen Einkäufen verlangte und der mit nichts herausrücken wollte, und verließ dann eines schönen Tags nach dem Mittagsessen die »stille friedliche Wohnung,« wo jetzt Merz nach zehn vergebenen Versuchen sie wieder zu finden mit der Welt zürnte und über die »Undankbarkeit des weiblichen Geschlechts« raisonnirte.

Auf solche Art Frauen zu unterhalten ist hier eine ziemlich allgemeine Sitte, und selbst die, welche sich, eine Indianerin zu nehmen, einer gewissen heirathsartigen Ceremonie unterziehen, können, sobald sie es wünschen, ungemein leicht wieder von ihr geschieden werden. Die Weißen scheinen die Indianerinnen mehr als Sklavinnen zu betrachten; und meistens werden solche Contracte mit dem beiderseitigen Bewußtseyn geschlossen, daß sie nicht lange dauern werden. – Manchmal freilich, und öfter vielleicht wie sich ausspricht in dem wilden zügellosen Wesen dieser gesellschaftlichen Verhältnisse, hängt das Herz dieser Mädchen mit viel innigerer und wirklich treuer Liebe an dem Mann, dem es sich zuerst ergeben, und der Fremde sieht nicht, oder will nicht sehen, wie die Blume welkt und verdirbt, die er geknickt, und dann – zur Seite geworfen.

Viele der Europäer geben sich aber auch mit vollem Bewußtseyn einer solchen Leidenschaft hin, und zwar nicht mit dem Gedanken eines flüchtigen Rausches, nein ein Band zu knüpfen, das für ihr Leben dauern und ihr irdisches Glück gründen soll. Es sind dieß meist junge, sehr oft selbst gebildete Leute, die von dem Liebreiz bestochen, der über dem ganzen Wesen dieser wilden anspruchslosen Kinder liegt, zu dem Klima und Scenerie das ihrige ebenfalls noch beitragen, eine aufbrausende flüchtige Leidenschaft für wirkliche Liebe halten, oder wenn es selbst wirkliche Liebe gewesen, diese stark genug glaubten, sie für alles das entschädigen zu können, was sie in der alten Welt verließen, und zu dem sie einst zurück zu kehren hofften. Mit solcher Heirath aber haben sie sich die Rückkehr abgeschnitten, und schon mit dem ersten Bewußtseyn dieser Thatsache, die sich ableugnen mögen so viel sie wollen so lange sie im ersten Rausche leben, die sie aber nicht mehr, mit wenigen Ausnahmen, bekämpfen können, wenn sie zu reiferem Bewußtseyn gelangen, fängt meist diese Leidenschaft an wieder zu erlöschen, und halten sie dann den Schwur den sie geleistet – und oh, in wie seltenen Fällen – so sind sie unglücklich für ihr ganzes Leben, und der Verstand wirft dem Herzen jetzt in quälender Reue den Leichtsinn seiner Jugend vor.

Und halten sie ihn nicht? lieber Leser, unter dem buntfarbigen Cattun schlägt manches gebrochene Herz, und der stille Wald entweder, aus dem sie der Verführer gezogen, und in den sie zurückstehen, oder das offene Laster sind die gewöhnlichen natürlichen und unnatürlichen Heilmittel, die das arme Mädchenherz sucht seinen Schmerz zu verträumen – oder zu betäuben.

Bei ehelicher Liebe fällt mir übrigens eine Frau ein, die in Papetee gewöhnlich mit einem weißen allerliebsten kleinen Kind auf dem Arm herumging, und deren Anblick stets einen entsetzlichen Eindruck auf mich machte. Sie soll in früherer Zeit ihren Mann umgebracht haben, und zur Strafe ist ihr jetzt das englische Wort »Mord« mit großen Buchstaben (die Buchstaben auf dem Kopf stehend und mit schätzenswerther Beachtung der richtigen Abtheilung des Wortes, aber gänzlicher Mißachtung jeder Symmetrie Text MURD ER. auf dem Kopfe stehend) die vier ersten Buchstaben auf die linke die beiden anderen auf die rechte Backe in unvertilgbaren Zügen quer durch das Gesicht tättowirt. Eine entsetzliche Art, ein Brandmal aufzudrücken.

Durch die kleine Stadt schlendernd, wie ich es häufig that, so viel als möglich von dem Leben und Treiben der Eingeborenen, kennen zu lernen, kam ich auch einst zu einem dichten Bosquet von Brodfruchtbäumen und Orangen, die auf dem kleinen Raum oder Platz, an dem vier Straßen gerade zusammenliefen, des Schattens wegen stehen gelassen waren, und eben nur nothdürftig Raum zum Durchpassiren eines Fuhrwerks gestatteten. Hier hatte sich eine ganze Gesellschaft von Eingeborenen gesammelt, und zwar so, daß sie den inneren Raum oder die Straßen, für Alles was Passiren wollte, frei ließen, aber auch zugleich einen größeren Kreis bildeten, an dessen oberem Ende, leicht erkennbar an Gestalt und Ausdruck, wie auch aus der sorgfältiger gewählten Kleidung, die Aeltesten dieses »Viertels« vielleicht, auf dort ausgebreiteten Matten saßen, und wie es schien ernsthaft und eifrig in einem Gespräch begriffen waren. Das mußte aber besonders die Nächstsitzenden sehr interessiren, denn sie verwandten selber keinen Blick von den »Richtern« – und als solche wiesen sie sich bald aus – sondern horchten mit der gespanntesten Aufmerksamkeit hinüber, ob sie nicht vielleicht ein Wort erlauschen könnten.

Die übrigen im Kreis, von denen wenigstens drei Viertheile Blumen und Kränze geschmückte Frauen und Mädchen waren, bildeten wieder lauter einzelne Gruppen und, lieber Gott, was sich die lieben lebendigen Wesen nicht Alles zu erzählen hatten – und wie sie dabei gesticulirten und wie ihre Augen funkelten. – Wenn ich auch kein Wort von der ganzen Verhandlung verstand, ich war fest entschlossen das Resultat abzuwarten und ließ mich deßhalb gerade mitten zwischen eine der verschiedenen Gruppen, die mir freundlich Platz machten, nieder.

Es dauerte übrigens gar nicht lange, so kam ein junger schlanker Indianer, mit Lenden- und Schultertuch um, einen Kranz von Arrowroot-Fasern und blaubuntem Zeug in den Haaren, und große weiße Sternblumen über die Ohren gehängt, die Straße anscheinend ganz gleichgültig herunter, und ging durch den Kreis hindurch – während es rechts und links an zu flüstern und wispern fing, und einzelne der Mädchen verstohlen mit dem Finger nach ihm deuteten – als ob ihn die ganze Sache gar nichts anging. Ich glaubte auch wirklich im Anfang, er sey nur zufällig des Weges gekommen, und so an derlei Verhandlungen gewöhnt, daß er sie weiter gar keines Blickes würdigen wolle. Er hatte aber noch nicht den äußeren Rand wieder erreicht, als plötzlich, gar nicht weit von mir entfernt, ein junges Weib aus der Schaar der Zuschauer sich erhob, und den Arm gegen den Mann ausstreckend, mit lauter Stimme einige Worte, gegen die Richter gewendet, rief.

Mit dem Klang der Stimme blieb der Mann stehen und sein Antlitz den Richtern zugedreht, ohne nur einen Blick nach, der Gegend hinzuwenden wo die Frau stand, die jetzt in leiser aber durchdringender Rede ihre Anklage gegen ihn vorzubringen schien, blieb er mehre Minuten regungslos auf seinem Platz. Sie hatte lange aufgehört zu sprechen – und eine Stille herrschte dabei, daß man ein Blatt hätte können fallen hören, – ehe der Angeklagte, aber jetzt auch in rascher lauter, nicht unmelodischer Sprache erwiederte.

Doch guter Gott, was für ein Skandal brach plötzlich los, – die Frauen hatten kaum die ersten Sätze seiner Vertheidigung gehört, als sie, wie es schien, Alle auf einmal auf ihn ein wollten, und das sarkastische Lächeln das dabei über seine, außerdem etwas scharf und kalt geschnittene Züge zuckte, machte das Uebel noch ärger. Die Richter, oder was sie sonst seyn mochten, lachten im Anfang, als aber der Lärm nicht aufhören wollte, stand der eine von ihnen auf und beruhigte die Masse, und es war wirklich höchst interessant das Leben und Feuer in den anscheinend sonst so ruhigen und gutmüthigen Gestalten, das hier plötzlich durch irgend ein Wort zur hellen Flamme angeblasen worden, zu beobachten.

Gerade jetzt war auch ein alter Herr, ein Europäer und jedenfalls Franzose, neben mich getreten, der Verhandlung zu lauschen, und an diesen wandte ich mich mit der Bitte, mir nur eine Idee von dem zu geben, was hier eigentlich vorging. Die Sache war interessant genug. Der Mann, der Untreue und des Verlassens seiner Frau angeklagt, hatte mit ihr drüben auf Morea gewohnt, und war eines Morgens verschwunden; keine Nachforschung brachte auch nur das geringste Resultat, und man glaubte zuletzt, er sey beim Baden von einem Hai unter Wasser gezogen und verzehrt worden. Die Frau blieb noch einige Zeit auf Morea (wie Imeo sehr häufig von ihnen genannt wird), ging dann nach Huaheine und kam vor einigen Tagen hier nach Tahiti, Verwandte zu besuchen, als sie plötzlich ihrem todtgeglaubten Mann in der Straße begegnet und von diesem verleugnet wird. Um nicht vor das obere Gericht zu gehen, waren Schiedsrichter gewählt, Zeugen geladen und der Angeklagte vorgefordert worden, und dieser erste Sturm galt jetzt dem Leugnen des schlechten Ehemanns, der, mehren Zeugen zum Trotz, die ihn genau kannten, abstritt, seine Frau jemals gesehen zu haben.

Die Frauen konnten wirklich nur mit Mühe wieder beruhigt werden, und die Gefaßteste von Allen schien das junge Weib selber, das, ihr Schultertuch fest um sich hergezogen, mit einfacher aber fester Stimme die Unbilden ihres Mannes zu erzählen schien, oft wieder von lauten Ausrufungen der Entrüstung unterbrochen. Ich frug jetzt meinen Nachbar, weßhalb die ganze Sache nicht lieber vor einem geistlichen Gericht verhandelt wäre, und er versicherte mich, der Mann habe das auch gewollt, die Frau aber darauf bestanden in solch öffentlicher Sitzung ihre Klage vorzubringen.

Die Verhandlung dauerte wohl eine volle Stunde, und der Angeklagte hielt einmal eine förmliche Rede, die er fließend und lebendig sprach, und weder stockte noch anstieß, leider konnte ich aber den Inhalt nicht mehr erfahren, denn dem Franzosen war die Zeit lang geworden; und von einigen der Tahitischen Männer, obgleich sie mir auf die erste Anfrage die Sache auf das Freundlichste auseinandersetzten, bekam ich nicht heraus was sie eigentlich wollten. Nur soviel erfuhr ich später, daß die Richter den Verklagten einstimmig verurtheilt hätten mit seiner Frau nach Morea zurückzukehren – aber ich weiß nicht ob er es auch gethan hat.

Neben mir, an einen breitästigen Orangenbaum gelehnt, stand ein junges, bildhübsches Mädchen in der Tracht der Eingeborenen, doch mit fast weißen Gesichtszügen – sie sah bleich und krank aus, aber ich habe auf all den Inseln die ich besucht, kein edleres, schön geformteres Antlitz, keine vollkommnere Gestalt gesehen, als dieß Mädchen von Morea, die Schwester der verlassenen Frau.

Was den Handel dieser Inseln betrifft, so ist der noch ziemlich beschränkt; von eigentlichen Produkten führt Otahaiti wohl nur ein sehr weniges in Kaffee, Zucker, Arrowroot und Cocosnußöl aus, während von hier aus zugleich die Fahrzeuge gewöhnlich abgehen, Perlmuscheln von der Pomatugruppe zu holen. Leider war mir wieder einmal mein Geld so knapp geworden, daß ich nicht wagen durfte viel länger hier zu bleiben – ich konnte schon jetzt nicht einmal mehr meine Passage nach Sidney vorausbezahlen, sonst hätte, ich eine treffliche Gelegenheit benutzen können, die Pomatugruppe sowohl zu besuchen, als auch die Perlmuschelfischerei dort mit kennen zu lernen, denn ein junger Franzose, den ich auf Tahiti kennen lernte, und der selber einen eigenen kleinen Schooner hatte, diese Inseln zu bereisen, machte mir ein sehr freundliches Anerbieten ihn zu begleiten – Aber es ging eben nicht, und wie manchen anderen Abstecher nach rechts und links mußte ich liegen lassen auf meiner Tour, wo oft kleine Summen weit gereicht, und meine Fahrt noch weit interessanter und nützlicher gemacht hätten. Das ließ sich nun einmal nicht ändern, und ich mußte mich von jetzt ab bis Sidney auf die einfache Fahrt begnügen, zu welcher Passage zu bekommen es anfing, die höchste Zeit zu werden.

Gegenwärtig lagen dabei nur sehr wenig Fahrzeuge im Hafen vor Papetee, und von allen diesen nur ein einziges, wirklich nach Australien bestimmt, und das war ein kleines Ding von einem Schooner, von nur achtzehn Tonnen. Nichts destoweniger ging ich zu dem Capitän desselben, erkundigte mich nach Passage, und fand ihn auch willig mich in einigen Tagen, bis wohin er seine Ladung beendet haben wollte – (zwei Mann hätten das kleine Ding in einem halben Tag zum Sinken vollladen können) als Passagier aufzunehmen. So fing ich an, mich, trotz dem Abreden einiger in Tahiti gefundenen Freunde, die durchaus nicht wollten, daß ich mein Leben auf solcher Nußschale von Fahrzeug, noch dazu in diesen Monaten riskiren sollte, wo alle Tage einer der heftigen, und gar nicht so ungewöhnlichen Typhoone einsetzen konnte, zu einer neuen Seereise einzurichten. Möglich ists, daß mir das Fahrzeug gar nicht so entsetzlich klein vorkam, weil ich ja erst vor kurzem in einem selbst noch kleineren auf Tahiti gelandet war, aber ich sah nichts außerordentliches darin, und würde richtig mit an Bord gegangen sein, wäre der Schooner – sie nannten ihn Flinders –nur eben segelfertig gewesen.

Von Kriegsschiffen lagen leider gar keine gegenwärtig in Papetee, denn die sonst hier stationirten waren eben auf einer Recognoscirungsfahrt nach den benachbarten Gruppen begriffen, von denen sie erst in vier oder sechs Wochen wieder zurück erwartet wurden.

Im wirklichen Besitz haben die Franzosen nämlich bis jetzt nur Tahiti, das gegenüber liegende Imeo und die Marquesasinseln. Wie mir gesagt wurde, nahmen sie, als sie sich auf den Gesellschaftsinseln festsetzten, Besitz von den Inseln die der Königin Pomare gehörten, wenn aber auch früher die ganze weite Gruppe den Stamm der Pomares als obersten Herrscher anerkannt hatten, so erklärten sie sich jetzt plötzlich, durch fremden Einfluß dazu bewogen, als völlig unabhängig von diesen, und stellten sich unter den Schutz von England und Amerika. Ihre Häuptlinge, die bis dahin Vicekönige der Pomares gewesen waren, wurden dadurch völlig unabhängige Regenten, und erklärten, mit den Wi-wis nichts wollen zu thun zu haben. Es läßt sich denken, wie eifrig damals die protestantischen Missionäre daran gearbeitet haben, diese Plätze frei von französischem Einfluß zu halten – ihr eigener Einfluß wäre dabei vernichtet worden, und es wurde bei ihnen zur Lebensfrage.

Ueberhaupt ist die ganze französische Invasion dieser Inseln nur eigentlich durch den starrköpfigen und blinden Eifer dieser Menschen, die sich »Diener des Herrn« nennen, veranlaßt worden, und es sehr die Frage, ob dereinst in Mr. Pritchards, Howes und Anderer Schuldbuch so viel Seelen auf ihrem Haben, als Blutstropfen für den Fanatismus vergossen auf ihrem Soll glühen werden, das schwere Conto auszugleichen.

Vor längeren Jahren waren zwei katholische Priester (ebenfalls Fanatiker, die sich nicht damit begnügten, Heiden zum Christenthum zu bekehren, sondern denen eben nur daran lag, an den bequemsten Stellen Proselyten für ihren Glauben zu gewinnen, mochten sie herkommen wo sie wollten), von einer der anderen Gruppen nach Tahiti gekommen, und an irgend einem Theil der Südküste gelandet. Von dort das Land durchziehend, predigten sie ihren Glauben, ich weiß nicht mit welchem Erfolg, und kamen so auch nach der Hauptstadt des Reichs, wo sie in der Uneinigkeit der Indianer selber eine kräftige Stütze fanden. Von jeher haben sich politische Fraktionen, wenn sie es in ihrem Vortheil fanden – und wir brauchen nur aus dem Fenster zu schauen, die Beispiele auf der Straße herumlaufen zu sehen – der Religion zum Deckmantel bedient, ihre eigenen und eigennützigen Pläne durchzuführen. Die Religion selber – (d. h. solche, die erklärten im Namen derselben zu handeln, denn zwischen denen und Religion ist nur zu oft noch ein himmelweiter Unterschied) hat es eben so gemacht, und Tahiti ahmte in der Hinsicht, wenn auch im Kleinen, ganz dem alten Lande nach.

Mehre der Häuptlinge sowohl, als, wie mir gesagt wurde, auch der damalige amerikanische Consul, empfingen die katholischen Priester nicht allein freundlich und gastlich, sondern von den ersteren bekannten sich auch einzelne zu der neuen Sekte. Weiter aber wollten es die protestantischen Missionäre nicht kommen lassen, und von ihren Predigten aufgereizt, erbrachen die Indianer die Wohnung der römisch-katholischen Priester, und trieben diese an Bord eines kleinen erbärmlichen Fahrzeugs, das sie tausende von engl. Meilen gen Westen schaffen mußte.

Die natürliche Folge war, daß, wie auf den Sandwichsinseln, eine französische Fregatte (die Venus, Capt. Du Petit Thouars) in Papetee's Hafen landete, und nicht allein Satisfaction, sondern auch noch, ebenfalls wie auf den hawaiischen Inseln eine bedeutende Summe Geld zur Sühnung verlangte.

Die Königin Pomare hatte sich schon damals, wie auch bei späteren Schwierigkeiten, fest und entschlossen gezeigt, und wollte sich den Forderungen der Franzosen, die im anderen Fall die Stadt zu beschießen drohten, in keinem einzigen Punkte fügen; Mr. Pritchard aber, der neben der Königin das einzige ordentliche Wohnhaus mit Glasfenstern und Einrichtung hatte, wußte recht gut, daß er bei einer Beschießung am allerschlechtesten wegkommen würde, und brachte die Summe, ich glaube 2000 Dollars, durch Collekte bei allen Fremden zusammen.

Damit waren die Franzosen aber noch lange nicht zufrieden; Du Petit Thouars verlangte von jetzt an auch volle Berechtigung für seine Landsleute auf der Insel ungehindert zu leben und ihre Religion auszuüben wie zu verbreiten, und die Kanonen seines Kriegsschiffes machten eine vollkommene entscheidende Wirkung. Die spätere völlige Besitznahme der Inseln wäre sicherlich nie ohne jene Vorgänge erfolgt; nun aber hat die katholische Religion auch festen Fuß gefaßt – sie ist die Religion der regierenden Gewalt, sie hat in den Augen der Indianer mehr äußeren Glanz, und gestattet ihnen dabei noch z. B. alle unschuldigen Freuden des Gesanges und Tanzes. So gegenüber den starren Geistlichen der protestantischen Kirche zweifle ich gar nicht, daß die Eingeborenen Tahiti's in nicht so sehr langer Zeit für die protestantischen Missionäre vollkommen verloren seyn werden.

Die Königin selber ist übrigens, schon aus Haß gegen die Franzosen, streng protestantisch, und wird dieser Sekte wohl schwerlich je entsagen.

Pomare IV. ist jedoch nur noch dem Namen nach Königin; die ganze Gewalt ruht jetzt in den Händen oder vielmehr in den Kanonen der Franzosen, und Pomare bezieht gegenwärtig eine Apanage von 25,000 Fr. jährlich, neben der der Erbprinz, wenn ich nicht irre, ebenfalls noch 5000 erhält.

Die übrigen Inseln dieser Gruppe stehen, wie schon gesagt, unter dem Schutze Englands und Amerikas, zunächst aber, als nächste Nachbaren, unter französischem, freilich unfreiwilligem Protektorat, das aber nicht den geringsten Einfluß auf ihre inneren Verhältnisse ausübt.

Die Marquesasinseln werden von Frankreich auch noch besetzt, gehalten, aber wohl wieder aufgegeben, denn wenn ihnen auch ein Sammelplatz in diesen Gewässern, wie Tahiti z. B., von mancherlei Nutzen ist, und in etwas die sehr bedeutenden Kosten vergütet, so ist doch ein zweiter solcher Platz, in solcher Nähe der Gesellschaftsinseln, unnöthig, und müßte nur etwa behauptet werden, andere Nationen davon fern zuhalten.

Was die gesellschaftlichen Verhältnisse Tahitis betrifft, so sind die, wie sich das auch bei einer so wirklich merkwürdig und ausgesucht zusammengewürfelten Gesellschaft gar nicht anders denken läßt, nur auf gewisse Kreise beschränkt, in denen sich die Franzosen – viele mit ihren indianischen Frauen, sehr für sich abgeschieden halten, und sich auch vollkommen genügen.

Am lebendigsten zeigen und am besten amüsiren sich anscheinend dabei die unteren Classen, Soldaten und Unterofficiere, und an Gelegenheit das wenige zu verzehren,, was sie an Sold bekommen, fehlt es ihnen wahrhaftig nicht, denn Weinschank an Weinschank steht in Papetee, und Engländer, Iren, Schotten und Amerikaner wetteifern miteinander, das in einzelnen Flaschen und Gläsern wieder unter das Publikum zu bringen, was französische Schiffe Fässer – und Schiffsladungenweis in den Hafen führen.

Die Franzosen haben jetzt entschieden das Uebergewicht, außer diesen halten sich noch einige Spanier hier auf, dann mehre Amerikaner – unter diesen der Consul, ein Kaufmann, ein Gastwirth und ein Schmied, wie einige alte englische Gentlemen, die auch schon lange Jahre auf der Insel sich in die Sitten und Gebräuche hineingefunden haben, mit den Franzosen aber keineswegs harmoniren. Dann die protestantische Geistlichkeit, die sich jetzt auch wieder in die orthodoxe und liberale, oder vielmehr unduldsame und duldsame geschieden hat, und auch wenig mit anderen Weißen in Berührung kommt. In der englischen Bevölkerung gibt es aber auch noch unter den Weißen eine eigene Klasse, die mit der anderen, besseren gar nicht, und unter sich selber nur sehr wenig verkehrt. Dieß sind meist früher von Wallfischfängern oder Kriegsschiffen entsprungene Matrosen, die jetzt hier einen kleinen Trinkstand oder einen eben solchen Miniaturkaufladen eröffnet haben, und sich meist mit einer Schaar von Eingeborenen, selber halb Indianer geworden, umgeben. Die ich hier in der Art sah, sind meist Schotten und Iren, und nur einen einzigen Bremer mit seiner Frau, auch aus den unteren Klassen, fand ich in ähnlichen Verhältnissen. Als ich später nach Adelaide in Australien kam, hörte ich, daß von dort in den letzten Monaten noch einige andere Familien Deutscher, Zimmerleute und Tischler nach Tahiti abgegangen waren.

Eine sehr liebenswürdige Bekanntschaft machte ich aber in einem jungen Straßburger, einem Chemiker, der hier in einem kleinen Laboratorium meist für den Apotheker arbeitete, und sich sehr wohl befindet – Sein Name war Rollenberger, und er sprach so gut deutsch wie ich selber.

Die Wohnungen der Europäer in Papetee sind reizend. – Noch vor zehn Jahren bestanden erst zwei Wohngebäude in der ganzen Stadt, mit Glasscheiben, das der Königin und das des ersten Dieners des Herrn, Herrn Pritchard, seit der Zeit hat sich Papetee aber ungemein vervollkommt, und das Gouvernementsgebäude, von Stein aufgeführt und mit einem kleinen Thürmchen oben, gibt mit den vielen größeren Wohnungen und freundlichen Villas dem Ort schon fast das Aussehen eines der bedeutenden Plätze im südlichen Amerika oder Indien. Die Häuser sind, mit einigen Ausnahmen, meist einstöckig und mit luftigem Verandahs umgeben, sehr viele, ja fast die meisten den Europäern gehörigen mit Glasfenstern versehen, und von den freundlichsten Blumen und Frucht gefüllten Gärten umgeben. Brodfrucht und Bananen, Orangen, Papayas, Cocospalmen umstehen in dicht schattigen Gruppen die freundlichen Gebäude, und die buntblumige Akazie vom Cap der guten Hoffnung, die sich als Zierpflanze fast in allen Gärten Honolulus, Papetees, wie selbst in Indien findet, mit den herrlich duftenden weißen Sternblumen der rosa sinensis und andern Blüthen geben den Häusern und Straßen Papetees etwas ungemein freundliches und trauliches.

Was den Tahitischen Handel betrifft, so beschränkte der sich in früheren Jahren meist nur auf Wallfischfänger verschiedener Nationen, die hier nicht allein anlegten Erfrischungen einzunehmen, sondern auch meist noch einen kleinen Vorrath von Kattunen und Spielereien, wie den leidigen Branntwein mitführten. – Hiezu kamen noch einzelne Schiffe, die theils von Sidney, theils von Valparaiso direkt nach Tahiti des Handels wegen gingen, da auch hierher die meisten auf den benachbarten Inseln gezogenen Produkte zum Verschiffen gebracht wurden. Californien hat dieß ziemlich regelmäßige Verkehrssystem, aber, da die Wallfischfänger nur zu gewissen Zeiten hier anliefen, ziemlich über den Haufen geworfen, denn sehr viele Schiffe, die theils von Australien nach Californien gingen, theils von dort zurückkehrten, liefen diese Inseln an, ihre noch vorräthigen Waaren abzusetzen, und dafür einzutauschen was sie eben bekommen konnten. Der Markt für solche Sachen, die überhaupt in Papetee verkauft werden können, ist aber sehr bald überfüllt, ein paar Schiffe die zu gleicher Zeit einlaufen, drücken schon die Preise herunter, und dreie viere kommen nicht auf ihre Kosten. Auch der Export ist noch gar nicht so bedeutend eine größere Anzahl von Fahrzeugen zu beschäftigen, denn der Indianer dort läßt sich eben nicht, wie der Indier z. B. zur Arbeit für seine Eroberer zwingen, und seine Brodfrucht wächst ihm von selber zu. – Es wird deßhalb auch noch langer Jahre bedürfen, ehe ein lebendigerer Verkehr hier hergestellt werden könnte. Die Franzosen sollen jetzt bemüht seyn europäische Colonisten hinüber zu ziehen; diese müßten sich dann aber auch freilich ihre eigene Arbeiter mitbringen, denn sie werden die Eingeborenen nie gutwillig dazu bewegen Hand anzulegen und mehr zu bauen, als sie eben zu ihrem eigenen Unterhalt brauchen.

Eines Sonntags, als ich eben wieder in der Verandah des nordamerikanischen Hotels saß, und die wundervolle Bai, die reizende kleine Palmen bewachsene Insel und im Hintergrund die kühnen Conturen Imeos überschaute, lief eine Brigg ein, unter englischer Flagge, und eine halbe Stunde später hörte ich, das Fahrzeug sey nach Sidney bestimmt. Mit dem Flinders – dem kleinen Schooner schien mir die Sache dabei ebenfalls nicht richtig – die paar Leute die an Bord waren, und Antheil am Fahrzeug zu haben schienen, tranken entsetzlich und zankten in einem fort miteinander, und in einer solchen Nußschale von Fahrzeug, nachher mit solchen Menschen Wochen- und im unglücklichen Fall Monate lang eingepfercht zu seyn, ist wahrlich kein Vergnügen. So fuhr ich an Bord des neu angekommenen Schiffes Emma Prescott hinüber, und bedung auch ohne weiteres Zögern meine Passage nach Sidney – an Ort und Stelle angekommen zu zahlen. – Von den Flinders aber habe ich nie wieder gehört, denn selbst nach sechs Monaten, die ich in Australien verbrachte, war er nicht dort angekommen, und kein Mensch wußte etwas von ihnen.

Die Brigg sollte nun allerdings schon am nächsten Abend unter Segel gehen, ich war aber in der Art zu oft angeführt mich groß zu beeilen, schaffte also nur ruhig meine Sachen an Bord, und beschloß dann den letzten Augenblick, das Lösen des Vormarssegels, abzuwarten.

Eine Hauptsache hatte ich indeß noch zu besorgen, einen Vorrath an Früchten nämlich für die Reise anzuschaffen, und hierin war mir besonders der junge Straßburger, Herr Rollenberger, behülflich, aus dessen Garten ich mir noch nicht vollreife Orangen selber abpflückte, da die zum Markt gebrachten gewöhnlich herunter geschüttelt werden, und sich nicht die Hälfte der Zeit, halten. Außerdem versah ich mich noch mit Bananen, Cocosnüssen zum Trinken, Citronen für das Wasser, rothen Pfeffer für Salzfleisch und Speck – eine schöne Abwechslung gegen die herrliche vegetabilische Kost auf den Inseln, und durfte so einer Fahrt in dem ziemlich warmen Wetter mit Ruhe entgegen sehen. Außerdem hatte mir der Supercargo des Schiffes auch noch eine Reihe von Sachen genannt, die er einkaufen wollte, und mit günstigem Wind konnten wir Australien leicht in drei bis vier Wochen erreichen.

Den ganzen letzten Tag in Papetee verbrachte ich übrigens auf dem Markt, die nöthigen Sachen zu bekommen, denn dieser ist auf gar wunderlich unbequeme Art eingerichtet, und so ärmlich und traurig bestellt, wie es nur immer die Faulheit der Indianer zuläßt. Die Marktgebäude bestehen aus zwei auf hölzernen Pfosten ruhenden, etwa fünfundzwanzig Schritt langen und zehn Schritt breiten Strohdächern, unter denen, was gerade eingebracht ist, feilgeboten wird. Man kann aber zehnmal des Tags hinkommen und findet vielleicht nur an dem einen Pfosten einen Mann mit zwei Körben Orangen oder Bananen, und an einem andern ein Mädchen mit vier oder fünf Stengel Zuckerrohr. Das einzige Gute bei dem Einkauf ist, daß kein Handel stattfindet. Die Eingebornen fordern ihren Preis, den, wenn ich nicht irre, die Regierung auf die Sachen setzt, und davon gehen sie nicht ab, wer ihnen das nicht gibt, läßt die Sache eben ungekauft. Das Schlimme aber dabei, sie binden sich an gar keine Zeit mit ihren Waaren zu Markt zu kommen, denn sie wissen recht gut, sie verkaufen alles, was nicht eben das alltäglichste, wie Orangen, Bananen und Kürbisse ist, so rasch wie sie nur den Marktplatz erreichen. So sieht man sie denn bald von dieser, bald von der Seite mit ihren Stöcken auf der Schulter, von denen nach chinesischer Sitte die Waaren hinten und vorn herunterhängen, langsam angeschlendert kommen, und mit derselben Ruhe stecken sie ihr Geld ein und schlendern wieder ab.

Dabei sind sie auch, wenn sie erst die eine Ladung verkauft haben, nie zu bewegen, eine zweite zu bringen – ihre Tagesarbeit ist gethan, sie haben gerade so viel, wie sie für heute brauchen, und sich auf morgen zu quälen? – fällt ihnen gar nicht ein. So wollte ich gern so rasch als möglich eine größere Quantität Cocosnüsse haben, als eben einkam, und bot zweien der jungen Burschen, denen ich ihren Stock voll abgekauft hatte, das doppelte mir noch eine solche Quantität zu bringen. – »Morgen« lautete ihre lakonische Antwort, und wenn sie Taschen gehabt, hätten sie jedenfalls die Hände hineingesteckt.

Die Cocosnüsse, die sie zu Markt bringen, sind gewöhnlich schon von ihren Hülsen befreit, da sich aber die mit den Hülsen noch daran besser zu einer Seereise eignen, indem sie sich länger halten – denn die ersteren verderben schon nach vier, fünf Tagen – so ließ ich mir auf dem Markt selbst von einer dortstehenden Cocospalme eine Partie herunternehmen.

Die Art, wie die Indianer auf die Cocospalmen hinaufklettern, ist eigenthümlich. Sie, machen sich von Bast einen »Schuh,« wie sie es nennen, das heißt sie nehmen ein vielleicht drei Fuß langes Stück starken Bast, binden dieß an den Enden zusammen und schlagen es, daß es sich in der Mitte kreuzt, um beide Füße; auf solche Art bildet es eine Art Steigbügel, und mit Hülfe desselben, die Beine immer zu gleicher Zeit nach sich ziehend, laufen die jungen Bursche manchmal wie Katzen an den hohen schlanken, selten aber mehr als ein bis anderthalb Fuß im Durchmesser haltenden Palmen empor, brechen die Nüsse von den dünnen Stielen los, stellen sie, die Spitze nach unten, zwischen die zusammengespitzten Finger, und drehen sie scharf, damit sie, herunterfallend, in der Luft sich herumwirbeln, ihre Stellung behalten und mit der Spitze wieder in die weiche Erde fahren. Schlagen sie seitwärts auf, so platzen sie, und das Wasser geht verloren.

Interessant ist der Fleischmarkt, der aber nur Morgens mit Tagesanbruch gehalten wird. Die Fleischer, die ich sah, waren, wenn ich nicht irre, ein Engländer und ein Irländer, und bringen gewöhnlich nur Schweinefleisch zu Markt, die Woche ein- oder zweimal aber auch Rindfleisch, das von den Eingeborenen nicht angerührt wird, und beschleunigen natürlich den Verkauf so viel als möglich, ihre Waare der Hitze nicht auszusetzen. Wenn die Sonne Morgens aufgeht, ist gewöhnlich kein Stück mehr zu finden. Die Indianer machen sich übrigens auch weit weniger aus Fleisch als aus Fischen, und interessant ist es dabei besonders zu sehen, wenn größere Fische, vorzüglich Bonitos, auf den Markt kamen.

Das Gesetz ist, daß kein Fisch am Strand verkauft werden darf, sondern daß ihn der Verkäufer bis auf den Marktplatz nehmen muß. Eigene, mit kennbaren Hüten versehene Marktwächter wachen darüber. Gerade am letzten Morgen, wo ich früh auf den Markt ging, nachzusehen ob etwas dort sey was ich mitzunehmen wünsche, hatte es in der vorherigen Nacht stark geregnet, und der Graben, der den Marktplatz von der gewöhnlichen Straße schied, war bis zum Rand angefüllt. Ueber diesen Graben mußten die Verkäufer ihre Waaren bringen. An dem Morgen war aber ein kleines Boot eingelaufen, was eine ganze Quantität Bonitos an Bord hatte, und das Drängen und Reißen um diese war wirklich komisch. Der Verkäufer kam mit immer zwei in der Hand nach dem etwa zweihundert Schritt entfernten Markt; an diese zwei hatten aber gewöhnlich schon vier, fünf Mann unterwegs Hand angelegt, liefen auf solche Art mit wahrer Todesverachtung durch den etwa zwei Fuß tiefen Graben, und fingen gleich drüben an sich um die von allen Seiten beanspruchten Fische zu reißen. Der Verkäufer sah ihnen lachend zu, wartete erst geduldig ab, wer den Fisch erwischte, ließ sich von diesem das Geld geben, und ging dann ruhig zurück ein paar andere zu holen, die auf dieselbe Weise abgesetzt wurden.

Wenn Fische in dieser Gegend selten wären, wollte ich nichts davon sagen, aber sie sind, und zwar mit leichter Mühe, in Masse zu bekommen, nur eben Mühe muß man sich darum geben. Die Indianer sind aber wie gesagt zu faul, und begnügen sich, ehe sie selber für ihren eigenen Gebrauch darnach gehen, lieber mit ihrer Brodfrucht.

Morgens um elf Uhr etwa, nachdem mich der Supercargo schon hatte um sechs an Bord sprengen wollen, wurde zuerst die Ankerwinde der Emma Prescott bemannt, bald darauf liefen die Leute nach oben, das Vormarssegel zu lösen und es war jetzt Zeit zu gehn, wenn ich nicht zurückgelassen werden wollte. Mein Canoe, mit einem kleinen indianischen Burschen darin, lag übrigens bereit, rasch schossen wir von zwei Rudern scharf getrieben, über die spiegelglatte Bai. – Up with your helm rief der Lootse in demselben Augenblick fast, als ich an Bord kletterte, der Bug der Brigg kam herum und nicht zwei Minuten später flatterten die Segel, die Schothörner flogen von den Geitauen gezogen an die Spitzen der Raaen, diese wurden fast Vierkant gebraßt, denn der Wind war zum Auslaufen vortrefflich, und als das Wasser unter dem Bug zu kräuseln begann, ließen wir die Fahrzeuge, zwischen denen wir gelegen zurück, und näherten uns mehr und mehr den Riffen, zwischen denen hinaus die Natur hier eine breite herrliche Fahrstraße gelassen, und hatten vor uns schon die weite freie See. Noch zwischen den Riffen ging der Lootse – ein Amerikaner und nicht mehr der alte wackere Jim, dessen sich frühere Seefahrer noch mit so viel Vergnügen erinnern – wieder an Bord – sein Wallfischboot hatte er hinten anhängen gehabt. – Rechts und links vor uns schäumte die Brandung – die Riffbank flog förmlich vorüber – die Häuser von Papetee schmolzen mehr und mehr zusammen, kaum ließen sich noch die einzelnen Menschen am Rand mit bloßen Augen erkennen. – Joranna, Joranna ihr freundlichen Inseln – Eure Palmen sinken in die See, Eure Berge schwinden am Horizont zusammen, Joranna – und gen Westen liegt wieder meine Bahn, der sinkenden Sonne nach.


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