Friedrich Gerstäcker
Die Südsee-Inseln
Friedrich Gerstäcker

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3. Kreuzen auf Spermacetifische.

Es ist ein ganz eigenthümliches Gefühl sich in offener See zu befinden und nun nicht einmal zu wissen wo man hin will? – ja das ließe sich wohl noch bestimmen, nein, wo man hinkommt, und Wind und Strömung dem ziemlich gerade entgegen sind, wo man eigentlich hin möchte. Doch der Leser wird mir am Ende gar nicht klug aus den verschiedenen Hilfszeitwörtern und ich will ihm da lieber gleich von vornherein reinen Wein – oder da wir uns jetzt auf einem Wallfischfänger befinden, und des edlen Stoffes gar viel haben – reinen Thran einschenken.

In dieser Gegend der Tropen, und in den Tropen überhaupt ziemlich um die ganze Welt herum, ausgenommen da wo ihr Einfluß durch die Nähe einer großen Küstenstrecke geschwächt oder aufgehoben wird, wehen nördlich von der Linie die sogenannten »Nordost-« und südlich, die sogenannten »Südostpassate,« während unter der Linie selber, und bald einige Grad nördlich bald südlich, Windstillen mit schwachen Ostwinden, sehr selten aber eine westliche Brise abwechseln. Natürlich haben diese, steten und regelmäßigen Winde auch einen Einfluß auf die obere Wasserschicht, in der sie sich eine entsprechende Strömung bilden, und es ist deßhalb in allen Zeiten des Jahres, in den Tropen selber ungemein schwer, ja mit einem schlechten Schiff sogar unmöglich, gegen Osten zu aufzukreuzen, und Fahrzeuge die nach dieser Himmelsrichtung hin müssen, sind fast stets genöthigt, nördlich oder südlich, wo vom Aequator sie sich nun gerade befinden, aus den Tropen hinaus, bis ungefähr zu den dreißiger Graden zu segeln, wo sie dann »veränderliche Winde,« Süd, Nord oder Westen, aber nur sehr selten gerade Ostwind haben.

Auf einer Reise von den Sandwichsinseln nach den südlichen Gruppen kann man dem Cours aber nicht folgen, denn beide liegen in den Tropen, ausgenommen ein Schiff liefe weit genug südlich, die veränderlichen Winde zu treffen, was auch wirklich sehr häufig geschieht, wenn Fahrzeuge entweder gar nicht aufkreuzen können, oder durch Wallfischjagd zu weit nach Westen hingelockt wurden, im Aufkreuzen wieder zu viel Zeit zu verlieren. So lange sie aber eben durch diese nicht beschäftigt werden, halten sie sich gewöhnlich so dicht am Wind wie sie können, und laufen gen Süden, jeden kleinen Westwind, den sie einmal unterwegs bekommen sollten, benutzend etwas mehr Ost zu machen.

Mein Wunsch sowohl nun, als der des Kapitäns, war die Marquesasinseln anzulaufen, der Letztere fürchtete aber, wie es auch später wurde, daß Wind und Strömung uns nicht soweit östlich lassen würden. In dem Fall erreichten wir vielleicht die Gesellschaftsinseln, war das nicht, eine der westlicher gelegenen Gruppen, und konnten wir, durch Wallfischjagd aufgehalten, gar keine bewohnte Insel mehr anlaufen, dann blieb das einzige, daß er mich wieder mit nach den Sandwichsinseln zurücknahm, und wenigstens in Hilo, auf Hawaii an Land setzte.

Das war ungefähr mein Reiseplan und die ganze Fahrt schien mir in Hinsicht der Richtung einer Reise in einem Luftballon nicht unähnlich, wo man sich auch Empfehlungsbriefe nach allen vier Weltgegenden mitgeben lassen kann. Aber gerade in diesem Unsteten, Ungewissen, lag wieder ein unendlicher Reiz; wie das Schicksal den Menschen, so trieben Winde und Strömungen unseren Kahn auf dem weiten Ocean des Lebens umher, und wer kann vorher bestimmen wo sein Ziel liegt?

Sonnabend den 21. December bekamen wir die größte Insel der hawaiischen Gruppe, Hawaii selber oder Oweyhy wie es auch häufig genannt wird, in Sicht. Cook wurde, wie bekannt, hier von den Eingeborenen erschlagen, aber nicht, wie amerikanische sowohl als französische Reisende versichern, ohne den sonst gar nicht so feindseligen Wilden vorher Grund zu Rache, oder doch wenigstens zu Mißtrauen gegeben zu haben, das durch bewaffnete Boote bestärkt, durch irgend einen kleinen Zufall zum Ausbruch kam, und den Tod des kühnen Entdeckers zur unglückseligen Folge hatte.

Der hohe, noch immer thätige und arbeitende Vulkan, der sogar erst noch vor wenigen Jahren neues Ufer aufgeworfen hatte, ragte hoch und düster mit seinen nackten Lavamassen in die Wolken hinein und wir gingen scharf bei dem Wind an der ziemlich bedeutenden Insel hin. Dieser Krater ist wohl der größte der Welt, er hat etwa sieben engl. Meilen im Umkreis und in seinem Innern kocht und gährt es noch ununterbrochen, und macht sich oft in furchtbaren Ausbrüchen Bahn für glühende Lavamassen. Erst neuerdings hat er das wieder bewiesen, und selbst bis unter die Oberfläche der See übt er seine sichtbare Gewalt zu Zeiten aus, wo zum Beispiel am 7. November 1837 an den nördlichen Theilen Hawaiis und Mauis vorzüglich in Hilobay und Mailuka, die See ganz plötzlich und unerwartet, ohne vorhergegangene vulkanische Anzeigen, rasch vom Ufer so auffällig zurücktrat, ja förmlich wegsank, daß Einzelne der Eingeborenen starr vor Schrecken stehen blieben, während Andere in wilder Flucht höheres Land zu erreichen suchten, und doch noch meist von den plötzlich wieder schwellenden und nachstürzenden Wogen erfaßt wurden. 26 Hütten schwemmte die rücktretende Fluth mit fort, und eine Menge von Eingeborenen kamen in den Wellen um.

Doch der gewaltige Vulkan schwindet dort am Horizont, die dünne Rauchsäule ist schon lange nicht mehr sichtbar, und ich darf nicht mehr Zeit damit versäumen, wollte den Leser auch nur an einem so wichtigen Punkt nicht dicht vorüber geführt haben, ohne ihn wenigstens vorzustellen.

Gerade an Hawaii vorbei begann nun die wirkliche Jagd – ich möchte sagen die »Suche« auf Wallfische, denn hier zuerst wurden die »Tops« der Masten bemannt, d. h. in die Spitze des Vor- und Hauptmasts wurden in jede ein »Bootssteurer« (einer der unteren Officiere) gesandt nach Wallfischen auszuschauen, und wir hätten somit unser »Kreuzen auf Spermacetifische« begonnen.

Da wir übrigens volle vierzehn Tage gar nichts von Fischen, nicht einmal einen Hai, keinen Bonito, keinen Delphin, keinen Schweinefisch zu sehen bekamen, will ich die bis dahin allerdings etwas müßige Zeit benutzen, den Leser – so viel ich selber durch die Zeit meines Aufenthalts an Bord damit betraut geworden – in das Leben und Treiben eines Wallfischfängers einführen. Es ist nämlich von dem eines andern Kauffahrteischiffes ungemein verschieden und bietet Manches des Neuen wie Interessanten.

Schon das ganze Deck hat einen vollkommen anderen Charakter, denn nicht allein die Boote müssen darauf Platz finden, die, außer der täglich gebrauchten Zahl zum Nothfall mitgenommen werden, sondern die Kessel zum Auskochen des Thranes nehmen besonders einen sehr bedeutenden Raum desselben ein, und bilden mit seinen wichtigsten Bestandtheil.

Diese Kessel stehen zwischen dem Haupt- und Vormast, in einem großen gemauerten Herd, und sind von verschiedener Zahl – zwei große manchmal, drei kleinere, selbst vier Kessel für große Schiffe, um den Speck des Wallfisches, der, an Deck gebracht und in Streifen geschnitten ist, auszulassen. Flamme und Rauch schlagen aus verschiedenen, in dem Herd angebrachten Luftlöchern heraus.

Von diesen Kesseln ist ein anderer kleiner, aber beweglicher und mit eisernen Klammern umschlossener Herd zum Gebrauch der Schmiede angebracht, und ein Schmied hat gewöhnlich an Bord dieser Schiffe alle Hände voll zu thun, von Morgen bis Abend.

Auch die Boote selber geben ihm ein vollkommen anderes Ansehen durch die festen Krahne an Stür- oder Starbord und Backbord des Schiffes,Stür oder Starbord die rechte, Backbord die linke Seite, vom Steuer aus, wenn man nach vorn sieht. an denen die »Wallfischboote« hängen.

Außerdem ist zwischen dem Haupt- und Besan- (hinteren) Mast ein starkes Gerüst angebracht, das noch drei oder vier andere Boote, theils noch ganz neue, theils ausgebesserte zur Reserve trägt, die umgekehrt »fore und aft«Langwegs, von vorn nach hinten. darauf liegen.

Unter einem derselben, zu Starbord gewöhnlich, sind die haarscharfen »Spaten« zum Abstoßen des Specks oder »Blubbers« angebracht, und über den Booten, auf festen Gestellen, die rasch niedergelassen werden können, damit sie die leichten Boote nicht unnützer Weise beschweren, stehen die ziemlich großen Bütten mit den Harpuntauen darin aufgekeilt oder gerollt; ein Stück getheerte Leinwand schützt diese zugleich vor unnöthiger Nässe.

Natürlich braucht ein Wallfischfänger auch mehr Officiere und zahlreichere Mannschaft, da oft vier – auf manchen sogar fünf Boote – je mit vier Matrosen, einem Bootssteuerer und einem Harpunier oder Bootsheader bemannt sein und ausgesandt werden müssen, während es doch zu gleicher Zeit nöthig ist, daß genug an Bord zurückbleiben nicht allein das Schiff zu regieren, sondern auch, wenn erst einmal Fische »eingeschnitten sind« das Auslassen des Speckes fortwährend im Gange zu halten. So hat denn ein Wallfischfänger, wenn er seiner Größe nach als Kauffahrteischiff recht gut z. B. sechzehn bis achtzehn Mann fahren könnte, gewöhnlich von dreißig bis sechsunddreißig Mann nöthig.

Volle Schiffe oder starke Barquen und große Brigs, wie sie meist zum Fang ausgesandt werden, schicken gewöhnlich vier Boote ab und brauchen zu diesen also vier Harpuniere (auf englischen Schiffen boatsheader, welcher Ausdruck sich auch sehr häufig auf die deutschen übertragen hat) und vier Bootssteurer, deren Pflichten ich nachher auseinander setzen werde; dann gewöhnlich einen »Navigator« in gleichem Rang mit diesen, und einen ersten Böttcher, Zimmermann und Koch.« Außerdem haben sie dann aber noch wenigstens zwanzig »Leute«, unter denen sich der zweite Böttcher und Zimmermann, und Schmied und Segelmacher ec befinden.

Die Harpuniere und der Navigator wohnten auf dem Alexander Barkley mit dem Capitän in der ersten Cajüte die Bootssteurer mit erstem Böttcher und Koch, zu dem auch eigentlich der erste Zimmermann gehört, im Zwischendeck, und die Leute wie gewöhnlich vorn im Logis oder Vorcastell.

Der Capitän eines Wallfischfängers hat dabei fast so unumschränkte Vollmacht wie der eines Kriegsschiffes, ja oft noch mehr, da diesem gewöhnlich eine Station oder ein »Terrain« zugewiesen wird, auf dem er kreuzen soll. Der Wallfischfänger aber, dem ein solches Schiff mit seiner ganzen Ausrüstung auf mehrere Jahre übergeben wird, auch das volle Zutrauen des Rheders haben muß, und es ihm nur überlassen bleibt, dorthin, wo er am schnellsten glaubt sein Schiff mit Thran und Fischbein füllen zu können, zu gehn, und dort nach bestem Ermessen zu kreuzen und zu fischen, wie auch, wenn er es für nöthig findet, in näheren oder entfernteren Häfen einzulaufen und Provisionen und Erfrischungen einzunehmen oder nöthige Sachen anzuschaffen.

Diese Reisen dauern in kürzester Frist, was aber sehr selten vorkommt, anderthalb, meist zwei ein halb, und sehr oft drei ein halb Jahr, und noch länger, und ihr Ende ist dann erreicht – d. h. das Schiff macht sich dann und in solcher Zeit auf den Heimweg, wenn es mit Thran, Fischbein oder Wallrath vollkommen beladen, oder im ungünstigsten Fall so lange bei schlechtem Fang ausgeblieben ist, daß seine meisten Vorräthe aufgebraucht sind, und es nun in fremden Häfen zu große Summen kosten würde das Schiff, auf das Ungewisse Resultat einer neuen Saison hin, frisch zu recrutiren. Die Schiffe kehren in diesem Falle wohl mit einer halben Ladung oder noch weniger, zurück und haben dann eine »schlechte Reise« gemacht.

Den Sommer, von April bis September, bringen die Wallfischfänger gewöhnlich im Norden, und seit letzterer Zeit in der nördlichen arktischen See zu, wo sich der Fang der Polarwallfische (bowheads) als besonders ergiebig gezeigt hat; die Wintermonate aber, benutzen sie dazu, auf den Sandwichs- oder Gesellschaftsinseln ihre Schiffe wieder mit Erfrischungen und Wasser zu versehen, und nördlich und südlich vom Aequator auf Spermfische zu kreuzen.

Das Schiff verfolgt dabei allerdings immer einen gewissen Cours, denn ganz treiben kann es sich nicht lassen, da die Aequatorströmung hier wie im atlantischen Meere ziemlich stark nach Westen hinübergeht, und noch dazu nördlich vom Aequator die Nordost-, und südlich davon die Südostpassate vorherrschen. Im Ganzen wird aber nicht scharf gesegelt, und besonders in der Gegend, wo sich Fische sehen lassen, Abends das leichte Segelwerk eingenommen und das schwerere gereeft, damit das Schiff nicht so starken Fortgang macht. Ueber den Fang der Fische selber mögen die späteren Tage Nachricht geben.

Die erste Woche an Bord, nachdem, wir Honolulu zum dritten Mal verlassen, verging ziemlich ruhig. Eisen und Lanzen wurden geschliffen, Boote hie und da, wo etwas nicht in Ordnung war, ausgebessert und besonders die gewaltigen Taue neu hergerichtet, die um den Top des Hauptmastes befestigt sind, und an denen der Speck der gefangenen Fische an Bord geholt wird, so daß sie manchmal ein furchtbares Gewicht aushalten müssen.

Weihnachten verging uns ziemlich ruhig – es ist immer ein böser Tag für den, der heimathlos in der Fremde umherstreift – die Leute bekamen am ersten Feiertag einen Festtag, und die Temperatur war ungefähr wie um Johanni in Deutschland.

Donnerstag den 2. Januar passirten wir die Linie. Wind und Strömung trieb uns aber dabei immer noch etwas nach Westen hinüber; wir befanden uns etwas über 156° westlicher Länge von Greenwich.

Zwei Matrosen hatten indessen ununterbrochen von oben nach Fischen ausgeschaut, noch aber – ein einziges Mal einen blinden Lärm ausgenommen – nichts angezeigt, bis am Sonnabend den 4. der Ruf »there she blows« plötzlich Leben und Bewegung in die ganze Mannschaft brachte.

Man muß diesen Ruf, am Bord eines Wallfischfängers wirklich selber gehört, selber gefühlt haben, um die fast zauberhafte Wirkung auch ganz begreifen zu können, die er auf das sämmtliche Schiffsvolk ausübt. – There she blows! – Es ist ungefähr wie ein plötzlicher Schuß in der Nähe des kampfbereiten nächtlich gelagerten Heeres – wie das Allarmhorn in den stillen Straßen einer Stadt. Jetzt, in diesem Augenblick ist noch jeder mit seiner ruhigen und gewöhnlichen Arbeit beschäftigt, der Zimmermann paßt ein viereckiges Stück in eines der alten Boote, einen Leck auszubessern, und hat schon zwanzigmal sehr sorgfältig visirt das richtige Verhältnis heraus zu bringen – er ist gar nicht in Eile und seine Wacht muß überhaupt bald zur Coye seyn – der Böttcher hämmert alte Reifen gerade, die Fässer in Ordnung und zum Gebrauch fertig zu bringen – die Bootssteuerer sitzen theilweise in ihren Booten und ölen Lanzen und Harpunen, oder schärfen Kappmesser und Beile – und die Bootsheader haben sich ebenfalls eine Beschäftigung gesucht, mehr eigentlich die Zeit todtzuschlagen, als irgend etwas Ernstliches vorzunehmen. Nur manchmal warfen Alle, vom ersten bis zum letzten, einen flüchtigen Blick über die stille Meeresbreite, und lassen das Auge am Horizont hinschweifen, ob nicht wenigstens ein Segel zu entdecken ist auf der weiten, öden, monotonen Fläche – aber die Leute in den Tops oben hätten das lange angeschrieen, und es geschieht das nur eigentlich aus alter Gewohnheit.

»There she blows!« Der Zimmermann wirft seinen Hobel, der Böttcher den Hammer nieder – der erste Bootsheader ist mit einem Sprung auf der Railing, und der Mann im Top oben, der den Ruf gethan und schon genau weiß was die erste Frage ist, streckt seinen Arm nach der Richtung aus. Die Matrosen verlassen die Schiemannsgarnwinde und Wergknollen, Ambos und halbgespließte Taue, jeder ohne weiteres nach seinem Boot zu springen; des Capitäns Kopf wird im nächsten Augenblick in der Cajütenluke sichtbar und seine rasche Frage, wo ist es? bannt jeden auf seinen Platz.

»Gerad zu luwärts!«

»Nieder mit Eueren Booten!« und das wilde fröhliche Leben begann.

Die Fische waren »dead in the wind« oder gerade dem Wind in die Zähne aufgekommen, und da wir mit dem Schiff doch nicht näher an sie ankreuzen konnten, wurde auch weiter keine Zeit verloren die Boote niederzulassen und mit Rudern anzulaufen.

»Ist frisch Wasser in der Kanne?« rief der erste Bootsheader, ein alter amerikanischer Wallfischfänger, der sich seine ganze Lebenszeit, auf der See und in den wildesten tollsten Verhältnissen umhergetrieben.

»Alles in Ordnung, Sir!« lautete die Antwort Johns, des ersten Bootssteuerers, desselben der die Fische vom Masttop angezeigt hatte und der nun, mit Blitzesschnelle an einer der Pardunen niedergleitend, seinen Platz schon im Boot am vordern Fall nahm. Der alte Harpunier folgte ihm eben so rasch.

»Viehr weg!« klang der Befehl – das Boot schoß hinunter – die Matrosen glitten an Tauen rasch hinein und auf ihre Sitze – »stoßt ab – fort mit Euch – laßt los!« –

Im nächsten Moment blieb das Boot zurück im Fahrwasser des Schiffs, das langsam von ihm fortschoß – der Bootssteuerer stand für jetzt noch auf seinem Posten, vorn im Boot, bis er den Fisch fest hatte, und der »Harpunier« hielt den langen Steuerriemen (Riemen in der Schiffssprache immer für langes Ruder); einen Blick warf er hinauf nach dem Top, zu dem der Böttcher jetzt, rasch seine Arbeit im Stich lassend, hinaufgeklettert war und mit dem Arm die Richtung angab in der die Fische bließen und – »Go ahead!« rief er, als die vier Riemen einschlugen in die Fluth, und das Boot rasch seinem Ziel, der Schaar der Fische, entgegentrieb. Die drei andern Boote folgten jetzt ebenfalls, und zwar der Richtung des ersten, bis sie die Fische selber in Sicht bekamen, und nun jedes dorthin abhielt, wo es am ersten anzukommen glaubte.

Mit dem Fang wurde es aber dießmal Nichts – hatten die Fische das Rudern gehört, oder waren sie sonst in zu großer Eile, sie liefen zu rasch, die Boote konnten nicht nachkommen, und mußten, nach einer langen ermüdenden Jagd, bei der das Schiff noch dazu wenig oder gar nichts zu ihnen aufkreuzen konnte, unverrichteter Sache wieder an Bord zurückkehren. Es dämmerte schon als das letzte Boot aufgeholt wurde.

Unser Capitän, ein erfahrener Wallfischfänger, der sich schon lange Jahre auf derselben Jagd herumgetrieben, vermuthete aus dem ganzen Aussehn des Wassers, das gerade hier eine Masse kleiner Quallenkörner, fast wie Fischlaich, enthielt, die Fische würden sich hier in der Gegend länger halten als nur zu einem Durchflug, und beschloß den Platz nicht sogleich wieder zu verlassen. Der Erfolg zeigte daß er recht gehabt. So liefen wir die Nacht hindurch unter sehr kleinen Segeln und gingen dann über den andern Bug wieder nach Süden hinunter; die Ausgucker waren aber am nächsten Morgen noch keine Stunde auf ihrem Posten, als auch schon wieder das fröhliche There she blows, there she blowsThere she blows »dort bläst er den Strahl auf.« Der Ruf geschieht, meist auf allen deutschen Schiffen selbst, englisch, wie denn auch fast die Hälfte unserer deutschen Schiffsausdrücke theils der englischen Sprache entlehnt, theils wirklich ganz englisch sind. gehört wurde.

Dießmal hatten wir die Fische glücklicher Weise in Lee, d. h. unter dem Wind, und konnten gleich mit dem Schiff selber auf sie zuhalten; wir liefen deßhalb, so nahe es thunlich schien, sie nicht scheu zu machen, an sie hinan und ließen dann die Boote nieder, die mit lustiger Eile, unter den frisch geblähten weißen Segeln an sie hinanschossen.

In früherer Zeit, wo man mit dem Wallfischfang noch nicht so vertraut, der Wallfisch im Allgemeinen auch wohl noch nicht so scheu war, als das jetzt der Fall ist, bediente man sich als eines wohl nicht so schnellen aber auch weniger gefährlichen Mittels an sie hinanzukommen, nur der Ruder, indem das Boot, sobald der Fisch geworfen worden, durch einen einzigen Rückschlag der Riemen in seinem Lauf gehemmt und während der Fisch vorschoß, aus dem gefährlichen Bereich seines Schwanzes gebracht werden konnte, den das verwundete Thier, gewöhnlich im ersten Gefühl des Schmerzes, nur zu häufig auf gar bösartige Weise gebraucht. Den Fischen ist aber, besonders in den letzten Jahren, so entsetzlich nachgestellt worden, und der Laut der eingeschlagenen Ruder scheint ihnen so genau bekannt zu seyn, daß es jetzt nicht allein ungemein schwer hält auf solche Art an sie hinanzukommen, sondern auch, selbst im günstigsten Fall, viel langsamer und mühseliger ist als Segeln. »Nur erst einmal in Eisens Wurf hinan seyn,« sagte unser alter Eisbär von Harpunier, mit dem ich darüber sprach, »und mit dem Wiederwegkommen müssen wir denn sehen, wie wir nachher fertig werden.« Jedes der niedergelassenen Boote war mit vier Mann zum Rudern und Bootssteuerer und Harpunier (boatsheader) bemannt. Der Harpunier steht beim Auslaufen am Steuerruder – ein durch eine Schlinge oder eisernen beweglichen Ring geschobener Riemen (Ruder) – und der Bootssteuerer vorn in der Spitze des Bootes mit dem Eisen (der Harpune). An ihm ist es, an den Fisch festzukommen, und der sogenannte Harpunier hat ihn dazu gut an den Fisch hinanzubringen. Ist das geschehen, hat der Bootssteuerer geworfen und ist der Fisch »fest,« dann springt er zum Steuer zurück, und der Boatsheader tritt jetzt vorn hin, mit der Lanze – ein der Harpune ganz ähnliches Instrument, nur länger und ohne Widerhaken – dem Fisch, der jetzt an der ihm nachgelassenen Linie das leichte Boot pfeilschnell durchs Wasser zieht, zu tödten. Die Lanze ist an einer kurzen Leine am Boot selber befestigt, und nach dem Wurf, mit dem er das Thier, gerade hinter die Flosse zu treffen sucht, wo es selbst mit einer Büchsenkugel tödtlich zu verwunden ist, zieht er die Waffe rasch wieder an sich.

Unsere Boote hielten sich beim Auslaufen ziemlich dicht zusammen und geraden Cours, denn die Spermfische waren tief gegangen und blieben eine ganze Weile verschwunden; plötzlich stiegen sie aber wieder, und zwar gar nicht weit vom Boote des ersten Harpuniers, an die Oberfläche, rasch flog dieses Bug herum, in wenig Minuten war er an der Seite des Ungethüms. Die Harpune schoß vor, John hatte gut getroffen, der Fisch war fest – und nun fort wie die wilde Jagd riß das verwundete Thier das scharfgebaute, die Fluth nun schäumend theilende Boot hinter sich her. Die Leine wurde im Anfang rasch ausgelassen, als sie aber anholte und das Boot wieder, von dem gewaltigen Thier ins Schlepptau genommen, vorwärts zischte und näher und näher hinankam, stand der alte greise Harpunier mit flatterndem Haar im Bug, die Lanze hoch erhoben, und seine linke Hand deutete nur leise die Richtung, die er genommen haben wollte. Gleich nachdem die Lanze geworfen, schien der Fisch für einen Augenblick in Schaum und Gischt vollkommen verschwunden, so schlug er mit dem Schwanz und peitschte die Wogen, eine rasche Wendung des Steuernden hatte sie aber schon aus dessen Bereich gebracht, und der rothe Lebensstrom der gleich darauf, statt des früheren Gischt emporspritzte, verrieth die Todeswunde des Getroffenen.

Die übrigen Fische gingen indeß in voller Flucht, von den andern drei Booten rasch verfolgt, ab, und verschwanden ebenfalls bald darauf, während die Jäger, nur die Richtung wahrend, ihren Cours beibehielten. Die Fische schienen aber bloß gesunken gewesen zu seyn, denn nach einer ziemlich langen Zeit kamen sie fast an derselben Stelle wieder zum Vorschein, wo sie tief gegangen waren, und zwangen die Boote, die sie glücklicher Weise noch zu sehen bekamen, umzukehren. Die Jagd begann dann aufs Neue, und eben als wir den ersten Fisch, an den wir mit dem Schiff dicht hinangelaufen waren, lang Seit' nahmen, kam eins der Boote an einem zweiten Fisch fest, und bis um ein Uhr Mittags hatten wir beide Fische in Lee von uns dicht am Schiff liegen.

Das Einschneiden ging nun so rasch als möglich vor sich, um die Köpfe ganz und den Speck abgeschält noch vor Dunkelwerden an Bord zu bekommen.

Die See war ziemlich ruhig und die Arbeit des Einschneidens deßhalb auch leicht, und jetzt kamen die sogenannten Spaten an Tageslicht, ihre Arbeit zu beginnen. Es waren dieß vier bis fünf Zoll breite aber haarscharfe Eisen, an einem acht bis zehn Fuß langen Stiel, die von der Seite des Schiffs, an dem eine Art Gerüst aufgehangen war um zweien der Bootsheader zum Stand zu dienen, gegen die harte Haut des dicht darunter liegenden Wallfisches verwandt wurden, vor allen Dingen den Kopf rund herum abzustoßen und aus seinem etwa 18 Zoll im Durchmesser haltenden Wirbel zu lösen, und dann dicht daran einen Streifen Speck etwa vier Fuß breit abzustechen und durch Aufholen an einer gewaltigen Winde vom Körper zu trennen.

Das erste hierbei ist den großen sogenannten Blubber- oder Speckhaken – ein riesiges Stück Eisen, das ein einzelner Mann kaum regieren kann – in das zu dem Zweck vorhergestoßene Loch in den Blubber zu bringen. Einer der Bootssteuerer, deren Amt dieß ist, steigt, mit einer Schlinge um den Leib, damit er nicht wegfallen kann, auf den riesigen schlüpfrigen Körper hinunter, und hebt, mit einer Hand selber in das ungeheure Loch greifend um einigermaßen einen festen Platz zu haben, mit dem rechten Arm und der rechten Schulter gewöhnlich den Haken in die Oeffnung und die halbe Mannschaft hängt nun an der Talje, den Speck erst loszubringen und dann aufzuwinden. Je höher dieser vier Fuß breite Streifen nun steigt, desto mehr dreht sich der Fisch, und da der Einschnitt spiralförmig fortgesetzt wird, löst sich nach und nach der ganze Blubber in einem langen Streifen – den man nur manchmal wieder frisch einhakt und dann abschneidet – von dem Körper selber los, der, sobald er von dem Speck befreit ist, schwerfällig in die Tiefe sinkt – ein leckeres Mahl für viele hungrige Gäste da unten.

Indessen hatte sich aber auch oben eine Masse Haifische gesammelt – ein Beweis wie zahlreich diese »Hyänen des Meeres« überall vertheilt seyn müssen, wenn man auch manchmal selbst bei Windstille wochenlang keinen davon zu sehen bekommt, und die Frechheit war wirklich unbeschreiblich, mit der sie sich auf die Körper der getödteten Fische warfen und aus dem zähen Speck große, gewaltige Bissen herausrissen. Einer der Haie kam an den einen Bootssteuerer, der ganz in seine Arbeit vertieft war, so nahe heran, daß er ihn hätte mit Leichtigkeit fassen können, der alte Harpunier aber, schon an dergleichen gewöhnt stieß, fast dicht neben dem Mann, seinen Spaten dem gefräßigen Burschen gerad' in den Kopf, der sich denn auch augenblicklich umdrehte und langsam wegsank.

Eben so frech waren alle die andern, und man hätte sie sämmtlich auf gleiche Art erlegen können, nur daß die Einschneider ihre Werkzeuge nicht gern an der harten und rauhen Haut dieser Fische abstumpfen.

Ich warf von Bord aus einen von ihnen mit der Lanze durch den dicken Theil des Schwanzes, und zwar gerade als er an einem der Köpfe hing, und sich ein Stück von dem Blubber, an dem er noch keinen recht festen Halt bekommen konnte, herauszureißen suchte. Er ließ augenblicklich los und schoß fort, kehrte aber, nachdem er noch nicht einmal aus Sicht vom Schiff gewesen, wieder zurück und holte sich richtig, ehe ich die Lanze wieder wurffertig hatte und trotz der Wunde, das angefangene Stück heraus, mit dem er dann verschwand.

Mehr als fünf von ihnen auf einmal habe ich übrigens nicht gezählt, obgleich ich natürlich nicht weiß wie oft sie gewechselt haben mögen, denn der angeworfene kam nachher nicht wieder und es blieben doch fünf, einzelne davon habe ich aber beobachtet, wie sie sich besonders von dem halb abgeschälten Körper die Stücken herunter rissen, und es ist wirklich kaum glaublich, was für enorme Quantitäten von Fleisch sie im Stande waren zu verzehren.

Die Köpfe der Fische, in denen der sogenannte Wallrath, das beste Oel überhaupt in dem Wallrathsack oder »case« wie es die Wallfischfänger nennen, sitzt, sollten ganz über Bord genommen werden, da die Fische nur ungefähr »dreißig Fässer« hielten und für kleine galten. (Das Faß hält 31 Gallonen, die Gallone etwa fünf Flaschen.) Ein solches Gewicht hatte aber doch der Kopf dieses kleinen Fisches, daß sich das ganze mächtige Schiff merklich mit den Masten überneigte, als wir ihn an Bord hoben.

Die Zeit war übrigens, mit der keineswegs leichten Arbeit, so weit hingegangen, daß es schon vollkommen Nacht wurde, und immer noch einer der Köpfe draußen schwamm, an dem die Haie jetzt als an dem letzten was ihnen gelassen, herumrissen, als ob sie seit drei Tagen keinen Bissen zu sehen bekommen hätten; blieb er die ganze Nacht im Wasser, so war am nächsten Morgen sicherlich nicht mehr viel davon übrig, und es mußte Anstalt getroffen werden, ihn noch ebenfalls herauf zu schaffen. Eine frische Brise hatte sich indeß ebenfalls erhoben, und der Kopf sank und stieg mit den sich schon immer lebendiger hebenden Wellen.

Der eine der Bootssteuerer, ein kleiner gewandter Amerikaner, Bill, machte sich trotzdem keck und wohlgemuth hinunter den Haken festzuschlagen; in der Dunkelheit war das aber nicht allein sehr schwierig, sondern jetzt auch wirklich, der Haie wegen gefährlich, die man in den hellen Streifen in denen sie schwammen, deutlich unterscheiden konnte. Wenn auch anzunehmen war daß sie sich, trotz ihrer Gefräßigkeit, ziemlich gesättigt haben mußten, konnte es einem von ihnen doch einmal einfallen, nach etwas zu bequem hingehaltenem Arm oder Bein zu schnappen, und der Mann war dann rettungslos verloren, denn was diese Ungethüme einmal halten, geben sie nicht wieder aus. Die Arbeit deßhalb zu erleichtern theils, theils auch auf die Haie ein wachsames Auge haben zu können, wurde die »Blubberlaterne« gebracht, angezündet und über Bord gehangen und beleuchtete wenige Minuten später, mit ihrem hohen flackernden Licht die wilde Scene.

Die Blubberlaterne verdient aber jedenfalls eine kurze Beschreibung. Sie besteht in höchst einfacher Weise aus zusammengebogenen alten eisernen Faßreifen, die eine Art oben offenen gitterartigen Beckens bilden. In diese werden einzelne Scheiter leichtes Holz gelegt und in Brand gebracht, und dann kommen schmale Streifen Speck oben drauf, die, wenn das Oel erst einmal entzündet ist, eine helle und hochflackernde Flamme geben. Hat erst einmal das Auskochen begonnen, so werden die Grieven zu diesem Zweck mit fast noch besserem Erfolg verwandt.

Prachtvoll war übrigens der Anblick, als der junge Mann zum zweitenmal auf den Kopf niederstieg, den Haken zu festigen, während die rothgelbliche Gluth fast eben nur den Platz zu beleuchten schien, auf dem er sich wirklich befand, und ihn die Nacht, wie mit hoher, düsterer Mauer dicht umlagert hielt. Die Wogen, als sie sich hoben und senkten, blitzten und funkelten dabei in dem grellen Licht der Flamme, und tausend Lichter strahlten zurück von den spritzenden tanzenden Wellen. Eine Masse von Delphinen waren heute ebenfalls um das Schiff herum, und wir konnten deutlich die dunklen Körper erkennen, wie sie blitzesschnell herüber und hinüber schossen, und gern Theil an der Beute haben wollten, aber auch wieder den gierigen Hai fürchteten, der ja nicht einmal die Verwandtschaft schont, und gierig einschlingt was er erreichen kann. Der Delphin ist dabei ein ungemein gewandter, schneller Fisch; ja viele wollen sogar behaupten, daß er der schnellste wäre, nichts destoweniger versicherte mein alter Harpunier er habe mit eigenen Augen gesehen wie ein, mit dem Spaten leicht verwundeter Delphin fortgeschossen, aber augenblicklich von einem Hai, der das Blut witterte, verfolgt und kaum zwei hundert Schritte weiter wirklich eingeholt sey. Der Hai überhaupt wird für viel langsamer gehalten als er wirklich ist, weil man ihn gewöhnlich nur nach seinen Bewegungen in Windstille beurtheilt, wo er sonst fast nur zum Vorschein kommt, wenn ihn nicht ein solch außergewöhnliches Ereigniß als ein Wallfisch, an die Oberfläche lockt. Aber schon der ganze Bau seines Körpers, die ungeheueren Seitenflossen und der breit ausgreifende Schwanz, mit seiner ungeheueren Muskelkraft verbunden, müssen ihn rasch vorwärts treiben, wenn er es nur einmal für nöthig findet sich anzustrengen; und was außerdem die Mährchen sind, daß er sich, jedesmal wenn er seine Beute erfassen wolle, erst mühsam auf den Rücken werfen müsse, ist ebenfalls, wenn auch auf Wahrem begründet, weit übertrieben. Der Hai dreht sich allerdings, wenn er etwas erfassen will, herum, und besonders bei vollkommener Windstille, wenn er faul und schläfrig um das Schiff herumschwimmt und sich ein Stück altes gesalzenes Fleisch, das schon eine Stunde für ihn draußen an einem weit durch die See blitzenden Tau hängt, wohl fünf bis sechsmal berochen und jedesmal refusirt hat. Endlich selber müde, den Lappen da im Weg hängen zu sehen, wendet er sich langsam, daß der weiße Bauch fast vollkommen sichtbar wird, und nimmt den Haken mehr in das Maul, als daß er darnach schnappt; ist die See aber nur ein klein wenig erregt, hat das Schiff Fortgang und kommt er vielleicht plötzlich an eine ausgehangene Lockspeise, die er fürchten mag daß sie ihm wieder entgeht, dann sind seine Bewegungen auch pfeilschnell. Im Heranschießen, und eine Secunde vielleicht nur ehe er seine Beute erfaßt, wird der Schein des weißen Bauches sichtbar, wie er sich halb auf die Seite wirft, und in dieser Bewegung zuschnappt. Der Haifisch aber, z. B. den ich vom Deck aus warf, während er ein Stück Blubber auszureißen versuchte, schwamm dabei vollkommen auf dem Bauch, wie alle andere Fische, und nur der vorstehende Oberkiefer zwingt sie manchmal sich auf die Seite zu legen.

Jetzt war der Haken fest, und unter dem oft wirklich melodischen Gesang der Matrosen straffte sich das ungeheuere Tau, der Mast knarrte von dem gewaltigen Gewicht, und langsam, langsam aber doch sicher, stieg die schwere dunkle Masse aus der Tiefe auf, und lag bald darauf friedlich neben dem Kameraden an Deck.

Am nächsten Morgen begann das Auskochen; der Speck wurde jedoch vorher in Stücken geschnitten, daß man ihn wenigstens regieren und von einem Ort zum andern schaffen konnte, und dann in den, dazu schon vorbereiteten Raum – in das sogenannte »Blubber Loch« hinabgeworfen, während die Köpfe, als das Kostbarste, zuerst vorgenommen werden sollten.

Dieser Kopf des Spermacetiwallfisches ist jedenfalls das Merkwürdigste am ganzen Thier. Erstlich macht er ziemlich den dritten Theil des Rumpfes aus, und dann ist seine Bauart, wie die Weise in der er den Wallrath in sich führt, eine kurze Beschreibung sicherlich werth.

Die Kopfform an und für sich ist eigenthümlich; diese Fische wurden, wie schon gesagt, zu den kleinen gerechnet, dennoch betrug der Durchmesser des Kopfes, am Rumpfende etwa sieben Fuß und lief noch vorn oval, in eine stumpfe Spitze aus, so daß er von vorn besehen fast Aehnlichkeit mit einer dicken Biene oder Hummel hatte. Der Nasentheil rundete sich aber keineswegs ab, sondern war vollkommen stumpf abgeschnitten, fast wie abgesägt und so fest und elastisch wie Gummi.

Unter diesem Schädel sitzt ein schmaler langer, mit großen Zähnen weitläufig besetzter Unterkiefer, der eher einem riesigen Vogelschnabel, als dem Kiefer eines so gewaltigen Thieres gleicht. Scheinbar steht er auch in gar keinem Verhältniß mit dem Kopf, denn er war an diesen Fischen z. B. höchstens zehn Zoll im Durchmesser, und saß so lang und dünn unter dem Maul, wie der Rüssel des Elephanten etwa darüber sitzt.

Die Zähne standen zwei bis drei Zoll vor. Nur der Unterkiefer hat aber Zähne, der Oberkiefer besteht aus einer zähen knorpeligen Masse, in die sich die des Unterkiefers erst scheinbar, und wie man fast glauben sollte schmerzhaft, Bahn gebohrt haben. Speck umgibt den ganzen Kopf wie den Körper.

Der Spermfisch bläst nur einen Strahl und zwar von der linken Seite seines Kopfes aus, während an der rechten, in einem förmlichen langen Sacke, der beste Theil des Thrans, der Spermaceti oder Wallrath sitzt. Aber auch selbst der übrige Theil des Kopfes enthält guten Wallrath, ebenfalls aber auch wieder in eigenthümlicher Weise vertheilt. Der Wallrath in dem Hauptsack ist großenteils so flüssig, daß er mit dem Schöpfer herausgenommen werden kann, oder doch meistens in einer zellenartigen Hautmasse enthalten ist, die wenn ausgekocht, fast keinen fremdartigen Stoff zurückläßt. Der übrige Kopf ist, Kinnlade und Außentheile abgerechnet, die aus einer haarwachsartigen Masse bestehen, in sogenannte separations oder Abtheilungen geschieden, die quer über den Kopf hinüberlaufen, jede nur einige Zoll weit sind, und abwechselnd Wallrath eben wieder in zellartigen Hautgefäßen nur fester als im Sack, und weiße, härtere aber immer noch Wallrath einschließende Scheidewände enthalten.

Der übrige Speck des Fisches sitzt nur an der Außenseite des Körpers, das geringe Fett wenigstens, was noch im innern Fleisch enthalten ist, läßt sich in See nicht gut ausziehn, und wäre auch keinesfalls die soviel größere Arbeit werth.

Das Auskochen des Thranes geht Tag und Nacht ununterbrochen fort; überdieß soll der Speck der Spermfische, während er zugleich einen weit höheren Werth hat, als der der übrigen Wallfische, weit schwieriger auszukochen seyn als dieser, und längere Zeit erfordern.

Drei Kessel kochen fortwährend; mit den ausgebratenen Ueberbleibseln wird wieder gefeuert, der ausgelassene Thran dann in Kühlgefäße gethan und später in an Deck liegende Fässer gefüllt. Das heiße Oel zieht das Holz derselben aber zusammen, deßhalb bleibt es oben liegen, bis es vollkommen kalt geworden, und dann in die, im Raum liegenden Fässer kommt, während die oben befindlichen durch den Böttcher wieder angetrieben werden.

Einen eigenthümlichen und wirklich imposanten Anblick gewährt das Auskochen des Thranes bei Nachtzeit. Das Vorsegel ist hoch aufgegeyt, damit es die Gluth nicht erreichen kann, und die Flammen des ausgekochten Blubber, der später fast das einzige Brennmaterial zu der ganzen Arbeit liefert, schlägt hoch empor, und sendet ihre Gluth weit in die stille Nacht hinein.

Wie sich denken läßt, ist aber dieß Auskochen einer so ungeheueren Fettmasse an Bord eines Schiffes das nie ruhig liegt, besonders aber bei stürmischem Wetter, eine äußerst gefährliche Sache, und trotzdem daß viele Umsichtsmaßregeln für ein Ueberlaufen und Entzünden der Kessel getroffen sind, fällt es doch dann und wann vor, und manches Schiff ist schon dadurch verloren gegangen. Ausgesetzt kann dabei mit dieser Arbeit fast gar nicht werden, es müßte denn ein förmlicher Sturm wehen, da der Blubber fortgeschafft werden muß, Raum für frischen zu geben. Die Leute gehen aber dabei mit dem Feuer um, und sehn die leuchtenden Funken zwischen dem getheerten Tauwerk umher fliegen, als ob sie Ziegelsteine auf offenem Felde brennten, und nicht, bei etwaigem Unglück, in ein paar Booten nur mit nothdürftigen Lebensmitteln und Wasser in offene See hinausgeworfen wären. Das Alles thut aber die Gewohnheit, und sie denken fast gar nicht mehr an eine so leicht herbeigeführte, und dann doch so verderbliche Gefahr.

Die Boot steurer hatten jetzt aber wieder vollauf Arbeit ihre Boote in Ordnung zu bringen, Eisen (Harpunen) und Lanzen zu schleifen und die verbogenen Stiele wieder gerade zu biegen. Im Boote selber muß natürlich Alles fortwährend zum augenblicklichen Gebrauch fertig und gerüstet seyn. – Vorn zu Starbord und Backbord liegen die Harpunen und Lanzen, mit ihren Leinen »klar« aber an der Seite alle befestigt, so daß sie, sollte das Boot einmal umgeschlagen werden oder füllen, nicht so leicht verloren gehen können. Jedes Boot hat drei oder vier Harpunen und wenigstens zwei Lanzen, während in der Mitte der große Kübel mit dem aufgerollten Tau steht, dessen eines Ende an der Harpune selber befestigt ist, und vorn durch einen schmalen, glatt gehaltenen Einschnitt im Holze ausschießt, sobald der Wallfisch geworfen ist und an zu laufen fängt. Vorn jedoch auf der schmalen Back des Bootes, vor der der Werfende steht, liegt, eben untergeschoben unter ein breites Stück Leder, vor der größten Nässe geschützt, für den augenblicklichen Gebrauch aber auch immer bereit zu seyn, ein kleines, haarscharfes Beil, um, wenn die Leine einmal »faul« kommen sollte, oder der Fisch zu rasch laufend das Boot gefährdete, oder zu tief ging und es hinabzureißen drohte, augenblicklich das Tau kappen zu können. Ein sehr scharfes gewöhnliches Matrosenmesser in einer Scheide von Holz, ebenfalls fest gemacht und zu demselben Zwecke, steckt dicht daneben.

Außerdem führen die Boote noch eine große hölzerne Kanne oder ein kleines Fäßchen voll süß Wasser wie einige Lebensmittel mit sich, da sie nie wissen können wie lange sie ausbleiben, wie auch in dem hinteren Theil des Bootes ein kleiner Kompaß, wie einige andere notwendige Gegenstände weggestaut sind. Das Rudern selber geschieht mit den gewöhnlichen langen Riemen, wo sie nämlich durchaus nicht segeln können, doch liegen in den Booten gewöhnlich auch noch vier kurze Ruder, sogenannte paddles, um leiser als mit den langen Riemen vorwärts zu kommen, wenn sie dem Fisch erst einmal so nahe gerückt sind, daß sie fürchten müssen, er könne die langen, geräuschvolleren Ruder hören.

Der Montag ging so vorüber, die Leute hatten vollkommen an Deck zu thun, und die Männer im Masttop zeigten keine neuen Fische an.

Am Dienstag Morgen, den 7. tönte plötzlich wieder der von den Fischern so gern gehörte Ruf – »there she blows« – die Strahlen ließen sich bald darauf selbst vom Deck aus ziemlich deutlich erkennen, die Boote wurden hinuntergelassen, und während das Schiff mit backgebraßten Raaen nur langsamen Fortgang machte, flogen die leichten Boote dem neuen Fang entgegen.

In etwa einer Stunde war das Boot des vierten Harpuniers fest, eins der anderen warf sich auch mit fest, und bald darauf hatten sie den Fisch getödtet. Mittag kam er längs dem Schiff und gerade vor Dunkelwerden hatten wir Speck und Kopf an Bord.

Haifische ließen sich heute merkwürdiger Weise gar nicht sehen, nur Schaaren von Bonitos und Delphinen folgten uns nach.

Mittwoch den 8. bot unser Deck einen wahrhaft schauerlichen Anblick. Der alte Speck war nämlich sämmtlich aus dem unterm Raume wieder heraufgeworfen worden, dem neu eingeschnittenen Platz zu machen, weil sich der doch noch etwas länger hielt, und ein Geruch zog durch das ganze Schiff, daß einem angst und weh dabei wurde. Die Kessel brodeln allerdings Tag und Nacht, aber eine solche Masse von Blubber ist nicht so gleich untergebracht, während das warme Wetter (wir waren den 8. 4° 34 S. Br. und 158° 58 W. L., den 22. Januar hatten wir die Linie passirt) das seinige ebenfalls dazu beitrug, den erst so weißen und festen Speck in eine gelbliche, schleimige, oft förmlich Blasen werfende Masse zu verwandeln. Bis in die entferntesten und selbst fest verschlossensten Räume dringt diese Art Gas, färbt die weiß lackirten Wände der Cajüte mit einer Art bläulichen Farbe, und gibt selbst Glanzpapier oder glänzenden Sachen in Koffern und Kisten ein rothblaues Ansehen.

Im Anfang war mir dieser scharfe, beißende Geruch wirklich peinlich, man gewöhnt sich aber im Laufe der Zeit an Alles, und wenn er mir auch immer noch die Augen ein wenig angriff, belästigte er mich nicht weiter. Die nächsten Tage machten wir dabei nur ungemein wenig Fortgang; über Tags liefen wir mit ganz kleinen Segeln, und Nachts wurden selbst diese noch zum Theil gereeft, und da sich der Alexander Barkley überhaupt gar nicht unter Umständen befand, »die ihm ein Recht zu dem Beinamen eines Schnellläufers gaben,« wie der alte Böttcher meinte, so läßt sich denken, daß wir sehr wenig nach Süden hinunterrückten, und statt östlich in den Wind hineinzuarbeiten, von der Strömung ein gut Stück westlich hinüber getrieben wurden. Der Capitän hoffte aber hier noch Fische zu treffen, und der Fang derselben ging freilich den südlichen Inseln vor.

Den 9. ging das Kochen noch fort, und der Thran wurde in die an Deck gebrachten leeren Fässer gefüllt; erst am 10. ward der letzte Blubber ausgesotten und nun endlich einmal das Deck wieder gewaschen und Alles »klar« gemacht. Die Zeit war vorbei, wo man keinen einzigen Gegenstand an Deck berühren durfte, ohne sicher zu seyn in Thran zu greifen, und wenn auch noch, trotz der größten Vorsicht, Schreibpapier wie Bücher und Kleider und Wäsche die unverkennbaren Erinnerungszeichen trugen, hatten wir doch wenigstens das Schlimmste überstanden. So lang dieß entsetzliche Kochen dauerte, durften auch schon der Kessel wegen keine großen Segel geführt werden, das Schiff wäre zu schräg zu liegen gekommen, und der Thran ausgelaufen; wer aber jemals in gleichen Verhältnissen gewesen ist, hat von der Stelle gewollt, und Tag für Tag ein und zwei Reefen in den Segeln gesehen, ja die Nacht durch die Segel vielleicht alle dicht gereeft und die kleinern eingenommen, der wird sich etwa denken können wie ungeduldig ich die Zeit herbeisehnte, wo wenigstens einmal erst wieder die Leinwand frei und voll der Brise geboten wurde.

Der Böttcher hatte dabei auch recht, »wir konnten unser Schiff keinen Schnellläufer nennen,« und obgleich ich dem Alexander Barkley nicht unrecht thun will, als ob er nicht etwa eben so gut eine mittle Fahrt machen könne wie andere Schiffe, hingen uns doch jetzt viel zu sehr »die Fetzen vom Leibe,« auf ordentlichen Fortgang rechnen zu dürfen. Das Schiff war nämlich erst vor elf Monaten glaub ich in Bremen neu »gekupfert,« aber dießmal nicht mit wirklichem Kupfer, wie das bisher an den Schiffen geschehen, sondern nach einer neuen Methode, mit Zink, die bedeutend billiger seyn sollte, sich aber in diesem Fall durchaus nicht bewährt hatte. Schon nach drei Monaten, wie mich der Capitän versicherte hatte sich der Zink gelöst, und jetzt, nach elf, wo Kupfer auch noch nicht im mindesten angegriffen wäre, hingen die Stücke an den Flanken in Fetzen herunter, während der Bug schon, mit Ausnahme einiger hängen gebliebener Splitter, von dem ganzen Metall rein gescheuert war. Glücklicher Weise hatte das Schiff eine gute Spiekerhaut – d. i. eine Lage Bretter über das eigentliche Schiff genagelt, so weit dieses im Wasser ging, den Wurmfraß von den Hauptplanken abzuhalten – und insofern weiter Nichts für die Sicherheit des Fahrzeugs selber zu besorgen, aber Schnellläufer waren wir in der That nicht, und ich glaube es hätte ein fliegender Sturm wehen müssen, uns über fünf Meilen die Wache zu treiben.

Sonnabend den 11. gab es, nach der wahrlich harten Arbeit, der die Leute die ganze Woche unterzogen geblieben, eine Art von halber Rasttag, denn den Tag vorher war das Schiff schon wieder gereinigt worden und jede Spur von Blubber und Thran, den letzten ausgenommen der noch in den Fässern an Deck lag, verschwunden.

Der Thran der Spermacetifische ist übrigens viel leichter und einfach sogar mit Seewasser von den Decks hinunter zu waschen, während der des »rechten Wallfisches,« wie die Art Wallfische genannt werden von der der geringere Thran, aber auch das Fischbein kommt, nur mit der scharfen beißenden Blubberasche selber abgescheuert werden kann. Merkwürdig ist auch bei dem Spermacetifisch die Eigenschaft, daß man mit Seewasser, was bekanntlich von allen Seifen nur die reine Sodaseife annimmt, die dünne, schleimige, schwarze Haut des gewaltigen Thieres, die in der That nicht dicker ist als starkes Papier, vortrefflich zu Seife benutzen kann, da sie jedes Fett mit Leichtigkeit fortnimmt.

Eine Unzahl von Bonitos oder skip jacks, wie sie die Engländer und Amerikaner nennen, umschwärmten in diesen Tagen unser Schiff, und kreuzten mit uns herauf und hinunter; obgleich wir uns aber schon verschiedene Male die größte Mühe gegeben hatten, ein paar der ganz wohlschmeckenden Burschen zu fangen, war es uns bis jetzt immer nicht gelungen, bis der eine Bootssteuerer heute Morgen einmal den richtigen Augenblick traf, und dann rissen sie sich förmlich um den Haken. In Zeit von zwei Stunden hatten wir vierzig bis fünfzig an Deck liegen, und der Koch fand alle Hände voll zu thun sie rein zu machen, und theils für die nächsten Mahlzeiten zuzubereiten, theils einzusalzen. Sie wogen von 1 ½ Pfund bis 2 Pfund, und schmeckten, wenn auch etwas trocken, nachdem man so lange Zeit kein frisches Fleisch bekommen hat, vortrefflich.

Auch von dem Fleisch des Spermfisches hatte der Capitän einmal Fricandellen zurecht machen lassen, und es war Alles gethan, sie geschmackvoll zuzubereiten, sie wollten uns aber nicht behagen, und wenn sie auch gerade nichts Thraniges hatten, sah doch das rothe feste Fleisch schon nichts weniger als appetitlich aus, und schmeckte ebenso wie es aussah. Mehlspeisen, in ganz frischem Thran gebacken, sind übrigens vortrefflich, und wer es nicht wüßte, würde wahrlich nicht auf die Idee kommen, es sey Wallfischthran, den er gegessen habe.

Der eigentliche Wallrath, schon wenn er aus dem Wallrathsack an Bord läuft, gerinnt, sobald er sich nur abkühlt, und die einzelnen Tropfen sehen dann fast wie Schneeflocken aus.

Sonntag den 12. Febr. wurden vom Masthead aus Fische ausgerufen; wir hofften schon wieder Spermfische zu treffen, es war aber ein Finnback, den die Wallfischfänger nicht nehmen. Nichtsdestoweniger wollte der Capitän den Fisch gerne einmal in der Nähe sehn, da es manchmal vorkommen soll, daß sehr große Spermfische ebenfalls einzeln herumstreichen und einen sehr hohen Strahl werfen, wobei sie dann leicht für Finnbacks angesehn und überlaufen werden können. Wir gingen deßhalb von 1 Uhr bis 4 Uhr über den andern Bug, N. z. W. und hielten nachher wieder unsern Cours, bekamen ihn aber nicht mehr in Sicht.

Delphine und Albicores zeigten sich mehre um das Schiff herum, wir konnten jedoch bis jetzt noch keinen davon fangen.

Den 13. und 14. Februar schrahlte der Wind immer mehr nach Osten herum, und wir hatten noch nicht einmal die Länge der Gesellschaftsinseln gewonnen, in deren Nähe wir uns jetzt befanden; kein Segel war zu sehen, ausgenommen ein kleiner englischer Schooner, der uns am 14. passirte.

Das Leben verging uns indessen ziemlich einförmig; Wallfische kamen nicht mehr in Sicht, und der Wind wehte fortwährend so von Osten, daß wir nur sehr wenig Fortgang in Länge, nach Osten zu, machen konnten. Das einzige, was uns die Zeit in etwas vertrieb war, daß wir nach Bonitos fischten, die sich aber jetzt viel scheuer zeigten als früher und nur selten einen ihrer Schaar zu uns an Bord ließen. Wir hatten übrigens noch Vorrath von den vor einigen Tagen gefangenen, die der Koch unter eines der Wallfischboote, so daß sie das Mondlicht nicht erreichen konnte, zum Trocknen aufgehangen; wir räucherten einige von diesen, und sie schmeckten uns delikat, so daß wir eines schönen Abends eine ganz anständige Quantität davon verzehrten. Die Strafe blieb übrigens nicht aus, und wir sollten bald genug erfahren, daß das Mondlicht nicht allein Fische vergiften kann, sondern die Luft schon Einfluß darauf ausübt, wenn nicht der Stoff selber dazu in den Fischen lag.

Kaum eine halbe Stunde nach dem Abendessen fühlte ich eine furchtbare Hitze in den Schläfen und einen ziemlich stechenden Kopfschmerz. Das Gesicht schwoll mir an, und mir war, als ob mir die Stirnadern zerspringen wollten. Die Anderen lachten mich aus, ihre Freude sollte aber nicht lange dauern, denn kaum eine Viertelstunde später zeigten sich bei ihnen dieselben Symptome, und der Steward besonders bekam einen Kopf, mit dem er sich sehen lassen konnte. Jedenfalls waren die Fische daran schuld, denn nur die, welche davon gegessen hatten, spürten die Folgen, die jedoch nicht lange anhielten.

So mußten wir dann richtig bis zum 19. Febr. südlich hinunter laufen, ohne im Stande gewesen zu seyn eine der Inseln, die wir jetzt schon in der Ferne erkennen konnten, anzulaufen. Gegen Abend gingen wir deßhalb über den andern Bug mit NNO. Cours, während der Wind jetzt zu unseren Gunsten aufräumte, und wir am nächsten Tag schon Osten zu Süden lagen. Aber der Wind schlief auch fast ein, und erst am 22. kamen wir gegen Abend so dicht an die Insel hinan, daß wir das niedere Land derselben erkennen konnten. Um aber nicht im Dunkeln etwa auf unvorhergesehene Riffe zu laufen, denn neue entstehen fortwährend in diesem Theil des Oceans, und besonders in der Nähe von Land, drehten wir bis Mitternacht wieder ab, und waren am anderen Morgen nur noch wenige Meilen davon entfernt.

Der Leser kann sich denken, mit welcher Spannung ich dießmal den Sonnenaufgang erwartete, denn nach langem Umherkreuzen fast aufs gerathewohl, näherte sich der Augenblick, wo ich wieder Land, und zwar ein total fremdes, aller Wahrscheinlichkeit nach nur von wilden Stämmen bewohntes Land betreten sollte, und wie würde ich von ihnen empfangen werden?

Die Insel war auf der englischen Karte, und sogar nicht ganz genau in der Breite, als »Charles Saunders« angegeben, ja wir wußten nicht einmal ob sie bewohnt sey – das erste Land, was wir von ihr gesehen, war ein langer, niederer Hügel gewesen, von dem rechts und links aber, je näher wir kamen, niedere Korallenriffe mit Cocospalmen und anderen tropischen Pflanzen dicht bewachsen, ausliefen – und sollte ich es hier wagen so ohne weiteres mit Sack und Pack an Land zu gehn? – Als wir näher kamen, erkannten wir eine dünne Rauchsäule, die am einen Ende der Insel aus den Büschen heraus emporstieg – das war Alles was ich verlangte; wo Rauch war, mußten Menschen seyn, und da es jetzt fast ganz Windstille wurde, befahl der Capitän das Boot des ersten Harpuniers niederzulassen und an Land zu fahren. Noch einmal nahm er mich aber jetzt vor, und warnte mich, so aufs Gerathewohl Leben und Eigenthum aufs Spiel zu setzen, erbot sich auch freundlich mich, wenn mich mein Plan nur im mindesten gereuen sollte, mit dem größten Vergnügen zurück nach den Sandwichsinseln zu nehmen. Capitän Heyn hatte sich überhaupt gegen mich die ganze Reise hindurch auf das Freundschaftlichste und Herzlichste bewiesen, und blieb so bis zum letzten Augenblick – mir lagen aber die Cocospalmen schon in den Gliedern – dort vor mir rauschten sie – eine Büchsenkugel hätte sie fast erreichen können und ich sollte umkehren? – und wenn ich gewußt hätte daß Menschenfresser auf der Insel wohnten, ich hätte es versucht, aber umkehren war wahrlich der letzte Gedanke den ich hatte.

So ade denn, mein alter Alexander Barkley – die Sachen sind schon durch die Leute rasch hinabgereicht, unten im Boot – der alte Harpunier und vier Bootsteuerer sollen mich hinüber, und womöglich eine Bootladung voll Früchte zurückbringen, denn der Capitän fürchtet, wenn er Matrosen mit zum Rudern an Land schickt, könnten sie ihm davon laufen – noch einmal ade Euch Allen, der Capitän schüttelte mir zum Abschied herzlich die Hand, und die nächste Minute fand mich schon im kleinen Boot, rasch und mit kräftigen Ruderschlägen den schattigen Palmenhainen der Küste entgegenstrebend.


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