Friedrich Gerstäcker
Südamerika
Friedrich Gerstäcker

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11. Eine Macht auf dem Kirchhof zu Valparaiso

»Waren Sie schon oben im Pavillon des Kirchhofs?« frug mich Einer meiner in Valparaiso neugewonnenen Freunde, als wir zusammen eines Morgens an der Landung auf- und abgingen, und ich eben der reizenden Aussicht erwähnt hatte, die wir selbst von dem niederen Strand aus genossen.

»Noch nicht?« erwiederte er lebhaft auf meine verneinende Antwort – »ei das dürfen Sie nicht versäumen – es sind auch einige in Italien und vortrefflich aus carrarischem Marmor gearbeitete Monumente oben.«

Ich bin gern zwischen Gräbern – es hat etwas unbeschreiblich Rührendes für mich die niederen Hügel zu durchwandern, unter denen die stillen Todten, so ruhig und friedlich mit gefaltenen Händen in enger freundlicher Nachbarschaft – wie Blätter in einem Stammbuch – liegen, jeder in seinem Stübchen und die kurze Inschrift zu Häupten nennt Namen und Datum des Blattes. Dort freue ich mich auch jeder Blume, die eine treusorgende Hand für die letzte Ruhestätte der Entschlafenen gepflückt und den kleinen Hügel mit den duftenden Blüthen geschmückt hat.

»Wandle zwischen Gräbern, dort wohnt die Liebe – auch aus der Ferne weht ihr warmer Athem Dir entgegen.«

»Wir wollen gleich einmal hinaufgehen,« sagte mein Freund, der sich nach einem eben erst eingenommenen bedeutenden Frühstück etwas Bewegung zu machen wünschte – »die Aussicht vom Pavillon ist wahrhaft entzückend – Sie haben dort oben einen vollkommenen Ueberblick über Stadt und Hafen, und die Monumente sind allein das Bergsteigen werth.«

Die Monumente lockten mich nicht – mir haben die großen massiven Marmorblöcke auf den stillen Wohnungen der Todten etwas Unheimliches, Erdrückendes. Zu schwer lastet ihr Gewicht auf den armen Dahingeschiedenen, zu undurchdringlich lagern sie sich zwischen ihn und die Blumen, die den Stein wohl umschmiegen, aber ihren Thau nicht auf das Grab schütteln und süße liebe Worte hinunterflüstern können, anders wünsche ich mir selber einmal die eigene stille Ruhestätte – im Wald möcht ich begraben werden, im lieben grünen rauschenden Wald und der Baum, dessen Wurzeln sich dann um mich schlängen, sollte mir auch den Hügel mit seinem Thau begießen und den Vögeln Schutz und Schirm gewähren, die ihre leise Todtenklage über mich sängen. Nur keinen kalten unbeweglichen Steinblock oben darauf – die Erde drückt schwer genug wenn wir Abschied von ihr und alle dem nehmen mußten, was uns auf ihr, ach so unendlich lieb und theuer war.

Wir kletterten langsam den steilen, zickzack laufenden Bergpfad hinan, und erreichten endlich ein langes schmales, aber freundliches Gebäude das des Todtengräbers Wohnung, wie Capelle und Betsäle enthielt.

Als wir durch den Corridor gingen warf ich den Blick links in ein offenstehendes Gemach, und sah darin einen behäbigen Mönch in weißer Kutte (Franziskaner glaub' ich) der die dicken fetten Hände auf dem Bauch gefaltet hielt und seine Daumen, in Mangel besserer Beschäftigung, umeinander herumjagte. Hatte er Messen für die Todten gelesen? – es sah schwül und dumpfig in dem Zimmer aus und die weiße Gestalt diente nicht dazu, den Raum freundlicher zu machen. – Mir bleibt es stets ein unheimliches Gefühl, diese Gebete für und über die Dahingeschiedenen, und ich ging rasch vorüber.

Erst als wir auf den offenen freundlichen Platz hinaustraten, der hier, auf der Kuppe des Küstenhügels die Gräber der in Valparaiso gestorbenen Katholiken umschloß, athmete ich wieder frei auf. Rechts und links von uns lag ein schmales, mit niederem Staket umschlossenes Gärtchen, voll schattiger Orangen und Cypressenbäume, voll Blumen und Blüthen, und dicht dahinter der Gottesacker mit seinen Stein- und Marmorplatten und einfachen prunklosen Gräbern, während hie und da, aus ihnen heraus, das prachtvolle, von hohem Eisengitter umschlossene Monument eines »Großen der Stadt« emporragte, und noch jetzt sogar für den Todten – denn er selber lag so tief und still wie die Anderen – über die Nachbargräber hinwegschaute und die Blicke des Wanderers auf sich lenkte. Der aber fand auch hier nur Staub, so gut wie bei dem Nachbar, und die Bewunderung, die er dem herrlich gemeißelten Steine zollen mußte – galt auch eben nur dem Stein und dem Künstler, der dem Marmor solches Leben einzuhauchen wußte – nicht dem, der darunter den langen Todesschlaf schlief und der Auferstehung entgegenträumte.

Mein Führer hatte aber wirklich recht – nur das eine Monument der Familie Waddington wäre es werth, den Ort zu besuchen. Es ist ein einfacher Würfel aus cararischem Marmor, mit einem eben solchen Sarkophag darauf, und auf diesem liegt in leichten, die schlanken jugendlichen Glieder umfließenden Gewande, eine trauernde Mädchengestalt; aber diese schmerzdurchzuckte Brust scheint zu athmen und der Wind in den zarten Falten des Kleides zu spielen, so kunstvoll ist der Stein gemeißelt. Es sind noch einige reichere Monumente auf dem Gottesacker, mit ebenfalls kunstreich ausgeführten Figuren und von trefflicher Arbeit, ich kehrte aber immer und immer wieder zu der trauernden Frauengestalt zurück und konnte mich kaum satt sehen an dem lieblichen rührenden Bilde.

Gerade hinter dem prachtvollen Monument der Familie Gonzales erhob sich ein wunderliches thurmähnliches Gebäu – oben darauf mit eisernem Gitterwerk, fast wie ein Vogelbauer, weitläufig überspannt, das Ganze jedoch hoch, und weder mit Eingang noch Treppe.

Mein Führer erklärte mir, das sey ein Beinhaus, in welches die »alten Knochen« hineingeworfen würden. – »Räumt man denn die Gräber wieder aus?« – »Die Gräber sowohl als jene Kuhle dort« – lautete die Antwort, »doch die wollen wir nachher besuchen, jetzt müssen Sie erst einmal die Aussicht des Pavillons bewundern.«

Wir schritten rechts an dem Knochenkäfig vorüber, gingen durch ein kleines Zimmer, in welchem einige »Sargkasten,« deren Gebrauch ich mir aber beim ersten Anblick nicht gleich erklären konnte, standen, und betraten dann den Balkon des Pavillons, der, dicht an den Hang gebaut, den ganzen Hafen bis hinaus in das stille Meer, wie weit weit nach den schneegedeckten Cordilleren hinüber, überschaute.

Der Anblick war, gerade von diesem Punkt aus, entzückend, und ich konnte das Auge nicht abwenden von dem reizenden Panorama. Tief tief unter mir die von Menschen bewegte, lebendige Stadt – Maulthiertrupps, die dicht am Strande zusammengeschaart standen und geduldig des Führers harrten, hin- und hersprengende Reiter, schwerbeladene Wägen, welche die Produkte des inneren Landes zum Markte oder zum Hafenplatz schafften, daneben das rege Treiben der Bai – die zahlreichen dort liegenden Schiffe mit ihren bunten Flaggen und Pennants, die hin- und herschießenden Boote –, einsegelnde Fahrzeuge, von denen der vor der Börse stehende Telegraph schon lange die Meldung gebracht – selbst die Möven und blitzschnellen Taucher der Bai, die auf der stillen, spiegelglatten Wasserfläche umherschwammen, die scharfgeschnittenen Köpfe vorsichtig nach allen Richtungen hindrehten und bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr rasch in die Tiefe fuhren, und nur in den ausschwellenden Wasserkreisen ihre Spur zurückließen – dann darüber der heiter und blau ausgespannte Himmel, der weit im Osten drüben auf den zackigen, schneeglühenden Kuppen der Cordilleren zu ruhen schien – das Alles breitete sich in einem reizenden, nie vergessenen Bilde vor dem entzückten Auge aus, und nicht satt schauen konnte dieses an all dem Herrlichen, was ihm hier in solcher Fülle geboten wurde.

Die Umgegend von Valparaiso hat gewiß, da ihr der Baumwuchs gänzlich fehlt, wenig Anziehendes, von da oben aus vergißt man aber fast diesen Mangel, und während die belebte reizende Bai den Mittelpunkt des schönen Panorama's bildet, ist der Eindruck des großartigen Hintergrundes vom Ocean und Cordilleren zu gewaltig, sich der einzelnen Mängel zu erinnern.

Ich weiß nicht wie lange ich da gestanden haben würde, hätte mich nicht mein Führer darauf aufmerksam gemacht, daß wir eigentlich noch etwas auf dem Kirchhof ansehen müßten, was ich nicht versäumen dürfe – die Kuhle. –

Die Kuhle? ich wußte gar nicht, was er mit dem Worte Kuhle eigentlich meinte – Kuhle, Grube, was für eine Grube – ein neugemachtes Grab? –

»Nein, die Kuhle, wohinein die Armen von Valparaiso kommen,« lautete die Antwort, und er ging mir voran durch das Sargkastenzimmer wieder durch und rechts einem hochaufgeworfenen Erdhaufen zu. Ich folgte ihm, und stand bald darauf am Rande einer wohl 10 Fuß tiefen, 16–18 Fuß langen und auch vielleicht 10 Fuß breiten Grube, die mir beim ersten flüchtig hineingeworfenen Blick leer schien.

»Hier hinein kommen die Armen,« sagte mein Freund.

»Also werden die Särge hier wahrscheinlich schichtenweis beigesetzt?« frug ich – »aber da ist's doch nicht recht, daß sie nicht wenigstens ein Dach gegen den Regen darüber machen – das Wasser muß sich ja da unten sammeln.«

»Ich weiß nicht einmal, ob sie Särge haben,« lautete die Antwort; »mir ist nur gesagt daß man sie in den Kasten, die da drinne stehen, hier herausträgt, und da geht doch keinenfalls ein Sarg hinein.«

»Nun, ohne Särge wird man sie doch nicht hier in das offene Loch legen,« erwiederte ich ihm ungläubig, »so begraben ja die Wilden nicht einmal ihre Todten – sehen Sie das Schwarze da unten, von dem der Sand heruntergerutscht ist, das muß jedenfalls ein Sarg seyn.«

»Ein Sarg? wohl schwerlich, es ist rund und unegeal – wahrhaftig, das ist eine Leiche–sehen Sie die Feuchtigkeit, die da an der Seite herauskommt? – da unten liegt auch ein Kinderschuh.« –

»Ein Schuh?« – erwiederte ich schaudernd, denn der einmal geweckte Verdacht überschaute jetzt schärfer und aufmerksamer die früher nicht beachteten Erhöhungen und Vertiefungen der Grube – der Schuh stand aufrecht auf dem Hacken, der Sand, der von ihm ausging, lag gerade da, nach der Ecke hinauf, höher als anderswo – auch das war eine Leiche.

»Sie bewundern wohl hier die Katacomben, Gentlemen,« näselte in diesem Augenblick ein Amerikaner, der ganz unbemerkt zu uns getreten war, »ja, sie haben hier in Valparaiso eine ganz freundliche Art, ihre Todten unter, oder eigentlich genau genommen, nur in die Erde zu bringen, denn unter die Erde kann man das doch eigentlich nicht gut nennen, wenn Einem nachher noch Arme und Beine herausstrecken.«

»Also sind das wirklich Leichen, die dort unten ohne Sarg und kaum mit einer Handvoll Erde bedeckt liegen?« frug ich, und konnte mich dabei eines unwillkürlichen Grausens nicht erwehren.

»Treten Sie einmal dort unter den Wind,« sagte der Amerikaner lachend, »dann können Sie mir die Antwort ersparen; man braucht kein Indianer zu seyn, um da Menschen zu wittern. Beugen Sie sich übrigens einmal ein wenig vornüber – sehen Sie den Ellbogen hier in der Ecke? – das ist eine Frau, die sie gestern hinuntergeworfen haben.«

»Hinunter geworfen?« rief ich fast unwillkürlich – »von oben hinunter?«

»Ha ha ha! Fremder, you're green yet,« amüsirte sich der Yankee, »hier werden mit den abgetragenen »Seelfutteralen« nicht viel Umstände gemacht. Es ist dieß übrigens das beste Mittel gegen das »lebendig begraben werden« – vor dem ich, beiläufig gesagt, allen möglichen Respekt habe, das wohl je erfunden wurde. – Ist man noch nicht todt, so bricht man ziemlich sicher beim »Beisetzen« den Hals, und wäre selbst der zäh genug, einen solchen Sprung auszuhalten, und käme man später da unten wieder zur Besinnung, ei, so braucht man nur einfach aufzustehen, sich das Bischen Erde abzuschütteln und an der hier lehnenden Leiter hinauszusteigen – hat man sich nachher den Sand etwas aus den Haaren gekämmt, so sind alle Spuren der Beerdigung verschwunden.«

»Aber hinunter geworfen werden die Leichen doch nicht,« entgegnete ich dem Mann, und zwar keineswegs in einer Stimmung auf seine Scherze einzugehen – »die Leiter ist doch jedenfalls dazu da sie hinunter zu tragen

»Wenn Ihnen das so unglaublich scheint,« entgegnete der Amerikaner, »so seyn Sie so gut und sehen Sie einmal jene Ecke dort an – dort, wo die verschiedenen Fetzen von alten Kleidern hängen – denken Sie denn daß mit einem armen Teufel, mit dem nur eben Leute genug gehen ihn herauszuschleppen, große Umstände gemacht, und etwa gar noch Leute herbeigeholt werden ihn sanft und bequem hinunter zu legen? Gott bewahre, die Träger kommen in einem halb Trott, und immer dabei ihr Santa Maria ec brummend, an die Grube hier – die Leiche liegt offen, gewöhnlich in ihrer Alltagstracht, manchmal wenn die Verwandten es daran wenden können, in ein schwarzes Tuch eingeschlagen, in diesem ebenfalls offenen Kasten, von denen sie ein paar da drinnen sehen können, und am Rande dieses freundlichen Plätzchens sendet ein plötzlicher Ruck und Wurf den Cadaver zum Ort seiner Bestimmung nieder. Nachher steigt einer von ihnen hinunter die Leiche gerade zu ziehen – nicht etwa der Leiche wegen, sondern nur damit sie nicht mehr Platz wegnimmt, als unumgänglich nöthig ist. Von oben hinunter werden dann ein paar Schaufeln voll Erde geworfen; auch wieder nicht der Leiche, sondern nur des Geruches wegen, und das Begräbniß ist beendet. Sind ihrer mehre dabei, so fassen sie den Körper wohl bei Armen und Beinen an und reichen ihn sich hinunter, sonst aber nicht – ich bin schon, wie manchmal, dabei gewesen. Sehen Sie dort drüben, in der einen Ecke, wo das halbe Gerippe noch in seinen alten Lumpen aus der Erde vorschaut, dort werden sie gewöhnlich »abgeladen.« Die Knochen da bröckeln sich bei der Gelegenheit auch langsam mit los und jeder neue Leichnam nimmt sich ein paar mit zum Andenken in die Tiefe.«

»Doch Gentlemen,« unterbrach er sich plötzlich, »der Aufenthalt hier ist nichts weniger als angenehm, der Wind kommt bald von der, bald von jener Seite und so sehr ich auch die Todten achte, so rieche ich sie doch nicht gern.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und schlenderte pfeifend an dem Gebeinkäfig vorüber, dem Ausgang zu.

»Nun wollen wir auch noch den protestantischen Kirchhof besuchen«, sagte mein Freund, »er liegt hier gerade gegenüber und ist zwar einfach, denn von einer hohen Mauer rings umgeben fehlt ihm die schöne Aussicht, fehlen ihm die prachtvollen Monumente, ihm fehlt aber auch Gott sey Dank dafür eine solche Leichenkuhle – mich ekelts hier bei den Todten.«

Fast willenlos folgte ich ihm, denn ich muß aufrichtig gestehen, das Widerliche des eben gesehenen Grabes hatte, vielleicht auch weil es so ganz unerwartet gekommen, einen solchen Eindruck auf mich gemacht, daß ich den gar nicht so schnell wieder abzuschütteln vermochte. Wir schritten langsam zwischen den Gräbern hin, dem kleinen Gärtchen wieder zu, aber ich hatte keine Augen mehr, weder für die Monumente noch die Blumen – immer und immer wieder kehrte mein Blick von ihnen nach jenem Erdhaufen zurück und gerade sie mit dem blau und freundlich darüber ausgespannten Himmel machten den Gegensatz nur noch furchtbarer. Ich war ordentlich froh, als wir den Platz verlassen hatten.

Dicht neben dem katholischen Kirchhof, und von diesem nur durch einen Fahrweg getrennt, ebenso wie dieser aber von einer hohen Mauer eingeschlossen, liegt der protestantische Gottesacker von Valparaiso – eine gewiß lobenswerthe Toleranz der jetzigen Regierung, wenn man bedenkt, wie noch vor gar nicht so langen Jahren die Inquisition an den Ufern des stillen Meeres gewüthet hatte. Ihm fehlte allerdings die prachtvolle Aussicht des katholischen Kirchhofs, ihm fehlten die kostbaren Monumente, ja ich weiß nicht einmal ob ein protestantischer Geistlicher die Aufsicht über den »geweihten Grund« hatte – aber dafür lag Arm wie Reich in seinen stillen Gräbern friedlich nebeneinander. Einfache Steine oder Kreuze standen zu Häupten der Geschiedenen; die Zurückgebliebenen konnten Blumen auf die Gräber ihrer Lieben pflanzen und den Ort besuchen, ohne mit Schaudern vor ihrer letzten Ruhestätte zurückzubeben.

Besonders viel Matrosen schienen hier, den verschiedenen Inschriften nach, beigesetzt zu seyn, auf deren Denkplatte oder noch häufiger auf den einfach hölzernen Kreuzen ein paar Verse die Trauer der Kameraden oder eine kurze Betrachtung ausdrückten. Ja ich fand sogar hie und da einen gewissen seemännischen Humor, der sich bis auf das Grab hinaus erstreckt hatte.

So lautete die eine Grabschrift Isaak Tickell's von Ihrer Majestät Schiff Präsident:

Shipmates, all my cruise is up
My body's moor'd at rest
My soul is – where?? – aloft of course,
Rejoicing with the blest.

Kameraden, meine Fahrt ist aus,
Mein Körper liegt ruhig vor Anker,
Meine Seele ist – wo? – nun natürlich noch oben,
Und jubelt mit den Seligen.

Eine andere:

The commodore short warning gave
For me, to anchor ship
My moorings hard and fast are laid
Till signal's made to trip.

Der Commodore gab kurze Ordre
Mein Schiff vor Anker zu legen,
So lieg ich denn hier hart und fest
Bis das Signal zum Lichten gegeben wird.

Wir fanden noch mehre ähnliche Inschriften und verließen endlich den Kirchhof, wieder in die Stadt hinunter zu steigen. Mir kam aber die Grube nicht aus dem Gedächtniß – nicht vergessen könnt' ich die Leichen die dort oben, wild und bunt durch und übereinander geworfen, und kaum mit einer Hand voll Staub bedeckt, in Sonne und Regen lagen, und am nächsten Morgen wanderte ich, trotz dem Schauder den ich beim ersten Anblick empfunden, doch wieder hinauf, den Gottesacker zu besuchen.

Gottes Acker das Wort klang mir, wenn ich neben der schauerlichen Grube stand, wie die fürchterlichste Ironie. Ein Acker Gottes sollte das seyn? – eine Düngergrube war's in die man menschliche Wesen, oft noch warm – denn der Südamerikaner läßt die Leichen, besonders die der Aermeren manchmal kaum acht oder zehn Stunden über der Erde – hinabgeworfen. – Aber selbst der Schauder den ich empfand, hatte eine Art schwer zu beschreibenden Reizes für mich. So eiskalt es mir jedesmal über Herz und Seele lief, wenn ich später die Nähe des Schreckensortes betrat, so konnte ich doch auch – ich glaube wenn ich selbst gewollt hätte, den Platz nicht mehr meiden. So muß, jenem naturhistorischen Märchen nach, dem Vogel zu Muthe seyn, der von den fest auf ihn gerichteten Blicken der Schlange wie betäubt, den Ort der Gefahr meiden will, und statt ihn zu fliehen, nur näher und näher dahin gezogen wird.

Tag für Tag ging ich hinauf, manchmal sogar zweimal, und die Leichen in der Grube kamen mir zuletzt vor wie alte Bekannte, auf deren Gesichter ich mich nur nicht mehr recht besinnen konnte. Der Knabe in der Ecke mit dem vorgestreckten Bein und der schwarze Leichnam an der Seite – der braune Todtenkopf, der dort so stier und ernst nach dem blauen Himmel – halt – am zweiten Tag hatten die da unten Besuch bekommen. Dort lagen ein paar Füße die ich noch nicht kannte – die Schuhe waren oben aufgeschnitten – den Mann drückten seine Hühneraugen nicht mehr – und rothe Fußlappen schauten durch.

Das Frauenkleid, was am andern Morgen unter dem Sand vorschimmerte, mußte auch über Nacht eingeführt seyn – ich war noch spät, am Abend vorher, oben gewesen, und hatte nichts von ihr gesehen, und mein alter Freund, das Gerippe – wie rauh sie mit dem umgegangen – die Hälfte der Rippen lag unten; das hatte jedenfalls der Mann mit den rothen Fußlappen gethan.

Eins that mir weh – so kalt und öde lagen die Leichen da unten in ihrer Gruft, keine einzige Blume war ihnen mitgegeben in das traurige Grab – kein Zeichen der Liebe, keines, der Trauer um die Hingeschiedenen, und da draußen blühten so viele Blumen.

Am nächsten Tage war ich Morgens, unterhalb des Leuchtthurms, am Seegestade, um nach ankommenden Schiffen auszuschauen und Massen von Blumen wucherten dort, wohinaus die Brandung mit ihren peitschenden Salzarmen nicht langen konnte, zwischen den Steinen und Klippen. Sternblümchen besonders viel, und eine andere Art, die genau wie unsere Maiblumen dufteten, und rothe glockenartige Blüthen. Von den allen pflückte ich einen großen mächtigen Strauß – das ganze Taschentuch hatt' ich voll, trug sie geraden Wegs auf den Kirchhof hinauf, und streute sie dort über die armen Verlassenen – Vergessenen – in die Grube. Auch das Gerippe bekam sein Theil, es sah aber gar so wunderlich aus, wie die Blüthen in den gräßlichen Ueberbleibseln eines Menschen hingen.

Ich bekam jetzt eine ordentliche Sehnsucht darnach ein Begräbniß mit anzusehen – so oft ich das Grab besuchte war fast stets ein neuer Gast eingekehrt, und keiner mir vorher vorgestellt worden – ich wollte auch einmal bei der Einführung seyn. Dieß Verlangen wurde noch gesteigert als ich erfuhr, daß man in Valparaiso die Todten alle um Mitternacht begrabe. Mit dem Glockenschlag zwölf verlassen die Träger mit der Leiche das Haus oder Schiff, und ziehen mit Laternen, deren Anzahl sich natürlich nach dem Reichthum des Verstorbenen richtet, dem Kirchhof zu; mir wurde auch gesagt, ich brauche mich nur eine einzige Nacht gerade vor zwölf Uhr vor dem Gottesacker einzufinden, und ich würde nicht vergeblich warten, denn es verginge selten eine Nacht, in der nicht wenigstens eine Leiche begraben würde.

In der ersten Nacht traf ich es aber doch so, und saß fast bis um ein Uhr an dem steilen Hügel, dicht unter der Mauer und harrte umsonst – es kam keine Leiche. In der zweiten Nacht war ich glücklicher; gleich nach drei Viertel auf zwölf saß ich schon auf meinem Posten, und der Mond schien hell und klar auf die mir gegenüberliegende zerrissene Schlucht, deren einen Abhang der Gottesacker deckt und auf die an der anderen Seite darüber hingestreuten kleinen Gebäude nieder. Da pfiffen in der Stadt die Wächter und schrieen Stunde und Wetter ab, und von einem der Schiffe in der dunkeln Bai löste sich fast in demselben Moment ein Boot ab, und sechs kleine, aber scharf abgezeichnete Lichter blitzten auf der fast schwarzen Fläche und glitten rasch dem Ufer zu. Kaum konnten sie dieß berührt haben, als auch die Lichter schon in der Straße sichtbar wurden und sich jetzt die schmale düstere Straße heraufzogen, die vom Strande ab gleich nach dem Gottesacker hinaufführte und die Kirchhofsgasse genannt wurde.

Deutlich konnte ich ihnen folgen, als sie in die verschiedenen Biegungen des Schlangen- und Zickzackpfades einlenkten – nicht viel später waren sie oben bei mir, denn der Berg ist nur wenige hundert Fuß hoch, und ich konnte jetzt den schmalen Sarg erkennen, den vier und viere abwechselnden zwei Riemen (Ruder) hängend seiner letzten Ruhestätte zutrugen.

Die Thür des protestantischen Kirchhofs war aber noch verschlossen und ein Midshipman, der die Leiche begleitete, klopfte erst leise, dann immer stärker an die verschlossene Thür. Das Getöse schallte unheimlich durch die stille Nacht, doch trieb es den schläfrigen Todtengräber von seinem Lager auf – er öffnete die Pforte, und die Matrosen betraten den protestantischen Kirchhof, durch den hin sie langsam zur Kapelle schritten, dort ein kurzes Gebet über die Leiche sprachen und dann den Kameraden in sein stilles, schon für ihn bereitetes Kämmerlein ernst und ruhig beisetzten.

Meine Aufmerksamkeit wurde aber hiervon bald abgelenkt, denn von unten herauf vernahm ich ein dumpfes wunderliches Geräusch, und als ich an den Rand des Hügels, vor den Kirchhof trat, sah ich einen langen Zug blitzender Laternen, wohl mehre hundert Stück, und eine Masse sich rasch den Berg herauf bewegender Männer, die unter einem ununterbrochenen monotonen Gemurmel näher kamen. Ich konnte übrigens nur die Worte Santa Maria José verstehen; die Leute hatten schon fast den Athem verloren, als sie die Kuppe des Berges erreichten, und das Gemurmel, wenn es ein Gebet seyn sollte, wurde zum unverständlichen Stöhnen.

Drei Särge folgten sich, mitten in diesem Menschenschwarm und einem wahren Lichtstrom dicht hinter einander, später fand ich aber, daß alle diese Lichter nur einem, und zwar dem zweiten Sarge galten; die andern beiden waren nur Sargkasten und hatten sich zu diesem feierlichen Geleit gewissermaßen eingeschwärzt.

Die Träger schienen ihre Last übrigens ungemein gern loswerden zu wollen, und nicht zu verdenken war's ihnen, denn der Berg ist steil, und den ersten und dritten Sarg warfen sie auch mehr von den Schultern, als daß sie ihn, endlich die Kirchhofsthüre erreicht, niedersetzten.

Ein Mönch in weißer Kutte trat hier vor die Thür und sprach einen kurzen Segen über die Leichen, wonach sie der geweihten Erde zugelassen werden konnten.

Einer der gewöhnlichsten und ordinärsten Sargkasten war im Zug, jedenfalls seiner kürzeren Entfernung vom Hause wegen, der erste gewesen, dieser mußte aber jetzt, auf einen strengen Wink des Todtengräbers, der recht gut wußte, was sich hier oben unter den Tobten schicke, warten, bis der bessere Sarg voran über die Schwelle getragen worden. Dieser enthielt den Leichnam eines hochgestellten Mannes und kam gleich in die Kapelle, wo er so lange beigesetzt blieb, bis am andern Morgen das Hochamt, oder eine andere Todtenfeier über ihn gehalten werden konnte. Die Bekannten und Freunde dieses Mannes kehrten auch, gleich oben am Hügel, nachdem sie den Sarg nur den Händen des Priesters überliefert hatten, wieder um; die Peons aber, die Diener, welche die Laternen trugen, oder dem Zug sonst, theils aus Anhänglichkeit, theils aus Neugierde gefolgt waren, begleiteten auch die beiden andern Leichen zu dem Ort ihrer Bestimmung – der Kuhle.

Um einen »guten Platz« zu bekommen, war ich schon ein paar Minuten vorangegangen, und hatte meine Stellung am äußersten Rande der Grube genommen, wo ich den nahenden Zug und den Ort selbst vollkommen gut überschauen konnte. O wie still und unheimlich lagen sie da unten in ihrem kalten trostlosen Grab – wie schien der Mond – der liebe reine Mond – so schauerlich auf Moder und Verwesung hernieder, und gab sich vergebene Mühe den entsetzlichen Anblick des geschwärzten Leichnams zu mildern, oder einen Schatten über die sonst unbedeckten und vorragenden Gliedmaßen der hier Begrabenen zu werfen.

Indessen war oben der Segen fertig gesprochen worden, und die Laternen näherten sich der Gruft. Die beiden Sargkasten, der eine mit schwarzem Tuch überspannt, voran, der andere ganz offen, wurden bis dicht zum Rand getragen, und dann von dem ersten die obere Hülle abgenommen.

Ein in ein schwarzes Leichentuch gehüllter Körper lag darin; drei der umstehenden Peons nahmen ihn heraus, zwei andere stiegen an der Leiter die Grube hinab, und bereiteten sich, sie unten in Empfang zu nehmen; es waren Menschen genug da, und sie brauchten die Körper nicht gerade hinunter zu werfen. – Aber wie rücksichtslos die Lebenden da unten auf den Todten herumschritten – wie sie sich gar nicht ein wenig in Acht nahmen, und doch unter ihren Füßen die, Köpfe und Glieder der kaum mit Erde Bedeckten fühlen mußten. Sie schonten gar nichts, selbst nicht die ehrwürdige schwarze Leiche und dort – wahrhaftig, der eine Schuft hatte mit dem einen Fuß gerad' hineingetreten, und zog ihn jetzt, selber erschreckt, rasch wieder zurück. Sie verdarben mir den ganzen Platz, und stampften auch meine armen kleinen Blumen unerbittlich in den weichen, leichengeschwellten Boden hinein.

Den einen Körper hoben sie jetzt hinunter – er hatte die Arme auf der Brust gekreuzt und war schon starr und steif. Die beiden die unten standen legten ihn ordentlich und lang ausgestreckt dicht an die steile und scharf abgestochene Wand der Grube an und nahmen ihm dann, wie es Gebrauch und Sitte ist, das schwarze Grabtuch von dem bleichen Antlitz. Es war ein edles, bärtiges Gesicht und der Mond schien hell und klar in die stillen, von keinem Schmerz mehr gefurchten bleichen Züge.

Der eine Peon, der oben stand, stieß seine Schaufel in den Boden und wollte mit der ausgehobenen Erde den unten Ausgestreckten bewerfen, der ihm Nächste griff aber seinen Arm und sagte – »erst den Anderen noch« – und in der That stand auch schon der zweite Sarg dicht neben dem ersten, der Deckel wurde abgenommen und wie ich aus einigen Worten meiner Nachbarn verstehen konnte, war es die Leiche eines Mannes, den man in einem der wilden Stadtviertel noch an demselben Abend ermordet gefunden hatte. Der Körper hatte noch seine volle Gelenkigkeit, ja wahrscheinlich auch Wärme und es schien schwierig ihn aus dem Sargkasten zu nehmen, auch faßten bei diesem nur zweie an, und setzten dann die Leiche, daß die Füße über den Rand hinunterhingen, auf die Erde nieder. Die beiden Untenstehenden traten indessen näher hinan, der Eine stemmte sich mit dem rechten Fuß gegen die dort verscharrte Kinderleiche, einen festeren Stand zu bekommen, und der Andere hob die Arme, den Herunterkommenden aufzufangen. Als aber die am Sarg postirten Männer gerade unter die schlaff niederfallenden Arme griffen, fiel der bis dahin über den Kopf der Leiche geschlagene Zipfel des alten Poncho herunter, und wie ein Stich zuckte es mir durch die Seele, als mein Blick dem stieren Glanz in des Todten noch weit geöffneten Augen begegnete. Die bleichen, mit Blut befleckten Züge waren wie in Angst und Zorn verzerrt, und das ungewisse Licht des Mondes verlieh ihnen in dem wechselnden Schatten eines dünnen, über den Berghang streichenden Nebels ein eigenes, entsetzliches Leben. Gleichzeitig glitt der schwere Körper von der so schon losgebröckelten Erde ab und mit vorgestreckten Armen, als ob er sich selber noch vor dem Sturz bewahren wolle, fiel er gegen den, auf so etwas nicht gefaßten und sich rasch unter ihm fortbückenden Peon, nahm dabei einen Theil des Gerippes und alle meine Blumen mit hinunter, und lag im nächsten Augenblick still und regungslos auf dem Kameraden mit den rothen Fußlappen. Die beiden Männer rückten ihn aber rasch wieder zurecht, so daß er dicht neben den zuletzt Hineingebetteten zu liegen kam, und als das geschehen war, stiegen sie wieder nach oben und warfen von dort einige Spaten voll Erde auf die beiden Leichen nieder.

Die Körper erzitterten dabei jedesmal wenn das Gewicht der Erde auf sie stürzte und der Mond schien jetzt voll und klar in die beiden Menschenantlitze – bis endlich der Sand die Züge verdeckte. Lange noch konnte ich aber die Stirn des Ermordeten erkennen – wie ein weißer Punkt leuchtete sie aus dem dunkleren Erdreich vor, bis eine Schaufel voll Erde auch dieß verwischte und das letzte sichtbare Zeichen der Hingeschiedenen blieb nur noch etwa die ungefähre Form der Körper unter dem trockenen Sande.

Das Begräbniß war beendet – die Leute stellten die Spaten und Sargkasten wieder in das kleine Eckzimmer des Pavillons und ich selber folgte ihnen dorthin, und trat auf den Balkon hinaus. – Mir war das Ganze wie ein fürchterlicher Traum, der Kopf brannte mir fieberhaft, und ich zitterte an allen Gliedern. Sonst habe ich selber gewiß keine außergewöhnlich schwache Nerven, und dem Tod schon manchmal in's Auge geschaut, dieß ganze Treiben aber hier, das Beseitigen der Leichen, denn Begraben konnte man das ja doch wahrlich nicht nennen, die entsetzliche Gleichgültigkeit der Leute dabei, ihr Lachen und Erzählen selbst noch in Gegenwart der Todten und das monotone Abplärren der Gebetsformeln, fast wie zum Spott und Hohn der Hingeschiedenen, hatte etwas unbeschreiblich Fürchterliches für mich.

Und wie still und friedlich lag dabei dicht unter mir die freundliche Bai, die ruhig schlummernde Stadt – leise plätschernd schlug in einem weißen, von den Mondesstrahlen mit Silberglanz übergossenen Schaumstreifen die Brandung an den Strand, und von den Schiffen in der Bai, die wie müde Wasservögel auf dem unbewegten Spiegel der See ruhten, blitzte nur hie und da ein einzelnes Nachtlicht herüber, während ein Boot, dasselbe wahrscheinlich das die Leiche des Matrosen zu Lande geschafft, mit regelmäßigen, in den Mondstrahlen jedesmal aufblitzenden Ruderschlägen, zwischen die dunklen Fahrzeuge hineinglitt und in ihrem Schatten verschwand. Die Straßen der tief unter mir liegenden Stadt schimmerten ebenfalls hell und weiß in des Mondes Licht, da und dort bogen einzelne Wanderer, die Rückkehrenden von ihrem Leichengang, in die stillen Straßen ein und verschwanden bald hier bald da, die Plätze und Gassen wieder so öde lassend als vorher – und nur noch der schrille Pfiff der Nachtwächter, oder das einzelne Anschlagen eines Hundes tönte zu mir herauf – und hinter mir?

Unwillkürlich fast zog es mich zu der offenen Gruft zurück – der Kirchhof lag still und öde da, denn die letzten der Männer hatten den unheimlichen Platz verlassen und ich setzte mich leise, als ob ich die da unten Schlummernden zu stören fürchte, auf den ausgeworfenen Erdhaufen nieder, von wo aus ich die Uebersicht über den ganzen Kirchhof hatte.

Ich weiß nicht wie lange ich da gesessen habe – ein so eigenthümliches wildschauerliches Gefühl hielt mir aber Herz und Sinne befangen, daß es mir fast vorkam, als ob ich mit zu denen da unten gehöre und nicht mehr fort von ihnen dürfe, sondern nun Wachthalten müsse auf dem Schreckensplatz.

Der Mond war schon tief auf die Bai hinabgesunken, und nur noch auf die Ueberreste des schmutzigweißen Gerippes in der einen oberen Ecke der Grube fiel sein bleicher Strahl, als ich mich endlich gewaltsam losriß von allen Gedanken und Bildern die mich hier fast wie gebannt hielten mit ihren Geisterarmen. Es konnte auch nicht mehr weit von Morgen seyn, und ich fürchtete schon die Thür verschlossen zu finden. Bei der Leiche des »reichen Mannes« mochten aber wohl noch Messen gelesen werden – es brannte Licht in der Kapelle wie in dem Wohnzimmer des Todtengräbers, und die Thür stand ebenfalls nur eingeklinkt.

Langsam stieg ich in die Stadt hinab und träumte die Nacht ich läge in der Grube, und könnte nicht warm werden bei den kalten Nachbarn und Schlafkameraden.


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