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2. Kapitel. Berliner Unterhaltungen auf Gesellschaften.

a) Am Trompetertisch.

»Weißt Du, Olly, es ist von Deiner Tante eigentlich unerhört, daß sie uns an den Trompetertisch setzt! Wir sind doch keine Kinder mehr!« – – »Ja, aber Lotty, zu den jungen Ehepaaren oder den Rechtsanwälten, Doktoren und Offizieren mit ihren Damen passen wir wirklich noch nicht recht!« – meinte die Angeredete leise. – – »Aber! Wir sind doch im siebzehnten Jahre! Sieh nur, wie Fräulein Klara den Assessor anhimmelt. Die macht Jagd auf ihn! Er ist schneidig!« – – »Der Assessor wird sich hüten. Dem laufen noch ganz andere nach. Der hat an jeder Hand zehn, wenn er will! Neulich hat er erst zu Kurt gesagt: Es fiele ihm gar nicht ein, sich so billig weg zu geben. Unter zweimalhunderttausend thut der es nicht. Und das hat die doch nicht, sonst trüge sie nicht schon den zweiten Winter das gleiche Kleid!« – – »Zwei Winter schon? Nee, das brächte ich nicht fertig! Ich schämte mich tot! Wo hast Du Deine Toilette arbeiten lassen – – – beim Schneider?« – – »Nein, Lotty, das thäte Mama nicht! Es ist bei einer Schneiderin gemacht!« – – »Ach was? Na, es ist ja ganz nett! Olly, Du hast so einen hübschen Hals! Schade, daß bei mir immer noch die Knochen zu sehen sind! Dabei esse ich schon lauter Sachen, die stark machen und trinke nur Malzbier! Dennoch scheint Hopfen und Malz verloren!« – –

Der Braten wird herumgereicht. Lottys Nachbar, ein junger Kadett, der vor dem Fähnrichsexamen steht, nimmt eine riesige Portion und verzehrt sie heißhungrig. Die beiden jungen Mädchen wechseln Blicke. – »Deine Tante hat mir in Herrn von Kunzen einen recht unterhaltenden Tischherrn gegeben. Bis jetzt versenkt er sich nur in das Essen und kümmert sich den Teufel um mich!« – schilt Lotty. Ihre Freundin meint gutmütig: »Ärgere Dich nicht, Herzchen! Das machen die meisten Kadetten so. Solche Soupers haben sie in Lichterfelde nicht. Da holen sie es auf den Gesellschaften nach. Nachher, wenn das Dessert gereicht wird, paß 'mal auf, dann wacht er auf und ist ein famoser Unterhalter und ein grandioser Tänzer. Er kann himmlisch die Kur schneiden! Und vorhin sagte er von Dir, Du wärst die eleganteste Dame hier!« – Lottys Augen glitzern. »So, na, zum Lohne dafür werde ich den ausgehungerten Jüngling ungestört lassen! – – – – Hast Du etwas von A. W. gehört?« – – »Pst, um Gottes willen!« – – »Ich sah ihn neulich in der Dorotheenstraße. Die Couleurmütze steht ihm famos!« – – »Lotty, um Gottes willen, schweig!« – – »Wem steht die Couleurmütze so ausgezeichnet, mein gnädiges Fräulein?« – mischt sich der Kandidat der Medizin, der Ollys Tischherr ist, jetzt in die Unterhaltung. Die jungen Mädchen erröten. »Ach, einem Bekannten von uns?« – – »Darf ich den Namen nicht wissen, meine Damen?« – – – – – »Ach, Sie kennen ihn doch nicht!« – – »So! Nun, ich bin nicht indiskret!« – – »Sind Sie auch in einem Korps? Herr Doktor.« – – »Ich bin Vandale, meine Gnädigste.« – – »Ah!« – – »Laufen Sie eigentlich Schlittschuh, meine Damen?« – – »Selbstredend, himmlischer Sport!« – – »Natürlich, wonnig!« – – »Auf welcher Bahn denn?« – – Beide antworten zugleich: »Auf der Westeisbahn!« – – »Ach, meine Damen, Sie müssen auf dem Neuen See laufen, das ist doch weit feudaler. Morgen komme ich dort mit einigen schneidigen Kommilitonen hin, so gegen zwölf Uhr! Es wäre doch schön, wenn ich Sie, meine Damen, dort treffen könnte!« – – Lotty und Olly sehen sich fragend an, dann rufen sie: »Gewiß, das wäre sehr möglich. Morgen wollten wir ohnehin auf den Neuen See!« – – »Das trifft sich ja famos! Radeln Sie auch?« – – »Ich – – – – – mit Leidenschaft!« – entgegnete Olly. »Und Sie nicht, gnädiges Fräulein?« – – »Nein! Meine Eltern wünschen es nicht. Ich rudere, schwimme, turne und soll jetzt auch fechten lernen! Das ist moderner! Papa sagt: »Jetzt radle alle Welt, es ist gewöhnlich!« Später, wenn die Radelwut aufgehört hat, soll ich anfangen! Das ist mir auch lieber!« – – »Besuchen Sie auch die Universität? Das ist doch jetzt der neueste Sport der jungen Berlinerinnen?« – fragt er sarkastisch lächelnd. – »Bitte, seien Sie nicht so ironisch, Herr Doktor, unsere gemeinsame Freundin Ellen hört bei Professor Erich Schmidt die Litteraturvorlesung. Sie schreibt sehr fleißig mit und arbeitet alles aus. Sie spricht über nichts anderes als Göthe, sehr ernst! Und für Schmidt schwärmt sie! In ihrem Zimmer hängt seine Photographie und von ihrer Cousine hat sie einen Brief geschenkt bekommen. Den hat er an diese geschrieben. Ellen trägt ihn immer bei sich! Er ist auch bildschön!« – erklärt Lotty. – »Sein Organ soll wunderbar sein!« – bestätigt Olly. – – »Aha, Ihr Fräulein Freundin studiert, wie ich sehe, wirklich mit Ernst und »Liebe«!« – sagt er ironisch. – – – »Gewiß! – Wir besuchen das Viktorialyceum!« – – »So! Lernen Sie auch schneidern und kochen?« – – »Gott bewahre!« – – »Warum so entrüstet, gnädiges Fräulein?« – – »Gar nicht entrüstet; aber dazu haben wir doch noch Zeit, wenn wir uns verloben!« – – »Ach so!« – –

* * *

b) Moderne Mädchen.

Auf einem Erker im Salon sitzen bei einem Tanzfest drei junge Damen. Unter ihnen, auf das Geländer gestützt, im Zimmer – steht Doktor Brusing, ein Nationalökonom. Neben diesem Doktor Veldt, ein junger Arzt. Alle fünf sind in eifrigster Unterhaltung begriffen.

– Plötzlich kommen aus dem Tanzsaal zwei Offiziere. Sie nähern sich dem etwas abgeschlossenen Plätzchen. Jeder verneigt sich vor einer Dame.

Leutnant A.: »Dürfte ich um den nächsten Walzer bitten, meine Gnädigste?« – –

Fräulein Else: »Danke sehr, Herr Leutnant, ich tanze nicht!« – –

Leutnant A.: »Ach, wie schade! Ist es ein Prinzip, meine Gnädigste, oder einfache Unlust? Eine so berühmte Tänzerin, wie Sie, Wird sich doch hoffentlich von Straußschen einschmeichelnden Klängen verlocken lassen?« – –

Fräulein Else: »Ich bedaure wirklich, Herr Leutnant. Nicht aus Prinzip oder Unlust, oh nein! Aber seit Anfang des Winters arbeite ich in den »Sozialen Frauengruppen« mit. Und wissen Sie, wenn man da soviel Not und Elend, soviel menschlichen Jammer sieht, da wird man unwillkürlich ernst und verliert den Geschmack am Tanzen!« – –

Leutnant A.: »Ich darf Sie natürlich Ihren edlen Bestrebungen nicht entziehen! Aber ließe sich die Hingabe an die öffentliche Wohlfahrt und harmlose Vergnügungen nicht vereinen?« – –

Fräulein Else: »Vielleicht, Herr Leutnant! Aber wozu soll ich mich zwingen? Lassen Sie uns lieber ernst plaudern!« – –

Leutnant A.: »Meine Gnädigste, wenn man ein paar Tage schweren Dienst hatte und sich nebenbei die halben Nächte auf die Kriegsakademie vorbereitet, dann ist man wohl zu einem Tänzchen oder einer lustigen Plänkelei; aber nicht zu einer ernsten Unterhaltung fähig und aufgelegt. Sie verzeihen, wenn ich mich zurückziehe!« – (Verbeugt sich.)

Oberleutnant von F.: »Gnädiges Fräulein, Sie haben mir schon den Souperwalzer verweigert. Ich hoffe, Sie werden mir diesen nicht abschlagen! Darf ich bitten?« –

Fräulein Dora, ungeduldig: »Aber, Herr Oberleutnant, seien Sie nicht fade! Ich kann nun einmal an dem Herumspringen keine Freude haben. Schon beim Souper erzählte ich Ihnen doch von meinem Examensfieber! All' die Gedanken und Kenntnisse würden von dem Drehen noch mehr durcheinanderfliegen!« – –

Oberleutnant von F., kühl: »Die Verantwortung möchte ich allerdings nicht auf mich nehmen, ich trete zurück!« – –

Fräulein Dora, einlenkend: »Setzen Sie sich zu uns, und erklären Sie mir lieber unseren letzten Krieg, ich muß gestehen – – – –« –

Oberleutnant von F.: »Mein gnädiges Fräulein, dazu ist hier wohl nicht der Ort! Ich habe Pflichten gegen die Hausfrau und die tanzlustigen Damen. Sie gestatten?«

Fräulein Frieda, nachdem die Offiziere im Nebenzimmer verschwunden sind, zu den andern: »Das war charakteristisch!« – – »Durchaus!« – – »Das bunte Tuch!« – – »Hahaha!«

Doktor Brusing zu Frieda: »Das ist eben der besprochene Unterschied zwischen Schmoller und Wagner an der Universität! Ich erklärte es Ihnen! Schwören Sie nicht zu sehr auf den einen! Aus Ihrem sonst sehr logischen Artikel in der Volkswirtschaftlichen Zeitung war aber eine gewisse Einseitigkeit zu erkennen!« – –

Fräulein Frieda, eifrig: »Ja, aber sehen Sie die Statistik durch!« – –

Doktor Brusing, wegwerfend: »Da hab' ich Sie! Statistiken kann jeder von seinem Standpunkt aus anders aufnehmen. Die sind nie maßgebend!« – –

Fräulein Frieda: »Aber ich bitte Sie, eine Aufnahme der Bevölkerungsziffer und eine Verteilung der Erträge und – – – – –« –

Doktor Brusing, triumphierend: »Kann ebenso täuschen. Sehen Sie doch das Staatswissenschaftliche Handbuch nach. Im übrigen ist da nur England maßgebend!« – –

Fräulein Else, unterbrechend: »Hören Sie, Doktor, ich muß entschieden nach England. Dort sollen die Säuglingsheime, die Heilstätten, ja so praktisch angelegt sein und sich so vorzüglich bewähren? Wissen Sie etwas darüber?« – –

Doktor Brusing: »Nein, Fräulein Thal! Ich habe mich drüben besonders über das Zunft- und Genossenschaftswesen unterrichtet!« –

Doktor Veldt: »Wieviel Säuglinge haben Sie in der Krippe?« – –

Fräulein Else: »Im Westen sechzehn. Im Norden achtundfünfzig. Neulich bei den Untersuchungen war es höchst interessant. Ihr Kollege steht ganz auf meinem Standpunkt. Diese heriditäre Belastung ist – – – – –« –

Fräulein Dora: »Menschen, macht mir den Mund nicht wässrig! Wenn ich so von Eurer praktischen Bethätigung, Euren Frauengruppen, Samariterkursen, Unfallstationsarbeiten höre, dann werde ich rein wild. Jetzt erst das Abiturium und dann das lange Studium, schrecklich! Ich zappele nach Praxis! Wenn ich bloß erst das Staatsexamen hinter mir hätte und praktizieren könnte!« –

Doktor Veldt: »Beruhigen Sie sich, Fräulein Dora! Schon in Ihrer Studentenzeit werden Sie soviel sehen und hören, soviel in die Kliniken kommen, daß Sie befriedigt sein werden!«

Fräulein Frieda: »Noch ein paar Wochen, Dörte, und dann bist Du auch Tochter der Alma Mater! Prosit Kommilitonin!« – –

Sie plaudern und fachsimpeln weiter. Ein Diener reichte Getränke und Schalen mit Konfekt und kleinen Kuchen herum. Sie bedienen sich, ohne ihre Gespräche zu unterbrechen. Die Hausfrau tritt hinzu und horcht einige Minuten. Schließlich ruft sie entrüstet:

»Aber, meine Herrschaften, sind das Ballunterhaltungen! Wir wollen doch hier lustig sein, harmlos plaudern und tanzen! Seien Sie doch nicht so emanzipiert, meine Damen! Immer munter! Meine Herren, ich bitte Sie! Man ist doch nur einmal jung! Nutzen Sie die Tage der Rosen!« – –

Die Mädchen durcheinander rufend: »Lassen Sie uns, gnädige Frau, so amüsieren wir uns am besten!« – – »Wir unterhalten uns lieber!« – – »Laß uns in Ruhe, Annchen!«

Die Herren: »Wir freuen uns, über die faden Ballgespräche enthoben zu sein!« – –

»Wir unterhalten uns trefflich!« – –

Die Wirtin: »O bitte, dann will ich nicht stören. Jedem das Seine! In meinem Hause kann jeder nach seiner Façon selig werden!« – –

* * *

c) Moderne Herren.

Im Rauchzimmer sind eine Reihe Herren versammelt. In dem Gemach daneben sind vier Skattische aufgestellt. Starker Qualm herrscht und vermischt sich mit dem Geruch von Wein und Bier. Die Herrin des Hauses tritt ein und sagt halb lachend, halb ärgerlich:

»Wie in Wallensteins Lager möchte ich als Kapuzinermönch erscheinen und Ihnen eine donnernde Rede halten. Da giebt man sich nun alle Mühe und will seine Gäste unterhalten! Jawohl? Gleich nach dem Souper machen meine Gäste reinliche Scheidung. Die Damen bleiben im Salon. Die Herren ziehen sich hierher zurück, rauchen und spielen Karten. Ja, schämen Sie sich! Sogar meine jungen Register, auf die ich alle Hoffnungen gesetzt hatte! Im Speisezimmer tanzen die jungen Damen untereinander. Und nur die ganz alten oder die ganz jungen Herren tanzen noch! – – – – – – Schämen Sie sich alle! – Ihre Frauen, Töchter, all' die Töchter Evas, zürnen Ihnen! Na, warten Sie, das nächste Mal lasse ich nicht die Tische aufstellen und verbiete das Rauchen! Dann wollen Sie nicht kommen? Oho, ich lasse es darauf ankommen!«

»Aber, schönste Frau, wenn ich meine zwei Centner zum Drehen bringen sollte, dann würden Sie selbst Hilfe rufen!«

»Wir wollen die interessanten Gespräche der Damen über Kinder – Dienstmädchen – Schneiderei – und Wäsche nicht stören! Verehrteste!« – –

»Warum lassen Sie nicht in den Salons rauchen, gnädige Frau?« – – »Nur ein paar Züge. Wir kommen sofort!«

»Ach was, ich glaube Ihnen nicht mehr! Jetzt wird Fräulein Benther singen, und Liese rezitiert moderne Lyrik! Lockt Sie das nicht?« – –

»Thüren zu! Portièren vor!« – rief einer »Ach, Paul, Du bist schrecklich!« – entgegnete die Wirtin ärgerlich und geht außer sich zu den Damen. –

Herr K.: »Würden Sie zu den Aktien raten? Ich kann jetzt so gut a la Baisse kaufen!« –

Herr F.: »Meiner Meinung nach lassen Sie die Hände davon. Nur momentan keine Industriepapiere! Oder Sie hätten die Absicht, zu spekulieren?« – –

Herr K. »Nich' in die Lamain! Aber wo soll ich mit dem flüssigen Gelde hin? Zu bombensicheren preußischen Konsols habe ich keinen Mumm! Auch schwankend! Ewig wird konvertiert. Wenn ich schon mit den mündelsicheren Papieren wenig oder gar nicht gewinne, so will ich auch nicht riskieren!« – –

Herr F. »Das hat 'was für sich! Nehmen Sie eine Hypothek auf ein solides Haus in guter Gegend. Das ist die beste Anlage!«

Herr K. »Seit den neusten Krächen der Hypotheken-Aktienbanken ist mein Vertrauen etwas erschüttert!« – –

Herr F. »Beteiligen Sie sich an einem guten, leistungsfähigen Unternehmen. Geldleute werden immer gesucht! Ich wollte, ich hätte damals bei dem Gasglühlicht zugegriffen; aber ich Ochse war ängstlich. Hunderttausend »Mmchen« hätte ich glatt verdient. Sehen Sie sich doch 'mal die Geschichte da draußen in – – – – –« – –

 

Herr Sch. »Mensch, wie fanden Sie den Fasan? Mau, was? Das Biest hat schon unter der Fasanerie beim alten Fritz in Sanssouci Aufsehen erregt!« –

Herr Dr. »Auch das Filet war matt! Unsere verehrte Hausfrau sollte den Koch wechseln. Legt der Kerl Pfefferlinge unter die Gemüse und kalte Kartoffelcroquettes.«

Herr Sch. »Die Forellen waren bon! Haben Sie auch Steinbutt genommen?« – –

Herr Dr. »Konnte ich denn? Alles wurde so schnell gereicht! Und ich führte die Rätin Blendau. Die Frau sieht alle Premieren von Berlin und hat eine Suade! Grauenvoll solche Tischdame, die einen immerfort beansprucht! Man hätte mir ruhig meine Olle lassen sollen. Erstens dieserhalb und zweitens außerdem!« – –

Herr Sch. »Der Burgunder war gut.«

Herr Dr. »Er hat eine berühmte Weinzunge. Übrigens ist auch das Münchner Bier brillant. Direkt vom Faß! Sie haben sich zwei Achtel kommen lassen! Drin, im Spielzimmer liegen sie bekränzt!«

Herr Sch. »So! Ich will sogar nicht vergessen, die reizende Frau zu fragen, wo sie ihre Petit Fours und das Konfekt kauft? Wir sind von Nowosat nicht mehr so begeistert! Ob der Mann noch auf der Höhe ist?«

Herr Dr. »Lieben Sie Süßes so sehr? Ich mache mir nichts draus!« – –

Herr Sch. »Ach ja, so nach dem Essen oder nach dem Rauchen für den rauhen Hals liebe ich es sehr. Überhaupt: Essen hält Leib und Seele zusammen. Man giebt viel zu wenig darauf! Was meinen Sie, hat es gekostet, ehe ich meine Frau zu dem richtigen Verständnis erzog? Sie mietete die Köchinnen nur nach den Zeugnissen! Lächerlich! Jetzt miete ich sie selbst; aber ich nehme keine, die aus Offiziers- oder Beamtenfamilien kommt! Keine! Nur solche aus reichen jüdischen Häusern! Die Leute wissen zu leben! Sind alle Gourmets!« – – – –

Doktor M. »Es ist das neue elektrokaustische Verfahren, Kollege! Auf unserer Klinik haben wir damit Wunder erlebt. Die Patienten sind anfangs etwas mißtrauisch gewesen, jetzt aber gewöhnen Sie sich daran!«

Doktor St. »Machen Sie, was Sie wollen, Kollege! Wir erreichen nichts, ehe der Staat nicht einschreitet! Die Leute rennen zu den Homöopathen, lassen sich von Pfuschern hydropathisch behandeln. Oder sie strömen zu Lahmann nach dem Weißen Hirsch bei Dresden. Platens Heilmethode – Kneipp – Jäger – Lahmann, das genügt! Wozu sind wir denn noch da?« –

Doktor M. »Was wollen Sie? Können Sie es den Menschen verdenken? Meine eine Cousine sagt immer: »Geht mir mit Euern Mitteln und Kenntnissen ab! Was nützt denn Eure Weisheit, wenn die Dummheit siegt?« Damit will ich um des Himmels willen nicht jene treffen! Im Gegenteil, die Naturärzte haben nicht Unrecht. Sie erzielen zuweilen wahre Wundererfolge!«

Doktor St. »Gehen Sie doch, Kollege! Man spricht immer nur von ihren geheilten Patienten, von den Erfolgen; aber nicht von den vermanschten Fällen. Ich habe einen meiner Patienten nach einer solchen Pferdekur: »kalt Wasser und bloße Füße, freie Luft und Abhärtung« mit einer Arthritis mit Perikarditis liegen, die nicht von Pappe ist! – – – Und mein eigener Schwager, der auf Kneipp schwört, kommt nicht aus den Erkältungen heraus!« – –

Herr B. »Haben Sie schon das neuste gehört? Warum müssen die Kaufhäuser von Wertheim und Tietz zwei Ausgänge nach verschiedenen Straßen haben?«

Herr G. »Na?« – – Herr B. »Damit mehr Zug in die Sache kommt!« – – Herr G. »Au, Oberfaul! Da habe ich einen ganz andern Witz auf Lager! Sie, Sprächt und Kahle, kommen Sie 'mal 'ran. Ich habe einen Witz, prima prima!« – –

Alle Herren neigen sich zueinander und flüstern. Herr G. erzählt seinen sehr zweideutigen Scherz. Alle kreischen vor Lachen und überbieten sich gegenseitig in den gepfeffertsten Erzählungen. – In dieser Ecke des Gemaches herrscht die fröhlichste Stimmung. –

Im Spielzimmer hört man nur die Ausrufe, welche mit dem Skat zusammenhängen, sonst herrscht Schweigen und feierliche Ruhe. –

Rechtsanwalt S. »Wart Ihr bei Valentine Petit? Das Apollotheater ist jetzt mein Stammlokal! Kinder, Beine giebt es da! Schenkel! Arme! Füße! Einzig!« – –

Assessor B. »Mir ist der Wintergarten ebenso lieb. Wollen wir nicht 'mal wieder einen fidelen Abend arrangieren? Im engen Kreise, auserlesen und diskret?« – –

Hauptmann I. »Wie wäre es mit dem Maskenball im Metropoltheater?« – –

Gutsbesitzer F. »Der ist selbstverständlich! Na, Assessorchen, los, Programm gemacht!«

Assessor B. »Bon, also erst Überbrettl mit Wolzogen als Tingeltangeleur. Man sieht doch gern 'mal einen berühmten Schriftsteller so als Marktschreier und Über – brettl – mensch a la Nietzsche. Dann fahren wir zu Hiller oder Hotel Bristol soupieren. Danach irgend ein Bar. Besuch eines öffentlichen Balllokales. Zuletzt in ein Café. Na?« – –

Rechtsanwalt S. »Die alte Leier! Haben Sie nichts Besseres auf dem Anschlag? – Donnerwetter, sehen Sie einmal in den Salon! Wie die chike Frau Landgerichtsrat dasitzt! Famoser Käfer, ich schwärme für die femme de trente ans!« – –

Hauptmann I. »Mir ist die kleine Else, die in blau, lieber!« – –

Assessor B. »Ich liebe solche Germaniagestalten wie Ihre Frau Gemahlin am meisten!«

Hauptmann I. »Sehr schmeichelhaft, danke, mein Verehrtester! Aber wie wäre es, wollen wir nicht 'mal außergewöhnlich liebenswürdig sein und uns unter die Damen stürzen?« – –

Assessor B. »Und mein Abend, entre nous?« – –

Gutsbesitzer F. »Verabreden wir nachher im Café. Ein Schuft, wer schon nach Hause geht!«

Hauptmann I. »Also widmen wir uns ein Stündchen dem schönen Geschlecht. Die Damen werfen schon ebenso sehnsuchtsvolle, wie entrüstete Blicke zu uns her. Wir können es uns auch nicht gefallen lassen, daß die Leutnants und die drei Civilisten drinnen uns so schlankweg aus dem Sattel heben. Wir sind auch noch da!« – –

Rechtsanwalt S. »Na, seien wir so gnädig und stürzen uns in die Unkosten der Unterhaltung. Aber Tanzen ist nicht! Dazu sind die Studentenjahre. Man muß die Damen auch nicht verwöhnen!« – –

Assessor B. »Glauben Sie, daß wir gehirnkrank sind, Kollege? In unsern Jahren wird auch die Tanzerei nicht mehr beansprucht. Über den vergnügten Bummel das Weitere später auf neutralem Gebiete. Werden sich uns übrigens die Eheherren anschließen?« – –

Hauptmann I. »Zweifelsohne, wir wollen auch wieder einmal des Lebens Unverstand genießen! Doch nun alles klar zum Gefecht? Drauf! – – – Drauf!« – –

Die vier Herren begeben sich in den Salon zu den Damen.

 

Studiosus Z. »Du, Pascha, wie schmeckt Dir das Kraut?«

Studiosus A. »Nicht schlecht; aber mir sind die Türken lieber! Die Russen finde ich entschieden zu schwer, trotzdem ich mir die leichteste Marke aussuchte! – – Sage 'mal, Spund, warum läßt Du die Olly und die Lotty so abfallen? Du thust ja, als könntest Du nicht mehr tanzen?« – –

Studiosus Z. »Ich will auch nicht! Diese eben ausgereiften Backfische sind mir zu grün! Die poussiere ich auch höchstens auf der Eisbahn oder zu Rad. Im Ballsaal mag ich schwereres Kaliber!« –

Studiosus A. »Es sind ja auch ältere Register da. Mit dem grünen Gemüse hopst sich ja schon die junge Kaufmannschaft und die Kadetten ab!«

Studiosus Z. »Laß ihnen ihr Vergnügen, Pascha! Diese Geschäftsjungen und kommenden Offiziere essen mit Heißhunger und tanzen noch mit Leidenschaft. Es muß auch solche Käuze geben! Wollen wir uns 'mal an unsere Kommilitoninnen ranmachen?« –

Studiosus A. »Spund, bist Du wahnsinnig? Um keinen Preis diese blassen, verrückten, modernen Weiber! Komm' lieber zu den jungen Frauen, da kann man noch getrost 'ne Lippe riskieren!«

Studiosus Z. »Ach ja, das ist eine Idee! Diese Weiberchen vertragen einen Puff. Also 'ran an die Ramme!« – –

* * *

d) Unsere Frauen.

Frau Doktor: »Lassen Sie bei »Germania« – »Troy Laundry« oder Köpenick waschen?«

Frau Schulz. »Die große Wäsche gebe ich zu »Edelweiß«. Ich bin dort sehr zufrieden. Die Leute chloren wenig und ruinieren nicht so wie die andern Waschanstalten. Kinderwäsche und Küchenzeug waschen meine Mädchen mit durch. Für Baby besorgt es die Amme höchstselbst!« – –

Frau Schmidt: »Sagen Sie, Schulzchen, bei meiner Schwester wird der Storch erwartet. Sie möchte sich am liebsten schon bei Zeiten solch' eine Person sichern. Aber mein Schwager ist furchtbar ängstlich. Er erlaubt Amalie nicht, sich an ein Bureau zu wenden oder durch die Zeitung zu suchen.«

Frau Schulz: »Sehr vernünftig! Mein lieber Hausarzt verschafft mir die Ammen immer aus der königlichen Klinik. Er erkundigt sich eingehend vorher und untersucht sie genau, so daß ich ruhig sein kann. Und ich muß sagen, ich war alle drei Male sehr zufrieden!«

Frau Schmidt: »Die Idee ist glänzend! Das kann Amalie auch thun! Im übrigen ist es bei diesen »Kühen« Glückssache. »Wir« haben entsetzlich durchgemacht!«

Frau Doktor: »Ich verstehe Sie nicht! Wie können Sie sich dem aussetzen? Ich habe meine Rüpel selbst genährt!« – –

Frau Schmidt: »Sie Glückliche! Das kann nicht jede!«

Frau Schulz: »Nein, dazu hat man nicht das Recht. Erstens muß man sich dem Gatten widmen, und dann ist man selbst Mensch! Ich habe in Ehen hineingeblickt, die durch diese übertriebene Mutterliebe – – – –«

 

Frau von Berg: »Wie können Sie alle diese Eintagsfliegen mit D'Albert vergleichen? Einen so göttlichen Beethovenspieler hat die Welt nicht zum zweiten Male. Dazu gehört Geist und Tiefe und Technik! – – – Gehen Sie mir mit Pachmann und Rosenthal! Die haben raffiniertes Temperament; aber nichts weiter!«

Frau von Bleiern: »Ziehen Sie die Sinfonie- oder die Philharmonischen Konzerte vor? Ich, gnädige Frau, schwärme für Weingartner und Nickisch. Ich weiß in der That nicht, wem ich den Vorzug geben soll!«

Frau von Berg: »Mon Dieu, ich will den Ruhm dieser Herren ja absolut nicht verkleinern. Es sind tüchtige Musiker! Aber, meine Verehrte, wer wie ich Hans von Bülow am Dirigentenpult gesehen und gehört hat, der kann sich für nichts anderes erwärmen! Nicht wahr, liebste Soltau?« – –

Frau Professor Soltau: »Da wage ich nicht mitzusprechen! In der Musik maße ich mir wirklich nicht soviel Urteil bei. Schauen Sie, der Besuch dieser Konzerte gehört nun einmal zum bon ton. Ich bin in beiden abonniert. Und ich muß offen sagen: höre ich Weingartner, so schwärme ich für ihn! Sitze ich bei Nickisch, so bete ich ihn an. Diese blasse Gesichtsfarbe! Der rabenschwarze Bart, die hohe Stirn! Die schönen Hände! Der Mann ist einzig!« – –

Frau von Bleiern: »Mir ist Weingartners durchgeistigtes Künstlergesicht lieber! Übrigens waren Sie im letzten Lilli Lehmann-Konzert?« – –

Frau Professor Soltau: »Nein! Aber ich bedaure es sehr, daß wir nicht dort waren. Excellenz hatte uns zu Tisch gebeten, en petit comité! Da konnte man doch nicht gut reüssieren! – – – – Dagegen wollen wir zu Godowsky! Der Mann soll ja phänomenal sein! Der Recensent in unserer Zeitung war ja begeistert!«

Frau von Berg: »Geben Sie noch auf Kritik, Sie kleine Naive! Himmel! Neulich bei einem meiner Protegées habe ich gelacht! Gelacht, sage ich Ihnen, meine Damen! Der eine Kritikus tadelte die Technik und lobte die Vortragsweise. Der andere tadelte den Vortrag und pries die blendende Technik. Und so ging es fort, immer konträr! Kritik wirkt auch jetzt auf die Kunstkenner mehr lächerlich als betrübend!« – –

 

Frau von Delonget: »Wie finden Sie den Aufzug der Hartoch? Die Frau ist Großmutter! Sie macht sich doch einfach lächerlich mit den gefärbten Haaren, der geschnürten Taille und dem jugendlichen Kleidchen!«

Frau Rössel: »Ich ärgere mich auch schon den ganzen Abend, wie diese Person immer mit ihrer Tochter konkurrieren will? Dabei ist sie total fanée, trotz Leichner!«

Frau Kastener, leise: »Man munkelt übrigens verschiedenes! Die Hartochsche Ehe soll kein Paradies sein!«

Frau von Delonget, neugierig: »Aha, ich weiß schon! Der Bankier Y.? Nicht wahr? Aha! Das habe ich mir gedacht! Daher muß sie immer nach Monte Carlo, nach Ostende und Baden-Baden!«

Frau Rössel: »Natürlich! Er ist dann auch immer dort! Das nennt man Seelenfreundschaft! Und in Gegenwart von Maud?! Das arme Kind! Es ist ein Skandal!«

Frau Kastener: »Haben Sie übrigens von dem Krach bei Bergkoltz gehört? Ich weiß es aus positivst authentischster Quelle. Die Leute standen vor der Scheidung. Nur die Verwandten haben Sie um der Kinder willen zusammengehalten.«

Frau Rössel: »Was war denn vorgefallen?«

Frau Kastener: »Nun, es ist doch bekannt, daß er die schöne Perdrita vom Stadttheater seit Jahren aushält. Tausende verschwendet der Mann für fremde Dämchen!« –

Frau Rössel: »Ach, die Ärmste! Darum sieht sie immer so bedrückt aus!« – –

Frau von Delonget: »Die und bedrückt! Aber, Rösselchen! Es ist doch aller Welt bekannt, daß sich die Bergkoltz entschädigt! Pah! Haha! Ein so schöner Hausarzt kommt doch nicht umsonst zu einer so gesunden Frau täglich in das Haus!? Und immer gerade, wenn der Gatte im Bureau ist?« – –

Frau Rössel: »Gott, die Welt ist so schlecht und redet immer gleich soviel!« – –

Frau Kastener: »Was man auch redet, ist alles zu wenig! Ich komme doch in Berlin herum. Und ich sage Ihnen, eine Verderbtheit herrscht! Schlimmer als in Sodom und Gommorrha!« – – – –

Frau Meier: »Ich lasse seit drei Monaten bei Olfersmann arbeiten! Der Mann hat mir fünf tadellose Toiletten geliefert. Teuer ist er! Aber diese Leute haben die echte Pariser Façon und einen vornehmen Geschmack!«

Frau Cühn: »Ich bleibe Gerson treu. Die Firma hat ihren Ruf, und die Schneider sind auf mich eingearbeitet!«

Frau Lessar: »Haben Sie sich bei Keller und Reiner in der Kunstausstellung die Secessionstoiletten angesehen? Mein Mann hat mir versprochen, daß ich meine neue Robe für den Presseball in dem Atelier bestellen kann. Man geht doch dann wenigstens nicht nach der Schablone, sondern originell angezogen! Ich liebe das Aparte!« – –

Frau Kaiser: »In Berlin sieht man wirklich nur in Gesellschaften Eleganz und Chik. Leider verstehen es die Berlinerinnen gar nicht, sich für die Straße, für die Equipagen anzuziehen! Meine Verwandten aus London und Paris, die zu meiner Tochter Hochzeit hier waren, konnten sich gar nicht beruhigen. Sie fanden die hiesigen Straßentoiletten weit unter dem Provinzniveau.

Frau Cühn: »Ja, das ist wahr! Auch in den Theatern sieht man Ungeheuerliches!« – –

Frau Simpel: »Aber ich bitte Sie, meine Damen, die Einfachheit in den Theatern erleichtert doch den Besuch. Mir wäre es schrecklich, mich in Gesellschaftstoilette zu werfen. Besonders da man ja dann stets Droschken brauchen würde! Solche Vergnügungen stellen sich schon mit der Pferdebahn teuer genug. Ein einfacher, dunkler Rock und eine nette helle Blouse genügen doch!« – –

Frau Kaiser: »Das ist Auffassungssache! – – – – – Ich war nur froh, daß meine Verwandten danach bei den Bällen und der Hochzeit sahen, daß die Berlinerinnen nicht aus Klein-Trensen ihre Garderobe beziehen!« – – – – –


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