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Gezeiten

Wenn dich meine wünsche umschwärmen
Mein leidender hauch dich umschwimmt –
Ein tasten und hungern und härmen:
So scheint es im tag der verglimmt
Als dränge ein rauher umschlinger
Den jugendlich biegsamen baum·
Als glitten erkaltete finger
Auf wangen von sonnigem flaum.

Doch schliessen die schatten sich dichter
So lenkt der gedanke dich zart.
Dann gelten die klänge und lichter·
Dann ist uns auf unserer fahrt:
Es schüttle die nacht ihre locken
Wo wirbel von sternen entfliegt·
Wir wären von klingenden flocken
Umglänzt und geführt und gewiegt.

Mich hoben die träume und mären
So hoch dass die schwere mir wich –
Dir brachten die träume die zähren
Um andre um dich und um mich ...
Nun wird diese seele dir lieber
Die bleiche von duldungen wund·
Nun löscht sein verzehrendes fieber
Mein mund in dem blühenden mund.

 

Für heute lass uns nur
                von sternendingen reden!
Ich möchte jauchzen, doch
                ich bin vom wunder bleich:
Der weisheit schüler löst
                das rätselwort der Veden
Und bricht des blinden nacht
                mit einem fingerstreich,
Mit unbewusster würde
                trägt ein kind vom eden
Das kleinod köstlicher
                als manches königreich.

 

Stern der dies jahr mir regiere!
Der durch des keim-monats wehende fehde
Von einem heiteren sommer mir rede
Und auch mit blumen die ernte verziere ..
Dass sich in lächelndem schimmer verliere
Ernster beladener tage getöse,
Heimliche weisheit durch fahrvolle böse
Überfinsterte wege mich rette,
Meine schweifenden wünsche kette
Und meine ängstenden rätsel mir löse!

Lag doch in jenen schenkenden nächten
Deine wange schon auf meinen knieen
Wenn sich die zitternden melodieen
Rangen empor aus dumpf hallenden schächten!
Folgtest dem spiel von sich streitenden mächten:
Meiner geschicke vergangene gnade
Und meine leiden am fernen gestade
Bis zu der frühwolken rosigem klären ..
Wie auf der schwester verschlungene mären
Lauschte die liebliche Doniazade.

 

Umschau

Mit den gedanken ganz in dir seh ich als andre
        Gemach und stadt und silbrige allee.
Mir selber fremd bin ich erfüllt von dir und wandre
        Verzückt die nächte überm blauen schnee.

Was je versprachen glutumsäumte firmamente
        Der üppigen sommer – ward dies ganz gewährt? ..
So steht und presst den eignen arm der langgetrennte
        Den heimat grüsst und der noch zweifel nährt.

Der taumel rinnt in mildes minnen für den warter
        Dem jeder schlummer webt ein hold gespinn,
Von dir die kleinste ferne bringt ihm süsse marter
        Und ungenossner freuden anbeginn.

Du liessest nach im staunen willig niedersinkend
        Erstöhnend vor dem jähen überfluss,
Du standest auf in einer reinen glorie blinkend,
        Du warst betäubt vom atemlosen kuss.

Und eine stunde kam: da ruhten die umstrickten
        Noch glühend von der lippe wildem schwung,
Da war im raum durch den die sanften sterne blickten
        Von gold und rosen eine dämmerung.

 

Sang und Gegensang

Sang

In zittern ist mir heut als ob ich in dir läse
        Bei unsrem glück noch viel von fremdem geist ..
Als gälte dir für schaum und flüchtiges gebläse
        Was mir den atem schwellt, in adern kreist.

Was sich für dich verströmt kannst du nicht in dich saugen?
        Befreie mich von meiner lauten angst!
War das vielleicht Mein blick – der deiner toten augen?
        War das Mein hauch als du gebrochen sangst?

Gegensang

Dir gibt ersterbender und sanfter klang
        Von einer hier versunknen kunde:
Ein dumpfes gurgeln unterdrückt vom tang
        Quillt spät empor aus dunkler schrunde.

Vielleicht dass hier vom glühwurm ein geschwirr
        Und eine blume blank und schmächtig
Dich locken mag der du des weges irr
        Gern etwas weilest müd und nächtig.

Vielleicht dass eine trübe melodei
        Und dieses zuckende geschwele
Dich rühren mag und dich nicht lässt vorbei
        Am kerker der versunknen seele.

 

Betrübt als führten sie zum totenanger
Sind alle steige wo wir uns begegnen
Doch trägt die graue luft im sachten regnen
Schon einen hauch mit neuen keimen schwanger.
In dünnen reihen ziehen bis zum schachte
Erfüllt mit falbem licht die welken hecken
Wie wenn sich viele starren hände recken
Und jede eine zu umschlingen trachte ..
Der seltnen vögel klagendes gefistel
Verliert sich in den gipfeln kahler eichen·
Nur ein geheimnisvoll lebendiges zeichen
Umfängt den schwarzen stamm: die grüne mistel.
Dass hier vor tagen wol verlockend schaute
Ein kurzer strahl aus nässe-kaltem qualme
Verraten auf dem grund die blassen halme:
Das erste gras .. und zwischen dürrem kraute
In trauergruppen dunkle anemonen.
Sie neigen sich bedeckt mit silberflocken
Und hüllen noch mit ihren blauen glocken
Ihr Innres licht und ihre goldnen kronen
Und sind wie seelen die im morgengrauen
Der halberwachten wünsche und im herben
Vorfrühjahrwind voll lauerndem verderben
Sich ganz zu öffnen noch nicht recht getrauen.

 

Du sagst dass fels und mauer freudig sich umwalden
        Und führst mich wie durch dumpfen trümmerfall.
Mir klingen sterbeglocken von den heitren halden,
        Du singst ein lied im blüten-überschwall.

Sie die nicht bleiben wollten und doch weinend schieden
        Umschweben mich indess du lächelnd schaust ..
O kehren wir zurück da mir im mittagsieden
        Vor der entfachten qual geständnis graust!

Schon schwindet mir die kraft im schweigen zu verbluten
        Dass du zum heil dir, mir zum tod dich trogst ..
Ich will noch länger dankbar sein für die minuten
        Wo du mir schön erschienst und mich bewogst ..

Lebwohl! du wirst nicht sehen wenn in schmerz und schwäche
        Mein blick sich feucht geblendet senkt und schliesst
Und wenn die sonne hinter der entseelten fläche
        Im stumpfen blau ihr tiefes gold vergiesst.

 

Trübe seele – so fragtest du – was trägst du trauer?
        Ist dies für unser grosses glück dein dank?
Schwache seele – so sagt ich dir – schon ist in trauer
        Dies glück verkehrt und macht mich sterbens krank.

Bleiche seele – so fragtest du – dann losch die flamme
        Auf ewig dir die göttlich in uns brennt?
Blinde seele – so sagt ich dir – ich bin voll flamme:
        Mein ganzer schmerz ist sehnsucht nur die brennt.

Harte seele – so fragtest du – ist mehr zu geben
        Als jugend gibt? ich gab mein ganzes gut ..
Und kann von höherem wunsch ein busen beben
        Als diesem: nimm zu deinem heil mein blut!

Leichte seele – so sagt ich dir – was ist dir lieben!
        Ein schatten kaum von dem was ich dir bot ..
Dunkle seele – so sagtest du – ich muss dich lieben
        Ist auch durch dich mein schöner traum nun tot.

 

Der Spiegel

Zu eines wassers blumenlosem tiegel
Muss ich nach jeder meiner fahrten wanken.
Schon immer führte ich zu diesem spiegel
All meine träume wünsche und gedanken
Auf dass sie endlich sich darin erkennten –
Sie aber sahen stets sich blass und nächtig:
›Wir sind es nicht‹ so sprachen sie bedächtig
Und weinten wenn sie sich vom spiegel trennten.

 

Auf einmal fühlt ich durch die bitternisse
Und alter schatten schmerzliches vermodern
Das glück in vollem glanze mich umschweben.
Mir däuchte dass sein arm mich trunknen wiegte,
Dass ich den stern von seinem haupte risse
Und dann gelöst mich ihm zu füssen schmiegte.
Ich habe endlich ganz in wildem lodern
Emporgeglüht und ganz mich hingegeben.

Ihr träume wünsche kommt jezt froh zum teiche!
Wie ihr euch tief hinab zum spiegel bücket!
Ihr glaubt nicht dass das bild euch endlich gleiche?
Ist er vielleicht gefurcht von welker pflanze,
Gestört von späten jahres wolkentanze?
Wie ihr euch ängstlich aneinander drücket!
Ihr weint nicht mehr doch sagt ihr trüb und schlicht
Wie sonst: ›wir sind es nicht! wir sind es nicht!‹

 

So holst du schon geraum mit armen reffen
Dir meine gaben und du schwelgst im vollen.
Von tausend namen die für dich erschollen
Von allen küssen die geheim dich treffen

Erfährst du nichts – und trennst nicht in zu junger
Gefolgschaft waffenspiel von wahren siegen,
Nach kurzem fest seh ich dich froh entfliegen.
Wie andren: ›maass‹ so ruf ich dir: ›mehr hunger!‹

Die angst nur ziemt: dass für die uns gewährte
Glückseligkeit wir keim und nähre speichern
Um andre – nie uns selber zu bereichern
Und süsses licht verblasst und sichre fährte.

 

Danksagung

Die sommerwiese dürrt von arger flamme.
Auf einem uferpfad zertretnen kleees
Sah ich mein haupt umwirrt von zähem schlamme
Im fluss trübrot von ferner donner grimm.
Nach irren nächten sind die morgen schlimm:
Die teuren gärten wurden dumpfe pferche
Mit bäumen voll unzeitig giftigen schneees
Und hoffnungslosen tones stieg die lerche.

Da trittst du durch das land mit leichten sohlen
Und es wird hell von farben die du maltest.
Du lehrst vom frohen zweig die früchte holen
Und jagst den schatten der im dunkel kreucht ..
Wer wüsste je – du und dein still geleucht –
Bänd ich zum danke dir nicht diese krone:
Dass du mir tage mehr als sonne strahltest
Und abende als jede sternenzone.

 

Abschluss

Wenn nach erloschnen gluten auch die farbe
Der erde wechselt sich mit staub belegend·
Und trägt auch jedes in getrennte gegend
Seine schwermut und gesteht: ich darbe ..

Und wird der innre ruf zu dir auch leiser –
Ich fühle stets: ich muss mich nach dir neigen·
Dein ist mein tag zuerst· ich bin dir eigen
Und um uns stehn vom frühling her die reiser.

Wohl kommt ein andrer duft aus weichem flachse
Des grases und aus silbrig welkem blatte:
Erinnerung an fluss und fels und matte
Weckt nur den wunsch für dich: sei froh und wachse!

Und lockt es dumpf dass ich nach dem zerknittern
Der falben reste bald an fremder stätte
Die freiheit oder neue Freuden hätte:
So dringt wie zum verwandten blut ein zittern·

So denk ich dieses nun schon langen stückes
Vereinter fahrt und dieser starken schlingen
Die uns unlöslich insgeheim umfingen
Und meiner frühern qual und deines glückes.

 

Das lockere saatgefilde lechzet krank
Da es nach hartem froste schon die lauern
Lenzlichter fühlte und der pflüge zähne
Und vor dem stoss der vorjahr-stürme keuchte:
Sei mir nun fruchtend bad und linder trank
Von deiner nackten brust das blumige schauern
Das duften deiner leichtgewirrten strähne
Dein hauch dein weinen deines mundes feuchte.

 

Da waren trümmer nicht noch scherben
Da war kein abgrund war kein grab
Da war kein sehnen war kein werben:
Wo eine stunde alles gab.

Von tausend blüten war ein quillen
Im purpurlicht der zauberei.
Des vogelsangs unbändig schrillen
Durchbrach des frühlings erster schrei.

Das war ein stürzen ohne zäume
Ein rasen das kein arm beengt –
Ein öffnen neuer duftiger räume
Ein rausch der alle sinne mengt.

 

Das kampfspiel das· wo es verlezt· nur spüret
Wenn sich ein schluchzend haupt verbirgt im schooss –
Das solang prüfend greift bis es zerschnüret:
        Wird nun im traume gross.

Der wilde kuss gleich duldend wie versehrend·
Nach fluten dürstend die unschöpfbar sind·
Im grauen der vernichtung sich verzehrend:
        Wird nun im traume lind.

Das scheiden in der nacht das alles bittre
Lang fühlen lässt· wo ich dich schau und grüss
Als fremder fast und schweigen muss und zittre:
        Wird nun im traume süss.

 

Was ist dies fremde nächtliche gemäuer?
Verschlungne gänge die uns dicht umbuschen?
Gestalten fühl ich· schemen um mich huschen
Von einem früheren ungeberdigen feuer.

Sie drängen sich an mich und quälen mich.

In all der sommerstunden glühender dürre
Hast du sie festgebannt in diese schwüle
Und ruhen lassen auf verborgnem pfühle
Mit einer spende rest von wein und myrrhe.

Sie weilen noch· der erste frühwind strich ..

Sie harrten wohl bevor sie ganz zerschellten
Bis ich besuchte diese gartengründe·
Dass ich von ihrem odem mich entzünde
Dieweil sie ihrem schöpfer nichts mehr gelten:

Als schatten wirkend da das wesen wich.

 

Wieviel noch fehlte dass das fest sich jähre
Als schon aus einer gelben wolke frost
In spitzen körnern niederfiel! .. So sprosst
Denn keine unsrer saaten ohne zähre?

Für allen heftigen drang und zarten zwist·
So gilt für alle lust die uns erhöhte
Für alle klagen und beweinten nöte
Der eine sonnenumlauf nur als frist.

Herüberhingen schwellend und geklärt
Die traubenbündel an den stöcken gestern·
Die nun zu most der lang im dunkel gärt
Zerstossen werden und zu schaalen trestern.

Muss mit den ernten auch dies glück verfalben·
Verlieren zier um zier mit halm und strauch
Und unaufhaltsam ziehen mit den schwalben·
Verwehen spurlos mit dem sommerrauch?

 

Nun lass mich rufen über die verschneiten
Gefilde wo du wegzusinken drohst:
Wie du mich unbewusst durch die gezeiten
Gelenkt – im anfang spiel und dann mein trost.

Du kamst beim prunk des blumigen geschmeides·
Ich sah dich wieder bei der ersten mahd
Und unterm rauschen rötlichen getreides
Wand immer sich zu deinem haus mein pfad.

Dein wort erklang mir bei des laubes dorren
So traulich dass ich ganz mich dir befahl
Und als du schiedest lispelte verworren
In seufzertönen das verwaiste tal.

So hat das schimmern eines augenpaares
Als ziel bei jeder wanderung geglimmt.
So ward dein sanfter sang der sang des jahres
Und alles kam weil du es so bestimmt.

 

Flammen

Was machst du dass zu höherem gerase
Uns immer fernres fremdres wehn umblase?

Wenn kaum wir eine weil in stille flacken
Treibt uns ein neuer mund zu lohen zacken·

Dass schräger brand zerfurcht die blanken barren
Die heissen tropfen kaum in perlen starren·

Dass unsre kraft in überwallendem sode
Rinnt auf metall und grund zu schnellem tode ..

›Was oft und weither euch als hauch betroffen
Schwoll von den gleichen und geheimen stoffen

Durch die ihr brennt‹ – der Herr der fackeln sprichts –
›Und so ihr euch verzehrt seid ihr voll lichts.‹

 

Wellen

Ihr wellen bracht euch erst an blauen kieseln
Im waldestal wo sich die wege zwieseln.

Als bäche rolltet ihr durch sonniges land·
Verspriztet weinend am umgrünten strand.

Dann hat euch unter blitz und eisigen schlossen
Der fluss zur grossen flut hinausgestossen.

Am myrtenfels habt ihr euch wild gebäumt·
Auf unfruchtbarem sand seid ihr verschäumt.

Ihr spültet mit perlmutterfarbne leiber·
Ihr waret glückerfüllter lasten treiber·

Bis euch der sturm in weite öden jug·
An riff und klippe gellend euch zerschlug.

Nun werdet ihr in unsichtbarem schlunde
Dahin gewälzt nicht wissend mehr von stunde

Von trieb und ziel· nicht mehr von wind und lee
Als uferlose ströme durch die see.

 

Lobgesang

Du bist mein herr! wenn du auf meinem weg·
Viel-wechselnder gestalt doch gleich erkennbar
Und schön· erscheinst beug ich vor dir den nacken.
Du trägst nicht waffe mehr noch kleid noch fittich
Nur Einen schmuck: ums haar den dichten kranz.
Du rührest an – ein duftiger taumeltrank
Befängt den sinn der deinen odem spürt
Und jede fiber zuckt von deinem schlag.
Der früher nur den Sänftiger dich hiess
Gedachte nicht dass deine rosige ferse
Dein schlanker finger so zermalmen könne.
Ich werfe duldend meinen leib zurück
Auch wenn du kommst mit deiner schar von tieren
Die mit den scharfen klauen mäler brennen
Mit ihren hauern wunden reissen· seufzer
Erpressend und unnennbares gestöhn.
Wie dir entströmt geruch von weicher frucht
Und saftigem grün: so ihnen dunst der wildnis.
Nicht widert staub und feuchte die sie führen·
Kein ding das webt in deinem kreis ist schnöd.
Du reinigst die befleckung· heilst die risse
Und wischst die tränen durch dein süsses wehn.
In fahr und frohn· wenn wir nur überdauern·
Hat jeder tag mit einem sieg sein ende –
So auch dein dienst: erneute huldigung
Vergessnes lächeln ins gestirnte blau.

 


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