Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zeitgedichte

 

Das Zeitgedicht

Ihr meiner zeit genossen kanntet schon
Bemasset schon und schaltet mich – ihr fehltet.
Als ihr in lärm und wüster gier des lebens
Mit plumpem tritt und rohem Finger ranntet:
Da galt ich für den salbentrunknen prinzen
Der sanft geschaukelt seine takte zählte
In schlanker anmut oder kühler würde·
In blasser erdenferner festlichkeit.

Von einer ganzen jugend rauhen werken
Ihr rietet nichts von qualen durch den sturm
Nach höchstem first· von fährlich blutigen träumen.
›Im bund noch diesen freund!‹ und nicht nur lechzend
Nach tat war der empörer eingedrungen
Mit dolch und fackel in des feindes haus..
Ihr kundige las't kein schauern· las't kein lächeln·
Wart blind für was in dünnem schleier schlief.

Der pfeifer zog euch dann zum wunderberge
Mit schmeichelnden verliebten tönen· wies euch
So fremde schätze dass euch allgemach
Die welt verdross die unlängst man noch pries.
Nun da schon einige arkadisch säuseln
Und schmächtig prunken: greift er die fanfare·
Verlezt das morsche fleisch mit seinen sporen
Und schmetternd führt er wieder ins gedräng.

Da greise dies als mannheit schielend loben
Erseufzt ihr: solche hoheit stieg herab!
Gesang verklärter wolken ward zum schrei! ...
Ihr sehet wechsel· doch ich tat das gleiche.
Und der heut eifernde posaune bläst
Und flüssig feuer schleudert weiss dass morgen
Leicht alle schönheit kraft und grösse steigt
Aus eines knaben stillem flötenlied.

 

Dante und das zeitgedicht

Als ich am torgang zitternd niedersank
Beim anblick der Holdseligsten; von gluten
Verzehrt die bittren nächte sann; der freund
Mitleidig nach mir sah; ich nur noch hauchte
Durch ihre huld und durch mein lied an sie:
War ich den menschen spott die nie erschüttert
Dass wir so planen minnen klagen – wir
Vergängliche als ob wir immer blieben.

Ich wuchs zum mann und mich ergriff die schmach
Von stadt und reich verheert durch falsche führer ...
Wo mir das heil erschien kam ich zu hilfe
Mit geist und gut und focht mit den verderbern.
Zum lohn ward ich beraubt verfehmt und irre
Ein bettler jahrelang an fremde türen
Aufs machtgebot von tollen – sie gar bald
Nur namenloser staub indess ich lebe.

Als dann mein trüber vielverschlagner lauf·
Mein schmerz ob unsrer selbstgenährten qualen·
Mein zorn auf lasse niedre und verruchte
In form von erz gerann: da horchten viele
Sobald ihr grauen schwand dem wilden schall
Und ob auch keiner glut und klaue fühlte
Durchs eigne herz: es schwoll von Etsch bis Tiber
Der ruhm zum sitz des fried- und heimatlosen.

Doch als ich drauf der welt entfloh· die auen
Der Seligen sah· den chor der engel hörte
Und solches gab: da zieh man meine harfe
Geschwächten knab- und greisentons ... o toren!
Ich nahm aus meinem herd ein scheit und blies –
So ward die hölle· doch des vollen feuers
Bedurft ich zur bestrahlung höchster liebe
Und zur verkündigung von sonn und stern.

 

Goethe-Tag

Wir brachen mit dem zarten frührot auf
Am sommerend durch rauchendes gefild
Zu Seiner stadt. Noch standen plumpe mauer
Und würdelos gerüst von menschen frei
Und tag – unirdisch rein und fast erhaben.
Wir kamen vor sein stilles haus· wir sandten
Der ehrfurcht blick hinauf und schieden. Heute
Da alles rufen will schweigt unser gruss.

Noch wenig stunden: der geweihte raum
Erknirscht: sie die betasten um zu glauben ...
Die grellen farben flackern in den gassen·
Die festesmenge tummelt sich die gern
Sich schmückt den Grossen schmückend und ihn fragt
Wie er als schild für jede sippe diene –
Die auf der stimmen lauteste nur horcht·
Nicht höhen kennt die seelen-höhen sind.

Was wisst ihr von dem reichen traum und sange
Die ihr bestaunet! schon im kinde leiden
Das an dem wall geht· sich zum brunnen bückt·
Im jüngling qual und unrast· qual im manne
Und wehmut die er hinter lächeln barg.
Wenn er als ein noch schönerer im leben
Jezt käme – wer dann ehrte ihn? er ginge
Ein könig ungekannt an euch vorbei.

Ihr nennt ihn euer und ihr dankt und jauchzt –
Ihr freilich voll von allen seinen trieben
Nur in den untren lagen wie des tiers –
Und heute bellt allein des volkes räude ...
Doch ahnt ihr nicht dass er der staub geworden
Seit solcher frist noch viel für euch verschliesst
Und dass an ihm dem strahlenden schon viel
Verblichen ist was ihr noch ewig nennt.

 

Nietzsche

Schwergelbe wolken ziehen überm hügel
Und kühle stürme – halb des herbstes boten
Halb frühen frühlings ... Also diese mauer
Umschloss den Donnerer – ihn der einzig war
Von tausenden aus rauch und staub um ihn?
Hier sandte er auf flaches mittelland
Und tote Stadt die lezten stumpfen blitze
Und ging aus langer nacht zur längsten nacht.

Blöd trabt die menge drunten, scheucht sie nicht!
Was wäre stich der qualle, schnitt dem kraut!
Noch eine weile walte fromme stille
Und das getier das ihn mit lob befleckt
Und sich im moderdunste weiter mästet
Der ihn erwürgen half sei erst verendet!
Dann aber stehst du strahlend vor den zeiten
Wie andre führer mit der blutigen krone.

Erlöser du! selbst der unseligste –
Beladen mit der wucht von welchen losen
Hast du der sehnsucht land nie lächeln sehn?
Erschufst du götter nur um sie zu stürzen
Nie einer rast und eines baues froh?
Du hast das nächste in dir selbst getötet
Um neu begehrend dann ihm nachzuzittern
Und aufzuschrein im schmerz der einsamkeit.

Der kam zu spät der flehend zu dir sagte:
Dort ist kein weg mehr über eisige felsen
Und horste grauser vögel – nun ist not:
Sich bannen in den kreis den liebe schliesst ...
Und wenn die strenge und gequälte stimme
Dann wie ein loblied tönt in blaue nacht
Und helle flut – so klagt: sie hätte singen
Nicht reden sollen diese neue seele!

 

Boecklin

Trompetenstoss mag aus- und einbegleiten
Umflitterten popanz und feisten krämer –
Du ziehst verschont von gnaden die entehren
Aus stiller schar der nah- und fernen frommen
Den sonnen zu. Dir winken ruh die Schöne
Der städte und Toskanas treue fichten
Und weiter an ligurischen gestades
Erglühtem fels das mütterliche meer.

Als damals hässlich eitle hast begann,
Die glieder so verschnürt dass eins nur wuchre,
Der unrat schürfte, der den himmel stürmte:
Entflohest du des alltags frechem jubel:
›Was einzig hebt aus schlamm und schutt – ihr ehrt
Und kennts nicht mehr, dies kleinod reinster helle
Das alle farben strahlt rett ich zur fremde
Bis ihr entblindet wieder nach ihm ruft.‹

Ja wirklicher als jene knechteswelt
Erschufst du die der freien warmen leiber
Mit gierden süss und heiss, mit klaren freuden.
Du riefst aus silberluft und schmalen wipfeln
Aus zaubergrüner flut aus blumigem anger
Aus nächtiger schlucht die urgebornen schauer
Und vors gesims der lorbeern und oliven
Gelobtes land im duft der sagenferne.

Du gabst dem schmerz sein mass: die brandung musste
Vertönen, schrei durch güldne harfe sausen,
Und steter hoffnung tiefste bläue wölktest
Du über öde, fall und untergang ...
Dass heut wir leichten hauptes wandeln dürfen
Nicht arm im dunkel schluchzen war dein walten,
Du nur verwehrtest dass uns (dank dir Wächter!)
In kalter zeit das heilige feuer losch.

 

Porta nigra

Ingenio Alf: Scolari

Dass ich zu eurer zeit erwachen musste
Der ich die pracht der Treverstadt gekannt
Da sie den ruhm der schwester Roma teilte·
Da auge glühend gross die züge traf
Der klirrenden legionen· in der rennbahn
Die blonden Franken die mit löwen stritten·
Die tuben vor palästen und den Gott
Augustus purpurn auf dem goldnen wagen!

Hier zog die Mosel zwischen heitren villen ...
O welch ein taumel klang beim fest des weines!
Die mädchen trugen urnen lebenschwellend –
Kaum kenn ich diese trümmer, an den resten
Der kaiserlichen mauern leckt der nebel·
Entweiht in särgen liegen heilige bilder·
Daneben hingewühlt barbarenhöhlen ...
Nur aufrecht steht noch mein geliebtes tor!

Im schwarzen flor der zeiten doch voll stolz
Wirft es aus hundert fenstern die verachtung
Auf eure schlechten hütten (reisst es ein
Was euch so dauernd höhnt!) auf eure menschen:
Die fürsten priester knechte gleicher art
Gedunsne larven mit erloschnen blicken
Und frauen die ein sklav zu feil befände –
Was gelten alle dinge die ihr rühmet:

Das edelste ging euch verloren: blut ...
Wir schatten atmen kräftiger! lebendige
Gespenster! lacht der knabe Manlius ...
Er möchte über euch kein zepter schwingen
Der sich des niedrigsten erwerbs beflissen
Den ihr zu nennen scheut – ich ging gesalbt
Mit perserdüften um dies nächtige tor
Und gab mich preis den söldnern der Cäsaren!

 

Franken

Es war am schlimmsten kreuzweg meiner fahrt:
Dort aus dem abgrund züngelnd giftige flammen·
Hier die gemiednen gaue wo der ekel
Mir schwoll vor allem was man pries und übte·
Ich ihrer und sie meiner götter lachten.
Wo ist dein dichter· arm und prahlend volk?
Nicht einer ist hier: Dieser lebt verwiesen
Und Jenem weht schon frost ums wirre haupt.

Da lud von Westen märchenruf ... so klang
Das lob des ahnen seiner ewig jungen
Grossmütigen erde deren ruhm ihn glühen
Und not auch fern ihn weinen liess· der mutter
Der fremden unerkannten und verjagten ...
Ein rauschen bot dem erben gruss als lockend
In freundlichkeit und fülle sich die ebnen
Der Maas und Marne unterm frühlicht dehnten.

Und in der heitren anmut stadt· der gärten
Wehmütigem reiz· bei nachtbestrahlten türmen
Verzauberten gewölbs umgab mich jugend
Im taumel aller dinge die mir teuer –
Da schirmten held und sänger das Geheimnis:
Villiers sich hoch genug für einen thron·
Verlaine in fall und busse fromm und kindlich
Und für sein denkbild blutend: Mallarmé.

Mag traum und ferne uns als speise stärken –
Luft die wir atmen bringt nur der Lebendige.
So dank ich freunde euch die dort noch singen
Und väter die ich seit zur gruft geleitet ...
Wie oft noch spät da ich schon grund gewonnen
In trüber heimat streitend und des sieges
Noch ungewiss· lieh neue kraft dies flüstern:
Returnent franc en france dulce terre.

 

Leo XIII

Heut da sich schranzen auf den thronen brüsten
Mit wechslermienen und unedlem klirren:
Dreht unser geist begierig nach verehrung
Und schauernd vor der wahren majestät
Zum ernsten väterlichen angesicht
Des Dreigekrönten wirklichen Gesalbten
Der hundertjährig von der ewigen burg
Hinabsieht: schatten schön erfüllten daseins.

Nach seinem sorgenwerk für alle welten
Freut ihn sein rebengarten· freundlich greifen
In volle trauben seine weissen hände·
Sein mahl ist brot und wein und leichte malve
Und seine schlummerlosen nächte füllt
Kein wahn der ehrsucht· denn er sinnt auf hymnen
An die holdselige Frau· der schöpfung wonne·
Und an ihr strahlendes allmächtiges kind.

›Komm heiliger knabe! hilf der welt die birst
Dass sie nicht elend falle! einziger retter!
In deinem schutze blühe mildre zeit
Die rein aus diesen freveln sich erhebe ...
Es kehre lang erwünschter friede heim
Und brüderliche bande schlinge liebe!‹
So singt der dichter und der seher weiss:
Das neue heil kommt nur aus neuer liebe.

Wenn angetan mit allen würdezeichen
Getragen mit dem baldachin – ein vorbild
Erhabnen prunks und göttlicher verwaltung –
E r eingehüllt von weihrauch und von lichtern
Dem ganzen erdball seinen segen spendet:
So sinken wir als gläubige zu boden
Verschmolzen mit der tausendköpfigen menge
Die schön wird wenn das wunder sie ergreift.

 

Die Gräber in Speier

Uns zuckt die hand im aufgescharrten chore
Der leichenschändung frische trümmer streifend.
Wir müssen mit den tränen unsres zornes
Den raum entsühnen und mit unserm blut
Das alte blut besprechen dass es hafte·
Dass nicht der Spätre schleicht um tote steine
Beraubte tempel ausgesognen boden ...
Und der Erlauchten schar entsteigt beim bann:

Des weihtums gründer· strenge kronenstirnen·
Im missglück fest· in busse gross: nach Konrad
Der dritte Heinrich mit dem stärksten zepter –
In wälschen wirren· in des sohnes aufruhr
Der Vierte reichsten schicksals: haft und flucht·
Doch wer ihn wegen sack und asche höhnte
Den schweigt er stolz: der orte sind für euch
Von schmählicherem klange als Kanossa.

Urvater Rudolf steigt herauf mit sippe·
Er sah in seinem haus des Reiches pracht
Bis zu dem edlen Max dem lezten ritter·
Sah tiefste schmach noch heut nicht heiler wunde;
Durch mönchezank empörung fremdengeissel·
Sah der jahnausendalten herrschaft ende
Und nun die grausigen blitze um die reste
Des stamms dem unsre treue klage gilt.

Vor allen aber strahlte von der Staufischen
Ahnmutter aus dem süden her zu gast
Gerufen an dem arm des schönen Enzio
Der Grösste Friedrich· wahren volkes sehnen·
Zum Karlen- und Ottonen-plan im blick
Des Morgenlandes ungeheuren traum·
Weisheit der Kabbala und Römerwürde
Feste von Agrigent und Selinunt.

 

Pente Pigadia

an clemens· gefallen 29. april 1897

Als ihn im Kampf des Türken kugel warf
Am ölwald von Epirus: blieb der kummer
Nur uns um dieses blumenschweren frühlings
Zu rasche welke ... Ihn den liebling schonten
Geschicke mit der ärgsten qual: zu schleudern
An schranken und an öden vor dem end.
Sein abschied spürte ob verschlossner lande·
Ob noch verhangnen glücks die süsse schwermut.

Er lag gefasst· nicht mehr nach heimkehr sinnend.
Ihm gab der rausch so wunderbar gebirge
Von Attika und pracht des Inselmeeres
Wie er sie nie gesehen hätte – brausend
Ward ihm das lob der helden offenbart
Von Pindars Hohem Lied und schwoll vereint
Mit eignem sange .. dann trifft den verlezten
Der sich nicht tragen kann ins herz ein schuss.

Um seine wiege war sorgloser glanz·
Ihm reiften ruhm und huldigung· doch eitel
War ihm ein trachten ohne frommes tun·
Er half zum dank für nie erschöpfte wonnen
Die Hellas schenkte – deren matten erben
Im kriege ... jetzt beschämt noch unsre söhne
Die sich in schaler lust für künftige ämter
Verstumpfen – seine wunde wie sein lorbeer.

Wir preisen ihn· froh dass des gottes volle
Die für das wort und die gestalt verscheiden
Die kalte erde immer noch gebiert
Und dass es rollt bei ihrer namen tone
In unsren adern wie ein edler wein
Und tage noch verheisst wo wir erwachen
Wie neu: wo uns gelöst von jedem band
Fern-dunkel locken und fahr-freude winkt.

 

Die Schwestern

Sophie von Alençon
Elisabeth von Oesterreich

Wer sie gesehn: von echtem königtume
Das noch gebahren feiler gleichheit scheut
Vererbten glanz und acht und gnade hütend:
Empfing der hoheit schauer und den hauch
Von weh und wucht unfassbar der die niedren
Weit von sich wies ... So schritten sie in adel
Und stolz und trugen herrlicher als Andre
Bescholtne kronen ihr erlauchtes haar.

Die jüngste nach der brachen brautschaft trauer
Wo sie den strahlenden Unseligen streifte
Gewann die anmut der drei heiligen lilien
Und weilte still· ganz liebe und ganz lächeln.
Ihr los erfüllte sich am fest des mitleids ...
Schon gellte schrei· schon beizte rauch die augen·
Man bot ihr rettung, doch sie sprach: ›lasst erst
Die gäste gehn!‹ und sank umhüllt von flammen.

Die andre war so dass sie tränen regte
Ehmals mit huld und jugend· dann mit huld
Und trübnis. Sie in volkes jauchzen stumm·
Dem tagessinn unnahbar trug das rätsel
Verborgner ähnlung und verflackte schimmer
Mit sich von eben morgenroten welten:
Bis sie unduldbar leid zum meer zum land
Zum meer zum dolch hintrieb der sie erstach.

Doch war nicht all-erschreckend gieriges wüten
Vorsichtige sternenmilde? Beide litten
Grausamste furcht vor langsam greisem schwinden
Und wurden jäh erlöst in lezten jahren
Da noch· umschlungen von dem vollen leben,
Ihr reiz bestrickte ... Oder war dies schönheit
In ihnen dass geheimer bann sie hemmte
Zu brechen mit vergilbtem schicksalspruch?

 

Carl August

Du weisst noch ersten stürmejahrs gesell
Wie du voll trotz am zaun den hagelschlossen
Hinwarfst den blanken leib auf den blauschwarz
Die trauben hingen? wie wir beide fuhren
Durch manche finstre bahn· von grausigem lager
Uns hoben und dann rein die dämmerung grüssten?
Wir stets um einen zarten blick in fieber
Bis uns ein tempelwort zum werk berief.

Spross deiner erde mit ergiebigem drang
Und lockerer tiefe der allein dem bund
Wo mancher zierde war nicht durfte fehlen·
Mit dem verschollenen blinden folgermut
Der dient· nach ziel und eignem heil nicht fragend·
Der schlicht von dannen geht sobald er fürchtet
Er tauge minder – dank und sold verschmäht
Und ohne ruhm ins dunkel untertaucht.

Dann spannte dich die pflicht – vielleicht ein wahn –
In hartes joch das deine jugend drückte·
Als jeder seines gartens beste früchte
Einsammeln ging warst du gehemmt in fron.
Maasslos im opfer· sankst du immer tiefer
Ins martertum .. wo alle leichthin schlüpfen
Aus innrer fessel: sahst du dich verderben
Und ehrtest noch der frommen bindung fug.

Du darfst den tadlern rufen aus den trümmern:
Was tut wenn von den tausend einer mehr
Mit kargem pfunde wuchert· seine frachten
In sichre winkel birgt und weises redet:
Dieweil das mark das alle speist vermürbt!
Was gilt mein kleines leben das zerschellt
Am klippenrand· wenn aufrecht bleibt im wind
Von unsrem stamm die unverbrochne treue!

 

Die tote stadt

Die weite bucht erfüllt der neue hafen
Der alles glück des landes saugt· ein mond
Von glitzernden und rauhen häuserwänden·
Endlosen strassen drin mit gleicher gier
Die menge tages feilscht und abends tollt.
Nur hohn und mitleid steigt zur mutterstadt
Am felsen droben die mit schwarzen mauern
Verarmt daliegt· vergessen von der zeit.

Die stille veste lebt und träumt und sieht
Wie stark ihr turm in ewige sonnen ragt·
Das schweigen ihre weihebilder schüzt
Und auf den grasigen gassen ihren wohnern
Die glieder blühen durch verschlissnes tuch.
Sie spürt kein leid· sie weiss der tag bricht an:
Da schleppt sich aus den üppigen palästen
Den berg hinan von flehenden ein zug:

›Uns mäht ein ödes weh und wir verderben
Wenn ihr nicht helft – im überflusse siech.
Vergönnt uns reinen odem eurer höhe
Und klaren quell! wir finden rast in hof
Und stall und jeder höhlung eines tors.
Hier schätze wie ihr nie sie saht – die steine
Wie fracht von hundert schiffen kostbar· spange
Und reif vom werte ganzer länderbreiten!‹

Doch strenge antwort kommt: ›Hier frommt kein kauf.
Das gut was euch vor allem galt ist schutt.
Nur sieben sind gerettet die einst kamen
Und denen unsre kinder zugelächelt.
Euch all trifft tod. Schon eure zahl ist frevel.
Geht mit dem falschen prunk der unsren knaben
Zum ekel wird! Seht wie ihr nackter fuss
Ihn übers riff hinab zum meere stösst.‹

 

Das Zeitgedicht

Ich euch gewissen· ich euch stimme dringe
Durch euren unmut der verwirft und flucht:
›Nur niedre herrschen noch· die edlen starben:
Verschwemmt ist glaube und verdorrt ist liebe.
Wie flüchten wir aus dem verwesten ball?‹
Lasst euch die fackel halten wo verderben
Der zeit uns zehrt· wo ihr es schafft durch eigne
Erhizte sinne und zersplissnes herz.

Ihr wandet so das haupt bis ihr die Schönen
Die Grossen nicht mehr saht – um sie zu leugnen
Und stürztet ihre alt- und neuen bilder.
Ihr hobet über Körper weg und Boden
Aus rauch und staub und dunst den bau· schon wuchsen
In riesenformen mauern bogen türme –
Doch das gewölk das höher schwebte ahnte
Die stunde lang voraus wo er verfiel.

Dann krochet ihr in höhlen ein und riefet:
›Es ist kein tag. Nur wer den leib aus sich
Ertötet hat der lösung lohn: die dauer.‹
So schmolzen ehmals blass und fiebernd sucher
Des golds ihr erz mit wässern in dem tiegel
Und draussen gingen viele sonnenwege ..
Da ihr aus gift und kot die seele kochtet
Verspriztet ihr der guten säfte rest.

Ich sah die nun jahrtausendalten augen
Der könige aus stein von unsren träumen
Von unsren tränen schwer .. sie wie wir wussten:
Mit wüsten wechseln gärten· frost mit glut·
Nacht kommt für helle – busse für das glück.
Und schlingt das dunkel uns und unsre trauer:
Eins das von je war (keiner kennt es) währet
Und blum und jugend lacht und sang erklingt.

 


 << zurück weiter >>