Christian Fürchtegott Gellert
Die zärtlichen Schwestern
Christian Fürchtegott Gellert

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Neunter Auftritt

Julchen. Der Magister.

Julchen. Ist es nicht möglich, daß ich allein sein kann? Müssen Sie mich notwendig stören? Herr Magister! Sagen Sie mir's nur kurz, was zu Ihren Diensten ist.

Der Magister. Jungfer Muhme, ich will etwas mit Ihnen überlegen. Vielleicht bin ich wegen meiner Jahre und meiner Erfahrung nicht ungeschickt dazu. Ich liebe Sie, und Sie wissen, was der Verstand für eine unentbehrliche Sache bei allen unsern Handlungen ist.

Julchen. Ja, das weiß ich. Demungeachtet wollte ich wünschen, daß ich heute gar keinen hätte; vielleicht wäre ich ruhiger.

Der Magister. Sie übereilen sich. Wer würde uns das Wahre von dem Falschen, das Scheingut von dem wahren Gute unterscheiden helfen? Wer würde unsern Willen zu festen und glücklichen Entschließungen bringen, wenn es nicht der Verstand täte? Und würden Sie wohl so liebenswürdig geworden sein, wenn Sie nicht immer verständig gewesen wären?

Julchen. Herr Magister, Sie sind ja nicht auf Ihrer Studierstube. Was quälen Sie mich mit Ihrer Gelehrsamkeit? Ich mag ja nicht so weise sein als Sie. Ich kann es auch nicht sein, weil ich nicht so viel Geschicklichkeit besitze.

Der Magister. Zu eben der Zeit, da Sie wünschen, daß sie keine Vernunft haben möchten, beweisen Sie durch Ihre Bescheidenheit, daß Sie ihrer sehr viel haben. Ich fordere keine Gelehrsamkeit von Ihnen. Ich will sogar die meinige vergessen, indem ich mit Ihnen spreche. Sie sollen heute den Schritt zu Ihrem Glücke tun. Es scheint aber nicht, daß Sie dazu entschlossen sind. Gleichwohl wünscht es Ihr Herr Vater herzlich. Ich habe ihm versprochen, Ihnen einige kleine Vorstellungen zu tun. Und ich wünschte, daß Sie solche anhören und mir Einwürfe dagegen machen möchten. Dies kann ich, so alt ich bin, doch wohl leiden. Die Liebe ist eine der schönsten, aber auch der gefährlichsten Leidenschaften. Sie rächt sich an uns, wenn wir sie verschmähen; und sie rächt sich auch, wenn wir uns in unserm Gehorsame übereilen.

Julchen. Sie sind etwas weitläuftig in Ihren Vorstellungen. Allein, Sie sollen ohne Einwurf recht haben. Lassen Sie mich nur in Ruhe. Mein Verstand ist freilich nicht so stark an Gründen als eine Philosophie. Dennoch ist er noch immer stark genug für mein Herz gewesen.

Der Magister. Wissen Sie nicht, daß uns unsere Leidenschaften am ersten besiegen, wenn sie am ruhigsten zu sein scheinen? Das Herz der Menschen ist der größte Betrüger. Und der Klügste weiß oft selbst nicht, was in ihm vorgeht. Wir lieben und werden es zuweilen nicht eher gewahr, als bis wir nicht mehr geliebt werden. Dieses alles sollen Sie nicht glauben, weil ich's sage. Nein, weil es die größten Kenner des menschlichen Herzens, ein Sokrates, ein Plato, ein Seneca und viele von den neuern Philosophen gesagt haben.

Julchen. Ich kenne alle diese Männer nicht und verlange sie auch nicht zu kennen. Aber wenn sie so weise gewesen sind, wie Sie behaupten, so werden sie wohl auch gesagt haben, daß man ein unruhiges Herz durch viele Vorstellungen nicht noch unruhiger machen soll. Und ich traue dem Plato und Seneca, und wie sie alle heißen, so viel Einsicht und Höflichkeit zu, daß sie Sie bitten würden, mich zu verlassen, wenn sie zugegen wären. Sobald ich die Leidenschaften und insonderheit die Liebe nicht mehr regieren kann: so will ich Ihre Philosophie um Beistand ansprechen.

Der Magister. Ihre Aufrichtigkeit gefällt mir, ob sie mir gleich zu widersprechen scheint. Aber ich würde mich für sehr unphilosophisch halten, wenn ich den Widerspruch nicht gelassen anhören könnte. Sie sollen mich nicht beleidiget haben. Nein! Aber Sie sagen, Sie sind unruhig. Sollte es itzt nicht Zeit sein, diese Unruhe durch Überlegung zu dämpfen? Was verursacht Ihre Unruhe? Ist's der Affekt der Liebe oder des Abscheus? Der Furcht oder des Verlangens? Ich wollte wünschen, daß Sie ein anschauendes Erkenntnis davon hätten. Wenn man die Ursache eines moralischen Übels weiß: so weiß man auch das moralische Gegenmittel. Ich meine es gut mit Ihnen. Ich rede begreiflich, und ich wollte, daß ich noch deutlicher reden könnte.

Julchen. Ich setze nicht das geringste Mißtrauen weder in Ihre Aufrichtigkeit noch in Ihre Gelehrsamkeit. Aber ich bin verdrießlich. Ich weiß nicht, was mir fehlt, und mag es auch zu meiner Ruhe nicht wissen. Verlassen Sie mich. Sie sind mir viel zu scharfsinnig.

Der Magister. Warum loben Sie mich? Wenn Sie so viele Jahre der Wahrheit nachgedacht hätten als ich: so würden Sie vielleicht ebenso helle denken. Unterdrücken Sie Ihre Unruhe und überlegen Sie das Glück, das sich Ihnen heute auf Ihr ganzes Leben anbietet. Herr Damis verlangt Ihr Herz und scheint es auch zu verdienen. Was sagt Ihr Verstand dazu? Auf die Wahl in der Liebe kömmt das ganze Glück der Ehe an; und kein Irrtum bestraft uns so sehr als der, den wir in der Liebe begehn. Allein wenn kann man sich leichter irren als bei dieser Gelegenheit?

Julchen. Ich glaube, daß dieser Unterricht recht gut ist. Aber was wird er mir nützen, da ich nicht lieben will?

Der Magister. Sie reden sehr hitzig. Dennoch werde ich nicht aus meiner Gelassenheit kommen. Sie wollen nicht lieben, nicht heiraten? Aber wissen Sie denn auch, daß Sie dazu verbunden sind? Soll ich Ihnen den Beweis aus meinem Rechte der Natur vorlegen? Sie wollen doch, daß das menschliche Geschlecht erhalten werden soll? Dieses ist ein Zweck, den uns die Natur lehrt. Das Mittel dazu ist die Liebe. Wer den Zweck will, der muß auch das Mittel wollen, wenn er anders verständig ist. Sehn Sie denn nicht, daß Sie zur Ehe verbunden sind? Sagen Sie mir nur, ob Sie die Kraft dieser Gründe nicht fühlen?

Julchen. Ich fühle sie in der Tat nicht. Und wenn die Liebe nichts ist als eine Pflicht: so wundert mich's, wie sie so viele Herzen an sich ziehen kann. Ich will ungelehrt lieben. Ich will warten, bis mich die Liebe durch ihren Reiz bezaubern wird.

Der Magister. Jungfer Muhme, das heißt halsstarrig sein, wenn man die Augen vor den klärsten Beweisen zuschließt. Wenn Sie erkennen, daß Sie zur Ehe verbunden sind, wie könnte denn Ihr Wille undeterminiert bleiben? Ist denn der Beifall im Verstande und der Entschluß im Willen nicht eine und ebendieselbe Handlung unserer Seele? Warum wollen Sie sich denn nicht zur Heirat mit dem Herrn Damis entschließen, da Sie sehen, daß Sie eine Pflicht dazu haben?

Julchen. Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr Magister, daß ich Sie verlasse, ohne von Ihrer Sittenlehre überzeugt zu sein. Was kann ich armes Mädchen dafür, daß ich nicht so viel Einsicht habe als Plato, Seneca und Ihre andern weisen Männer? Machen Sie es mit diesen Leuten aus, warum ich keine Lust zur Heirat habe, da ich doch durch ihren Beweis dazu verbunden bin. Ich habe noch etliche Anstalten in der Küche zu machen.

Zehnter Auftritt

Der Magister. Cleon.

Der Magister. Ich habe deiner Tochter Julchen alle mögliche Vorstellungen getan. Ich habe mit der größten Selbstverleugnung mit ihr gesprochen. Ich habe ihr die stärksten Beweise angeführt; aber...

Cleon. O hättest du ihr lieber ein paar Exempel von glücklich verheirateten Mädchen angeführt.

Der Magister. Sie widersprach mir mehr als einmal; aber ich kam nicht aus meiner Gelassenheit. Ich erwies ihr, daß sie verbunden wäre zu heiraten.

Cleon. Du hast dir viel Mühe geben. Ich denke, wenn ein Mädchen achtzehn Jahre alt ist: so wird sie nicht viel wider diesen Beweis einwenden können.

Der Magister. Julchen sah alles ein. Ich machte es ihr sehr deutlich. Denn wenn man mit Ungelehrten zu tun hat, die nicht abstrakt denken können: so muß man sich herunterlassen und das Ingenium zuweilen zu Hülfe nehmen.

Cleon. Aber wie weit hast du Julchen durch deine Gründe gebracht? Will sie den Herrn Damis heiraten? Hat sie denn ihre Herzensmeinung nicht verraten? Ich kann ja den rechtschaffenen Mann nicht länger aufhalten. Er meint es so redlich und hat so viele Verdienste.

Der Magister. Sie sagte, sie wäre unruhig. Und das war eben schlimm. Denn die Gründe der Philosophie fordern ein ruhiges Herz, wenn sie die Überzeugung wirken sollen. Wenn der Verstand durch die Triebe des Willens bestürmt wird: so ist er nicht aufmerksam. Und ohne Aufmerksamkeit sind die schärfsten Beweise nichts als stumpfe Pfeile.

Cleon. Rede nicht so tiefsinnig. Du hättest sie eben sollen ruhig machen: so sähe ich den Nutzen von deiner Geschicklichkeit.

Der Magister. Ich versuchte alles. Ich zeigte ihr die schöne Seite der Liebe. Ich sagte ihr erstlich, daß eine glückliche Ehe das größte Vergnügen wäre.

Cleon. Ja, die glücklichen Ehen sind etwas sehr Schönes. Aber du hättest ihr sagen sollen, daß ihre Ehe wahrscheinlicherweise sehr glücklich werden würde. Das ist meine Absicht gewesen, warum ich dich zu ihr geschickt habe.

Der Magister. Kurz und gut, durch Lehrsätze und Erweise ist sie nicht zu gewinnen, das sehe ich wohl. Sie versteht wohl die einzelnen Sätze; aber wenn sie sie in Gedanken zusammen verbinden und dem Schlusse das Leben geben soll: so weichet ihr Verstand zurück, und sie wird ungehalten, daß er sie verläßt.

Cleon. Also kannst du mir weiter nicht helfen und sie nicht überreden?

Der Magister. Es gibt noch gewisse witzige Beweise zur Überredung, die man Beweise κατ' άνθρωπον nennen könnte. Dergleichen sind bei den alten Rednern die Fabeln und Allegorien oder Parabeln. Bei Leuten, die nicht scharf denken können, tun diese witzigen Blendwerke oft gute Dienste. Ich will sehen, ob ich durch mein Ingenium das ausrichten kann, was sie meinem Verstande versagt hat. Vielleicht macht ihr eine Fabel mehr Lust zur Heirat als eine Demonstration. Ich will eine machen und sie ihr vorlesen und tun, als ob ich sie in dem Fabelbuche eines jungen Menschen in Leipzig gefunden hätte, der sich durch seine Fabeln und Erzählungen bei der Schuljugend so beliebt gemacht hat.

Cleon. Ach ja, das tue doch, damit wir alles versuchen. Wenn die Fabel hübsch ist: so kannst du sie gleich auf meiner Tochter Hochzeit der Welt mitteilen. Mache nur nicht gar zu lange darüber. Eine Fabel ist ja keine Predigt. Es muß ja nicht alles so akkurat sein. Meine Tochter wird dich nicht verraten. Mache, daß sie ja spricht: so will ich dir ohne Fabel, aber recht aufrichtig danken.

(Der Magister geht ab.)

Eilfter Auftritt

Cleon. Lottchen.

Lottchen. Papa, der Herr Vormund des Herrn Damis hat durch seinen Bedienten dieses Zettelchen an Sie geschickt.

Cleon (er liest). »Weil Sie es verlangen: so werde ich die Ehre haben, gegen die Kaffeezeit zu Ihnen zu kommen. Ich lasse mir die Wahl des Herrn Damis, meines Mündels, sehr wohl gefallen. Er hätte nicht glücklicher wählen können. Kurz, ich will mich diesen Nachmittag mit Ihnen und Ihren Jungfern Töchtern recht vergnügen, weil ich ohnedies heute eine angenehme Nachricht vom Hofe erhalten habe. Zugleich muß ich Ihnen melden, daß heute oder morgen das Testament Ihrer seligen Frau Muhme, der Frau Stephan, geöffnet werden soll. Ich glaube gewiß, daß sie Ihnen etwas vermacht hat. Vielleicht kann ich Ihnen die Gewißheit davon um vier Uhr mitbringen. Ich bin« usw.

Das geht ja recht gut, meine liebe Tochter. Ich dachte immer, der Herr Vormund würde seine Einwilligung nicht zur Heirat geben, weil meine Tochter kein Vermögen hat.

Lottchen. Das habe ich gar nicht befürchtet. Der Herr Vormund ist ja die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst und macht sich gewiß eine Freude daraus, zu dem Glücke eines Frauenzimmers etwas beizutragen, der man keinen größern Vorwurf machen kann, als daß sie nicht reich ist.

Cleon. Tochter, du hast sehr recht. Es ist ein lieber Mann. Ich habe nur gedacht, daß er einen gewissen Fehler haben müßte, weil er schon nahe an vierzig ist und noch kein Amt hat. Aber was hilft uns das alles, wenn Julchen den Herrn Damis nicht haben will?

Lottchen. Machen Sie sich keine Sorge, lieber Papa. Julchen ist so gut als besiegt. Und ich denke, es könnte ihr kein größer Unglück widerfahren, als wenn man ihr ihren Schatz, die sogenannte Freiheit, ungeraubt ließe. Ich habe die sichersten Merkmale, daß sie den Herrn Damis liebt.

Cleon. Sollte es möglich sein? Ich dürfte es bald selbst glauben. Ihr losen Mädchen tut immer, als wenn euch nichts an den Männern läge, und heimlich habt ihr doch eine herzliche Freude an ihnen. Je nun, die Liebe ist auch nötig in der Welt, sonst hätte sie uns der Himmel nicht gegeben.

Lottchen. Papa, diese Satire auf die losen Mädchen trifft mich nicht. Ich dächte, ich machte kein Geheimnis aus meiner Liebe. Wenigstens halte ich die vernünftige Liebe für kein größer Verbrechen als die vernünftige Freundschaft. Unser Leben ist vielleicht deswegen mit so vielen Beschwerlichkeiten belegt, daß wir es uns desto mehr durch die Liebe sollen leicht und angenehm zu machen suchen.

Cleon. Mein Kind, wenn mir die Frau Muhme Stephan etwas vermacht haben sollte: so sähe ich's sehr gerne, wenn ich euch, meine Töchter, auf einen Tag versprechen und euch in kurzem auf einen Tag die Hochzeit ausrichten könnte. Ich wollte gern das ganze Vermächtnis dazu hergeben.

Lottchen. Sie sind ein liebreicher Vater. Nein, wenn Sie auch durch das Testament etwas bekommen sollten: so würde es doch ungerecht sein, wenn wir Sie durch unsre Heiraten gleich um alles brächten. Nein, lieber Papa, ich kann noch lange warten. Und mein Geliebter wird sich ohnedies nicht zur Ehe entschließen, bis er nicht eine hinlängliche Versorgung hat.

Cleon. Tue dein möglichstes, daß Julchen heute noch ja spricht. Die Mädchen müssen wohl ein wenig spröde tun; aber sie müssen es den Junggesellen auch nicht so gar sauer machen.

Lottchen. Papa, unsere selige Mama sagte nicht so.

Cleon. Loses Kind, ein Vater darf ja wohl ein Wort reden. Ich bin ja auch jung gewesen, und meine Jugend reut mich gar nicht. Ich und deine selige Mutter haben uns ein Jahr vor der Ehe und sechzehn Jahre in der Ehe wie die Kinder vertragen. Sie hat mir tausend vergnügte Stunden gemacht, und ich will's ihr noch in der Ewigkeit danken. Sie hat auch euch, meine Kinder, ohne Ruhm zu melden, recht gut gezogen. Ich weine vielmal, wenn ich des Abends nach der Betstunde von euch gehe und eure Andacht, insonderheit die deinige, sehe. Es wird dir gewiß wohlgehen. Verlasse dich darauf. Du tust mir viel Gutes. Du führst meine ganze Haushaltung. Sei zufrieden mit deinem Schicksale. Ich lasse dir nach meinem Tode einen ehrlichen Namen und eine gute Auferziehung. Laß mich ja zu meiner seligen Frau ins Grab legen. Ich will schlafen, wo sie schläft.

Lottchen. Ach, Papa, warum machen Sie mich weichmütig? Sie werden, wenn es nach meinem Wunsche geht, noch lange leben und erfahren, daß ich meinen Ruhm in der Pflicht, Ihnen zu dienen, suche. Und wenn ich Sie hundert Jahre versorge: so habe ich nichts mehr getan, als was mir meine Schuldigkeit befiehlt. Heute müssen Sie vergnügt sein. Doch vielleicht ist die traurige Empfindung, die in Ihnen entstanden ist, die angenehmste, die nur ein rechtschaffener Vater fühlen kann. Aber, lieber Papa, es ist kein Wein mehr im Keller als das gute Faß, das Sie in meinem Geburtsjahre eingelegt haben. Was werden wir heute unsern Gästen für Wein vorsetzen?

Cleon. Tochter, zapfe das Faß an. Und wenn es Nektar wäre: so ist er für den heutigen Tag nicht zu gut. Es wird bald Mittagszeit sein. Ich will immer gehen und die Forellen aus dem Fischhälter langen. Wenn ich Julchen sehe: so will ich dir sie wohl wieder herschicken, wenn du noch einmal mit ihr reden willst.

Lottchen. Recht gut, Papa, ich will noch einige Augenblicke hier warten.

Zwölfter Auftritt

Lottchen. Siegmund.

Siegmund. Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen. Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage scheint mir nichts als eine Liebeserklärung in einer fremden Sprache zu sein. Ich hätte nicht gedacht, daß sie so zärtlich wäre. Die Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will.

Lottchen. Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund! Ich könnte bald einige Minuten eifersüchtig werden. Nicht wahr, meine Schwester ist reizender als ich? Aber dennoch lieben Sie mich.

Siegmund. Wer kann Sie einmal lieben und nicht beständig lieben? Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit mehr. Sie kennen mein Herz. Dieses muß Ihnen für meine Treue der sicherste Bürge sein.

Lottchen. Ja, ich kenne es und bin stolz darauf. Ach, mein liebster Freund, ich muß Ihnen sagen, daß uns vielleicht ein kleines Glück bevorsteht. Wollte doch der Himmel, daß es zu Ihrer Beruhigung etwas beitragen könnte! Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in einem Billette gemeldet, daß heute das Testament der Frau Muhme Stephan geöffnet werden würde und daß er glaubte, sie würde den Papa darinne bedacht haben. O wenn es doch die Vorsicht wollte, daß ich so glücklich würde, Ihre Umstände zu verbessern!

Siegmund. Machen Sie mich nicht unruhig. Sie lieben mich mehr, als ich verdiene. Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden und...

Lottchen. Sie sind unruhig? Was fehlt Ihnen? Sagen Sie mir's. Mein Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe.

Siegmund. Ach, mein schönes Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das Glück, Sie ewig zu besitzen. Ich bin etwas zerstreut. Ich habe diese Nacht nicht wohl geschlafen.

Lottchen. O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter. Wir wollen erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn.

(Ende des ersten Aufzugs.)


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