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Die Teichwächterin.

Der Teichdamm ist so breit, dass sich zwei Heufuhren darauf ausweichen könnten. Und doch wird einem bange, wenn man die Wassermasse betrachtet, die der grün überwucherte Erdbau aufhält. Aus der stillen, tiefdunklen Flut ragt der Damm kaum zwei Klafter weit, auf der anderen Seite aber stellt er sich turmhoch einem engen Waldtal entgegen. Links vom Teich ist ein alter Fichtenbestand, der sich auf feuchtem, hochbemoostem Grund bis an eine kahle Steinwand zieht. Rechts bedeckt frischer Nachwuchs einen weithingestreckten Bergrücken. Der Teich ist schmal, wohl aber über eine Wegstunde lang. Am jenseitigen Ufer liegt eine Ortschaft. Davor grüne Wiesenstreifen und dahinter ein mächtiger Gebirgsstock. Bei dem Dorfe verliert sich ein kleines Wiesenbächlein in den Teich. Am äußeren Fuße des Dammes aber sieht man zwei Ablaufröhren, so dick, dass ein mittelgroßer Mann hindurchgehen könnte.

Von dem kleinen Röhrenhäusl aus, das an der Mitte des Dammes angebracht ist, kann man die Verschlussstücke dieser Röhren mühelos öffnen und beliebig viel Wasser aus dem Teich lassen. Diese Vorrichtung ist zum Holzschwemmen, und sie besteht an allen großen Wasserbecken des gebirgigen Südböhmen, welche einen Bach speisen.

Über das steil abfallende Tal hinweg, in welches die Ablaufröhren münden, sieht man vom Damm aus den größten Teil der Forste, deren Bäume der Bach wohl mählig hinunterbefördern wird in die Ebene. Selbst von der letzteren leuchtet noch ein sonngemaltes, mit dem Horizont verschwimmendes Stück in die ruhsame Waldgegend herein.

Die Ortschaft am oberen Teichende ist hierseits die letzte auf deutschem Gebiet. Talabwärts vom Teich wird wunderselten mehr ein deutsches Wort gehört. Schon das kleine Dorf, welches vor der Krümmung des Waldtales da unten am rechten Bachufer liegt, ist von Tschechen bewohnt. Der Teich scheidet hier Grenznachbarn, die sich seit dem Anbeginn ihrer Nachbarschaft hassen und aus reinen Herzensgründen schwerlich je eine allgemeine Verbrüderung feiern werden. Diesen Hass des südböhmischen Sprachgrenzers mildert Selbstverleugnung; aber bis er getilgt ist, wird aller Hass getilgt sein, werden die Menschen nicht mehr irren, wird der Himmel auf der Erde sein.

Unsere Zeit jedoch tut zur Hebung der allgemeinen Menschenliebe noch spottwenig, höchstens irgenwo in guter Absicht etwas Grundverkehrtes.

Da sitzt gleich am Teichdamm neben dem Röhrenhäusl ein Weib, das von dem alten Grenzerhass nicht mehr zu heilen ist. Freilich hat ihr Gegenhass zu tiefe Wunden geschlagen. Sie ist eine Deutsche. Es steht ihr wie schon so manchem Menschen die Abstammung in dem männlich festen, blauäugigen Gesichte geschrieben. Bekleidet ist sie mit einem armseligen Zwilchgewand. Auf dem Kopf trägt sie einen alten, breitrandigen Strohhut und an den Füßen schwere Männerstiefel. Für ihren Dienst ist das die beste Tracht. Die Alte ist seit dem Tode ihres Mannes Teichaufseherin. Den Mann haben ihr die tschechischen Nachbarn erschlagen. Schade um den Teichmichel! Der hätte mit seiner Agerl alt werden sollen; die beiden waren zu glücklich miteinander. Es gab keinen fröhlicheren Mann weitum, aber, so lustig und beliebt er war, machte er seiner Agerl doch keinen Seitensprung. Und weil er seine Teichwächterpflicht erfüllte, erschlugen sie ihn.

Es ging einmal in einer Nacht ein Wolkenbruch über die Gegend nieder. Der Teich war binnen einer Stunde bis an den Rand voll, und das Wasser drohte den Damm zu brechen. Da musste der Michel die Ablaufröhren öffnen, wenn er nicht seinen Posten auf das Spiel setzen wollte. Freilich war der Bach schon ohne das Teichwasser gegen das tschechische Dorf zu derart angeschwollen, dass der durch die Ablaufröhren hinzukommende Strom die Talwiesen überfluten musste. Aber wenn der Damm brach, waren ja nicht nur die Wiesen, sondern das ganze tschechische Dorf verwüstet. Der Michel zog mit bestem Wollen die Röhren. Dann ging er seiner links vom Damm gelegenen Heimstätte zu.

Vor der Tür seines Häuschens traf er mit einigen tschechischen Männern zusammen, die, mit Stöcken bewaffnet, den Vernichter ihrer Heuernte suchten. Es war vielleicht nur ihre Absicht, ihn tüchtig durchzuprügeln, und sie trauten dem Michel mehr Zähigkeit zu, als er besaß.

Als Agerl, die betend in der Stube saß, draußen ihren Mann aufschreien hörte, lief sie wohl gleich hinaus, aber da sah sie nur mehr etliche Männer talab laufen, von denen sie in der Finsternis keinen erkannte, und der Michel lag in den letzten Zuckungen am Boden. Das Gericht suchte nach den Mördern, fand sie jedoch nicht. Aber seitdem lud Agerl ihren ganzen Hass auf sämtliche Bewohner des tschechischen Dorfes. So schwer man ihnen fluchen kann, fluchte sie ihnen, und so hoch man schwören kann, schwur sie ihnen Rache. Sie suchte um den Posten ihres Mannes an, und sie erhielt ihn.

Nun wäre wohl die Rache in ihrer Hand gelegen, sooft das Hochwasser den Teich füllte, aber wenn die Gelegenheit am günstigsten schien, wurde Agerls Rechtlichkeitsgefühl regelmäßig am lautesten. Und sie tat jetzt schon seit fünfzehn Jahren mit bestem Gewissen ihre Pflicht als Teichwächterin.

Ein einziges Kind hatten der Michel und die Agerl, einen Jungen, der zum Leben geschaffen schien wie nur einer. Von Klein auf war der Hans so herzig und lieb, dass sich die Leute förmlich in ihn vergafften. Agerl ließ ihn aber nie aus dem Häuschen, ohne ihm vorher etwas Rotes umzubinden. Die rote Farbe soll nämlich der Leute Neid unschädlich machen.

Als sich Hans nichts mehr Rotes umbinden ließ, war es denn kein Wunder, dass ihm mancher Blick heiß machte, aber Folgenwichtigeres geschah ihm nicht dadurch. Hans war ein musterhafter Sohn.

Die Alte sah ihr ganzes Glück in ihm, der nun zwanzig Jahre alt und ein ausgelernter Zimmermann war. Die anderen Zimmerleute der Gegend gingen allsommerlich in die Fremde, wo sie auf einen höheren Lohn kamen als daheim. Aber Agerl ließ ihren Sohn nicht so weit von sich. Übrigens verdiente er sich daheim so viel wie die anderen in der Fremde, weil er einer der Fleißigsten war und keinen unnützen Kreuzer ausgab für Bier oder beim Kartenspiel.

Heute mittags war der Hans von der Arbeit gekommen, und morgen sollte er in einem nahen Dorfe eine andere beginnen. Den Nachmittag konnte er rasten. Aber es ließ ihm keine Ruhe. Er ersparte lieber seiner Mutter eine schwere Pflichtarbeit, indem er von einem Floß aus das Teichschilf abschnitt. Währenddessen saß die Alte auf dem Teichdamm und betete aus ihrem »Himmelschlüssel«. Hans wurde seiner Arbeit ebenso lange nicht müde wie die Alte ihrer Lektüre.

Indes ging der heiße Sommertag zu Ende. Es war heute kein Wölkchen am ganzen Himmel zu sehen gewesen, aber jetzt schob sich vom fernen Westen ein schwarzgrauer, goldgeränderter Wolkenberg herauf.

Hans bemerkte das früher als seine Mutter, und er schrie ihr vom Teich aus zu:

»Dort schau hin!« Dann ruderte er aus Ufer.

Die Teichwächterin legte schirmend die Hand über die Augen und besah sich sehr umständlich das Firmament.

Ehe sie damit fertig war, stand Hans neben ihr.

»Kommt's?« fragte er.

»Es will«, sagte die Alte, »aber i lass's nit her. Zu was denn heut a Wetter? Wasser is eh no g'nua im Teich, d' Felder brauchn jetzt a koa Feuchtigkeit, also werd'n ma das Wetter mit Gottes Hilf auf die böhmisch' Seiten treib'n. Dort derf's rumpeln nach Gusto.«

Die Teichwächterin war im Besitze eines wunderkräftigen Wettersegens. Derselbe war auf ein Stück Eselshaut geschrieben, und Agerl's Urgroßmutter hatte ihn von einem Bettelmönch um teures Geld erstanden. Las beim Nahen eines Gewitters ein andächtiger Mensch diesen Wettersegen, da musste es, wie Agerl meinte, schon des Teufels sein, wenn das Gewitter nicht seitwärts zog. Die Deutschen oberhalb des Teiches hielten die Teichwächterin als eine meisterliche Wetterbeschwörerin hoch in Ehren, aber Agerl war bescheiden genug, die Ehre dem hochgeweihten Pergament allein zuzumessen. Die abseits vom Teiche wohnenden Tschechen hassten die Teichwächterin als eine gefährliche Hexe. Indes hatten sie auch einen Wetter beschwörenden Messner, der wollte die ungelegenen Gewitter mit Glockengeläute zum Annehmen einer anderen Richtung bewegen, und er zog manchmal stundenlang am Glockenseil, dass der Schweiß von ihm triefte. Und wenn das Gewitter dennoch kam, fluchte er gräulich auf die boshafte Teichwächterin. Agerl sagte auch nichts Schönes, als es ihr einmal wie aus Scheffeln auf den Wettersegen goss . . . Aber von dem alten Aberglauben ließen sie nicht.

Die Teichwächterin händigte jetzt ihrem Sohne den »Himmelsschlüssel« ein und sagte: »Bring' mir jetzt den Wetterseg'n, Hanserl; weißt eh, wo er liegt.« Hans ging in das Häuschen und kam bald mit der alten Handschrift zurück.

Nach einer Viertelstunde war das drohende Gewölk vor die Sonne getreten. Auf einige Teile des fernen Gebirges fielen schon dichte Regenstrahlen. Das Gewitter zog anfangs so hoch, dass die untersten Wolkensäume die Berggipfel nicht streiften. Erst knapp hinter der deutschen Ortschaft wurden einige tiefer schwebende Nebelfetzen bemerkbar. Sie vergrößerten und verdichteten sich erstaunlich schnell, und bald schien es, als ob sich ein ungeheurer Schwall siedender, graugelb schäumender Lauge dem Teich zuwälzte.

Es war gräulich und spukhaft anzusehen. Noch hob sich kein Wind, hingegen wurde ein eigentümliches, mählig wachsendes Sausen und Rasseln hörbar.

Laut und mit vor Eifer und Erregung geröteten Wangen hatte Agerl dreimal den Wettersegen gelesen und wollte zum vierten Male damit beginnen, als Hans mit der Frage unterbrach: »Hörst, Muada, was säust denn so schiach?«

»Kennst das nit?« fragte die Alte. »Eis hat's, schwer Eis. Das haut all's z'samm'. Drentern Teich wird's den Leut'n schon 's Korndreschen derspart hab'n, und jetzt kommt's über uns, weil der versuachte Klinglbeutlböhm g'wiss wieder um a Stund' ehnder 's Scheppern ang'fangen hat, als i 's Beten.«

Grimmig und verzweifelnd fuhr sie fort, das Wetter zu beschwören.

Hans hatte noch nie das Nahen eines Hagelwetters beobachtet wie jetzt und konnte keinen Blick von dem furchtbar schönen Bilde vor sich abwenden. Einmal tönte nun deutlich en dünnes, wimmerndes Glockenstimmchen über den Fichtenwald herüber. Mit einem giftigen Seitenblick wandte sich Agerl nach jener Seite. Als sie aber zum vierten Male Amen sagte, stob ein Windstoß über den Teich, erzeugte in einer Sekunde viel tausend kleine wirbelnde Wellen und hieb der Teichwächterin die Eselshaut ins Gesicht.

»A recht«, sagte die Agerl, »weil's durchaus über'n Teich her muss und unser bissl Frucht vernichten, so sei dösmal dem Böhm' die Freud' vergunnt.«

Dann traten Mutter und Sohn in das Röhrenhäusl, um gleich zur Stelle zu sein, wenn es nötig würde, die Röhren zu ziehen. Die kleine eingedeckte Bretterhütte hatte ein Fenster auf den Teich hinaus. Wie eine riesige, schmutziggelbe Mauer schob sich jetzt die Hagelwolke über das Wasser daher und machte alles, was neben und hinter ihr lag, unsichtbar. Dann kam es wie ein Steinregen geklatscht, dass es über und über hoch aufspritzte, und endlich kam das erste Eisstück an eine der Fensterscheiben geflogen.

Hin war sie, und die Scherben klirrten zu Boden. »Höfli gnua«, sagte die Teichwächterin, aber ehe sie ausgesprochen, lagen schon eine zweite und dritte Schlosse, die durch andere Scheiben kamen, vor ihren Füßen. Und dann ging ein ohrenbetäubendes Gerassel los, aus dem der erste nahe Donner nur wie ein dumpfes Brüllen tönte. Der Hagel dauerte eine geraume Weile, und ihm folgte ein kaum minder schrecklicher Regenguss, der aber nicht früher endete, ehe es stockfinstere Nacht geworden war. In dem Röhrenhäusl hing eine Laterne. Die zündete Agerl an. Die Röhren hatten die beiden schon früher gezogen. Nach der Dauer des Regens konnte es die Teichwächterin berechnen, dass das Wasser, sobald es vom Gebirge her kam, den Teich überfüllen musste.

Nun war aber schon seit dem letzten Hochwasser der Damm an einer Stelle sehr schadhaft. Agerl hatte das schon längst pflichtschuldig der Teichverwaltung angezeigt, deren Saumseligkeit jetzt gar schwere Folgen haben konnte.

Erst als der Regen fast gänzlich aufhörte und es stille wurde rundum, begannen sich die Hauptschwälle der fern herkommenden Bergwässer in den Teich zu ergießen, dessen Spiegel nun so schnell stieg, dass Agerl mit ihrem Sohne bald auf den Damm hinaus musste, denn auf dem Boden des Röhrenhäusls reichte das Wasser im Nu bis auf die Knöchel. Sie gingen nun der gefährdeten Stelle zu. Der Damm hatte sich dort gesenkt und war nach der Teichseite beträchtlich abgerutscht, und schon nach wenigen Minuten musste ihn das Wasser überfluten.

»Was toan ma?« rief Hans ratlos. »Anschwellen?«

»Anschwellen?« fragte düster Agerl. »Wann uns dreiß'g Männer dabei halfen, war das no a Kinderspielerei. Ma können nix toan, als 'n Unglück sein Lauf lassen. Aber unser Christenpflicht is, dass D' jetzt geschwind ins böhmisch' Dörfl abtrennst und den Leut'n sagst, sie sollen ihner nackets Leben retten. Aber i bitt' Di um Gottswillen, Hanserl, halt Di beim Abi- und Aufarennen auf der Bergseiten.«

Hans rannte auf dem Damm fort. Am Ende desselben kamen ihm vier Männer entgegen.

»Kommt's uns helfen ?« schrie er ihnen zu.

»Ja, wir werden Dir gleich helfen, Du Hund!« hörte er einen in tschechischer Sprache sagen, und gleich daraus fühlte er einen schweren Hieb auf seinem Kopfe.

Hans taumelte, fiel aber nicht. »Was hab' i Enk denn tan? Kennt's mi am End' nit?«

»Hast Du nicht die Röhren gezogen?« riefen sie in ihrer Sprache. »Schau, wie es unsere Kornernte vernichtet!«

»Is 's Enk vielleicht lieber, wenn's Enk 's ganze Dorf davontragt? Wird eh glei g'schehn.«

Sie glaubten es nicht, dass der Damm brechen könnte. Das war noch nie geschehen. Hingegen hielten sie den Burschen und seine Mutter für boshafte, rachgierige Menschen, die ihnen bei dieser Gelegenheit einen bösen Streich spielten. Und sie umdrängten Hans mit den derbsten Schimpfwörtern und Verwünschungen. Aber der Arme beschwor sie dafür himmelhoch, nach ihren Wohnstätten zu sehen und Weiber und Kinder in Sicherheit zu bringen. Sie lachten nur über seine Worte. »Damit willst Du uns nur los werden, Du Schwindler!« schrie einer, »aber Du kommst uns nicht aus. Krepieren musst Du für Deine Schlechtigkeit wie Dein Vater.«

Und wieder fühlte Hans einen Schlag. Da packte er den Burschen, der ihn misshandelte, an der Gurgl. Der bedrängte Tscheche half sich mit einem Messerstich aus der Not, und Hans fiel längelang auf den Rücken zurück, um nimmer aufzustehen. – Der Stich war ins Herz gedrungen. – Die vier Burschen standen einen Augenblick sprachlos um den Sterbenden.

Und schon stürzte Agerl über den Gefallenen her. Sie hatte sich mit übermenschlicher Schnelligkeit der Stätte genähert, als sie die lärmenden Stimmen hörte. »Is 's wieder wia bei mein' Mann?« schrie sie. »Wieder?« Und dann folgte ein wilder Schrei, bei dem im Innern des Weibes alles gerissen zu sein schien.

Die Kerle ergriffen die Flucht, und Agerl hielt ihren sterbenden Sohn in den Armen.

Er konnte ihr nicht einmal mehr ein liebes Wort sagen oder eines von ihr hören. Bald lag er als Leiche da und sie über ihm, erst mausstill, als ob auch sie gestorben wäre, dann hob sie wieder den Oberkörper und raufte sich die Haare und schrie, dass es weit durch die Nacht hallte. Aber kein Mensch hätte ihr Geschrei verstanden, das nur dem eines wütenden Tieres gleichkam.

Und später stand sie auf der überfluteten Dammstelle und half dem Wasser eine Bresche machen. Sie brauchte den Wellen nur einigen Angriff zu verschaffen, das Übrige tat das Wasser selbst. Hui! Wie das plötzlich hinunterdonnerte und durch das Tal brauste! Welche Stücke des Dammes es auf einmal mitriss! Die Teichwächterin konnte bald gar nicht so schnell zurücktreten, als der Boden unter ihren Füßen wich.

Und immer tiefer wurde die Bresche, und der durchschießende Strom füllte das Waldtal in allen Winkeln aus, brach die Bäume und wälzte Felsblöcke über die Stätte, wo zuvor ein Dorf stand.

Und dann war Agerl wieder bei ihrem toten Sohn, hob ihn auf, trug ihn zu dem Durchbruch und schrie: »Da schau! Da schau! Siehst es?«

Lange war sie mit ihm nicht dort. Der Boden fiel plötzlich unter ihr ein. Sie umschlang den Leichnam mit eiserner Kraft, dann verschwanden sie beide in den Wassern und zerschellten auf Fels und Baum… Am nächsten Tage war das Wasser verronnen. Wo das Dorf war und fruchttragender Grund, da lag heute nacktes Gestein im Sonnenlicht. Weinende Menschen zogen der Ebene zu und trugen Krüppel und Tote mit sich.


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