Ludwig Ganghofer
Das Kasermanndl
Ludwig Ganghofer

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Mali war wie versteinert. Nur langsam kam ihr die Besinnung. Es mußte doch wohl ein guter Geist sein, der im Kaser hauste, sonst hätte sie den Geruch von brennendem Pech und Schwefel verspüren müssen. Denn ohne einen solchen geht's niemals ab bei höllischen Gespenstern. Auch hatte das Kasermanndl schon weiße Hände. Es hatte also wohl schon einen großen Teil seiner Sünden abgebüßt. Denn je länger die Geister büßen, desto weißer werden sie, 'von unt auf'.

In Mali erwachte ein Gefühl, fast wie Mitleid und Erbarmen. Noch einmal murmelte sie den bewährten Spruch: »Alle guten Geister!« Dann nahm sie den Wachsstock aus der Laterne, machte über Stirne, Mund und Brust das Zeichen des Kreuzes, hielt das brennende Lichtlein zwischen den gefalteten Händen und trat in die Hütte. Mit ihrem starren Blick und dem totenblassen Gesicht, das vom lauteren Glanz des Wachslichtes überschimmert war, hätte man sie selbst für ein unirdisches Wesen halten mögen, das in menschlicher Gestalt erschien.

Das Kasermanndl mußte wohl gleich den Duft des geweihten Wachses verspürt haben – Geister besitzen für solche Dinge eine feine Nase – denn es fuhr erschrocken zusammen und stand, an allen Gliedern zitternd, in der einen Hand einen hölzernen Napf, in der andern den Muslöffel. Die weit offenen Augen, in denen sich der rote Glanz des Herdfeuers spiegelte, funkelten wie glühende Kohlen und hingen wie gebannt an Mali, die sich mit kaum merklichen Schritten langsam an der Wand entlang zur Bank schob, auf die sie sich lautlos niederließ.

Da wandte sich das Kasermanndl wieder zum Feuer. Und seltsam: dabei machte der Geist mit der Hand, die den Muslöffel hielt, eine Bewegung nach dem Gesicht, als ob er sich bekreuzen wollte. Der Duft des geweihten Wachses war ihm wohl scharf in die Nase gegangen. Eine Weile hantierte er am Herd, als wäre er allein in der Hütte und Mali nur Luft für ihn. Krampfhaft rührte er mit dem Muslöffel den Teig durcheinander, der den hölzernen Napf fast bis zum Rand erfüllte; manchmal räusperte er sich, als wäre ihm die Kehle trocken, und ein Scheit um das andere legte er ins Feuer, daß die Flamme immer höher loderte. Nun stellte er den Napf auf den Herdrand und nahm eine eiserne Pfanne von der Wand; dabei schielte er hastig nach dem Mädel, das, mit dem brennenden Wachslicht zwischen den gefalteten Händen, noch immer regungslos auf der Bank saß, die starren Augen auf den Muslöffel gerichtet, den das Kasermanndl nicht aus der Hand legte.

Aus einer Holzschachtel stach der Geist mit dem Löffel ein faustgroßes Stück Schmalz heraus und gab es in die Pfanne; dabei fiel ein Bröcklein, wie eine Bohne, auf die Erde. Mali erhob sich und ging lautlos zum Herd; scheu wich das Kasermanndl vor ihr zurück; aber sie sah es nicht, sie bückte sich mit gesenkten Augen, hob das Bröcklein Schmalz von der Erde, blies den Staub davon und legte es in die Schachtel.

»Es is Gottesgab und Almgut!« sagte sie mit leiser Stimme und setzte sich wieder auf ihren Platz.

Das Kasermanndl stand wie eine steinerne Säule und starrte aus seinem schwarzen Gesicht heraus mit glühenden Augen nach dem Mädel, das den brennenden Wachsstock neben sich auf die Bank gestellt hatte und die gefalteten Hände im Schoße hielt. Endlich wandte sich der Geist unter schwerem Atemzug wieder zum Herd, setzte die Pfanne über das Feuer, und als das zerrinnende Schmalz zu zischen begann, ließ er den Teig in die Pfanne laufen; er legte noch ein paar Scheite nach und setzte sich auf den Herdrand; während er den Muslöffel zwischen den Beinen baumeln ließ, blickte er bald in die Pfanne, bald ins Feuer, bald wieder zur Tür.

Mali saß regungslos und bewegte in stillem Gebet kaum merklich die Lippen.

Sacht brodelte die kochende Speise, das Feuer knisterte, und manchmal strich ein kalter Lufthauch zur offenen Tür herein und machte die Herdflamme rauschen.

Endlich schien dem Geist das lange Schweigen nicht mehr zu behagen; er streifte Mali mit schiefem Blick und fragte: »Kommst von weit her?«

»Von drunt auffi!« sagte das Mädel mit tonloser Stimme.

Das Kasermanndl fragte nicht weiter; es schien genug zu wissen.

Eine Dampfwolke stieg aus der Pfanne; der Geist sprang auf und stocherte hastig mit dem Muslöffel die qualmende Speise durcheinander. Nun plötzlich wandte er sich mit jähem Ruck vom Feuer ab und trat mit zwei langen Schritten dicht vor Mali hin, die sich vor Schreck zusammenduckte wie ein Vogel vor dem Geier.

»Jetzt muß ich einmal wissen, wie ich dran bin mit dir!« sagte das Kasermanndl mit rauh und heiser klingender Stimme. »Bist ein Menschenkind, oder bist eine Salige?«Die »Saligen« gelten als gute Geister der Almen und als Hüterinnen der Bergschätze.

»Ich bin die Hornegger-Mali.«

Das schwarze Gesicht des Geistes wurde lang und länger. »Wer bist?«

»Die neue Hausdirn vom Roßmooserhof.«

»Im Roßmoos?« rief das Kasermanndl staunend und riß Mund und Augen auf. »Seit wann denn?«

»Seit heut am Abend.«

Verwundert schüttelte der Geist den schwarzen Kopf. »Aber so sag mir nur grad, was schaffst denn da heroben in Nacht und Schnee?«

Dem Mädel versagte die Stimme.

»So red doch!«

Mali schöpfte tief Atem, und mit angstvollen Augen zu dem Unheimlichen aufblickend, stotterte sie: »Der Bauer hat . . . hat ein übermütigs Wörtl gsagt . . . er tät eine Kuh dafür geben, wenn eins sich herauftrauen tät auf die Waiz-Alm und . . . und . . . und nachschauen . . .«

»Was der Kasermanndl macht?« schrie der Geist mit klingender Stimme und brach in Gelächter aus. Mali zitterte an allen Gliedern. Das Kasermanndl aber lachte, fuchtelte wie närrisch mit dem Muslöffel in der Luft umher und schlug die Fäuste an den Schenkel, daß es klatschte. Und immer wieder, unter Lachen und Lachen, schrie der Geist: »So was! So was! Ah, da hört sich aber doch alles auf!«

Wer weiß, wie lange er noch fortgelacht hätte! Aber aus der Pfanne ließ sich ein verdächtiges Zischen hören. Das Kasermanndl sprang zum Herd, rüttelte die Pfanne, warf mit dem Löffel emsig die Speise durcheinander und blickte schmunzelnd immer wieder über die Schulter zurück nach dem Mädel. Nun kam der Geist und setzt sich neben Mali auf die Bank. Erschrocken rückte sie zur Seite. Das Gespenst aber lachte: »Mußt dich nit fürchten vor mir! Was ein richtiger Geist is, weißt, der tut einem braven Dirndl nix Übels nit an!«


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