Ludwig Fulda
Der Seeräuber
Ludwig Fulda

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierter Aufzug

Landstraße vor dem Gut

Die Richtung der Straße geht von rechts nach links quer über die Vorderbühne. Gradlinig an ihr entlang zieht sich im Hintergrund die massive Mauer des Landgutes, dessen Niveau dahinter um etwa anderthalb Meter höher liegt. Links, nur zu einem Teil sichtbar, ist das Stallgebäude in sie hineingebaut, mit ziemlich hoch angeordnetem Gitterfenster. In der Mitte der Mauer Tor mit Treppe zum Garten; rechts oben ein belaubter Säulengang mit Gartentisch und Stühlen. Ganz hinten rechts gewahrt man etwas von dem Landhaus. Die Straße ist rechts und links von hohen Bäumen flankiert. Unter einer Baumgruppe rechts vorn eine Steinbank. Links ganz vorn kleine Anhöhe, darauf steinerner Bildstock mit Heiligenbild

Erster Auftritt

Capacho, Ines (tauchen oben rechts im Säulengang am Rande der Mauer auf und blicken suchend umher. – Dann) Torribio

Ines Nichts von Pedro weit und breit.

Capacho Red', soviel du magst – ich hörte
Deutlich unsern Esel schrei'n.

Ines Eingebildet hast du dir,
Daß er schrie. 184

Capacho               Du, daß er nicht schrie.

Ines Soll ich unsres Esels Stimme
Nicht mehr kennen?

Capacho                       Ja, du kennst sie:
Doch du hast sie nicht gehört.

Ines Weil sie nicht zu hören war.

Capacho Heller als die deinige.

Ines Wär' der Esel da, dann müßte
Doch auch Pedro da sein.

Capacho                               Wetten
Will ich drum, er ist im Stall
Und wird gleich zum Vorschein kommen.

Ines Wundern soll mich das.

(Torribio kommt von links, am Stall entlang, will zum Tor der Mauer)

Capacho (ihn bemerkend)       Der Wächter!
Wer hat recht? (Zu Torribio) Seit wann zurück? 185

Torribio (vor dem Tor stehen bleibend)
Eben mit dem Eselsfuhrwerk
Angelangt.

Capacho (zu Ines)
                Aha!

Ines                         Wo habt Ihr
Unsern Schwiegersohn?

Torribio                             Er blieb
In der Stadt.

Ines (zu Capacho) Aha!

Torribio                     Bestellen
Soll ich Euch, Geschäfte hielten
Dort ihn auf; er käme später.

Ines (zu Capacho)
Wer hat recht nun?

Capacho                     Ich! Der Esel
Schrie.

Ines           Nein, ich! Denn Pedro
Kam nicht. 186

Torribio           Mit Verlaub, ich muß
Zu den Gäulen. (Ab links)

Capacho                 Gehn wir also
Wieder mal ins Haus.

Ines                                 Wir hätten's
Gar nicht zu verlassen brauchen.

Capacho Schrie der Esel etwa nicht?

Ines Immer du mit deinem Esel!

(Sie verschwinden)

Zweiter Auftritt

Lisarda, Trillo (kommen von rechts gelaufen, sie mit einem Bündel, er mit dem Geldbeutel aus dem zweiten Aufzug; beide sehr erhitzt)

Lisarda Steh! Wir sind am Ort.

Trillo (sich die Stirn trocknend)     Ein wahrer
Segen. Solch ein Dauerlauf
Ist kein Kinderspiel. 187

Lisarda (nach links hinter die Bühne deutend)
                                Da siehst du
Schon die Stalltür – und davor
Auch den Wächter. (Sie ruft) Holla, he!
Wächter! – Ist der Hinkfuß taub?
Ohne herzublicken, geht er
In den Stall.

Trillo                 Nun paß mal auf:
Machen wir uns erst einmal
Die Geschichte klar. – Mit meinem
Herren hat sich deine Herrin
Aufgemacht, um nach Sevilla
Durchzugehn . . .

Lisarda                       Nun, und?

Trillo                                           Paß auf!
Du mit mir desgleichen.

Lisarda                               Sollt' ich
In dem Rest vielleicht verschimmeln?

Trillo Paß nur auf. Sie gaben uns
Den Befehl, vorauszurennen,
Was das Zeug hält . . .

Lisarda                             Ja; damit wir
Die zwei Pferde satteln heißen. 188

Trillo Ihrer schnellern Flucht zulieb.

Lisarda Drum . . . (Sie will nach links hinten)

Trillo (sie aufhaltend) Da wären wie beim Kern
Der Betrachtung: Sie zu Roß,
Wir zu Fuß.

Lisarda               Als ging' in allem
Herrschaft nicht vor Dienerschaft!

Trillo Schatz, wo steht es denn geschrieben,
Daß wir uns in fremdem Dienst
Schinden müssen demutsvoll
Bis an unser selig Ende,
Während wir doch unverkennbar
Zu was Höherm sind geboren?

Lisarda Sicherlich; jedoch . . .

Trillo (mit dem Beutel klappernd) Der Beutel
Mit dem gestrigen Ertrag,
Den mein Herr nunmehr als Fänger
Eines echten Goldfasans
Ohne Schmerz entbehren kann, 189
Und dazu die beiden Pferde –
Säßen da für alle Zeit
Nicht wir selbst bequem im Sattel?

Lisarda (von der Idee gepackt)
Trillo – wir . . . ?

Trillo                         Bist du dabei?

Lisarda Dann vermagst du ja zur Frau
Mich zu nehmen!

Trillo                         Wenn ich will.

Lisarda Der Gedanke hat was Großes.

Trillo Also – flugs!

Lisarda (geht nach hinten in die Nähe des Gitterfensters, ruft laut)
                      He, holla! Wächter!

Beide Wächter! Wächter! He!

Torribio (erscheint am Gitterfenster)
                                      Wer ruft? 190

Lisarda Ich, die Zofe. Von der Herrin
Hab' ich Auftrag: Satteln sollt Ihr
Schleunig die zwei neuen Rappen . . .

Torribio Auftrag hab' ich von dem Herrn,
Die zwei Rappen niemand anderm
Auszuhändigen als ihm. (Er verschwindet)

Lisarda Wächter – he!

Trillo                           Da kannst du lange
Schrei'n.

Lisarda         Der Grobian!

Trillo (nach rechts deutend)     Und dort
Kommt, weiß Gott, schon unsre Herrschaft.

Lisarda Trommeln wir an seine Tür,
Bis er aufmacht.

Trillo                       Schön. Im Trommeln
Hab' ich ja Geläufigkeit.

(Beide ab links) 191

Dritter Auftritt

(Gleichzeitig erscheint von rechts) Serafin (im Schweiße seines Angesichts den Karren ziehend; auf diesem sitzt) Manuela (das Bündel in der Hand haltend, mit einem Schleiertuch um den Kopf, sonst in der nämlichen Kleidung wie vorher)

Manuela Hier das Landgut.

Serafin (haltmachend)           Dieser Teil
Der Entführung war beschwerlich.

Manuela Tut nichts! Freiheit! Los und ledig,
Hingezogen vom Geliebten
Unbekannten Wundern zu!

Serafin Immerhin ersehn' ich jetzt
Flottere Befördrung.

Manuela (während er ihr vom Karren herabhilft)
                              Ja,
Laß uns erst im Bügel sein . . .

Serafin Wirst du was gewahr, das irgend
Pferden ähnlich sieht?

Manuela                           Noch nicht. – 192
Aber dort Lisarda, Trillo
Vor der Stalltür . . .

(Man hört, wie mit Fäusten gegen eine Tür geschlagen wird)

Serafin                         Die, so scheint es,
Vorderhand nicht aufgehn will.

Manuela Zeitverlust! Wenn meine Eltern
Mich erblicken . . .

Serafin (pressiert)           Auch dein Mann
Ist vielleicht schon aufgebrochen
Und verfolgt uns.

Manuela (ruft Trillo und Lisarda entgegen)
                            Habt ihr sie?

Vierter Auftritt

Vorige. Trillo, Lisarda (kehren von links zurück)

Lisarda Keine Möglichkeit.

Trillo                                 Wir taten,
Was wir konnten.

Lisarda                     Doch der Flegel
Wies uns störrisch ab. Die Pferde
Geb' er nur dem Herrn heraus. 193

Trillo (bestätigend)
Nur dem Herrn.

Manuela (ratlos)       Was nun?

Serafin                                   Dem Herrn?
Leichter nichts fürwahr als das!

Manuela Wie?

Serafin             Besitz' ich nicht in niemals
Dagewes'nem Maß die Kunst,
Jedes Menschen Stimme täuschend
Nachzuahmen? Trillo, was?

Trillo Unvergleichlich.

Serafin (zu Manuela)     Und den Tonfall
Deines lieben Manns vernahm ich
Ja genugsam. – Bring zuwege,
Daß der Bursch mich hören kann
Und nicht sieht.

Manuela                 So stell dich dort
An die Mauer.

(Serafin stellt sich dicht unter das Gitterfenster)

Manuela (etwas weiter davon weg, ruft)
                        Heda Wächter!
Wächter! 194

Torribio (erscheint am Fenster)
                Was schon wieder?

Manuela                                       Habt Ihr
Keine Augen?

Torribio (sieht Manuela)
                      Herrin, Ihr?

Manuela Und der Herr.

Torribio                       Der Herr?

Serafin (Pedros Stimme und kurzatmige Sprechweise getreu kopierend)
                                            Jawohl –
Puh – wir beide.
        (Leise zu Manuela)
                          Sag mir vor.

Torribio Bitte vielmals um Vergebung;
Herr, ich dachte . . .

Serafin (dem Manuela souffliert, wie oben)
                                Denk du künftig
Nichts. Ich will mit meiner Frau
Probe reiten. Schließ die Stalltür
Auf und sattle flink die Rappen.

Torribio Nach Befehl. (Er will verschwinden) 195

Serafin (wie oben)         So warte doch!
Geh dann aus dem Stall sogleich
Durch den Garten zu den Eltern . . .
Und bestell, in einer Stunde
Seien wir zurück . . . sie sollen
Einen Imbiß richten – puh.

Torribio Gut. (Er verschwindet)

Manuela (bewundernd, zu Serafin)
                Vorzüglich!

Serafin (mit einer Künstlerverbeugung)
                                    Kleinigkeit.

Manuela Alles kannst du doch!

Serafin                                   Was grade
So verlangt wird.

Manuela                   Bleib noch stehn,
Daß er dich vom Garten aus
Nicht erblickt. (Zu Lisarda und Trillo) Sobald er dort
Auftaucht, holt ihr uns die Rappen
Aus dem Stall.

(Lisarda und Trillo werfen sich Blicke zu)

Serafin                   Und folgt uns dann
Mit dem Karren. 196

Manuela                   Mit dem Karren?
Hat der noch nicht ausgedient?

Serafin Er gehört zu meiner Maske.
Wär's nicht äußerste Gefährdung,
Sie zu lüften vor der Zeit?

Manuela Richtig, das vergaß ich.

Serafin                                       Nie
Wieder darfst du das vergessen.

Manuela Bis wir auf dem Raubschiff sind.

(Torribio, hinter der Mauer aus einer dort anzunehmenden Tür aus dem Stall in den Garten gelangt, wird oben rechts beim Säulengang sichtbar. Sie bemerkt ihn; zu Trillo und Lisarda)

Jetzt!

Trillo       Wir fliegen! (Mit Lisarda schnell ab links)

Fünfter Auftritt

Manuela. Serafin

Manuela (ruft zu Torribio hinauf)
                            Einen Gruß
Richtet aus an Vater, Mutter,
Daß mir's besser geht als je; 197
Drum nicht Ursach hätten sie,
Sich um mich zu sorgen.

Torribio (zustimmend)             Diener.

(Er verschwindet nach dem Landhaus zu)

Serafin (nach links deutend)
Heil! Sie führen aus der Stalltür
Sie heraus.

Manuela           Das wär' gelungen.

Serafin Edle Zucht!

Manuela                 Hinauf und fort!

(Sie wollen nach links, bleiben plötzlich verdutzt stehen)

Serafin Was ist das?!

Manuela                   Was tun sie da?!

Serafin Selber schwingen sie sich drauf!

Manuela Dummer Spaß! (rufend) Lisarda!

Serafin                                                   Trillo!

Stimme Lisardas Herrin, lebt recht wohl! 198

Stimme Trillos                                       Viel Glück,
Meister!

(Man hört das Geräusch von hinwegtrabenden Pferden)

Serafin         Wendet!

Manuela                     Haltet ein!

Serafin Husch, da traben sie davon,
Daß die Funken stieben.

Manuela                             Flucht!

Serafin Und auf unsern Pferden!

Manuela                                   Tücke
Sondergleichen!

Serafin                     Hinterlist!

Manuela Wortbruch!

Serafin                       Hochverrat!

Manuela                                         Lisarda, 199
Deren Treue mir erhaben
Über jeden Zweifel schien!

Serafin Trillo, dieses Nichts, aus dem ich
Mühsam einen Menschen schuf;
Diese Natter, die bis heut
Sich an meinem Busen nährte . . . !

Manuela Liebster, klage nicht; wir zwei
Stehn ja doch dafür auf immer
Fest zusammen.

Serafin                     Fest zusammen
In der Klemme stecken wir.

Manuela Keine Wahl – wir müssen vorwärts.

Serafin (verstimmt)
Mit der gleichen Schneckenpost
Wie bisher.

Manuela           Im nächsten Flecken
Sind wir bald, und andre Pferde
Gibt es dort für Geld.

Serafin                             Sitz auf!
        (Er hilft ihr auf den Karren) 200

Manuela Ach, ich bin gleichwohl unsagbar
Glücklich. Du nicht auch?

Serafin (sich vorspannend)         Und ob!

Manuela Vor uns liegen goldne Berge . . .

Serafin Lägen sie doch hinter uns!

Manuela Und das Raubschiff . . .

Serafin (anziehend, ärgerlich)           Raubschiff hin,
Raubschiff her – ein ganz Geschwader
Hilft mir nicht den Karren ziehn.

(Stimmen vom Landhaus her)

Manuela (sich verschleiernd)
Rasch! Ich höre meiner Eltern
Stimmen! (Ihn antreibend) Rascher!

Serafin (zieht, was er kann)                     Leicht gesagt.

(Beide mit dem Karren ab links)

Sechster Auftritt

Capacho, Ines, Torribio (erscheinen im Säulengang)

Ines Eigensinn! Die Kinder speisen
Lieber drinnen. 201

Capacho                 Lieber draußen
Speisen sie.

Ines (zu Torribio)   Ward Euch darüber
Nichts von ihnen mitgeteilt?

Torribio Nichts.

Capacho           Nun also!

Ines                                 Sonderbar,
Nach der Ankunft fortzureiten
Ohne Guten Tag.

Torribio                     Sie waren
Äußerst eilig.

Ines                     Doch weswegen,
Vater, frag' ich, waren sie's?

Capacho Wenn sie wieder da sind, Mutter,
Frag sie selbst; vor allem aber
Laß den Tisch hier decken.

Ines                                         Drinnen. 202

Capacho Als ob nicht ein Schmaus im Freien
Ihnen besser schmeckte!

Ines                                     Neulich
Schmausten sie mit uns im Zimmer.

Capacho Weil es neulich regnete.

Ines Kann es heut nicht wieder regnen?

Capacho Ohne Wolken?

Ines                               Ein Gewitter
Naht im Nu.

Capacho             Zumal bei dir.

Torribio (nach rechts hinausblickend)
Trügt mein Auge mich?

Capacho                             Wieso?

Torribio (hindeutend)
Seht!

Capacho   Ich seh 'nen Leiterwagen,
Der im Schatten der Kastanien
Anhält. 203

Torribio     Und wer steigt, von andern
Unterstützt, heraus?

Ines                               Das ist
Pedro!

Capacho     Lächerlich! Der müßte
Doch zu Pferd sein.

Ines                               Und wo hat er
Manuela?

Torribio         Laßt uns schau'n.

Ines Gleich hat mir geschwant . . .

Capacho                                     So komm doch!

(Alle drei verlassen den Säulengang und eilen über die Treppe herab auf die Straße)

Siebenter Auftritt

Vorige. (Aus der Straße kommen von rechts) Pedro, Hurtado, Nachbarn. (Dicht hinter ihnen der) Alkalde (mit einigen) Schergen

Pedro (mit blutunterlaufenem Gesicht, in einem Zustand von Erregung, der hart an Unzurechnungsfähigkeit grenzt; er macht sich von den Nachbarn los)
Stützt mich nicht! Ich bin kein Schwächling. 204
Kraft besitz' ich, Riesenkraft . . .
Werd's beweisen!

Capacho (mit Ines auf ihn zukommend)
                          Schwiegersohn,
Was geschah?

Ines                       Wo hast du denn
Unsre Tochter?

Pedro                       Eure Tochter
Lief mir fort!

Ines (wankend)       Allmächtiger!

Capacho Unser Kind?!

Alkalde (dazwischentretend)
                            Mit einem Räuber . . .

Pedro (schreiend)
Keinem Räuber!

Alkalde (bedeutet die Eltern pantomimisch, daß es bei Pedro nicht richtig sei)
                          Einerlei . . .

Pedro Keinem Räuber; einem Schwindler,
Sag' ich euch! 205

Alkalde                 Laut einwandfreiem
Zeugnis vieler wählten sie
Diese Straße . . .

Ines                           Niemals glaub' ich
Das von ihr!

Capacho (zu Pedro)
                  Erklär' uns doch . . .

Pedro Keine Zeit! Ich muß ihr nach;
Wiederhaben muß ich sie,
Will sie fassen, will sie stellen,
Sie zu meinen Füßen sehn . . .
Herr Alkalde . . . !

Alkalde                       Sinnlos wütend
Hemmt Ihr mich und Euch. Anstatt
Nur so lang' Euch zu gedulden,
Bis ein regelrechtes Fuhrwerk
Angespannt war, stürmtet Ihr
Einen Leiterwagen, zwangt mich
In dies holprige Gefährt,
Wie ich ging und stand, hinein . . .

Pedro Bloß damit wir unverzüglich
Zu geschwindester Verfolgung
Hier auf meine Rappen springen . . .
Sattle sie, Torribio!
Tummle dich! 206

Torribio (starr)       Die Rappen?

Pedro                                       Ja.

Torribio Herr, Ihr träumt.

Pedro                             Ich träume, Lümmel?

Torribio Habt Ihr die zwei Rappen doch
Schon vorhin von mir verlangt!

Pedro Ich?!

Torribio     Mit Eurer Frau.

Pedro                                 Du selber
Träumst.

Torribio       Ihr gabt mir nicht Befehl,
Sie zu satteln und die Stalltür
Aufzuschließen?

Pedro                       Und du Strohkopf . . . ?

Torribio Ich gehorchte. 207

Pedro                           Schwerenot!
Herr Alkalde – neue Schandtat!
Auch die Gäule mir gestohlen!

Alkalde Dieser Räuber scheint sein Handwerk
Zu verstehn.

Pedro (brüllt)       Er ist kein Räuber!

Alkalde Wird sich finden.

Pedro                             Auf dem Rücken
Meiner Rappen fliehn sie jetzt
Und entwischen! – Einen Gaul!
Schafft mir einen Gaul!

Alkalde                             Bezähmt Euch;
Des Gesetzes Arm ist länger
Als der Eure. (Nach rechts deutend) Dort – was wollt Ihr
Mehr? – in seiner Kutsche rasselt
Schon der Herr Corregidor
Selbst heran.

Pedro                 Zu spät!

Alkalde                           Es ziemt mir, 208
Ihm den Wagenschlag zu öffnen.
        (Ab rechts)

Pedro Und inzwischen setzt sie mir
Hörner auf!

Ines                   Das tut sie niemals!

Capacho Unser Vorbild . . .

Pedro                                 Hol' der Henker
Euer Vorbild!

Capacho (beleidigt) Schwiegersohn . . . !

Achter Auftritt

Vorige. Corregidor (vom Alkalden geleitet, kommt von rechts und wird von allen Anwesenden ehrerbietig begrüßt). Zwei Diener (folgen ihm. Dann ein) Hauptmann

Corregidor (ein vornehmer, älterer Herr, geschniegelt und mit den Allüren eines Hofmanns; er ist kurzsichtig und bedient sich einer Lorgnette. Im Auftreten halblaut zum Alkalden)
Gebt Ihr diesen wirren Reden
Einen Sinn?

Alkalde (halblaut, mit Geste)
                  Verrückt! 209

Corregidor                       Ein Räuber,
Der kein Räuber ist, und den
Schon in seinem Haus zu greifen
Ängstlich fast er Euch gehindert . . .
Seltsam!

Pedro (auf ihn zu)
              Herr Corregidor . . .

Corregidor Mein bedauernswerter Vargas . . .

Pedro Kein Bedauern will ich, sondern
Recht nur und Gerechtigkeit.
Schafft mir das betörte Weib,
Das vor Gott und Menschen mein ist,
Schafft sie, Herr Corregidor,
Mir herbei, daß ich die Binde
Vom Gesicht ihr reißen kann!

Corregidor Sachte! Seit ich hier den König
Zu vertreten bin erwählt,
Ward am Recht noch niemand irre.
Dieses Paar entgeht mir nicht.
Einen starken Trupp von Reitern
Hab' ich querfeldein gesandt,
Um den Weg ihm abzuschneiden,
Und . . .

(Ein Hauptmann kommt eilig von links)

Alkalde (ihn bemerkend)
              Ist dies ihr Hauptmann nicht? 210

Corregidor Ja, das ist er. (Ihm entgegenrufend)
                                Nun, wie steht's?

Hauptmann (militärisch rapportierend)
Eurer Herrlichkeit zu melden:
Die bewußten Flüchtigen
Sind in unsrer Hand.

(Allgemeine Bewegung)

Corregidor (zu Pedro)       Ihr hört.

Pedro (in grimmiger Freude)
Ah! –

Corregidor (zum Hauptmann)
          Wo habt Ihr sie gefunden?

Hauptmann Tausend Schritte kaum von hier.
Aus dem Buschwerk überfielen
Wir die gänzlich Ahnungslosen,
Hatten sie sofort umzingelt,
Schärfsten Widerstands gewärtig;
Der Korsar jedoch ergab sich
Ohne jede Gegenwehr.

Pedro (auflachend)
Der Korsar – haha!

Hauptmann (nach links deutend)
                            Hier bringen
Meine Leute sie gefangen.

Corregidor (hinspähend)
Was für eine Karawane? 211

Hauptmann Just wie wir sie trafen.

Pedro                                           Warte,
Du! Nun soll . . .

Corregidor (zu Pedro) Gemach! Ihr werdet
Still sein, bis ich sie vernommen.

Neunter Auftritt

Vorige. (Von links erscheinen) Manuela (auf dem Karren sitzend, und) Serafin (ihn ziehend, eskortiert von) Bewaffneten

Ines (händeringend)
Meine Tochter!

Capacho (ebenso)     Manuela!

Pedro (will sich auf sie stürzen)
Weib, verblendetes!

Corregidor                   Gemach!
        (Zu den Schergen)
Haltet ihn zurück.

(Die Schergen verbarrikadieren Pedro den Weg. – Corregidor zu den Bewaffneten, auf Serafin deutend)

                          Den Täter
Führt mir vor. 212

Manuela (vom Karren herunterkletternd)
                      Laßt mich Euch sagen,
Edler Herr . . .

Corregidor             Geduld! Ich möchte
Nur mit Eurem Ritter erst
Nähere Bekanntschaft machen.

(Er setzt sich rechts vorn auf die Steinbank. Der Alkalde postiert sich stehend neben ihn)

Serafin (in seine Nähe geführt, sehr kleinlaut)
Eure Durchlaucht . . .

Corregidor                       Stellt Euch nicht
Gar so schüchtern, hoher Gast.
Preist Euch doch der laute Ruhm,
Der auch mir ans Ohr geklungen,
Als den unerschrocken Räuber
Estornudo.

Serafin (mit zitternder Hand ein Schriftstück hervorziehend)
                Mißverständnis,
Eure Hoheit. Prüft, ich bitt' Euch,
Meinen Paß.

Corregidor (nimmt es entgegen und blickt flüchtig hinein)
                  Der kann gefälscht sein.
Doch dahingestellt, was etwa
Sonst Ihr auf dem Kerbholz habt, 213
Heute wurdet Ihr unleugbar
Abgefaßt auf frischer Tat:
Auf dem Raub von eines Bürgers
Ehefrau.

Manuela       Das ist nicht wahr!

Corregidor Wie?

Manuela             Daran ist er so schuldlos
Wie ein neugebornes Kind.

Serafin Allerdings.

Manuela               Denn mag er auch
Fest entschlossen sein, für mich
Heldenhaft sich aufzuopfern,
Hier vor Euch, vor meinen Eltern
Und vor meinem Mann bezeug' ich's:
Nicht als willenlose Beute,
Nein, vielmehr aus freien Stücken
Folgt' ich ihm.

Pedro (knirschend, sucht vorzudringen)
                      Mißratne!

Capacho (jammernd)               Furchtbar!

Ines (ebenso)
Grauenvoll! 214

Capacho           Das hat sie wahrlich
Nicht von mir!

Ines                       Von mir vielleicht?

Manuela Und ich nahm nur mit, was rechtens
Mir gehört.

Corregidor       Ihr selbst gehört
Eurem ehelichen Gatten.

Manuela Niemals! Keine Macht auf Erden
Schleift mich in mein Joch zurück.
Ja, mit diesem lieber sterben,
Als mit dem noch einen Tag
Länger leben!

Pedro (wie ein Besessener losbrechend)
                    Blinde Närrin,
Die mich noch zu höhnen wagt,
Während ich sie bis aufs Blut
Höhnen könnte, die voll Scham
Ob des abgeschmackten Tausches
Hier vor aller Augen reuig
Meine Knie würd' umklammern,
Wenn sie wüßte . . .

Corregidor (halblaut zum Alkalden)
                              Was ist das? 215

Manuela Wenn ich wüßte?

Corregidor (zu den Schergen, die Pedro zurückdrängen)
                                  Laßt ihn reden.
Pedro (ihr unbehindert gegenübertretend)
Wenn du wüßtest, wer ich hin.

Manuela Hattest ja vier Jahre Zeit,
Mir das zu Gemüt zu führen,
Und ich weiß es drum genau.

Pedro Nein, du weißt es nicht; beinah
Hatt' ich selber es vergessen.
Nun jedoch – damit Gelächter,
Unauslöschliches Gelächter
Dir vergilt – merk auf, nun zerr' ich
Aus der Kutte mich hervor,
Mich, an dem du seit vier Jahren
Echt besaßest und leibhaftig,
Was dir jener vorgeäfft.

Alkalde (halblaut zum Corregidor)
Wahnsinn.

Corregidor (der gespannt zugehört, halblaut)
                Unterbrecht ihn nicht! 216

Pedro Auf den Namen, der gewaltsam
Wie des jüngsten Tags Posaune
Beben ließ der Erde Rund;
Auf den Namen, den ein Gauch
In Ermanglung eines eignen
Sich wie herrenloses Gut
Angemaßt hat; auf den Namen,
Dessen bloßer Schall genügt,
Um damit ein Weib zu kirren,
Horch, auf diesen, meinen Namen
Leg' ich wiederum Beschlag,
Ich, des Meeres Schrecken vormals
Und sein Allgebieter – ich,
Estornudo, der Korsar!

(Allgemeines Kopfschütteln)

Manuela (die bisher spöttisch gelächelt hat, lacht laut auf)
Ha, nun wird er scherzhaft.

Hurtado                                   Armer
Nachbar!

Corregidor     Wunderliche Sorte
Von Verrücktheit.

Manuela (von Lachen geschüttelt)
                          Der da – der
Ein Korsar! Haha, zum Platzen!

Pedro Rabenaas, du glaubst mir nicht? 217

Manuela Schaut ihn euch doch an, den Plumpsack,
Schaut ihn an, den Haustyrannen,
Der mit seiner Schläfrigkeit
Wie mit seiner Sittenstrenge
Mich dreiviertel totgequält;
Ihn, der aus dem Stegreif plötzlich
Räuber sein will – schaut, ihr Leute,
Dieses Bild geblähter Tugend,
Und dann sagt mir, wer's ihm glaubt.

Mehrere durcheinander Niemand! Niemand!

Corregidor (ist aufgestanden)                           Euer Kummer,
Vargas, stieg Euch in den Kopf.
Wickelt Euch ein nasses Tuch
Um die Stirne.

Pedro (heiser)         Niemand glaubt mir?
Ich verlacht statt ihrer? Kam es
Schon mit mir bis dahin? Sank
Ich zum Kinderspott herunter?
Hat das Nichtstun mich verwandelt
In die Fratze meiner selbst?
Nein, ihr sollt, ihr werdet glauben –
Ihr und sie! – Torribio,
Komm herzu!

Torribio (angstvoll gehorchend)
                      Was fällt Euch ein? 218

Pedro Dieser war mein Helfershelfer.
Fragt ihn!

Torribio         Herr, Ihr rast!

Pedro                                 Ich löse
Dich von deinem Schwur. Wer hin ich?

Torribio Vargas, Herr; ich kenn' Euch nur
Unterm Namen Vargas.

Pedro                                 Streift
Ihm den rechten Ärmel auf!

(Ein Wink des Corregidors, und die Schergen entsprechen Pedros Ermahuung)

Torribio (währenddessen)
Meiner Seel', ich weiß von nichts.

Pedro Was gewahrt ihr dort?

Corregidor (Torribios Oberarm durch die Lorgnette betrachtend)
                                    Kein Zweifel,
Das ist Estornudos Brandmal,.
Wie man's nach dem Schiffbruch sorgsam
Von dem Arm ertrunkner Sklaven
Abgezeichnet und zur Kenntnis
Allen Ämtern übersandt.
        (Zu Pedro) 219
Nur daß Ihr's ihm aufgedrückt,
Läßt sich draus nicht folgern.

Pedro                                         Holt
Eine Schaufel ans dem Garten!

Corregidor (seinem Schergen winkend)
Welchen Zweck . . . ?

(Der Scherge geht die Treppe hinauf in den Garten und kehrt kurz darauf mit einer Schaufel zurück)

Pedro                               Das Stempeleisen
Zeig' ich Euch, mit dem ich's tat.

Alkalde (zum Corregidor)
Sollt' er wirklich . . . ?

Corregidor (halblaut)         Weckt ihn nicht
Aus dem Taumel des Bekennens!

Pedro (deutet nach links vorn)
Dort auf jener Böschung, dicht
Unterm Heiligenbild laßt graben
Ungefähr zwei Spannen tief.

(Der Scherge beginnt an der bezeichneten Stelle nachzugraben)

Corregidor Jenes Eisen, sagt Ihr . . . ?

Pedro                                               Zufall
Oder nicht – in meinen Fingern 220
Hielt ich's grad, als unter mir
Jäh zerbrach die letzte Planke;
Trug es, während mich die Wellen
An das Ufer warfen, krampfhaft
Noch in der geballten Faust.
Drum, als wär's ein Amulett,
Mich mit Zauberkräften wappnend
Gegen Mißgeschick, bewahrt' ich's
Lange heimlich auf, und erst
In der Nacht vor meiner Hochzeit
Hab' ich's dort verscharrt.

(Der Scherge hat unterdessen ein Eisen von etwa einem Fuß Länge zu Tag gefördert und es dem Alkalden übergeben)

Alkalde                                 Hier ist's.

(Er reicht es dem Corregidor. – Bewegung und Verblüffung)

Corregidor (es prüfend)
Augenscheinlich! Form und Abform
Sind aufs Haar einander gleich.

Pedro Wird mir jetzt geglaubt?

Corregidor (Torribio vornehmend) Der Wahrheit
Gib die Ehre, Kamerad:
Ist er's?

Torribio (weinerlich)
            Ja; doch nur gezwungen
Dient' ich ihm. 221

Pedro                     Was für Beweise
Wollt ihr noch, daß mir mein Name
Ward entwandt von diesem Schuft?

Corregidor (zu Serafin)
Wie gelangtet Ihr dazu?

Serafin (der mit äußerster Verdutztheit zugehört)
Künstlerelend, Eure Durchlaucht.
Dringend war ich angewiesen
Auf ein grelles Aushängschild.

Corregidor Und weshalb vor dieser da
Spieltet Ihr die Rolle weiter?

Serafin Es beglückte sie. Warum
Sollt' ich sie mit rauher Hand
Aus dem siebten Himmel stürzen?

Corregidor (zu Manuela)
Gute Frau, da hilft nichts mehr;
Unzweideutig liegt's am Tage:
Mit dem falschen Räuber liefet
Ihr davon, und mit dem rechten
Wart Ihr unbewußt vermählt.

Pedro (in wildem Triumph)
Hörst du wohl, du blöde Gans?
Wird dir deine Riesendummheit
Klar? Begreifst du, wer die Lacher 222
Jetzt auf seiner Seite hat?
Weizen gabst du hin für Spreu,
Gold für Flitter, und du stehst
Mir zur Labsal, zur Vergütung
Als gefopptes Weib am Pranger
Hier und vor der ganzen Stadt!

Manuela (zwischen beiden, sich aus völliger Erstarrung aufraffend)
Die Gefoppte, ja, die bin ich.
Beide habt ihr mich getäuscht,
Mich belogen und betrogen;
Darin hat vorm andern keiner
Was voraus. Und doch, mich dünkt –
        (zu Pedro gewendet)
Seine Lüge war die schön're.
Biederkeit ward mir von dir
Kunstreich vorgespielt, von ihm
Heldentum; du hast geheuchelt,.
Er gedichtet. Ausgegähnt
Hast du dich an meiner Seite
Von vollbrachten Taten; er
Ließ mich nie geschehne träumen.
Hättest du mir nach der Hochzeit
All dein einstig Tun enthüllt,
Schweigsam hätt' ich, ja mit Stolz
Deine Last mit dir getragen;
Deine satte Tugend aber
Weckt mir noch verstärkten Ekel,
Nun sie sich als Schein erweist.
Kurz, du warst ein schlechter Gaukler,
Er ein guter; drum von neuem
Ihn erwähl' ich mir. 223

Pedro                           Oho!
Fehlgeschossen! Hierzuland
Gibt's Gesetze noch, mein Engel,
Die das Heiligtum der Ehe
Schützen vor Verwilderung.
Du bist mein, untrennbar mein,
Und Verzeihung dir erbettelnd
Wirst du heut noch – das verlang' ich
Angesichts der Obrigkeit –
Wiederkehren in das Heim,
Draus du schnöd' entwichen.

Corregidor (ihm die Hand schwer auf die Schulter legend)
                                          Kommt
Zur Besinnung, Estornudo.

Pedro Wie?

Corregidor   Denn eben die Gesetze,
Deren Schutz Ihr anruft, wenden
Ihre Schärfe gegen Euch:
Euer eigenes Geständnis,
Euch vom Ingrimm abgerungen,
Liefert uns den totgeglaubten
Übeltäter in die Hände,
Der für ungezählte Frevel
Uns die Sühne schuldig blieb.

Pedro (wie aus einer tiefen Hypnose erwachend, in schreckensvoller Klarheit)
Weh! – Was tat ich?! – 224

Corregidor                         Und ich greife
Kaum dem Spruch der Kirche vor,
Wenn ich Euren Ehebund
Als durch gröbsten Trug erschlichen
Null und nichtig nenne.

Pedro                                 Weh!
War ich toll? Wie konnt' ich selbst
Mir die Galgenschlinge knüpfen?

Corregidor Reichlich habt Ihr die verdient.
Aber weil Ihr seit geraumer
Frist von Eurem finstren Treiben
Abgewandt in unsrer Mitte
Tadellos Euch habt geführt,
Kann des Königs Milde walten.
Günstig trefft Ihr's grad: Im Seekrieg
Mit den Berbern, der soeben
Losbrach, fehlt es unsern Schiffen
An Bemannung; armen Sündern,
Die der Gnade sich empfehlen,
Lindert man die Todesstrafe
Drum zu Kriegsdienst auf dem Meer;
Und wenn dort fürs Vaterland
Alte Kampflust neu bewährend
Vor dem Feind Ihr Eure Schuld
Rühmlich tilgt, vermögt Ihr's gar
Bis zum Kapitän zu bringen.

Pedro (kläglich)
Weh! Bedenkt, ich bin aus aller 225
Übung; das bequeme Leben
Hat zum Krüppel mich gemacht,
Kurz von Atem, schwer von Gliedern . . .

Corregidor Heilsam bringen um so schneller
Euch die Kriegsbeschwerden Schlankheit
Und Geschmeidigkeit zurück.
        (Zum Alkalden gewendet)
Eurer Obhut übergeb' ich
Ihn als Häftling, Herr Alkalde.
Schafft ihn unter sichrer Deckung
In Gewahrsam.

Alkalde (zu den Schergen)
                      Vorsicht! Umsicht!

Pedro (während er von den Schergen abgeführt wird)
Ich Hansnarr! Ich Irrenhäusler,
Der ich um ein treulos Weib
Mich verraten!

(Die Schergen mit Pedro ab rechts. Auch Torribio wird durch einen Wink des Alkalden zum Mitgehen genötigt. Der Alkalde folgt, dann als Nachhut der Hauptmann und die Bewaffneten. Hurtado und die Nachbarn schließen sich, untereinander aufgeregt flüsternd, neugierig an)

Zehnter Auftritt

Capacho. Ines. Manuela. Serafin. Corregidor (mit seinen zwei Dienern)

Ines (jammernd)         O der Schande! 226

Capacho (ebenso)
Wir und unser ganz Geschlecht
Überhäuft mit Schimpf und Makel!

Ines Zwiefach unser Kind entehrt!

Corregidor (zu beiden)
Fürchtet nicht, geschätztes Paar,
Daß der lockre Vogel dort
Leichten Kaufes uns entflattert;
Hält ja doch an straffem Faden
Weislich das Gesetz auch ihn.
Unerbittlich den Entführer
Zwingt es, der entehrten Frau,
Falls kein andres Band sie fesselt,
Vorm Altar die Hand zu reichen.

Serafin (würdevoll)
Hierzu seht mich ohne Zwang,
Rein aus innrem Trieb der Seele
Gern bereit.

Corregidor (lächelnd)
                  Kumpan, es ist
Nebenbei nicht Euer Schaden.
Als Gemahl der reichsten Erbin
Rings im Umkreis könnt Ihr künftig
Breit an voller Schüssel sitzen.

Serafin (verklärt)
Traumhaft! 227

Capacho           Unsre Tochter Gattin
Eines Gauklers!

Serafin                     Tröstet Euch!
Opfermutig ihr zulieb
Werd' ich meiner Kunst entsagen,
Und der einz'ge Lorbeer, den ich
Fürder noch erstrebe, sei
Der des musterhaften Bürgers
Und des treuen Ehemanns.

Manuela (mit langem Gesicht)
Von dem Regen in die Traufe!
Wieder einer, den's gelüstet,
In der Ehe sich vom Leben
Auszuruhn. – Doch sei gewarnt:
Wirst auch du nun dick und faul,
Brenn' ich durch mit einem dritten!

 


 << zurück