Ludwig Fulda
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Ludwig Fulda

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Zweiter Aufzug.

Dieselbe Dekoration.

Die Glasthür, nach außen mit einer Marquise versehen, und die beiden Fenster sind offen; man sieht in den frisch grünenden Garten; dort, halb von Gebüschen versteckt, Gartentisch und Stühle. Ueber der Glasthür ein »Willkommen« mit breiter Blumenguirlande. Vor der Bibliothek ein Stehspiegel.

Erster Auftritt.

Bruno (eine Cigarette rauchend, liegt behaglich auf der Ottomane). Dora (in schlichtem, sommerlichem Kleid., sitzt am Schreibtisch und stenographiert).

Bruno (diktiert). . . . Um mich zu revanchieren, lud ich meine liebenswürdigen japanischen Gönner für den nächsten Tag zum Abendessen in ein Theehaus ein. Mein Dolmetscher, dem ich das Arrangement überließ, bestellte mir, es sei alles besorgt; nur lasse der Theehausbesitzer mich fragen, wieviel Geisha's ich wünsche. (Deutlicher wiederholend.) Geisha's. (Er buchstabiert.) G–e–i–s–h–a. »Wieso?« erwiderte ich erstaunt, »Tänzerinnen bei einem Herrensouper? Der gute Mann verkennt meine Absichten.« »Aber, Herr,« rief mein Faktotum ganz entsetzt, »eine Gesellschaft ohne Geisha's – das ist die größte Beleidigung, die Sie Ihren Gästen zufügen könnten.« In der That, weitere Erkundigungen bestätigten mir, daß in Japan zu einer halbwegs anständigen 55 Gasterei, sogar in den besten Familien, nichts so notwendig gehört wie etwas Ballett. Von dieser harmlosen Naivetät der Sitten erlebte ich bald darauf noch ein viel drastischeres Beispiel, als ich . . . (Er stockt. Dora sieht ihn fragend an.) Hm. Nein. Lassen Sie da bitte einen freien Platz im Manuskript. Das schreib' ich selber.

Dora. Fahren Sie doch nur ruhig fort, Herr Doktor.

Bruno (sich erhebend). Nein, nein, das schreib' ich lieber selber. (Er sieht auf seine Uhr.) Außerdem – wir müßten setzt doch abbrechen. Spätestens in einer halben Stunde werden sie kommen.

Dora. Wie Sie wünschen. (Sie packt zusammen.) Es muß ein entzückendes Land sein, dies Japan.

Bruno. Es ist das Land des Frühlings. (Nach dem Garten zeigend.) Na, der hat sich endlich wieder einmal auch bei uns eingefunden; hat Zeit genug dazu gebraucht.

Dora. Aber nun holt er's nach. Die Wärme thut einem wohl.

Bruno. Ja, unser deutscher Mai, das ist ein geriebener Bauernfänger; man fällt auf den alten Schwindel immer wieder hinein. Uebrigens, dieses lichte Kleid steht Ihnen ausgezeichnet. 56

Dora (ihre Mappe unter den Arm nehmend). Das alte Fähnchen? Ach warum nicht gar!

Bruno. Ausgezeichnet. (Er bemerkt, daß sie aufbrechen will.) Nein, nicht fortrennen! Seien Sie gemütlich; lassen Sie uns noch ein Endchen schwatzen.

Dora. Jetzt, wo Sie nach so langer Trennung Ihre Freunde erwarten . . .

Bruno. Stephan hat für alles gesorgt. Sie wissen, auf Stephan kann ich mich verlassen.

Dora. Sie setzen ihm dafür in Ihrem Buch ein würdiges Denkmal.

Bruno. Er verdient es. Eine Perle – unterwegs und daheim. Seit zehn Jahren kennt der Mensch alle meine Wünsche regelmäßig früher als ich. Heute morgen beim Aufwachen fiel mir ein, daß ich die Thüren bekränzen lassen will. Infolgedessen hatte er's schon gemacht, während ich noch schlief. Und sogar mit diesem eleganten Spiegel hat er mich überrascht.

Dora (lächelnd). Für europäische Damengesellschaft genau so unerläßlich, wie in Japan das Ballett. 57

Bruno. Es scheint so. Hier nämlich sollen die Herrschaften ablegen. Die Begrüßung findet im Garten statt. Drei junge Paare, die von der Hochzeitsreise kommen, dazu Blumenduft und Vogelgezwitscher – ist das nicht unerhört poetisch?

Dora (sich setzend). Ich finde die ganze Idee so hübsch – die jungen Frauen, die miteinander hier bekannt werden sollen und zugleich mit den Freunden ihrer Männer.

Bruno. Ja, ich muß sagen, ich bin riesig gespannt auf die Geschichte.

Dora. Es wird eine rechte Wohlthat für Sie sein, Ihre Freunde wieder zu haben.

Bruno. Selbstverständlich. Jedenfalls hab' ich nach den Burschen mehr Sehnsucht gehabt, als sie nach mir. Besonders im Anfang. Ich war so daran gewöhnt, alle Tage wenigstens einen bei mir zu sehen, und dann unsere Kneipabende vier- bis fünfmal die Woche – ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie ich diese plötzliche Verlassenheit ertragen soll. Und schließlich ging es ganz passabel – ganz passabel.

Dora. Weil Sie so fleißig arbeiteten.

Bruno. Ja, das ist es. Sonderbar! Diese Arbeit, die ich nur als Lückenbüßer vornahm, nur, um täglich ein paar Stunden 58 totzuschlagen – ich hätte nie für möglich gehalten, daß die mir ein so diebisches Vergnügen macht.

Dora. Der Reiz der Abwechslung.

Bruno. Nein, nicht nur das. Denn sonst wäre meine natürliche Faulheit längst wieder an der Reihe. Aber im Gegenteil, ich kann nicht genug kriegen; es thut mir jedesmal leid, wenn ich aufhören muß. Ihre Art, mir nachzuschreiben, hat auch etwas so Anregendes . . .

Dora (lachend). Aber Herr Doktor . . .

Bruno. In vollem Ernst. Sie machen beim Stenographieren ein so teilnehmendes Gesicht . . .

Dora. Das ist doch kein Wunder. Ach, die Welt zu sehen in solcher Freiheit – wie schön muß das sein, wie wunderschön!

Bruno. Ehrlich gestanden, es kommt mir in der Erinnerung schöner vor als damals. Ich habe erst jetzt den richtigen Spaß von der Sache. Und wenn nicht die einsamen Abende gewesen wären . . . Ins Wirtshaus zu laufen kann ich nun einmal nicht mehr über mich bringen; bin auch viel zu bequem dazu. Und da hockt man Abend für Abend 59 mutterseelenallein . . . Apropos, was fangen Sie für gewöhnlich des Abends an?

Dora. Ich kopiere in Reinschrift, was Sie mir am Tage diktiert haben.

Bruno. Ja richtig.

Dora. Und darüber fallen mir meistens die Augen zu.

Bruno. Gehen Sie niemals aus?

Dora. Wohin sollte ich denn gehn?

Bruno. Ist es denn wenigstens behaglich in Ihrem Stübchen? Sorgt Ihre Wirtin gut für Sie?

Dora. Ich bin nicht anspruchsvoll.

Bruno (nach einer kleinen Pause). Sagen Sie mal, Fräulein Lenz, warum sind Sie eigentlich kein Mann geworden?

Dora. Das hab' ich mich auch schon öfters gefragt.

Bruno. Schade. Sie hätten gewiß etwas Tüchtiges geleistet. 60

Dora. Vielleicht. (Mit leuchtenden Augen.) Aber jedenfalls hätte ich mein Leben genossen; das hätt' ich ganz gewiß gethan.

Bruno. Hm, hm . . . ja, ja . . . Und trotzdem sind Sie auf die Männer so schlecht zu sprechen.

Dora. Man ist selten gut zu sprechen auf Leute, mit denen man gern tauschen möchte.

Bruno. Ei, ei . . . das möchten Sie also. Sehr interessant.

Dora. Glauben Sie, daß es überhaupt irgendwo in der Welt eine Frau giebt, die niemals gewünscht hätte, ein Mann zu sein?

Bruno. Das müssen Sie besser wissen als ich.

Dora. Ich weiß es. Und umgekehrt, glauben Sie, daß es einen Mann giebt, der lieber als Frau geboren wäre? Haben zum Beispiel Sie einen derartigen Wunsch jemals verspürt?

Bruno. Himmlische Barmherzigkeit! Ich ein Weib! Entsetzlich!

Dora. Sie beben davor zurück wie vor einem Verhängnis. 61

Bruno. Nehmen Sie mir's nicht übel. Aber unvorbereitet, wie ich bin, mir denken zu sollen, daß ich . . . ich als Brunhilde Martens . . .

Dora. Sie möchten mit uns nicht tauschen, und trotzdem sind Sie so schlecht auf uns zu sprechen.

Bruno (etwas verwirrt). Ja, auf die Weiber; auf die Weiber im allgemeinen. Aber Sie . . . nun ja, Sie sind eben in meinen Augen kein Weib.

Dora. Das muß ich wohl noch gar als Schmeichelei auffassen?

Bruno. Sie sind in meinen Augen ein Mann – ein Ehrenmann.

Dora. Gut, ich habe nichts dagegen.

Bruno. Von jetzt an nenn' ich Sie einfach: Herr Lenz.

Dora. Sehr verbunden. (Aufstehend.) Aber nun ist es höchste Zeit . . .

Bruno. Spätestens um zwei bitte ich Sie wieder hier anzutreten, Herr Lenz. 62

Dora. Heute auch? Und Ihre Freunde?

Bruno. Die bleiben nicht so lange. Die gehen zum Mittagessen nach Haus. Ich möchte dann bis fünf durcharbeiten. Das Kapitel über Kioto muß heut unbedingt fertig werden. Und nun kommen Sie; ich will Ihnen doch endlich mal meinen Garten zeigen – den Stolz meines seligen Vaters. Junge, sagte er immer, ich verstehe nicht, warum du in der Welt herumreisen willst, wo wir doch den wunderschönen Garten haben. Er war nämlich noch bequemer als ich, mein Vater.

Dora (ihn ansehend). Bequem – nein, das ist nicht das richtige Wort für Sie.

Bruno. Welches denn?

Dora. Blasiert.

Bruno. Möglich, daß Sie recht haben. (Er geht mit ihr ein paar Schritte nach hinten; dann, sich besinnend.) Halt, ich will nur Stephan klingeln . . . (Geht auf die Klingel zu.)

Stephan (a tempo durch die Eingangsthür). Haben Herr Doktor vielleicht noch Befehle?

Bruno (zu Dora). Sehen Sie, das hat er wieder vorgeahnt. – Also, Stephan, mein Sohn, ich bin im Garten. Geleiten Sie die 63 Herrschaften dorthin, und wenn alle da sind, servieren Sie mit bekannter Grazie Erfrischungen.

Stephan. Sehr wohl, Herr Doktor.

Bruno (bei der Gartenthür, zu Dora, komplimentierend). Nach Ihnen, Herr Lenz.

Dora. Galanterie unter Männern?

Bruno. Nur unumgängliche Höflichkeit. Ich bin ja hier mehr zu Hause. (Beide ab durch die Gartenthür.)

Stephan (allein, macht auf dem Schreibtisch Ordnung. Rechts hört man Stimmen. Er eilt zur Eingangsthür, öffnet sie, macht einen Bückling). Wollen die Herrschaften nur eintreten. Der Herr Doktor sind im Garten.

Zweiter Auftritt.

Heinz. Toni.

Heinz (im Eintreten). Famos, das feierliche Grünzeug. – Na, wie geht's, edler Stephan? Immer wohlauf?

Stephan. Zu dienen, Herr Hagedorn. 64

Toni (die unmittelbar hinter Heinz eintrat, ist eine lebhafte, rundliche Wienerin; in ihrem Benehmen von ungetünchter Natürlichkeit. Ihre Kleidung und Frisur ist auffallend, aber doch geschmackvoll; ihr Haar hat eine ungewöhnliche rotblonde Farbe. Sie sieht sich um). Alsdann hier habt ihr sauberen Früchterln alleweil gelumpt.

Heinz (zu Stephan). Das ist meine Frau.

Stephan (dienernd). Hohe Ehre.

Toni. Freut mich, Herr Stephan. Hab' schon g'hört, bei Ihnen muß man sich einschmeicheln, wenn man in dem Haus was gelten will.

Stephan. Zu viel Ehre, gnädige Frau, zu viel Ehre. (Ab.)

Heinz (will in den Garten). Also komm, Toni.

Toni. Ja, was glaubst denn, Heinzerl! Erst muß ich mich doch ein bisserl herrichten. Kannst dir noch immer nit merken, daß du jetzt verheirat' bist?

Heinz (setzt sich resigniert). Richte dich her. 65

Toni (legt ihr Cape auf den Schreibtisch und beschäftigt sich vor dem Spiegel mit ihrer Toilette). Such' dir noch eine, die so g'schwind bei'nand ist wie ich. – Du, schau mich an! Meinst, daß ich deinen Freunderln so g'fall?

Heinz Enorm.

Toni (stets am Spiegel). Weißt, ihr Norddeutschen seid ja kreuzbrave Leut; aber Geschmack habts nit für ein Sechserl.

Heinz. Den hab' ich doch an dir bewiesen.

Toni. Das war ein lichter Moment. Aber dafür deine Bilder! Wennst noch so malen thätst wie der Makart. Der war nit so geizig mit die Farben wie du.

Heinz. Kind, davon verstehst du nicht die Bohne.

Toni. Die Bohne? Was denn für a Bohne? Mit die Farben bist sparsam, und 's Geld wirfst zum Fenster 'naus. Aber damit hat's jetzt g'schnappt. Mit der Mutter ihr'm G'schäft is eh nit viel los; die Hüt', die's macht, sind für die Norddeutschen zu fesch.

Heinz. Das laß nur meine Sorge sein. 66

Toni. Ja, jetzt heißt's hinterher sein, mein Lieber. Und das viele Biertrinken – das leid' ich auch nimmer. Ich mag kein' so dicken Mann.

Heinz (ihr mit einiger Ungeduld zusehend). Es wäre mir erfreulich, wenn du da bald fertig wärst.

Toni. So, da bin ich.

Heinz (aufstehend). Na, dann komm schon.

Toni (geht mit ihm zwei Schritte, kehrt um). Wart! Nur die Haar' muß ich mir noch richten.

Heinz (setzt sich wieder).

Dritter Auftritt.

Vorige. Bruno.

Bruno (aus dem Garten). Was der Tausend! Heinz – schon hier? (Er schüttelt ihm beide Hände.)

Heinz. Wie du siehst, Knorz.

Bruno. Hat Stephan dir nicht gesagt . . . (Er geht zu Toni, küßt ihr die Hand.) Ich freue mich herzlich, unsre flüchtige Bekanntschaft zu erneuern, gnädige Frau. 67

Toni (abwehrend). Ah, gehn's zu – gnädige Frau! Sagen's doch Frau Toni.

Bruno. Einverstanden, Frau Toni. Damals, im Atelier, hab' ich noch nicht ahnen können, daß mein Freund und die reizende Tochter seiner Wirtin . . .

Toni. Ja, eigentlich müßt' ich bös auf Sie sein, Sie Schlankel.

Bruno. Sie auf mich? Weshalb?

Toni. Weil Sie mein Heinzerl zur Ehelosigkeit haben verführen wollen. (Da Bruno Heinz fragend ansieht.) Müssen nit glauben, daß er Sie verklatscht hat. Ich hab's mit meinen eigenen Ohren g'hört.

Bruno. Wirklich?

Toni. Ich war ja immer nebenan, wenn's bei ihm auf Besuch waren. Und laut genug haben's dann g'schimpft auf die Weiber.

Bruno. Teufel, wie unvorsichtig.

Toni Aber – (sie reicht ihm drollig die Hand) sei'n wir wieder gut. Ich trag's Ihnen nit nach. 68

Bruno. Um so lauter werd' ich fortan Ihren Ruhm verkündigen; zum Beispiel, wie Sie Ihren Heinzerl in Eberswalde herausgefüttert haben.

Toni. Jessas, ich bitt' mir's aus! Ich möcht' ja so gern, daß er ein bisserl dünner wird . . . .

Bruno. Da müssen Sie ihm den Brotkorb höher hängen. – Darf ich Sie jetzt in den Garten führen? Sie sind die Ersten am dem Platz, und dabei wohnt Philipp mir nun schräg gegenüber. Der könnte schon da sein.

Toni (an Brunos Arm). Wie herzig Sie das alles aufputzt haben, Doktor.

Bruno Bei so welterschütternden Ereignissen . . . Kommst du nicht, Heinz?

Heinz. Gleich. Ich steck mir nur noch eine von deinen Cigarren an. Darauf freu' ich mich seit Wochen.

Toni (zu Bruno, während sie durch die Gartenthür abgehen). Wissen's, Doktor – jetzt kann ich's ja sagen – ich hab' Sie mir viel arroganter vorg'stellt.

Heinz (allein, wählt mit Bedacht eine Cigarre, steckt sie voll Behagen an). 69

Vierter Auftritt.

Heinz. Philipp. Amelie.

Amelie (Patrizierstochter, schlanke Gestalt; in ihrem Benehmen vereinigt sie mit prätentiöser Steifheit den stets verbindlichen, niemals unliebenswürdigen Ton guter Erziehung; sehr distinguiert gekleidet, mit leichtem provinziellem Beigeschmack; ist etwas kurzsichtig, trägt Lorgnette. Im Auftreten). Gieb doch acht! Gieb doch acht!

Philipp (hinter ihr drein stolpernd, erschrocken). Was ist denn?

Amelie. Du bist mir auf mein Kleid getreten. Wo hast du denn deine Augen? – Richtig, da haben wir's – ein großer Riß.

Philipp. Schadet nichts.

Amelie. Dir nicht. – Nein, es ist doch zu ärgerlich! (Sie beschäftigt sich mit dem Kleid.)

Philipp (Heinz bemerkend). Heinz! Grüß dich Gott, alter Junge.

Heinz. 'Tag, Stöpsel. (Amelie horcht auf.)

Philipp. Meiner Frau ist da ein kleines Malheur passiert . . . 70

Heinz. Willst du mich ihr nicht vorstellen?

Philipp Amelie, da hast du den bewußten Heinz Hagedorn.

Heinz (rauchend). Aeußerst angenehm. (Er schüttelt ihr die Hand.)

Amelie (markierend, daß der Händedruck ihr weh gethan). Ich habe schon sehr viel Gutes von Ihnen gehört. (Sie beschäftigt sich wieder mit dem Kleid.)

Heinz. Aufschneiderei. – – Wenn Sie vielleicht Stecknadeln brauchen, ich glaube, daß meine Frau . . .

Amelie. Sehr liebenswürdig. Die hab ich glücklicherweise selbst. (Sie setzt sich und beginnt den Riß zuzustecken.)

Heinz. Na, dann einstweilen.

Philipp. Wir kommen sofort nach.

Heinz. Wiedersehen, Stöpsel. (Ab durch die Gartenthür.) 71

Fünfter Auftritt.

Philipp. Amelie.

Amelie. Wie tituliert er dich? Stöpsel? Ich habe zuerst meinen Ohren nicht getraut.

Philipp. Ach, eine alte Gewohnheit von ihm, aus der Studentenzeit, uns bei unseren Kneipnamen zu nennen.

Amelie. Aber wir sind doch hier nicht in der Kneipe. Stöpsel! Ich finde den Namen schauderhaft.

Philipp (nervös). Amelie, wir werden draußen erwartet.

Amelie. So viel Zeit, um mir das Kleid notdürftig zusammenzustecken, mußt du mir schon gönnen. (Sie setzt sich auf die Ottomane.)

Philipp (auf und ab gehend). Schon gut, schon gut. (Er bleibt vor ihr stehen.) Nun, wie hat er dir gefallen?

Amelie. Dein Freund Hagedorn? Weißt du, die Cigarre hätte er beiseite lassen können, als er mit mir sprach. 72

Philipp. Aber, Amelie, halte dich doch nicht immer an solche Aeußerlichkeiten!

Amelie. Um seine inneren Vorzüge zu bemerken, dazu ist unsere Bekanntschaft noch zu kurz. (Sie will zum Spiegel gehen und entdeckt Tonis Cape.) Nein, ist das gräßlich!

Philipp (beunruhigt). Was?

Amelie. Sieh dir dieses Cape an – vermutlich von Frau Hagedorn. Ist das nicht geradezu unmöglich?

Philipp. Amelie, wenn du wüßtest, wie solche Bagatellen . . .

Amelie. Habe ich behauptet, daß es Staatsaktionen sind?

Philipp. Bitte, beeile dich doch! Was soll denn Bruno denken? Seit vier Monaten haben wir uns nicht gesehen . . .

Amelie. Dein Freund Bruno kann sehr zufrieden sein, wie mir scheint. Unseren allerersten Besuch machen wir bei ihm – bei einem Junggesellen. Wenn meine Verwandten das erfahren . . .

Philipp. Bruno ist mir wie ein Bruder. 73

Amelie. Hab' ich das bestritten? (Ungeduldig, mit Bezug auf ihr Kleid.) Ach, das Zeug hält aber auch gar nicht! – (Sich wieder setzend.) Ich versichere dir nochmals, lieber Philipp, ich habe den allerbesten Willen, mich mit deinen Freunden gut zu stellen, und mit ihren Frauen gleichfalls. Aber um so mehr kann ich verlangen, daß du meinen Kreisen dieselbe Aufmerksamkeit entgegenbringst.

Philipp. Gewiß! Wie oft soll ich dir das noch versprechen? Wir werden alle deine hiesigen Onkel und Tanten und Vettern besuchen. Aber jetzt . . .

Amelie (unbeirrt fortfahrend). Und ich glaube, daß dir diese Anknüpfungen nur von größtem Nutzen sein können. Sowohl für deine gesellschaftliche Position, als auch für deine Carriere.

Philipp. Amelie, das sind Fragen, die wir entschieden besser ein andermal . . .

Amelie (erhebt sich, auf das Kleid deutend). Kann man noch etwas sehen?

Philipp. Nicht das mindeste. (Er reicht ihr den Arm.) 74

Sechster Auftritt.

Vorige. Waldemar. Lisbeth.

Waldemar (im Auftreten zu Lisbeth). Was hab' ich dir gesagt, meine Zuckermaus? Wir sind die Letzten. – Philipp, mein Philipp! (Er eilt auf ihn zu, umarmt ihn.) Ehähä – da wären wir wieder.

Philipp. Waldemar, wie ist dir's ergangen?

Waldemar. Himmlisch! Ist das anders möglich mit solch einer süßen, süßen Fee? (Er kneift Lisbeth zärtlich in die Wange.)

Lisbeth (zierliche kleine Frau, noch halber Backfisch; von leidenschaftlicher Gemütsart und sehr verliebt; Fremden gegenüber schüchtern und unsicher). Aber Waldichen, artig sein!

Waldemar (stolz präsentierend). Das ist nämlich die Lisbeth – ehähä – das ist sie. (Zu Lisbeth.) Und das sind Winklers.

Philipp (reicht Lisbeth die Hand). Mir eine große Freude. (Vorstellend.) Meine Frau – Ehepaar Scholz. 75

Waldemar (Amelie die Hand küssend). Meine Allergnädigste – ganz besonderer Vorzug – werden von mir schon gehört haben. Ja, meine Allergnädigste, nun wollen wir miteinander fidel sein.

Amelie (von diesem Ton unangenehm berührt, ablenkend zu Lisbeth). Sie sind auch erst jetzt von der Reise gekommen?

Lisbeth. Ja, wir waren zuletzt noch bei Mama und Papa auf dem Gut. (Waldemar streicht ihr über die Haare.) Aber, Waldi, laß doch! – Ich fühle mich noch so fremd hier; deshalb freue ich mich doppelt . . .

Amelie. Ganz auf meiner Seite.

Lisbeth. Haben Sie schon Dienstboten?

Amelie. Ja. Sie noch nicht?

Lisbeth. Wir hatten eine. Die mußten wir aber gleich wieder wegschicken.

Waldemar. Ehähä – hatte zu großen Anhang.

Lisbeth. Es ist hier wohl recht schwer, ordentliche Mädchen zu bekommen? 76

Amelie. Ich weiß nicht. Mir hat das eine Tante besorgt.

Philipp (drängend). Aber nun müssen wir endlich . . .

Waldemar. En avant, meine Damen, en avant! (Philipp und Amelie gehen voraus nach hinten; er folgt mit Lisbeth, singend.) »Auf in den Kampf, Torero . . .«

Lisbeth (ihn zurückhaltend). Nur noch ein Augenblickchen, Waldi.

(Philipp und Amelie ab in den Garten.)

Siebenter Auftritt.

Waldemar. Lisbeth.

Waldemar. Was willst du, meine Taube? Soll ich dir in der Geschwindigkeit noch ein Dutzend Küsse geben auf dein allerliebstes kleines Rosenmündchen? (Er kommt mit ihr wieder nach vorn.)

Lisbeth (abwehrend). Nein, geh fort, du falscher Mann! – Warum hast du Frau Winkler die Hand geküßt?

Waldemar. Angeborene Ritterhaftigkeit. 77

Lisbeth. Herr Winkler hat mir nicht die Hand geküßt.

Waldemar. Der Leimsieder! Wie man dieses zaubervolle Patschhändchen nicht küssen kann – ehähä, mir schleierhaft. (Er will ihre Hand an die Lippen ziehen )

Lisbeth. Nein, laß, bitte! Gegen das Dienstmädchen warst du auch so, so . . . (Leidenschaftlich ausbrechend.) Ich will das nicht; ich ertrage das nicht!

Waldemar. Schatz, Herzenskind, Mäuschen, bist du schon wieder mal eifersüchtig? Und im allerungeeignetsten Moment!

Lisbeth. Nein, nein; aber wenn ich dir nicht mehr alles bin – alles, alles, wie auf unserer Reise . . .

Waldemar. Meine Göttin bist da, mein Augapfel, mein Idol . . . und nun sei vernünftig und komm!

Lisbeth (ihn festhaltend). Ach, Waldi, mir ist ohnehin mein Herz so schwer. Warum sind wir nicht wenigstens noch acht Tage bei Papa und Mama geblieben?

Waldemar. Liebchen, Liebchen, ich mußte doch mal wieder an die Arbeit. 78

Lisbeth. Das ist ein Vorwand. Das hat Mama auch gesagt. Die Wahrheit ist, daß du Sehnsucht hattest nach deinen Freunden.

Waldemar. Meinetwegen auch das, meine Puppe.

Lisbeth. Siehst du? Siehst du? Ich genüge dir nicht mehr – schon nach sechs Wochen! Du liebst mich nicht mehr so, wie du mich geliebt hast.

Waldemar. Ich dich nicht lieben? Das ist ja holder Wahnsinn, mein Engel.

Lisbeth. Dann beweise mir's und geh mit mir auf und davon!

Waldemar. Ja, zunächst einmal bis in den Garten.

Lisbeth. Waldi, ich will dich allein haben, hörst du – ganz allein für mich. Ich gönne dich niemand, niemand!

Waldemar. Ich dich auch nicht, mein Zuckerlamm. Aber nun thu' mir den einzigen Gefallen . . . 79

Achter Auftritt.

Vorige. Toni. Heinz.

Toni (mit Heinz aus dem Garten zurückkehrend, im Auftreten). Nein, weißt, Heinzerl, das ist mir zu fad.

Heinz. Ach, Kinderei.

Waldemar (auf Heinz zueilend). Heinz, mein Heinz, ich . . . (Er will ihn umarmen, besinnt sich aber, mit einem eingeschüchterten Blick auf Lisbeth; giebt ihm die Hand.) ich grüße dich. – Darf ich bekannt machen? Meine Lisbeth.

Heinz (ebenso). Meine Toni.

Waldemar (sich Toni vorstellend). Hatte bereits den Vorzug. – Scholz.

Heinz (ebenso zu Lisbeth). Hagedorn. – (Zu Waldemar.) Knorz fragte schon, wo ihr bleibt.

Waldemar (eifrig). Ja, wir wollten eben . . .

Heinz. Laß nur. Es fängt an zu regnen. Sie kommen gleich alle herein. Knorz zeigt nur noch Frau Winkler sein Treibhaus. 80

Waldemar (unruhig). Aber . . .

Toni. Frau Scholz, wissen Sie vielleicht, was eine »Ortschidee« is – oder so ähnlich?

Lisbeth. Ja, eine Blume mit weißen oder roten Blüten.

Toni. Ich hab's nit g'wußt – sag' ich ganz ehrlich. Is das a Schand', wenn man das nit weiß?

Lisbeth. Nein, sicher nicht.

Toni. Die Winklerische hat so gethan, als wenn's a Schand' wär'.

Heinz. Aber, Toni . . .

Toni. Ja, ich sag's Ihnen gleich, Frau Scholz, ich bin in keine so gute Schul' gangen. Was ich g'lernt hab', das hab' ich halt so g'lernt. Fesche Hüt' kann ich machen und 's Herz hab' ich auf dem rechten Fleck. Wem das nit paßt, der soll mich auslassen.

Lisbeth. Wie können Sie nur glauben, Frau Hagedorn . . . Ich bin auch nicht so gelehrt. Ich bin auf dem Lande aufgewachsen. Deshalb komm' ich mir auch noch so fremd hier vor . . . Sie sind wohl gleichfalls nicht von hier? 81

Toni. Hören S' mir das nit an?

Lisbeth. Ja, Sie sprechen so reizend süddeutsch.

Toni. Was für a Sprach' ich red', das weiß ich selber nit. Bin schon vier Jahr' fort aus der Wienerstadt. 's Wienerische kann ich nit mehr, und 's Berlinerische kann ich noch nit.

Lisbeth. Ach ja, es muß schwer sein, sich hier einzuleben. – Haben Sie schon Dienstboten?

Toni. Dienstboten – o Jegerl! Dazu hab'n wir kein Geld.

Lisbeth. Aber wer kocht Ihnen denn?

Toni. Die Mutter. Und ich sag' Ihnen, die Mehlspeisen, die's macht, die bringen alle Berlinerischen Köchinnen mitnander nit zamm'.

Waldemar (der mit Heinz gesprochen hat, nach dem Garten deutend, lebhaft). Da kommen sie, Lisbeth! Da kommt Bruno. (Er eilt ihm entgegen.) Bruno! 82

Neunter Auftritt.

Vorige. Bruno. Philipp. Amelie.

Bruno. Waldemar, wo steckst du? Wenn der Berg nicht zum Propheten kommen will . . .

Waldemar (verlegen). Ich . . . Wir . . .

Bruno (geht zu Lisbeth). Meine gnädige Frau, seien Sie mir – last not least – herzlich willkommen. Meinen Garten muß ich Ihnen nun freilich für heute unterschlagen. Es gießt.

Philipp. Der Tag fing zu vielversprechend an.

Bruno (klingelnd). Aber nun wären wir wenigstens glücklich alle beisammen.

Stephan (kommt mit einem Tablett, worauf Sherry, kleine Brötchen und Konfekt, serviert während des folgenden und geht dann wieder ab).

Waldemar. Ja, meine verehrten Herrschaften, das ist der große, bedeutungsvolle Augenblick . . .

Philipp. Den wir schon so lange herbeiwünschen.

Bruno (zu Lisbeth). Und auf den Ihr Gatte als Bräutigam eine zündende Rede hielt. 83

Waldemar. Aber die holde Wirklichkeit – ehähä – die ist noch viel zündender.

Bruno. Ganz besonders für mich, meine Damen. Sie verpflichten mich zu aufrichtigem Dank. Denn Sie bringen mir in vermehrter und verbesserter Auflage zurück, was Sie mir so grausam entwendet haben.

Waldemar (zu Lisbeth). Hat er brillant gesagt – nicht wahr, meine Puppe?

Bruno. Vor allem bitte ich Sie, es sich bequem zu machen. Ihre Herren Männer sind schon seit etlichen Jährchen bei mir zu Haus. Ich wäre glücklich, wenn ich von Ihnen dasselbe behaupten dürfte.

(Die Damen nehmen auf und neben der Ottomane Platz. Amelie und Toni sehr steif gegeneinander. Waldemar setzt sich neben Lisbeth auf den Schaukelstuhl und liebkost sie fortwährend.)

Philipp (mit Bruno und Heinz links vorn eine Gruppe bildend). Sag, Bruno, hab' ich in meiner Abwesenheit irgend etwas Interessantes versäumt?

Bruno. Daß ich nicht wüßte.

Philipp. Ich habe so viel, so unendlich viel mit euch zu reden. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. (Sie setzen sich an den Tisch links.) 84

Heinz Ja, man kann's brauchen. Mal wieder ein wackeres Gespräch unter Männern. (Auf Waldemar deutend.) Seht euch nur diesen verliebten Schäfer an!

Philipp. Dazu hat er doch weiß Gott zu Hause Zeit genug. Ich finde es jetzt viel nötiger, daß unsere Frauen untereinander Fühlung gewinnen.

Heinz. Sehr richtig. (Er ruft.) Zephyr!

Waldemar. Ja, was giebt's?

Heinz. Komm mal hierher, Zephyr!

Waldemar (unschlüssig). Jawohl.

Lisbeth (ihn zärtlich festhaltend). Ach, Waldi . . .

Waldemar. Gewiß, mein Schatz; ich bin gleich wieder bei dir, mein Liebling. (Er geht zum Tische links.)

Heinz. Setz dich mal hierhin, Zephyr.

Waldemar (mit einem Blick auf Lisbeth halb widerwillig gehorchend). Aber . . . (Die Freunde sprechen miteinander.) 85

Toni (zu Lisbeth). Ganz recht haben S', Frau Scholz. Erst kommen wir, und dann die Freunderln

Lisbeth. Nicht wahr? Ach, ich habe nicht umsonst so grenzenlose Angst davor gehabt.

Toni. Wenn die so die Köpf' zammstecken, da schaut sicher nix G'scheites 'raus.

Amelie. Ja, meine Damen, mir scheint, alle Männer bringen in die Ehe gewisse Junggesellengewohnheiten mit.

Lisbeth. Und das halten Sie für etwas Gutes?

Amelie. Im Gegenteil, ich meine, man muß das systematisch bekämpfen.

Toni (herzlich). Schaun's, das ist das erste Wort von Ihnen, das mir g'fallt.

Amelie (spitz). Ich hoffe noch öfter Ihren Beifall zu erringen.– – Natürlich ist es von großem Wert, wenn wir in dieser Hinsicht miteinander einverstanden sind.

Lisbeth. Ach, durchaus einverstanden.

Toni. Aber wie meinen's, daß wir . . . 86

Amelie. Nicht so laut! Sie könnten uns hören. (Sie rücken ganz nahe zusammen. Amelie fährt mit gedämpfter Stimme fort.) Vor allem müssen wir darauf dringen, daß sie von jetzt an . . . (Ihr weiteres Geflüster wird unverständlich.)

Bruno (aufmerksam machend). Eure Frauen scheinen sich schon recht gut zu verstehen.

Philipp (hinübersehend, freudig). Nein, das übertrifft meine kühnsten Erwartungen!

Heinz. Famos, famos:

Waldemar. Kinder, was hab' ich euch prophezeit? Sind schon ein Herz und eine Seele.

Philipp (tief atmend). Ah, mir fällt ein großer Stein vom Herzen.

Heinz. Na, dann wollen wir die Sache mal gleich ins reine bringen.

Philipp. Das wollen wir.

Waldemar. Auf mich könnt ihr zählen, Brüder. (Mit einem Seitenblick auf Lisbeth.) Aber wer soll . . . ?

Philipp. Bruno, du könntest vielleicht so gut sein . . . 87

Bruno. Schön. (Er steht auf, tritt in die Mitte.) Verzeihen Sie, meine Damen, wenn ich Ihre Unterhaltung störe. Aber Sie können sich denken, welcher Wunsch uns in dieser Stunde besonders naheliegt, nämlich der, daß wir unsere regelmäßigen freundschaftlichen Zusammenkünfte unter Ihrer Aegide möglichst bald wieder aufnehmen.

Amelie. Dagegen haben doch wir gewiß nichts einzuwenden.

Toni. Wir sind alleweil mit dabei, wo's lustig hergeht.

Bruno. Vortrefflich. Dann möchte ich also vorschlagen, daß wir gleich heute abend . . .

Amelie (lächelnd). Heute – nein, das ist nicht gut möglich. Wir haben ja noch nicht einmal vollständig ausgepackt.

Waldemar. Thut nichts. Verschieben wir's auf morgen, Kinder.

Lisbeth. Morgen, Waldi? Morgen wolltest du doch mit mir ins Theater gehen.

Waldemar. Ei, fatal, das hatt' ich ganz vergessen, mein Engel.

Heinz Herrjeses, lassen wir's eben bei übermorgen. 88

Toni Aber Heinzerl, was redst denn daher? Uebermorgen is ja Sonntag. Da hast doch der Mutter versprochen, daß wir mit ihr den ganzen Tag am Land sind.

Heinz. Oui, leichtsinnigerweise hab' ich das gethan.

Philipp (nervös). Ach, dann wird es am Montag endlich so weit sein.

Amelie. Pardon, mein lieber Philipp. Das ist gerade der Abend, den wir bereits von unterwegs Onkel Julius fest zugesichert haben.

Bruno (maliciös). Hm, wenn ich meinerseits nunmehr für Dienstag plaidieren dürfte . . . Dienstag zum ersten, Dienstag zum zweiten . . . (Er sieht nach rechts und links.) Es kommt mir in der That so vor, als ob der Dienstag ernstliche Chancen hätte.

Amelie. Gewiß. Aber darf ich mir nun die Frage erlauben, was am Dienstag eigentlich vorgehen soll?

Philipp. Amelie, du hörtest doch . . .

Amelie. Denken Sie sich das zum Beispiel als Diner oder als Abendgesellschaft im kleinen Kreise? 89

Bruno. Nein, gnädige Frau, etwas so Offizielles liegt gar nicht in unserer Absicht.

Amelie. Schon recht. Nur müssen wir Genaueres darüber erfahren.

Lisbeth (mehr zu den Damen). Man muß doch wissen, was man anziehen soll.

Toni. Ja, ob ich mir bis am Dienstag schnell noch was zammrichten kann . . .

Bruno. Ich bitte Sie, meine Damen, nehmen Sie die Sache nicht so schwer. Sie sollen einfach gemütlich mit dabei sein, wenn vier alte Freunde vollkommen zwanglos das Fest ihrer Wiedervereinigung feiern und natürlich zugleich auch das Fest der Vereinigung mit Ihnen.

Amelie. Und wo soll dieses Fest stattfinden?

Bruno. Falls ich im Hinblick auf unsere Traditionen proponieren darf . . .

Heinz. Nein, Knorz, daraus wird nichts. Wir drei haben gerade lange genug bei dir gefuttert.

Philipp. Bin ganz deiner Ansicht, Heinz. 90

Waldemar. Ehähä, wir haben setzt unsere eigene Haushaltung – nicht wahr, mein Geliebtes? (Er geht zu Lisbeth.)

Amelie. Ja, Herr Doktor, die Ehepaare beim Junggesellen – das wäre die verkehrte Welt.

Heinz. Also abgemacht. Ihr kommt Dienstag abend auf meine Bude.

Amelie (zu Toni). Seine Bude? Was hat denn Ihr Herr Gemahl für eine Bude?

Toni. So heißt man doch bei die Norddeutschen, was man in Wien a Wohnung nennt.

Amelie. Ach so, Ihre Wohnung!

Toni. Aber wissen's, unsere Wohnung is halt wirklich nur a Bude. (Sie geht zu Heinz hinüber.) Nein, mein liebs Mannerl, da kannst zwei so feine Damen wie die Frau von Scholz und die Frau von Winkler nit raufkraxeln lassen. Da muß erst a mal ordentlich aufg'waschen werden; sonst scham' ich mich z' Tod. (Zu den andern.) Wenn ich Ihnen sag', nit ein einziges Paar ganze Strümpf' hat der Mann mit in die Eh' bracht, und jetzt will er schon gleich G'sellschaften geben.

Waldemar. Heinz, mein Heinz, dir macht es Umstände, und uns macht es keine. Süße Lisbeth, hab' ich recht? 91

Lisbeth. Ach, Waldi, wir haben doch kein Dienstmädchen.

Waldemar. Sapristi! Sapristi!

Philipp (ist nach rechts zu Amelie gegangen, nimmt sie beiseite). Amelie, willst du dieser peinlichen Situation nicht ein Ende machen? Der Abend muß selbstverständlich bei uns sein.

Amelie. Ich begreife dich nicht, Philipp. Ich kann doch niemand einladen, der noch nicht einmal Besuch bei uns gemacht hat.

Philipp. Ist es möglich?! Wegen solcher kleinlichen Bedenken . . .

Amelie. Und selbst wenn ich dir zulieb mich darüber hinwegsetzen wollte, überlege doch nur: Kann ich in meinem Haus zum erstenmal Gäste sehn, ohne wenigstens meine allernächste Familie aufzufordern?

Philipp. Ach, das ist ja lamentabel; das ist ja . . . (Kleine Pause allgemeiner Verlegenheit.)

Bruno (der alles mit sarkastischem Lächeln beobachtet hat, in der Mitte zwischen den drei Paaren). Meine Herrschaften, ich weiß nicht, ob ich mich täusche; aber ich habe den Eindruck, daß der Fall weit verwickelter ist, als nur in unserer Schulweisheit uns träumen ließen. 92

Heinz. Stimmt auffallend, Knorz.

Bruno. Zusammenkommen wollen wir am Dienstag, so viel steht fest, und die Hindernisse sind zwar groß, aber nicht unübersteiglich. Verbringen Sie also diesen berühmten Abend bei mir! Solange Sie mit Ihrer Häuslichkeit noch nicht in Ordnung sind, ist es doch unstreitig das bequemste für uns alle. Ich ersuche Sie, mir schon den Nachmittag zu schenken: ein paar Stunden im Freien, und später ein kaltes Abendbrot, gewärmt durch Ihre Gegenwart – sagen Sie ja, meine Damen; ich bitte Sie darum; es soll mir eventuell sogar auf einen Kniefall nicht ankommen.

Toni. Na, wann's so schön bitten . . .

Philipp (heftig). Wir kommen, Bruno; wir kommen unbedingt! Dieses Thema muß nachgerade unter allen Umständen erledigt sein.

Waldemar. Bravo!

Philipp. Denn ich finde, wir haben jetzt noch so viel Wichtiges miteinander zu sprechen . . .

Amelie. Jetzt, lieber Philipp? Und unsere notwendigen Besuche?

Philipp (unterdrückt eine Gebärde der Verzweiflung). 93

Waldemar (zu Amelie). Aber, meine Allergnädigste, Sie wollen doch nicht jetzt schon aufbrechen?

Lisbeth (ihn beiseite ziehend). Waldi, höre mich . . .

Waldemar. Was denn, mein Heideröschen, was denn?

Lisbeth (halblaut). Das ist schändlich von dir – die andern noch darin zu bestärken, daß sie nicht fortgehn.

Waldemar. Wir sind ja eben erst gekommen, meine Taube.

Lisbeth (weinerlich). Siehst du, daß ich dir nichts mehr bin?

Waldemar. Ihr Himmelsmächte, wieso denn?

Lisbeth. Nach Tisch gehst du in dein Bureau, und statt dich zu freuen, daß wir uns vorher wenigstens noch ein Stündchen allein haben . . . (Mit thränenerstickter Stimme.) Wenn das Mama wüßte! –

Waldemar (ratlos). Kind meines Herzens, ich thue alles, was du willst . . . Nur hier keine Scene; wir wären ja schrecklich blamiert! 94

Philipp (hat inzwischen links mit Bruno und Heinz gesprochen; zu Bruno). Wir müssen also das auch verschieben, mein Teurer.

Bruno. Augenscheinlich. – Waldemar, ihr bleibt doch noch?

Heinz. Zephyr bleibt.

Waldemar (nach links gehend, höchst verlegen). Ich . . . nein, ich bedaure . . . ich habe . . . ich muß allerdings . . .

Toni. Ja, ja, Doktor, für mein Heinzerl is auch höchste Zeit.

Heinz. Da muß ich dir denn doch bemerken, Toni . . .

Toni. Bemerk' du mir gar nix. Du alter Bummler gehst jetzt z' Haus und malst – hast mich verstanden?

Amalie (rechts vorn zu Lisbeth). Was sagen Sie nur zu dieser Frau Hagedorn?

Lisbeth. Sie hat etwas sehr Natürliches.

Amalie (ironisch). Ja, wahrhaftig, das hat sie!

Lisbeth. Und die Farbe ihrer Haare ist außerordentlich pikant. 95

Amalie. Sie holde Unschuld, die halten Sie für echt?

Lisbeth. Sie glauben? . . .

Amalie. Gefärbt. Das sieht ein Blinder.

Toni (zu ihnen hintretend). Wir gehn. Kommen's mit? (Sie nimmt ihr Cape um.)

Amalie (sehr freundlich). Bedaure unendlich, meine liebe Frau Hagedorn. Wir wollen herumfahren, Besuche machen. (Zu Bruno hinübersprechend.) Würden Sie uns eine Droschke besorgen lassen, Herr Doktor? (Sie spricht dann weiter mit Toni und Lisbeth.)

Bruno. Sofort. (Er klingelt, geht dann zu den Freunden nach links.) Lebt wohl, meine Getreuen. Das Vergnügen war kurz, aber um so intensiver. (Zu dem eintretenden Stephan.) Stephan – eine Droschke. (Stephan ab.)

Waldemar. Nun gesteh' mal ehrlich, mein Bruno, hast du nicht ein klein bißchen Neid auf uns?

Bruno. Durchaus nicht.

Waldemar. Wenn wir so abziehen, jeder mit seinem lieben Weibchen am Arm, und du einsam zurückbleibst . . .96

Bruno. Laß dir darüber keine grauen Haare wachsen, Geliebter. Meine Zeit ist aufs angenehmste ausgefüllt.

Heinz. Na, jedenfalls hast du dich nun überzeugt, daß zwischen uns alles beim alten geblieben ist.

Philipp. Wir dürfen wahrlich mit dem Resultat des heutigen Tages zufrieden sein, und ich zweifle nicht, daß . . .

(gleichzeitig rufend.)

    Amalie. Philipp!

    Toni. Heinzerl!

    Lisbeth. Waldi!

(Die Männer eilen zu ihren Frauen.)

Lisbeth (zu Waldemar, höchst ungeduldig). Kannst du dich denn gar nicht entschließen . . .

Waldemar (halblaut). Bin ja bereit, mein Schatz. – Sag Bruno noch etwas Verbindliches.

Lisbeth (geht zu Bruno). Ich danke Ihnen vielmals, Herr Doktor. Es war reizend. (Sie grüßt die Herren und nimmt Waldemars Arm.)

Toni (zu Bruno). Ja, sehr amüsant war's bei Ihnen, Doktor – und so urgemütlich. – (Zu Heinz.) Vorwärts, Heinzerl. 97

Waldemar (nach einem vergeblichen Versuch, von Lisbeths Arm noch einmal loszukommen). Auf Wiedersehen, Kinder; auf Wiedersehen! (Er geht mit Lisbeth schnell ab.)

Heinz (verbeugt sich vor Amelie). Empfehle mich. – Addio, Stöpsel; addio, Knorz. (Er geht mit Toni ab.)

Bruno (zu Amelie). Die Droschke muß im Augenblick hier sein, gnädige Frau.

Philipp. Und im übrigen, Bruno – wir sind jetzt Nachbarn. Ich hoffe, du machst einen recht häufigen Gebrauch davon.

Amalie. Das hoffe ich ebenfalls, Herr Doktor. Wir sind täglich von vier bis fünf Uhr zu Hause.

Philipp (schnell einfallend, zu Bruno). Für dich aber natürlich auch zu jeder anderen Zeit.

Stephan (tritt auf). Die Droschke ist da. – Auch Fräulein Lenz ist eben gekommen.

Bruno. Nur herein mit ihr. (Stephan ab. Bruno will Amelie und Philipp das Geleit geben.)

Amalie. Nein, wir gestatten nicht, daß Sie uns begleiten. – Sie bekommen Besuch . . .

Bruno. Meine Stenographin. 98

Zehnter Auftritt.

Bruno. Philipp. Amelie. Dora.

Bruno (vorstellend). Fräulein Lenz – Herr und Frau Winkler. (Verbeugungen.)

Amalie (zu Bruno, abwehrend). Nein, bitte, bleiben Sie; nur keine Ceremonien.

Bruno. Wenn Sie es befehlen . . .

Amelie. Wir waren ja auch nicht ceremoniell. Ich kam zu Ihnen, noch ehe Sie bei uns waren. – Philipp, deinen Arm. (Mit ihm nach hinten gehend, halblaut.) Seltsam – diese junge hübsche Person . . .

Philipp. Seine Stenographin.

Amalie. So, so! (Beide ab.)

Elfter Auftritt.

Bruno. Dora.

Bruno (explodierend). Bombenelement! Da soll doch gleich das Wetter hineinschlagen! Bombenelement! 99

Dora (die sofort zum Schreibtisch gegangen ist). Was haben Sie?

Bruno. Es ist ja nicht zu sagen; es ist ja nicht zu beschreiben!

Dora. Was ist geschehen?

Bruno. Meine armen Freunde! Meine armen, armen Freunde! Aber ich hab' es vorausgewußt; ich bin der Schlaue gewesen.

Dora. Du lieber Himmel, was ist denn passiert?

Bruno. Nicht wiederzuerkennen sind sie! Nicht mehr zu mucksen trauen sie sich! Und zuletzt heißt es: Ganzes Bataillon linksumkehrt, marsch! Und die edle Heldenschar trottet im Paradeschritt zum Tempel hinaus. Diese Weiberknechte, diese Sklaven, diese Heloten – das sind meine alten Freunde! Ein Jammer, ein wahrer Jammer!

Dora. Verzeihen Sie, Herr Doktor – aber Ihre große Aufregung ist mir nicht recht verständlich. Ihre Freunde haben es doch gar nicht anders gewollt, und . . .

Bruno. Strengen Sie sich nicht an! Geben Sie sich gar keine Mühe, mich zu trösten! Im Grunde sind Sie ja doch meiner Ansicht. Sie denken über die Konsequenzen der Ehe nicht um ein Haar besser als ich. 100

Dora. Aber lediglich vom Standpunkt der Frauen. Ihre Freunde, die hatten wohl grade genug Erfahrung, um zu wissen, was sie thun. Mit denen hab' ich nicht das allergeringste Mitleid.

Bruno. Aber Herr Lenz, wenn Sie gesehen hätten . . .

Dora (eifrig). Nein, wahrhaftig, wenn die Männer es immer so hinstellen, als wären allemal nur sie das bedauernswerte Opferlamm, da muß ich doch fragen: Ist das Wagnis für uns nicht mindestens ebenso groß?

Bruno. Nun, ich denke doch, Sie sind aus dem Spiel.

Dora (aufstehend, leicht pikiert). Nein, Herr Doktor, ich bin gar nicht aus dem Spiel.

Bruno. Nicht?

Dora. Ich weiß noch lange nicht, wer in diesem Augenblick vor einem größeren Risiko steht: ich selbst, oder . . .

Bruno. Oder . . .?

Dora. Der Herr der Schöpfung, der so gnädig war . . .

Bruno. Von wem reden Sie? 101

Dora. Von einem, der mich heute in aller Form mit einem Heiratsantrag beglückt hat.

Bruno (aufspringend). Nein, da hört alles auf!

Dora. Ich fand, als ich eben nach Hause kam, seinen Brief. Ich war ja ein bißchen perplex. So aus heiterem Himmel . . .

Bruno (umhergehend). Haha, ich verstehe! Ein Heiratsantrag! Und all Ihre schönen Grundsätze natürlich wie fortgeblasen. In der Theorie verschwört man das Heiraten, beklagt man die Ehefrauen, verketzert man die Männer; aber in der Praxis – ja, Bauer, das ist ganz was anders. Und Sie wollen ein Mann sein, Fräulein Lenz? Nichts da! Sie sind ein Weib, Herr Lenz! Sie haben keine Logik; Sie haben keine Prinzipien.

Dora. Herr Doktor, ich . . .

Bruno. Unverantwortlich! Ins Joch wollen Sie sich begeben, Ihre Freiheit verkaufen für einen elenden Trauschein, Mit sehenden Augen in Ihr Verderben rennen. Und wer ist denn dieser unverschämte Mensch, der es gewagt hat . . .

Dora. Unverschämt – ach nein, das ist er nicht. Ein Witwer mit zwei Kindern, der vor Jahren bei meinem Vater 102 Buchhalter war. Die Bescheidenheit in Person, und er meint es gewiß aufrichtig gut mit mir.

Bruno. Ei, ei, soll bedankt sein.

Dora. Und außerdem – es wäre eine sogenannte Versorgung.

Bruno. Versorgung! Damit kommen Sie mir nun nicht! Dazu haben Sie doch den Witwer und seine zwei Kinder nicht nötig. Woran fehlt es Ihnen? Haben Sie bei mir nicht Ihr Auskommen? Nur ein Wort, und ich werde Ihr Gehalt verdoppeln; ich werde es verdreifachen. Oder sehen Sie mehr auf gute Behandlung? Ich werde riesig nett zu Ihnen sein; ich werde mich um den Finger wickeln lassen. Sie sind mir ja unentbehrlich – für meine Arbeit ganz unentbehrlich.

Dora. Das alles ist sehr schmeichelhaft für mich, Herr Doktor. Aber Ihre Arbeit wird doch einmal fertig, und dann . . .

Bruno. Dann werd' ich Ihnen etwas Neues diktieren, und dann wieder etwas Neues. Immerfort, jahraus, jahrein, Band auf Band – und wenn mir gar nichts mehr einfällt, dann diktier' ich Ihnen Schlossers Weltgeschichte und Meyers Konversationslexikon.

Dora (lächelnd). Aeußerst verlockend. Und doch, Sie müssen einsehen: Falls ich für den braven Mann etwas empfinden könnte . . . 103

Bruno. Aber Sie empfinden nichts für den braven Mann; das hab' ich gleich gemerkt; er ist Ihnen vollkommen gleichgültig, der brave Mann.

Dora (nach kurzem Besinnen). Ich . . . Ich werde den Antrag ablehnen, Herr Doktor.

Bruno (aufatmend). Na, Gott sei Dank!

Dora (schnell). Aber durchaus nicht aus Mitleid mit dem braven Mann.

Bruno (sich die Hände reibend). Das glaub' ich gerne.

Dora. Sondern weil mir meine Freiheit zu lieb ist.

Bruno (triumphierend). Das ist die rechte Tonart! So gefallen Sie mir!

Dora. Bei der Freiheit weiß man, was man hat.

Bruno. Und beim Heiraten weiß man's nicht.

Dora. Es ist ein Lotteriespiel. 104

Bruno. Eine Dummheit ist es – und Frauen oder Männer, das kommt dabei vollständig auf eins heraus. Galeerensträflinge, die man paarweis zusammenschmiedet – da ist der eine so übel dran wie der andre. Nein, Herr Lenz, so, wie wir zwei – das ist das einzig Wahre! Zwei selbständige, zurechnungsfähige Menschen, in unbefangenem Verkehr; keine Rücksichten, als die der guten Lebensart; keine Fesseln als die der gegenseitigen Hochachtung und Sympathie – ich möchte wissen, mit wem wir zwei zu tauschen hätten.

Dora. Mit niemand.

Bruno (mit steigender Heiterkeit). Nicht wahr? Und da fragen die armen Teufel noch, ob man ihr Glück nicht beneidet! Wir die beneiden, Herr Lenz!

Dora (ebenso) Wir haben's nicht nötig.

Bruno. Wir denken nicht dran.

Dora. Wir haben das bessere Teil erwählt.

Bruno. Wir können sie alle miteinander auslachen! Haha, wenn die eine Ahnung hätten, wie unglaublich vergnügt wir sind . . . (Beide lachen.) 105

Dora (plötzlich abbrechend, etwas verlegen). Wollen Sie mir jetzt nicht diktieren?

Bruno. Ja gewiß; ja freilich. Sie erlauben doch, daß ich mich wieder ein bißchen strecke?

Dora (am Schreibtisch). Ich denke, das ist ein für allemal ausgemacht.

Bruno (legt sich auf die Ottomane, zündet sich eine Cigarette an). Ach, wie angenehm! – Ach, wie unsagbar mollig! – Also . . . ja, wo waren wir doch gleich stehen geblieben?

Dora (lächelnd). Bei einem leeren Platz.

Bruno. Richtig! Haben Sie den leeren Platz?

Dora. Ja, den hab' ich.

Bruno. Dann schreiben Sie: (Er diktiert während dem Fallen des Vorhangs.) Ich hielt es für ratsam, meine japanischen Sittenstudien damit vorläufig abzuschließen, und als ich am Morgen des nächsten Tages ziemlich spät erwachte . . . 106


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