Ludwig Fulda
Der heimliche König
Ludwig Fulda

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Vierter Aufzug

Dieselbe Dekoration

Erster Auftritt

(Orgelspiel in der Kapelle. Durch die Galerie kommen, von) Godo (geführt,) Florant, Garel, Frimutel, Schaffilor.

Godo Erwartet hier den Hof! Die heil'ge Handlung,
Die jetzo sich begibt in der Kapelle,
Muß ihrem Ende nah sein.

Florant                                   Welche Wandlung!
Ja, guter Alter, als an dieser Stelle
Wir bebend standen vor zehn Monden kaum,
Wer hätte das zu hoffen sich erkühnt!
Gerettet Volk und Reich, und aufgegrünt
An unsres Königtums uraltem Baum
Ein neues Reislein.

Godo (stolz)                   Ei gewiß; ei freilich!
Und was für eins! (Ab durch die Galerie)

Schaffilor                   Der Wunder fast zu viel!
Kaum Schritt noch halten kann mein Saitenspiel. 143

Frimutel Doch dies Zuviel erweist sich als gedeihlich
Für Euch und Eure Zunft, Herr Schaffilor:
Ihr werdet fett.

Schaffilor (sich die Hände reibend)
                      Es läßt sich nicht bestreiten:
Wir Barden stehn gar üppig jetzt im Flor,
Nachdem wir uns in dürren Zeiten
Mühsam bewahrt vor gänzlichem Verderb;
Denn stets nur ungescheh'ne Taten preisen
Und Hungrige mit Zukunftsbildern speisen
Ist, im Vertrau'n, ein kümmerlich Gewerb.
Auf Jahr und Tag hinaus will niemand borgen,
Und hart entgelten muß es der Prophet,
Wenn das, was er geweissagt hat für morgen,
Nicht heut schon in Erfüllung geht.
Jetzt aber dürfen unsre Harfenklänge
Dem Gestern folgen mit belohntem Fleiß,
Und gleich Aposteln feiert uns die Menge,
Weil wir verkünden, was schon jeder weiß.

Garel (nach rechte deutend)
Sie kommen!

Zweiter Auftritt

Vorige. (Aus der Kapelle kommen) Limors, Geraint (zu beiden Seiten der Stufen sich aufstellend; dann) Herzog, Jovelin, Leibarzt, Sigune, Elinod (die in einem kostbaren Steckkissen den Täufling trägt; zuletzt)s Kaplan.

Florant                 Heil dem jungen Königsohn!
Heil ihm zu seinem künft'gen Lebenslaufe, 144
Der ihn emporweist auf der Väter Thron;
Gesegnet sei die Stunde seiner Taufe!

Frimutel, Garel, Schaffilor
Heil!

Sigune     Seid bedankt im Namen meines Kinds
Und meines hohen Gatten, daß aufs neue
Dem Herrscherhaus ihr dartut eure Treue. –
Seht, wie gefällt euch unser kleiner Prinz?

Florant (mit seinen Begleitern ehrfürchtig nähertretend)
Ein Hünenkind!

Sigune                     Und erst vier Wochen alt.

Schaffilor Vier Monde würde man ihm geben.

Sigune Nicht wahr?

Garel                     Erhabenheit und Kraft umwehen
Die freie Stirn.

Frimutel                 Die Fäustchen sind geballt,
Als litten sie kein feindlich Widerstreben.

Schaffilor Im Schlummer lächelnd ahnt er künft'ge Siege.

Florant Der trägt einmal die goldne Rüstung leicht!

Garel Ein Herrscher Zoll für Zoll schon in der Wiege! 145

Frimutel Ja, wer verkennt an Mund und Kinn und Wangen,
Wie wundersam er seinem Vater gleicht?

Garel Und seinen Ahnen!

Schaffilor                       Ihre Reihe setzt
In ihm sich fort!

Kaplan                     Bei seiner Taufe jetzt
Hat er den Namen Artus drum empfangen.

(Auf einen Wink Sigunens geht Elinod mit dem Kind ab rechts Mitte, unter Vorantritt von Limors und Geraint, die zu beiden Seiten der Tür stehen bleibend sich tief verneigen und dann durch die Galerie abgehen)

Frimutel (nachblickend)
Wie muß der König glücklich sein!

Sigune                                               Er ist's.

Florant Und wir mit ihm. Nach segensreichem Ende
Der äußren Stürme wie des innren Zwists
Gewahren wir in all dem Frühlingsblühn
Rings um uns her das Wallen seiner Hände;
Und wenn er auch nur einmal aus der Nähe
Sich uns gezeigt, vom Scheitel bis zur Zehe
Gehüllt in blinkend Erz, um heldenkühn
Gleich einem Engel Gottes uns voraus
Die Bahn zu brechen, wo voll Todesgraus
Der Hagelschlag am dichtesten gewettert,
Und wieder in die Stille sich zu flüchten,
Sobald in einer einz'gen heißen Schlacht
Der Angelsachsen Heerbann er zerschmettert – 146
Wir kennen ihn seitdem an seinen Früchten,
An all dem Herrlichen, was er vollbracht.

Sigune Sogleich ihm schildern will ich, wie beredt
Ihr die Beglücktheit seines Volks bestätigt;
Falls ihr jedoch ihn gern mit Augen seht,
Ihm gern durch Zuruf euren Dank betätigt,
So wißt: wenn zärtlich sorgend er vermied,
In meiner schwachen Zeit mich zu verlassen,
Heut, seinem alten Brauch getreu, durchzieht
Er in der Sänfte wiederum die Gassen
Und hofft voll Vaterstolz, auf seinen Wegen
Umringt zu werden durch ein froh Gewühl.

Florant Traun, diesmal strömt mit innigerm Gefühl
Als je zuvor ihm jung und alt entgegen.

Sigune Ich meld' es ihm. (Sie geht ab rechts Mitte)

Florant                         Laßt uns die Stadt geschwind
Zu schuldiger Begeistrung vorbereiten!

Schaffilor Zu singen allerwärts vom Königskind,
Auf meine Harfe spannt' ich neue Saiten;
Und klang bisher aus ihres Echos Kraft
Artus des Zehnten Kriegsruhm brausend wider,
So darf das neuste, schönste meiner Lieder
Zum Himmel heben seine Vaterschaft.

(Florant, Frimutel, Garel, Schaffilor ab durch die Galerie) 147

Dritter Auftritt

Herzog. Jovelin. Kaplan. Leibarzt. (Zuletzt) Sigune.

Jovelin Es ist, um sich die Ohren zu verstopfen!
Soll denn, zum Henker, so jahraus jahrein
Sich Jubel immerfort auf Jubel pfropfen
Und alle Tage Kirchweih sein?

Herzog (bitter)
Verlangt Ihr mehr? Was wir von Anbeginne
Für unsre Herrschaft uns ersehnt als Trumpf,
Ward's nicht Ereignis?

Kaplan                             Doch in welchem Sinne!

Herzog Des Meutergeistes Waffen wurden stumpf;
Der König steht auf höchster Ruhmeszinne . . .

Jovelin Und wir – wir stecken klaftertief im Sumpf!

Kaplan Uns hält ein gottvergessener Tyrann
Vom sichren Winkel aus bequem zu Narren.

Leibarzt Wohin's ihm gutdünkt, ziehn wir ihm den Karren,
Vor den er uns geschirrt als Viergespann.

Herzog Wohl wahr; doch eure Weisheit kommt verspätet.
Warum nicht hat sie damals euch gewarnt, 148
Als mit dem Trug, den wir ihm nachgebetet,
Wir uns am schlimmsten selbst umgarnt?
Wir wähnten, diese Lüge werd' uns retten,
Und er, den wir verkannt im tiefsten Kern,
Schlug uns, des echten Herrschers einst'ge Herrn,
Mit angemaßter Macht in Sklavenketten!

Kaplan Wie konnt' auch ahnen unser Menschenhirn,
Daß er die Rüstung anzutun vermöchte?

Leibarzt Wer sah voraus, daß er des Toten Stirn
Mit einem Siegeskranz umflöchte?

Jovelin Ja, Freunde, schmählich wurden wir geprellt;
Doch frag' ich, wenn der eigne Trug mit Ketten
Uns schnürend einengt, was in aller Welt
Uns jetzt noch zwingt, ihn länger fortzusetzen!

Herzog Ihr meint . . . ?

Jovelin                       Uns ward, weil in des Volkes Wahn
Ein Toter lebt, ein Lebender beschwerlich;
Doch sind nicht alle beide nun entbehrlich,
Nachdem sie reichlich ihre Pflicht getan?

Kaplan Indes . . .

Jovelin                 Verurteilt waren wir zur Frohn,
Solang wir harren mußten auf den Erben;
Der ist nun da; dem König ward ein Sohn:
Was also noch verhindert ihn, zu sterben? 149

Leibarzt (überzeugt)
Gar nichts.

Jovelin             Er wird von neuem krank.

Leibarzt                                                   Und kränker.

Jovelin Die Heilkunst müht sich ab . . .

Leibarzt                                             Jedoch vergebens.

Jovelin Letztwillig vorm Erlöschen seines Lebens
Uns vier bestellt er als berufne Lenker
Des Knäbleins, dem das Reich er hinterläßt . . .

Leibarzt Worauf er sanft entschläft.

Jovelin                                           Und kurz und bündig,
Dann sind, bis der gekrönte Säugling mündig,
Wir wieder Herrn!

Kaplan                       Vortrefflich!

Herzog                                           Ihr vergeßt:
Wenn auch der Tote tot ist, seinem Knaben
Lebt noch ein ausgewachsner Vater fort.

Jovelin Nein, allerdings, der muß den Vortritt haben;
Den werfen wir als Ersten über Bord.
        (Näher und leiser)
Ein Streich von rückwärts . . . 150

Leibarzt                                       Ein gewürzter Trank . . .

Jovelin Und ohne daß ein Hahn danach wird krähn,
Ist ein geheimer Alp geheim verschwunden.

Leibarzt (zum Herzog)
Nur Eure Tochter . . .

Herzog                             Freunde, wir begehn
Die rasche Tat vielleicht auch ihr zu Dank.

Kaplan Wie?

Herzog         Mehrmals, ob ihr Mund sich auch verschließt,
Hab' ich ihr Aug' in Tränen jüngst gefunden,
Wie nur verhaltner Unmut sie vergießt.

(Sigune erscheint in der Tür rechts Mitte)

Jovelin (sie bemerkend, leise)
Hier ist sie!

Herzog (leise)     Laßt mich ihren Sinn erspüren!

Jovelin (leise)
Und heute Nacht ans Werk!

Sigune (eintretend)                       's ist an der Zeit,
Ihr Herrn, die Sänfte durch die Stadt zu führen.

Jovelin (mit Verneigung)
Gleich soll's geschehn. 151

Sigune                               Wer gibt ihr das Geleit?

Herzog Wir alle. – Geht voraus!

(Jovelin, Kaplan, Leibarzt ab durch die Galerie)

Vierter Auftritt

Herzog. Sigune.

Herzog                                     Mein Kind, verhehle
Mir länger nicht, was schon ein Blick mich lehrt . . . .

Sigune Was denn?

Herzog                 Daß an der Wurzel deiner Seele
Mit scharfem Zahn verstohlner Kummer zehrt.

Sigune Du glaubst . . .

Herzog                       Ja, brich dies Schweigen falscher Scham!
Laß mich ins unverhüllte Herz dir schauen,
Das, wie mich dünkt, in reuevollem Gram
Erleuchtung allzubald empfing,
Wie sehr im flücht'gen Rausch es irre ging!

Sigune (lauernd)
Und zögt sodann auch ihr mich ins Vertrauen?

Herzog Wir? 152

Sigune         Oder denkt ihr, ich gewahre nicht,
Welch harte Last auf eure Schultern drücke?

Herzog Wohl nur die gleiche, deren Bleigewicht
Auch ruht auf deinem jungen Mutterglücke.

Sigune Ein Sieger ward von mir euch aufgedrungen,
Der eurem Dasein Licht und Atem raubt.

Herzog Hat nicht auch dein so hochgetragnes Haupt
Mit rohen Fäusten er ins Joch gezwungen?

Sigune An seinem Willen starb der meine hin.

Herzog Du bist gekränkt wie wir.

Sigune                                       Und wenn ich's bin?

Herzog Gesteh's, er wurde dir zum Überdrusse.

Sigune Und wenn er's wurde – nur den Fall gesetzt –
Ist euer Plan gereift bis zum Entschlusse?

Herzog Sag selber, ob es fortgehn kann wie jetzt?

Sigune Nicht einen Tag! 153

Herzog (befriedigt nickend) Uns überlaß den Rest.

Sigune Gut!

Herzog       Und nun komm!

Sigune                                 Wohin?

Herzog                                           Zur Sänfte.

Sigune                                                             Nein;
Die Puppe wird's mir, hoff' ich, nicht verdenken,
Lass' ich für diesmal sie darin allein.

Herzog Weshalb?

Sigune               Weil ungeteilt beim heut'gen Fest
Sich eine Mutter ihrem Kind will schenken.

Herzog Sei's drum. (Er wendet sich zum Gehen)

Sigune (ihm nachrufend)
                        Mein Segen folgt euch!

(Der Herzog geht ab durch die Galerie. Sie blickt ihm nach, bis er verschwunden ist; dann atmet sie hoch auf, eilt mit erregter Entschlossenheit zur Tür rechts Mitte, öffnet sie und ruft hinein)

                                                            Peredur! – –
Hierher! – 154

Fünfter Auftritt

Sigune. Peredur (von rechts Mitte. Zuletzt) Godo.

Peredur (auf der Schwelle)
                Du riefst mich?

Sigune                                   Rasch! Die Zeit ist knapp.

Peredur (eintretend)
Was trug sich zu?

Sigune                       Noch nichts.

Peredur (spähend)                           Dir widerfuhr
Kein Leides?

Sigune (nimmt ihn bei der Hand und führt ihn zum Fenster vorn rechts)
                    Komm!

Peredur                           Du zitterst . . .

Sigune                                                   Blick hinab!

(Während des Folgenden Heilrufe von außen, die sich allmählich entfernen)

Peredur Das alte Bild. Ein Schwarm, der unverdrossen
Der Sänfte wartet vor des Schlosses Tor –
Und hier sie selbst, vom Hofstaat eingeschlossen,
Begrüßt von hundertstimm'gem Jubelchor.

Sigune Und ob auch oft beim gleichen Morgenstrahle
Dir schon das gleiche Bild sich bot zuvor,
Schau hin; du siehst es heut zum letzten Male. 155

Peredur Zum letzten . . . ?

Sigune                             Ja, nicht länger durft' ich zaudern.
Ich sah dich in Gefahr, und eben jetzt voll Schaudern
Hab' ich erkannt, wie tödlich nah sie droht!

Peredur (heiter)
Ist's das?

Sigune           Du zweifelst?

Peredur                               Ei, mit offnem Rachen
Schleicht unser Lebtag hinter uns der Tod;
Sich nach ihm umsehn heißt ihn hungrig machen.

Sigune Sie sind verschworen . . .

Peredur                                     Mögen sie! Mit allen
Gemeinsam nehm' ich's auf.

Sigune                                       Auch unbewehrt?
Im Schlafe werden sie dich überfallen.

Peredur An meiner Seite schläft mein Schwert.

Sigune Es schläft; drum sind sie kühn!

Peredur                                             Glaub mir, ich schlüge
In offnem Kampfe lieber mit ihm drein,
Als mich zu ducken hinter einer Lüge.
Und doch – ich darf mich nicht von ihr befrei'n! 156

Sigune Und ich soll ewig beben um dein Heil?

Peredur Was bleibt zu tun?

Sigune                             Den Augenblick zu nutzen,
So gründlich, daß der giftgetränkte Pfeil
Von deiner Brust zurückprallt auf die Schützen!

Peredur Den Augenblick?

Sigune                           In kurzem ist er da,
Groß wie du selbst. Ergreif' ihn!

Peredur                                           Wie?

Sigune                                                     Zum Bunde
Die Wahrheit rief ich dir.

Peredur                               Die Wahrheit?

Sigune                                                       Ja!
Das Volk erfährt sie noch in dieser Stunde.

Peredur Undenkbar!

Sigune                     Mitten auf die Gasse tritt
Sie hüllenlos, der langen Haft entsprungen.

Peredur Lähmt nicht ein Schwur den Wissenden die Zungen? 157

Sigune Ja; doch bedenk, die Puppe schwor nicht mit.

Peredur Die Puppe?!

Sigune                     Selber vor der Menge Blick
Entlarvt sie sich. Ein scheinbar Ungeschick
Der Träger, die für Gold von mir gedungen:
Auf ihrem Weg ein schlüpfrig glatter Stein;
Sie straucheln, gleiten aus; ihr Fuß entwurzelt;
Die Sänfte kippt, und ihr Insasse purzelt
Kopfüber in sein treues Volk hinein.

Peredur Das tatest du?!

Sigune                         Für dich!

Peredur                                     Ob ich es wollte,
Hast du mich nicht einmal gefragt?!

Sigune                                                 Vergib;
Doch schweigen mußt' ich, bis der Würfel rollte.

Peredur Warum?

Sigune               Weil dich ein Zwang beflügeln sollte
Zu höherm Flug, als dich dein Wille trieb.
Ich wußte ja, daß meinen Angstgebeten
So taub wie deiner eignen Ehrbegier
Du nie mit angeschlagenem Visier
Freiwillig würdest in die Helle treten, 158
Du, der sie weniger zu scheuen braucht
Als alle, die sich prunkhaft in ihr sonnen.

Peredur Und wäre, wenn kein Dunkel mich umsponnen,
Je für mein Volk der Morgen aufgetaucht?
Mir war's genug, daß ich dies junge Licht
Spurlos beschattet hüten durft' und mehren.

Sigune Dir war's genug; doch meiner Liebe nicht!
Ihr, die dein Heldenrecht auf Ruhm und Ehren
Ermessen konnt' am eignen Übermaß!
O Heuchelqualen, marternd, herzverbrennend,
Wenn ich, dein Weib, den Retter und Befreier,
Die Zierde meines Volks mein eigen nennend,
Dem Puppenkönig an der Seite saß;
Wenn ich daheim nach jeder lauten Feier,
Bei der ich meines Lebens Glück und Stolz
Gleich einem Brandmal hüllen mußt' in Schleier,
In bitterliche Tränenflut zerschmolz!
Und hat ein zorn'ger Schmerz schon Tag und Nacht
In mir, der Gattin, all die Zeit gelodert,
Die Mutter fühlt sein Kreuz vertausendfacht
Und sträubt sich, daß ein andrer, längst vermodert,
Dir auch die Vaterwürde streitig macht.

Peredur Und du vermeinst, wenn allen kund ward . . .

(Tumult in der Ferne, nach und nach anschwellend und sich nähernd)

Sigune                                                                       Lausche!

Peredur Was? 159

Sigune           Hörst du nicht?

Peredur                                 O doch.

Sigune                                               Es braust und brüllt
Und wogt heran, doch nicht im Freudenrausche.
Kein Zweifel mehr, mein Auftrag ward erfüllt.

Peredur Mag denn, was unentrinnbar unsrem Pfad
Zuletzt bevorstand, uns schon heut ereilen!
Doch ob dich bei der Ernte deine Saat
Nicht reu'n wird . . .

Sigune                           Nein; denn was auch immer naht,
Vor aller Welt nun darf ich's mit dir teilen.

Peredur Des Strudels aufgepeitschter Wellenschlag,
Nicht mehr gehorchen wird er deinen Winken . . .

Sigune An deiner Seite will ich drin versinken,
Eh' daß ich fürder dich verleugnen mag!
Doch du, der Fels, auf dem mein Glaube ruht,
Wirst unerschüttert ragen in der Flut;
Dein Herrschergeist wird ihre Wirbel hemmen
Und heut erst offenbart in ganzer Kraft
Gebietend sie zurück ins Ufer dämmen,
Bis willig sie zu neuem Heldenwerke
Als spiegelglatter Strom die Bahn dir schafft.

Peredur O Törin, unumschränkt war meine Stärke
Nur durch den Schleier, den du mir entrafft,
Und . . . 160

(Der Lärm des Aufruhrs ist nun dicht unter den Fenstern angelangt; man hört Schläge gegen das Tor)

              Horch, die Brandung nagt schon an den Borden.

Sigune (mit einem Schritt)
Ich werde . . .

Godo (kommt rasch durch die Galerie, in äußerster Angst)
                      Herrin, alles ist vorbei!
Was wir verhehlt, ward ruchbar; wilde Horden
Umzingeln den Palast mit Wutgeschrei.
Sie fordern Einlaß; weichend ihrem Pralle
Kracht schon das Tor, von Fäusten hart bedräut . . .

Sigune Das Tor weit auf, und freien Weg für alle!

Godo Jedoch . . .

Peredur               Tut, was die Königin gebeut!

(Godo ab durch die Galerie)

Sigune Den rechten König biet' ich ihnen dar!

Peredur Und ich – ich soll mich mit geschmeid'gem Rücken
Nach ihrer Gunst, nach ihrer Gnade bücken
Und betteln: Laßt mich bleiben, was ich war?

Sigune Nein, hören sollen sie von meinen Lippen,
Daß . . . 161

Sechster Auftritt

Vorige. (Ein lärmender) Volkshaufe (wälzt sich durch die Galerie herein, diese und den hinteren Teil der Bühne völlig überschwemmend. In seiner Mitte erscheint, auf Schultern getragen, die lebensgroße Puppe, im Königsornat, starke Spuren des Sturzes aufweisend. An der Spitze der Menge) Caradoc, Rohalt, Ginas.

Caradoc (tritt vor, auf die Puppe deutend)
              Fürstin, seht, so kehrt ein König heim!
Doch sorgt Euch nicht! Zerbrach er sich die Rippen,
Der Tischler stellt ihn wieder her mit Leim.

(Unruhe und bedrohliches Gelächter)

Sigune Hört . . .

Caradoc             Aus der Sänfte, seiner Scheu zum Trotz,
Leutselig flog er in die dichtsten Massen,
Und nun wir endlich klar ins Aug' ihn fassen,
Erweist er sich als aufgeputzter Klotz.

Rohalt Die Lungen haben wir uns ausgeschrie'n
Für einen Hampelmann, behängt mit Flittern.

Ginas Ha, sollen wir vor dem vielleicht erzittern?

Rohalt Heißt man vor dem uns gläubig niederknien?

Ginas Hat unsre Lieb' und Treue dem gegolten?

Rohalt Hielt er sich darum ängstlich im Versteck? 162

Ginas Wer ist's, dem wir bis heut Gehorsam zollten?

Rohalt War unser König nur ein Kinderschreck?

Sigune Hört mich . . .

Mehrere                     Wir sind gefoppt!

Andere                                                 Wir sind geprellt!

Caradoc Man soll uns nicht mehr an der Nase führen . . .

Siebenter Auftritt

Vorige. Florant, Frimutel, Garel, Schaffilor (und andere) Bürger (eilen herein und drängen sich gewaltsam durch) Godo (folgt ihnen angstvoll. Dann) Kaplan.

Florant (atemlos)
Macht Platz! Was ist geschehn? Der Aufruhr gellt
Rings durch die Stadt. Wagt man ihn gar zu schüren
Am Fuß des Thrones? Nein, eh' Mordbegier
Soll rühren an des Herrschers Haupt, eh' bilden
Ihm unsre Leiber einen Wall von Schilden.
Frau Königin, sagt an, wo weilt er?

(Man hält ihm die Puppe vor)

Caradoc, Rohalt, Ginas                     Hier!

Florant (zurückprallend)
O Bubenstück! Hat, unsern Herrn zu schänden,
Der Teufel selber sich ins Spiel gemischt?
Wo ist der Hofstaat? 163

Caradoc                         Leider uns entwischt.
Nur einer blieb als Geisel uns in Händen:
Hervor mit ihm!

(Der vor Angst halbtote Kaplan wird aus der Menge heraus in den Vordergrund gezerrt)

Kaplan (händeringend) Um Gott, Barmherzigkeit!
Unschuldig bin ich . . .

Caradoc                             Pfäfflein, keine Possen!
Du gingst in dieses Flederwischs Geleit.

Kaplan (zu Sigune gewendet)
Helft, Königin!

Sigune (zum Kaplan) Der Herzog?

Kaplan                                       Nach dem Sturz
Der Sänfte mit den andern rasch entschlossen
Landein geflüchtet auf gespornten Rossen.
Nur ich, als Unberittner, kam zu kurz.

Caradoc (zum Volk, auf den Kaplan deutend)
Greift und verwahrt ihn!

Sigune                                 Gebt ihn frei! Nicht er
Beging, was euch erbost.

Rohalt                                 So sagt uns, wer?

Florant Ja, sagt, wer stahl des Königs Purpurtracht? 164

Schaffilor Wer zog sein Ansehn ruchlos in den Kot?

Frimutel Weiß er, daß man ihn hier zur Fratze macht?

Sigune Er weiß es nicht.

Florant                         Wieso?

Sigune                                     Denn er ist tot.

(Tiefer Eindruck auf Alle. Dumpfes Gemurmel)

Florant Tot – unser König?!

Frimutel                             Jählings von den Seinen
Hinweggenommen unser Herr und Held?!

Schaffilor Birg, Sonne, dein Gesicht, ihn zu beweinen!

Florant Wann starb er?

Caradoc                     War er jemals denn geboren?
Ich wette drum, er kam schon tot zur Welt!

Rohalt Von einer Puppe ließen wir uns lenken!

Viele Der König lebte nie! 165

Florant                             Wahnwitz'ge Toren,
Er nie gelebt?! Ist euch das Angedenken
An seine Taten so geschwind entflohn?
Ritt eine Puppe her vor unsern Scharen?
Trieb eine Puppe kühn den Feind zu Paaren?
Erzeugt ein Puppenkönig einen Sohn?

Sigune Er hat gelebt – nicht nur in eurem Wahn.

Florant (zur Gegenpartei)
Hört ihr's?

Sigune             Jedoch in seinem Tun hienieden
War er von dieser Puppe kaum verschieden . . .

Caradoc (zu den Sprechern)
Hört ihr's?

Florant             Unmöglich!

Sigune                               Was er je getan,
Des ersten Artus Beispiel nachzuahmen
Zum Heil des Volks, daheim und in der Schlacht,
Nach seinem Tod erst hat's in seinem Namen
Ein Anderer, ein größerer vollbracht.
Was jener schien, er war's; nicht Purpurkleidung,
Nicht Kron' und Zepter hat er ihm entlehnt;
Doch heldenhaft am Tage der Entscheidung
Tat er, was ihr von jenem euch ersehnt.
Das Reich, versunken schon und halb verdorben,
Auf starken Schultern hob er's himmelan: 166
Wohl euch! Denn ist ein König euch gestorben,
Erstanden ist euch zum Ersatz ein Mann.

(Unruhe und wachsende Erregung)

Florant Wer ist's, von dem Ihr sprecht?

Caradoc (und Andere)                           Wen meint Ihr?

Sigune (weist auf Peredur)                                             Ihn!

Florant Was? Diesen?

Schaffilor                   Diesen?

Sigune                                     Dankt ihm auf den Knien
Und preist und segnet ihn als euren Retter!

(Alle sind unwillkürlich zurückgewichen. Peredur steht allein)

Caradoc Potz Blitz, das ist ja Peredur, der Hirt,
Der meinem Ohm die Pferde hat geschirrt!

Rohalt Und der das Vieh gehütet meinem Vetter!

Florant (schreiend)
Der hätte . . . Nein, es ist nicht wahr! Das glaubt,
Wer mag! Die Königin ist sinnberaubt.
Wer darf den Ruhm des Königs unterschlagen
Vor uns, den Zeugen seiner größten Tat?
Sah'n wir ihn nicht die goldne Rüstung tragen?

Sigune (wieder auf Peredur weisend)
Der war's, den ihr die Rüstung tragen saht. 167

Florant (und) Bürger (tumultuarisch)
Betrug!

Sigune         Betrug, von einem Arzt ersonnen!
Der Mittel äußerstes hat er gewagt,
Dieweil ihr in den letzten Zügen lagt,
Und so das Leben euch zurückgewonnen,
Den Sieg, den Frieden, all den Frühlingsflor,
Der euch umblüht mit nie gehofftem Prangen.

Florant (außer sich)
Ein Staatsverbrechen, wie so schnöd zuvor
Die Welt noch keins gesehn, ward hier begangen.
Des Herrschers heilig Amt, zu dessen Führung
Nur fürstliche Geburt ein Recht verleiht,
Hat mit besudelnder Berührung
Ein Tempelschänder frevlerisch entweiht.
Des toten Königs Namen hat ein Knecht
Mißbraucht; nicht Gottes Beistand ließ ihn siegen:
Dem Höllenpfuhl ist seine Macht entstiegen;
Die Rüstung, die er trug, sie war nicht echt.

Bürger Sie war nicht echt!

Florant                             Den Tod für solch Verschulden!
Schleppt zum Gericht ihn! Fließen soll sein Blut!

Peredur (zu Sigune)
Siehst du?

Schaffilor, Frimutel, Garel
                Zum Tod!

(Sie wollen auf Peredur eindringen)

Sigune (zu Caradoc und den Seinen)
                                Und ihr – das könnt ihr dulden?
Ihn, der vor euren Töchtern, euren Söhnen 168
Als Schützer stand, euch lösend vom Tribut,
Soll man ihn kreuzigen, statt ihn zu krönen?

Caradoc Nein! – (Zur Partei Florants)
                    Laßt ihn los!

Florant                                   Ihn krönen! Hört ihr nicht?
Auf offnen Kronraub war es abgesehn!

Caradoc Er tat uns heimlich Gutes. Laßt ihn gehn!

(Die Partei Florants und die Partei Caradocs, beide ungefähr gleich an Zahl, treten einander gegenüber. Peredur in der Mitte)

Frimutel Hinweg mit euch, ihr Pack! Ihr Aufruhrstifter!

Rohalt Wir freu'n uns, daß er tüchtig hinters Licht
Euch führte, Katzenbuckler!

Florant                                     Volksvergifter!
Wollt ihr, daß einer, der zuvor die Pferde
Gehütet, auf des Artus Thron sich setzt?

Caradoc Nein; doch wir wollen, daß ihn unverletzt
Ihr wiederkehren laßt zu seiner Herde.

Peredur (auflachend)
Haha, wie seid ihr gnädig!

Florant (zu Peredur)                 Wenn dein Leben
Du vor dem Henker willst bewahren, dann 169
Gelob' uns erst, für immer dich fortan
Der angemaßten Herrschaft zu begeben,
In wandelloser Untertanentreue
Dich unterwerfend unsrem echten Herrn.

Peredur Dem toten?

Florant                   Dem lebendigen. Den Stern,
Der unterging, löst strahlend ab der neue.
Des Artus hehrer Stamm ist nicht verdorrt:
Aus ihm erstand ein Erbe für die Krone;
Der tote König setzt in seinem Sohne
Leibhaftig sein erlauchtes Leben fort.

(Zustimmung)

Sigune Ihr meint . . .?

Kaplan (leise, sie beschwörend)
                            Beim Himmel, jetzt kein weitres Wort!

Florant Ja, Königin; und als ein gütig Walten
Der Fügung wird man's preisen immerdar,
Daß an dem Tag, da Hochzeit Ihr gehalten,
Artus der Zehnte noch am Leben war.
Drum laßt nunmehr uns nach Gesetz und Pflicht
Ihm huldigen, den jetzt wir Herrscher nennen.

Peredur (zu Godo)
Ja, holt ihn her!

(Godo ab rechts Mitte)

Florant (zu Peredur, streng)
                        Du wirst ihn anerkennen? 170

Peredur Seid außer Zweifel, den verleugn' ich nicht!

Sigune (zu Peredur)
Du willst . . .

Kaplan (eindringlich, ihr zuflüsternd)
                    Um des Dreifalt'gen willen, schweigt!
Ihr seht ja, wie sich alle Wirrsal schlichtet,
Wenn Euer eigner Sproß den Thron besteigt.
Jetzt nur ein Argwohn, und Ihr seid vernichtet!

Achter Auftritt

Vorige. (Godo kehrt von rechts Mitte zurück und läßt durch die geöffnete Tür) Elinod (eintreten, die auf ihren Armen das Kind trägt).

Peredur Da bringt man euch den Auserkornen.

Mehrere                                                         Schaut!

Caradoc (in unwillkürlicher Ehrfurcht)
's ist unser Fürst.

Florant                     Die gegnerischen Hälften
Des Volks verschmelzen sich im Jubellaut:
Heil unserm König!

Schaffilor                     Heil Artus dem Elften!

Alle (außer Sigune und Peredur, niederkniend)
Heil!

Florant (zu Peredur)
        Beug', wie wir, vor deinem Herrn das Knie! 171

Peredur Meinthalb auch das.

Sigune (rasch)                       Knie nicht!

Peredur                                                 Warum nicht?

Mehrere                                                                       Wie?

Peredur Dem Herrscher laß mich huldigen gleich allen.

Sigune Und mag des Todes eis'ger Wirbelwind
Uns fortwehn; mag dies Reich in Trümmer fallen –
Ein Vater soll nicht knien vor seinem Kind.

(Alle springen auf. Getöse und wildeste Verwirrung)

Florant Wer sprach das?!

Sigune                             Ich, die Mutter.

Bürger                                                     Zeter! Zeter!

Sigune Der König starb schon vor dem Hochzeitstag.
Auch seinen Erben schuf sein Stellvertreter.

Ginas Ein Wechselbalg!

Rohalt                         Vor einem Bankert lag
Man auf dem Bauch. 172

Florant (verzweifelt)           Nein, tausend Male nein!
Sie tobt; sie rast! Soll hirnverbrannte Lüge
Mehr Zutraun finden als der Augenschein?
Seht hin auf den Verlästerten; seht hin!
Seht hier um diesen Mund, seht um dies Kinn
Des Artus-Enkels unverfälschte Züge!
Der König ist's! Ihr dürft, ihr müßt es glauben!

Peredur Ja, glaubt es, glaubt's und laßt, sofern ihr klug,
Von niemand euer gläubig Herz euch rauben!
Wozu sich abmühn, daß man euch betrüge?
Wart ihr doch Meister stets im Selbstbetrug!

Caradoc Nichts glauben wir; doch glauben wir an dich.
Dein Ebenbild sehn wir in diesem Knaben.

(Zustimmung)

Schaffilor (tonlos)
Der Thron steht leer. Du Harfe, nun zerbrich,
Nachdem der letzte Britenfürst begraben.

Florant Der letzte? Nein, noch nicht! Noch hat nicht Gott
Beschlossen, daß der Todesstreich uns treffe.
Sei falsch der Sohn, so bleibt uns doch der Neffe:
Des Urahns echter Nachfahr – Lanzelot.

Mehrere Was?!

Florant             Nach der Briten tausendjähr'gem Brauch
Und nach der Satzung erzgegoss'nen Rechtes 173
Folgt er als einz'ger Erbe des Geschlechtes
Auf seinen kinderlosen Ohm.

(Zustimmung der einen, Murren der andern Partei)

Rohalt                                       Der Gauch?

Ginas Der Gimpel?

Florant (zu Garel)     Eilt! In raschem Botengange
Entbietet ihn von seiner Burg hierher,
Damit sein Erbteil festlich er empfange.

(Garel und einige andere Bürger gehen ab durch die Galerie)

Rohalt Dem sollen wir gehorchen?

Volk                                             Nimmermehr!

(Wieder treten die beiden Parteien sich feindlich gegenüber)

Florant Lehnt ihr euch auf?

Caradoc                             Das tun wir!

Frimutel                                                 Neuer Zwist?

Florant Wir zwingen euch!

Rohalt                             Laßt sehn, wer stärker ist.

Caradoc Flink, Peredur, ergreif das Glück beim Schopf!
Den Kriechern trotzend schwing dich in den Bügel! 174
Wir stehn dir bei; wir halten dir die Zügel.
Uns ist ein Hirt noch lieber als ein Tropf.

Florant Kampf bis aufs Messer, eh' sich das begibt!

Caradoc Dich haben wir erprobt. Im ganzen Sprengel
Macht schwerlich solchen Sieg und solchen Bengel
Dir einer nach. Stütz dich auf uns und pflück
Die Krone dir als reife Frucht vom Stengel!

Peredur Und wenn ihr sie mir vor die Füße schiebt,
Mit meiner Sohle stoß' ich sie zurück.

Caradoc, Rohalt, Ginas (gleichzeitig)
Wie?

Peredur   Wähnt ihr, daß ich als der schlimmre Tor
Mit einem Toren um sie ringen werde,
Gestützt auf euch – auf euch, die just zuvor
Ihr huldreich mich entließt zu meiner Herde
Und wissend, was ihr meiner Tat verdankt,
Vor einem Wickelkinde niedersankt?
Des Volks Geschick, des Thrones Allgewalt
Vergabt ihr an dies Würmlein, kaum getauft,
Nur, weil's euch für den Sohn des Schwächlings galt,
Der euch verraten und verkauft!
Und ich, verwundnen Jammer zu verschärfen,
Soll in dies Reich, das ich dem Wolfsgebiß
Der bösen Nachbarn mühsam nur entriß,
Des Bürgerkriegs blutrote Fackel werfen?
Nie könnt' ich ja den vollen Sieg erstreiten, 175
Da, wenn fortan mich Artus' Rüstung deckt,
Für Freund und Feind statt eines Gottgeweihten
In ihr nur einer euresgleichen steckt!
Nein, kniet in schöner Einigkeit gesellt,
Nicht anders, als ihr vor dem Säugling knietet,
Vor ihm, der jetzo rechtens hier gebietet:
Ich räume willig ihm das Feld.
        (Zur Partei Florants gewendet)
Jawohl, ihr hört's, ich selbst will wohlgesinnt
Mich weit von Schloß und Vaterland verbannen
Und fordre nichts, als daß ihr frei von dannen
Mich ziehen laßt mit meinem Weib und Kind.

Florant Je früher, desto besser!

Garel (kommt mit den anderen Boten durch die Galerie zurück)
                                          Auf dem Fuße
Folgt uns Prinz Lanzelot.

Florant                                 So laßt zum Gruße
Uns ihm entgegenfliegen!

(Er geht, gefolgt von seiner Partei, in die Galerie)

Peredur (Sigune die Hand reichend) Übers Meer,
Zu Galliens wirtlich lockenden Gestaden,
Dahin schon so viel Brüder notbeladen
Den Weg gesucht auf Nimmerwiederkehr,
Wird uns, bevor noch dieser Tag entglitt,
Ein glückhaft Segel tragen.

Caradoc (nach Verständigung mit seiner Partei)
                                        Nimm uns mit!

(Zustimmung)

Peredur Euch? –

Caradoc             Nimm uns mit an deines Schiffes Bord!
Für uns ist nichts hier zu verlieren; dort
Ist alles zu gewinnen. Diesem Reiche
Hilft niemand mehr; es ward zu starr und alt.
Wozu noch harren, bis an seiner Leiche
Der Angelsachsen Siegsdrommete schallt?
Du kannst es der Verwesung nicht entraffen;
Jedoch du kannst uns dort ein neues schaffen.
Da drüben strahlt noch kein ererbter Glanz
Den unsrigen im Kampf um ihre Scholle;
Dort, vom Vergangnen ungehemmt, entrolle
Das Banner des verjüngten Britenlands!

Peredur (mit funkelnden Augen)
Bei Gott, ich will's.

(In der Galerie erhebt sich Freudenlärm)

Neunter Auftritt

Vorige. Lanzelot (wird von Florant und seiner Partei im Triumph durch die Galerie hereingeführt. Hinter ihm) Feirefiz.

Florant (zu Lanzelot)       Erhabner, sei willkommen
In deiner Väter Schloß!

Lanzelot                             Ja – Schloß.

Florant                                                   Und mag
Dein Eingang deinem treuen Volke frommen! 177

Schaffilor Ihn preisen wird mein hellster Harfenschlag.

Florant Kaplan, geleitet ihn empor zum Throne!

Lanzelot (entdeckt, während ihn der Kaplan die Stufen hinanführt, Sigune)
Die – schöne – 'gune – da. (Er will auf sie zu)

Feirefiz (neben ihm, ihn zurückhaltend)
                                        Mein Prinz, begreift:
Ihr seid ein König nun.

Lanzelot (am Thron stehend)   Ja – König.

Florant (zu Frimutel und Garel, auf die Puppe deutend)
                                                      Streift
Von diesem Zerrbild Mantel ab und Krone,
Daß unser Fürst sein Haupt und seine Glieder
Mit ihnen schmücke, seinen Ahnen gleich!

(Frimutel und Garel nehmen, wie geheißen, der Puppe den Königsornat ab, der mit Hilfe von Florant und Schaffilor Lanzelot angelegt wird)

Peredur Sie haben glücklich ihre Puppe wieder. –
Wohlauf denn, frisch voran ins neue Reich!

(Er geht mit Sigune voraus; Elinod mit dem Kind folgt; Caradoc, Rohalt, Ginas und ihre Partei scharen sich hinter ihnen zum Zuge)

Florant (an den Stufen des Throns, zu den Abziehenden)
Seht hier von Purpur unsern Herrn umflossen!

Caradoc Seht unsern Führer hier im schlichten Wams! 178

Florant Heil Lanzelot, dem letzten Artussprossen!

Caradoc Heil Peredur, dem ersten seines Stamms!

(Während die Zurückbleibenden den Thron umringen, die Abziehenden in der Galerie verschwinden, fällt unter beiderseitigen Heilrufen der Vorhang)

 


 


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