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10.

Nach Tische ward an Aladdin
Vom Sultan väterlich die Frage
Gerichtet, ob es ihm behage,
Sogleich die Hochzeit zu vollziehn.
Er gab zur Antwort: »Herr, du weißt,
Wie sehr ich nach dem Glück verlange,
Das die Prinzessin mir verheißt.
Jedoch damit ich ihrem Range
Gemäß an unserm Hochzeitstag
Sogleich in tadellosen Räumen
Ein neues Heim ihr bieten mag,
Laß noch für kurze Zeit mich säumen.
Ein Schloß, versehn mit jeder Zier,
Will ich errichten. Weise mir
Drum einen angemessnen Bauplatz.«
Der Sultan drauf: »Mein Sohn, du hast
Die Auswahl. Hier vor dem Palast
Liegt, wie du siehst, ein leerer Schauplatz,
Wo für dein Schloß genügend Raum.
Nur lag[*? vielleicht: laß] es möglichst rasch erbauen;
Denn, glaube mir, ich kann es kaum
Erwarten, euch vermählt zu schauen.«
Nach dem Gelöbnis, daß er sicher
Den Bau nach Kräften fördern werde,
Nahm Aladdin mit feierlicher
Umarmung Abschied, stieg zu Pferde
Und trabte durch die gleichen Gassen
Mit dem Gefolg zurück nach Haus,
Umbrandet wieder von den Massen
Des Volks mit lautem Jubelbraus.

Daheim kaum angelangt, beschwor
Den Geist er abermals und sagte:
»Schon dein bisherig Wirken ragte
Durch Kraft und Schnelligkeit hervor.
Doch zu dem ungemeinen Werke,
Das jetzt mir unentbehrlich ist,
Bedarf ich deiner ganzen Stärke.
Du sollst in möglichst kurzer Frist
Grad gegenüber vom Palaste
Des Sultans mir ein stolzes Schloß
Errichten, das vom Erdgeschoß
Bis zu des Daches Flaggenmaste
Der Sultanstochter, meiner Frau,
Trotz ihrem sehr verwöhnten Auge
Zur künftigen Behausung tauge.
Welch ein Gestein du für den Bau
Verwenden willst, ob Marmorquadern,
Schneeweiß mit feinen schwarzen Adern,
Ob Jaspis, ob Achat, Lasur,
Das stell' ich ganz in dein Ermessen;
Doch sollst du – dies beding' ich nur –
Nicht einen großen Saal vergessen
Im obern Stockwerk, der bekrönt
Von einer Kuppel, an den Wänden
Durch Gold und Silber sei verschönt.
Auch soll, um hellstes Licht zu spenden,
Er vierundzwanzig Fenster zählen;
Die Rahmen seien alabastern,
Das Gitter sollst du mit Juwelen
Von unerreichtem Glanz bepflastern.
An einem wohlverwahrten Platz
Befinde ferner sich ein Schatz
Gemünzten Goldes aufgespeichert,
Der für mein Lebtag mich bereichert.
Auch will ich, daß man eine Flucht
Von Küchen trifft am rechten Orte,
Nebst Vorratskammern jeder Sorte,
Und Ställe voll von edler Zucht.
Ingleichen soll das Lustschloß innen
Bevölkert sein mit einem Heer
Von Dienern und von Dienerinnen. –
Das alles schaff' mir nach Begehr,
Und wenn du fertig bist, komm wieder.«

Als er dem Geiste dies gebot,
Sank abendlich die Sonne nieder:
Am andern Tag ums Morgenrot
Erschien der Geist an seinem Bette:
»Vollendet ist, was du bestellt;
Schau,« sprach er, »ob es dir gefällt.«
Er trug darauf ihn an die Stätte.
Wie sehr war Aladdin verwundert!
Da stand, erbaut in einer Nacht,
Ein Schloß, wie noch kein halb Jahrhundert
Voll Menschenarbeit es vollbracht.
Er glaubte wahrlich nur zu träumen,
Als ihn der Geist in allen Räumen
Herumgeleitete. Da war
Sein Auftrag Punkt für Punkt vollzogen,
Bei weitem überholt sogar:
Gewölbe, Säulen, Pfeiler, Bogen
Von höchster Schönheit, ein Gewimmel
Von Dienstbeflissnen überall;
An Silberkrippen in dem Stall
Die schönsten Rappen, Füchse, Schimmel;
Mundvorrat jeder Art, nicht sparsam
In Küch' und Kammern schon verfacht;
Der Schatz in sicherem Gewahrsam,
Von einem Schließer treu bewacht,
Mit Gold gefüllte Riesensäcke,
Gehäuft, getürmt bis an die Decke.

Nachdem sich Aladdin das Ganze
Von Grund aus angesehn, zumal
Auch noch den großen Kuppelsaal,
Sprach er, geblendet von dem Glanze,
Zum Geist: »Ich muß dir Beifall zollen;
Befriedigt wurde musterhaft
Von dir mein Wünschen und mein Wollen.
Nun sei nur noch herbeigeschafft
Ein langer Teppich aus Damast,
Von feenhaftem Farbenschimmer;
Du sollst, befehl' ich, vom Palast
Des Sultans ihn bis an die Zimmer
Der Herrin dieses Schlosses breiten.
Ihn soll auf ihrer Wanderung
Ins neue Heim ihr Fuß beschreiten.«
Der Geist entfernte sich im Schwung,
Und eh' sich's Aladdin versah,
Lag der damastne Teppich da.
Der Geist kam wieder ohne Rast
Und trug nach Haus ihn unverdrossen,
Grad als die Pforten am Palast
Des Sultans wurden aufgeschlossen.

Die Pförtner wunderten sich sehr,
Als drüben, dicht vor ihren Nasen,
Wo gestern noch die Stätte leer
Und nur bewachsen war mit Rasen,
Ein Wunderbauwerk hoch und hehr
Sie ragen sahen in die Lüfte.
Die Nachricht schwirrte mit Gesumm
Beflügelt im Palast herum;
Der Hofstaat machte höchst verblüffte
Gesichter, und der Großvezier
Lief, als er eine Weile stier
Den rätselhaften Spuk beglotzt,
Zum Sultan hin und sprach entrüstet:
»Wer sich mit einem Kunststück brüstet,
Das jeglicher Erfahrung trotzt,
Der steht im Bund mit Zauberei!«
Der Sultan gab zur Antwort: »Ei,
Man muß nicht gleich das Schlimmste denken.
Was ist denn weiter auch dabei?
Ein Mann, der so vermag zu schenken,
Den drum mein fürstliches Vertrau'n
Erkor zu meiner Tochter Gatten,
Der kann sich wohl den Spaß gestatten,
Ein Schloß in einer Nacht zu bau'n.
Er gibt als reichster Mann der Welt
Uns nur ein augenfällig Zeichen,
Daß man mit sehr viel barem Geld
So ziemlich alles kann erreichen.
Der Bau dort stammt aus goldnen Quellen,
Und wenn du trachtest, ihn als Frucht
Von Zauberkünsten hinzustellen,
So spricht aus dir die Eifersucht.« –

Der Sultan erblickt das Schloß Aladdins

Zur Stunde, da sich so die beiden
Besprachen, war in ihrem Haus
Die Mutter Aladdins drauf aus,
Mit jenem Staat sich zu bekleiden,
Den ihr die Sklavinnen gespendet,
Und ließ, nachdem durch deren Walten
Ihr Putz in Bälde war vollendet,
Von ihnen sich die Schleppe halten
Auf ihrem Wege zum Palast.
Auch Aladdin, im Vaterhause
Zum allerletztenmal zu Gast,
Brach auf nach kurzer Ruhepause.
Die vielbewährte Wunderlampe
Nahm er dabei wohlweislich mit,
Bestieg sein flinkes Pferd und ritt
Gradaus zu seines Schlosses Rampe.

Der feierliche Freudenklang
Von Trommeln, Pfeifen und Trompeten
Erscholl der Mutter zum Empfang.
Von des Palastes Zinnen wehten
Im Winde fröhlich bunte Fahnen;
Aus Schalen strömte Balsamduft;
Der Hofstaat stand auf den Altanen
Und schwenkte Tücher durch die Luft.
Die Stadt ward neuerdings geschmückt
Mit Laubwerk, Teppichen und Lichtern,
Viel deutlicher war den Gesichtern
Des Frohsinns Stempel aufgedrückt
Als beim gestörten Hochzeitsfeste
Von damals. Die verdutzte Schar
Des Volks erblickte zwei Paläste,
Wo tags zuvor nur einer war;
Zumal bestaunten sie den neuen,
Und laut bekannte jedermann,
Er müsse den Vergleich nicht scheuen,
Ja, steh' dem alten weit voran.

Inzwischen ward, weil sich der Freier
Ausdrücklich hatte vorbehalten,
In seinem eignen Schloß die Feier
Der Hochzeit glänzend zu gestalten,
Vom Sultan öffentlich erklärt,
Daß gültig nun zu Recht bestehe
Prinzessin Bedrulbudurs Ehe
Mit dem Gemahl, der ihrer wert,
Und dem sein Vaterherz gewogen;
Auch wurde der Vertrag vollzogen
Mit hergebrachter Förmlichkeit.
Dann leerten einen Freudenbecher
Die Mutter und der Fürst zuzweit.
Er selber gab ihr das Geleit
In der Prinzessin Wohngemächer.
Dort kam in ihrem reichen Schmuck
Und ihrer Schönheit holdem Prangen
Die Braut entgegen ihr gegangen
Mit einem warmen Händedruck
Und einem Kuß auf ihre Wangen.

Sie nahm, bereit zur Überführung
In ihres Ehegatten Schloß,
Vom Vater Abschied. Beiden floß
Ein Tränenstrom herab vor Rührung.
Und als der Sonne letztes Blinken
Gewichen war dem Dämmerschein,
Da formte sich der Zug. Zur Linken
Schritt ihr die Mutter, hinterdrein
Die Sklavinnen und Zofen all,
Voran ein Trupp von Musikanten
Mit schmetterndem Posaunenschall,
Zuletzt unzählige Trabanten,
Lakaien, Pfeifer, Paukenschläger
Und Knappen, die als Fackelträger
Dem Zuge Licht zu spenden hatten.
So schwebte die Gebieterin
Auf dem damastnen Teppich hin
Zum kerzenhellen Schloß des Gatten,
Und all das heitre Volksgewimmel
Entsandte wie aus einem Mund
Gebet und Segenswunsch zum Himmel
Für ihren jungen Ehebund.


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