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8.

Der Großvezier fand keinen Schlummer
In dieser Nacht. Am andern Tag
Bei Sonnenaufgang, als vor Kummer
Halb krank er noch im Bette lag,
Trat aschenfahl und übernächtig
Sein Sohn herein. Der Vater schrie,
Vor Jähzorn seiner nicht mehr mächtig:
»Hinweg mit dir, und laß dich nie
Mehr sehn!« Da fiel er auf die Knie:
»Mein Vater, schein' ich so verdächtig,
Daß du Gehör mir weigern willst?
Wenn dir bekannt, was unverschuldet
Ich heut und gestern nacht erduldet,
So wett' ich, daß dein Groll zerschmilzt.
Ich wurde beidemal gepackt
Von unsichtbaren Fäusten, stärker
Als Menschenhand, und eingesackt
In einen engen, finstren Kerker,
Zu schmal, um nieder mich zu legen,
Ja, selbst um aufrecht mich zu regen;
Die Tür von außen fest verrammelt
Und alles Rütteln ohne Zweck!
So kauert' ich, noch kaum gesammelt
Vom ersten fürchterlichen Schreck,
Erneuter Hexerei gewärtig,
Gefaßt auf meinen Untergang
Und mit dem Erdendasein fertig,
Wer weiß, wieviele Stunden lang,
Bis endlich beidemal die Tür
Von selber aufsprang. Aber gäbe
Man tausend Bräute mir dafür,
Ich möchte nicht, solang' ich lebe,
Dies noch ein drittes Mal erleiden.
So sehr mir die Prinzessin teuer,
Ich will sie lieber dauernd meiden,
Als dem geheimen Ungeheuer
Zum Spielball dienen unbeschränkt.
Ich glaube, Bedrulbudur denkt
Hierin nicht anders, und sie kann,
Auch wenn sie liebenswert mich findet,
Nicht recht vertrauen einem Mann,
Der unfreiwillig stets verschwindet.
Drum wünsch' ich, ob du gleich dem bösen
Verhängnis nicht mit Unrecht grollst,
Daß du den Sultan bitten sollst,
Er möge die Verlobung lösen.«

Der Großvezier erkannte klar,
Wenn auch im Innersten bekümmert:
Sein Lieblingsplan von manchem Jahr
Lag rettungslos vor ihm zertrümmert,
Sodaß, wie nun die Sache stand,
Statt auf ein Wunder noch zu harren,
Er selber den verfahrnen Karren
Am besten stecken ließ im Sand.
Er trug dem Sultan untertänig
Drum seines Sohnes Bitte vor
Und fand ein sehr geneigtes Ohr.
Der Herrscher freute sich nicht wenig,
Als unverhofft er sie vernahm,
Daß dem Entschluß, den er im stillen
Gefaßt um seiner Tochter willen,
Ihr Bräutigam entgegenkam.

Mit Windeseile flog die Kunde
Von der Entlobung durch die Stadt,
War tagelang in aller Munde;
Doch schließlich schwatzte man sich satt.
Es wußte ja vom wahren Grunde
Nur Aladdin allein Bescheid,
Und da nunmehr sein Weizen blühte,
Nahm mit beruhigtem Gemüte
Zum nächsten Schachzug er sich Zeit.

Erst als ein Monat noch entwichen
Und so, wie vorbestimmt, verstrichen
Die ganze Frist von dreien, sandte
Von neuem er die Mutter fort
Zum Sultan, der sie gleich erkannte
Und sich an sein gegebnes Wort
Erinnerte. Mit freiem Mute
Bat sie den Fürsten auf den Knien,
Gewähren mög' er Aladdin,
Was zu versprechen er geruhte,
Da die bedungne Frist vorbei.

Dem Sultan war die Mahnung peinlich.
Er hatte ja für unwahrscheinlich
Gehalten, daß die Schwärmerei
Des jungen Manns nach so viel Wochen
Noch immer nicht erloschen sei;
Denn was er unbedacht versprochen,
War niemals ernst gemeint gewesen.
Konnt' er zum Gatten seines Kinds
Wohl einen Schwiegersohn erlesen,
Der nicht geboren war als Prinz?
Und doch vor offener Verneinung
Sich scheuend, zog im Widerstreit
Er seinen Großvezier beiseit
Und fragte leis nach dessen Meinung.
»Herr,« sagte jener gleichfalls leis,
»Wenn du dein Wort nicht willst verletzen,
Genügt es, einen solchen Preis
Für die Prinzessin festzusetzen,
Daß, wenn des Werbers Überfluß
An Geld und Gut auch ohnegleichen,
Trotz allem er die Segel streichen
Und voll Beschämung abziehn muß.«

Der Ratschlag schien dem Sultan schlau;
Deshalb sich zu der Mutter eilig
Umwendend sprach er: »Gute Frau,
Ich gab mein Wort und halt' es heilig.
Dein Sohn soll keinen Hindernissen
Begegnen; aber um zu wissen,
Was er zur Morgengabe beut,
Und ob er wirklich zur Erringung
Der hohen Braut kein Opfer scheut.
Mach' ich ihm eines zur Bedingung:
Ich fordre, daß er vierzig Becken
Von schwerstem Gold mir schicken soll,
Die sämtlich bis zum Rande voll
Von herrlichen Juwelen stecken,
Den damals mir geschenkten gleich,
Die jeden Stein im ganzen Reich
Weitaus an Schönheit übertrafen.
Hertragen sollen diese Fracht
Auf Häupten vierzig schwarze Sklaven
In reicher, auserlesner Tracht,
Geführt von vierzig jungen weißen,
Die noch verschwenderischer gleißen.
Dies die Bedingung. Wird genau
Von ihm bestanden diese Probe,
Dann – höre, daß ich's laut gelobe –
Wird meine Tochter seine Frau.«

Die Mutter schritt bedenklich heim,
Jedoch gelabt vom Hoffnungsschimmer,
Des Herrschers Fordrung werd' auf immer
In ihrem Sohne jeden Keim
Des närrischen Begehrs ersticken.
Doch als von diesem Trost beseelt
Sie klipp und klar ihm aufgezählt,
Was er dem Sultan solle schicken,
Und sicher dachte, daß erschrocken
Er sich bequeme zum Verzicht,
Rief er mit strahlendem Gesicht
Und überschäumendem Frohlocken:
»Nichts weiter? Ei, der Sultan irrt
Im Glauben, daß durch die Bedingung
Er mich ins Bockshorn jagen wird.
Wähnt er, mir fehle zur Bezwingung
Solch eines Probestücks die Macht?
Ich könnt' ihm noch ganz andre Launen
Befriedigen. Er soll erstaunen,
Und du nicht minder. Gib nur acht!«

Er ging in seine Kammer, rieb
Die Lampe, bis der Geist erschienen,
Der unterwürfig ihm zu dienen
Wie stets bereit war. Er beschrieb
Des Herrschers Anspruch ihm ausführlich
Und fragte dann, ob er dies all
Ihm schaffen könne Knall und Fall.
Der Geist erwiderte: »Natürlich.«
»Wohlan,« sprach Aladdin, »so eile,
Damit ich flugs den ganzen Tand
Ihm senden kann.«

                     Der Geist entschwand
Und kam nach nicht viel größrer Weile,
Als während man die Augenlider
Zuschließt und öffnet, wie geheißen
Mit vierzig schwarzen Sklaven wieder,
Sowie mit vierzig jungen weißen,
Sodaß der umfangreiche Zug
Sich auf die Straße mußt' erstrecken,
Weil Haus und Hof nicht weit genug.
Ein jeder von den schwarzen trug
Auf seinem Haupt ein goldnes Becken,
Und jedes Becken wies in Fülle
Demanten, Perlen und Berylle,
Smaragd, Saphir, Topas, Rubin
Von höchstem Reiz des Farbenspieles
Und überlegen noch um vieles
Den Früchten, die sich Aladdin
Im Zaubergarten einst gepflückt.

Nachdem das Werk soweit geglückt,
Rief er die Mutter, die mit starren,
Weit aufgerissnen Augen gaffte,
»Schau,« sprach er, »muß der Sultan harren?
Gesteh', daß ich zur Stelle schaffte,
Was er vorhin sich ausbedang!
Jetzt aber zögere nicht lang
Und bringe meine Morgengabe
Geradeswegs in den Palast,
Damit an meiner großen Hast
Er merkt, wie sehr ich Sehnsucht habe,
Mein Herz nach so viel Sturmgebraus
Zu steuern in der Ehe Hafen.«

Die Mutter schritt somit voraus
Dem wundersamen Zug der Sklaven.
Das gab ein Aufsehn! Jedem Haus
Entströmten gierige Beschauer,
So daß in Kürze jung und alt
Zu einer dichten Menschenmauer
Auf allen Straßen stand geballt.
Was irgend Beine hatte, lief,
Was irgend Lungen hatte, rief
Mit Stimmen, gellend wie Posaunen,
Man möge kommen, sehn und staunen.
Einmütig wurde die Verkündung
Des Urteils allerorten laut,
Daß in der Stadt seit ihrer Gründung
Man solchen Aufwand nie geschaut,
Nie Sklaven edler von Gestalt,
Von Wuchs und Haltung angetroffen,
So bunt geschmückt, so mannigfalt
Bekleidet mit den feinsten Stoffen.
In schöner Ordnung – denn zur Seite
Den schwarzen Beckenträgern war
Jeweils ein weißer als Geleite –
Hinwandelten sie Paar für Paar.
Dazu der Edelsteine Glänzen,
Der vierzigfache Spiegelschein
Des lautren Goldes – allgemein
War die Begeistrung ohne Grenzen.


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