Jean Froissart
Von dem Leben u. Sterben des Grafen Gaston Phöbus von Foix u. von dem traurigen Tode seines Kindes Gaston
Jean Froissart

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Zur Zeit, als ich meinen Weg zu dem Grafen von Foix nahm, kam ich in die gute und schöne Stadt Paumiers, und hier verweilte ich, um Gesellschaft zu finden, die nach dem Lande Bearn gehe. Da fand ich in diesen Tagen durch Zufall einen Edelmann des Grafen von Foix, der aus Avignon zurückkam; man nannte ihn Messire Espaing du Lion, er war ein tapfrer Mann, ein kluger und schöner Ritter, und konnte er damals in dem Alter von fünfzig Jahren sein. Ich begab mich in seine Gesellschaft, und waren wir sechs Tage unterwegs, bis wir nach Ortais zu dem Grafen kamen. Indem wir so durchs Land ritten, wenn der genannte Edelmann sein Morgengebet vollendet hatte, vergnügte er sich den größten Teil des Tages damit, sich allerlei Neuigkeiten aus Frankreich von mir erzählen zu lassen, und antwortete er mir auch sehr ausführlich, wenn ich ihn um dieses oder jenes fragte.

Nachdem er mir alles, was Merkwürdiges hie und da vorgefallen, so wie wir an den Orten vorbeiritten, erzählt hatte, und auch von dem Kampf, den Bourg d'Espaigne, ein sehr starker Mann und Waffenbruder des Grafen Gaston, gegen die vom Schloß Lourde gestritten, kamen wir auf die Stelle, wo in dieser Fehde zwei Anführer, der Mangant de Lourde und Ernaulton Bisecte, sich einander erschlagen hatten, und war allda ein Kreuz von Stein zum Gedächtnis der Schlacht errichtet.

»Seht, das ist das Kreuz«, sprach Messire Espaing du Lion, und somit stiegen wir ab und beteten jeder ein Paternoster und ein Ave für die Seelen der hier Erschlagenen.

»Bei meiner Treue«, sprach ich, als wir weiterritten, »ich habe Euch sehr gern reden hören; aber heilige Maria, der Bourg d'Espaigne, ist er ein so starker Mann, wie Ihr mir gesagt?« –

»Bei meiner Treu«, sprach er, »ja, denn in ganz Gascognien mag man wohl seinesgleichen nicht finden an Stärke der Glieder, und darum hält ihn der Graf von Foix als seinen Gesellen. Und es sind nicht drei Jahr', daß ich ihn ein schön Stückchen habe treiben sehen, das ich Euch erzählen will.

»Es traf sich, daß auf einen Weihnachtstag der Graf von Foix sein großes und reiches Fest mit Rittern und Herrn hielt, wie er es in der Gewohnheit hat, und an diesem Tag war es sehr kalt. Der Graf hatte in seinem Saale gegessen, und mit ihm eine große Menge von Herrn; nach der Mahlzeit verließ er den Saal und begab sich in eine Galerie, nach welcher man eine breite Treppe von vierundzwanzig Staffeln steigen muß. In dieser Galerie ist ein Kamin, in welchem man gewöhnlich, wenn der Graf sich da aufhält, Feuer macht, und sonst nicht, und macht man da kleines Feuer, denn er sieht nicht gern großes Feuer. Dort ist es wohl der Ort, Holz zu haben, denn ganz Bearn ist voll Wald, und hat er wohl, womit heizen, wenn er will, aber kleines Feuer ist ihm gebräuchlich. Nun fror es sehr stark, und die Luft war sehr kalt; als er in die Galerie gekommen war, sah er das Feuer, und schien es ihm sehr klein, und sagte er den Rittern, die da waren: »Seht so kleines Feuer für diese Kälte.« Ernaulton d'Espagne stieg sogleich die Treppe hinunter, denn durch die Fenster der Galerie, welche auf den Hof sahen, erblickte er da eine Menge Esel mit Holz beladen, die aus dem Wald für den Hofdienst kamen. Er kam in den Hof und nahm den größten dieser Esel, ganz mit Holz beladen, auf seinen Nacken sehr leicht und trug ihn die Treppe hinauf und machte sich Platz durch die Menge der Ritter und Edelleute, die vor dem Kamin standen, und warf das Holz und den Esel, die Füße in die Höh', in das Kamin auf den Brand, worüber der Graf von Foix große Freude hatte und alle, die da waren; und verwunderten sie sich über die Stärke des Ritters, wie er ganz allein sich so schwer aufgeladen und damit so viele Staffeln gestiegen war.«

Viele Freude und Ergötzung machten mir die Erzählungen des Messire Espagne du Lion, und schien mir der Weg dadurch nur allzu kurz.

Sooft ich ihn aber fragte, woher es doch komme, daß ein so herrlicher Mann als der Graf von Foix keinen rechtmäßigen Sohn habe, und warum seine Gemahlin nicht bei ihm lebe, oder um die Art, auf welche sein einziger Sohn gestorben, suchte der Ritter auszuweichen und verschob es stets auf den andern Tag.

Als wir uns nun den letzten Abend der Stadt Morlaix näherten, sprach ich zu ihm: »Ihr habet mir viel erzählt, wovon ich nie etwas gehöret, und weil ich es weiß, so werde ich es zum ewigen Gedächtnis niederschreiben, so Gott will, daß ich zu meinem Lande zurückkehre. Aber noch um eines möchte ich Euch gerne fragen, wenn Ihr es nicht vor übel nehmt, nämlich durch welchen Zufall der Sohn des Grafen von Foix gestorben ist.«

Da ward der Ritter nachdenklich und sprach: »Die Art seines Todes ist zu traurig, und will ich Euch nicht davon reden, und wenn Ihr nach Ortais kommt, so werdet Ihr wohl jemand finden, der es Euch erzählt.«

Ich tröstete mich bis dahin, und so ritten wir weiter und kamen zum Nachtlager in die Stadt Morlaix.


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