Jean Froissart
Von dem Leben u. Sterben des Grafen Gaston Phöbus von Foix u. von dem traurigen Tode seines Kindes Gaston
Jean Froissart

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Währenddem wurde in Ortais, Gott weiß wodurch, ob durch Weiber oder durch Diener, die vom Hospital gekommen waren, bekannt, daß der Graf gestorben sei. Das war wohl eine harte Nachricht, denn sie liebten ihn alle sehr. Die ganze Stadt kam in Bewegung, die Bürger versammelten sich auf dem größten Platze der Stadt und unterredeten sich; da sprachen einige: »Wir haben Messire Ivain ganz allein nach dem Schlosse reiten sehn, und sah er wohl sehr erschrocken aus.«

Da antworteten die andern: »Gewiß muß etwas vorgefallen sein, denn nie ritt er allein vor seinem Herrn Vater her.«

Als die Männer von Ortais sich so versammelt hatten und auf dem Markt miteinander redeten, seht, da ritt ihnen der Kapellan grad in die Hände.

Die umringten ihn und sagten: »Messire Nicole, wie geht's mit unserm Herrn? Man hat uns gesagt, er sei gestorben; ist es wahr?« –

»Behüte Gott«, sagte der Kapellan, »aber er ist gar sehr krank, und ich komme nur, um ihm etwas zurechtmachen zu lassen, was ihm sehr gesund sein wird, und dann will ich wieder zu ihm.«

Mit diesen Worten machte er, daß er davonkam, ritt auf das Schloß und ruhte nicht, bis er drinnen war.

Da war Ivain gar froh, daß er die Schlüssel hatte. Nun will ich euch aber sagen, was die Männer von Ortais taten. Sie machten sich allerlei Gedanken über den Grafen und sprachen untereinander: »Nun ist's bereits Nacht, und wir haben noch gar keine sichere Nachricht von unserm Herrn, und ist Ivain mit dem Kapellan, der um alle Geheimnisse des Herrn weiß, in dem Schloß; laßt uns diese Nacht das Schloß bewahren, morgen werden wir mehr hören, wir wollen heimlich nach dem Hospital schicken, um zu hören, wie's steht; denn wir wissen wohl, daß der größte Teil des Schatzes auf dem Schloß ist, und würde er gestohlen, so machte uns das große Schande und brächte uns gar in Schaden; drum dürfen wir diese Sache nicht übersehen.« –

»Das ist die Wahrheit«, sprachen die andern; da hielten sie Rat, und seht, sogleich werden alle Männer von Ortais geweckt, und gehn sie alle nach dem Schloß und schicken sie die Ersten der Stadt an alle Pforten zur Wache, und waren sie da die ganze Nacht bis zum Morgen. Ach, da hörte man die Wahrheit von seinem Tod, da konnte man wohl großes Wehklagen, Schreien und Trauern von allen Leuten, Frauen und Kindern in der guten Stadt Ortais hören, denn sie hatten ihn alle sehr lieb. Da verstärkte man die Wache, und alle Männer der Stadt waren auf dem Platz vor dem Schloß unter den Waffen.

Als Messire Ivain dieses in dem Schloß sah, sprach er zu dem Kapellan: »Messire Nicole, mein Anschlag geht verloren, ich werde hier nicht herauskönnen, denn die Männer von Ortais wissen um die Sache und bewachen das ganze Schloß. Ich werde wohl gute Worte geben müssen.«

Da sprach der Kapellan: »Redet mit ihnen, denn nur mit guten Worten könnt Ihr noch etwas ausrichten.«

Messire Ivain begab sich also in einen Turm, aus dessen Fenster er mit den Leuten gut reden konnte. Da öffnete er ein Fenster und redete mit den ansehnlichsten Leuten der Stadt ganz laut:

»Ihr guten Männer von Ortais, ich weiß wohl, warum ihr versammelt seid; nun aber bitte ich euch, haltet mir es nicht vor übel, um der Liebe willen, die mein seliger Herr Vater für mich trug, daß ich mich vor jedem andern in den Besitz des Schlosses und Schatzes zu setzen gesucht. Ich will damit nichts als alles Gutes. Nun aber ist er nach Gottes Willen gestorben, ohne irgendeine Einrichtung zu treffen, mich, wie er doch gewollt, in sein Erbe einzusehen, und hat er mich unter euch, unter denen ich herangewachsen, als einen armen Ritter, den natürlichen Sohn des Grafen von Foix, zurückgelassen, wenn ihr mir nicht helft und ratet. Achtet darauf um Gottes willen und aus Mitleid, ihr tut damit ein Almosen, und will ich euch das Schloß öffnen, und mögt ihr hereinkommen; denn gegen euch will ich es nicht halten noch verschließen.«

Da antworteten die besten Männer von der Stadt also: »Messire Ivain, Eure Rede gefällt uns wohl, wir wollen mit Euch halten und wollen das Schloß und die Güter, die darinnen sind, auch bewachen helfen; und sollte der Vicomte de Castillon, Euer Vetter, welcher der Erbe des Landes zu Bearn ist, herankommen und sich in Besitz des Schatzes setzen wollen, so wollen wir wohl wissen, mit welchem Recht, und wollen Euer und Messire Gracien, Euers Bruders, Recht wohl beachten, und alles dieses beteuren wir und wollen es Euch aufrichtig halten.«

Mit dieser Antwort war Messire Ivain sehr wohl zufrieden, und tat er die Tore des Schlosses auf, und gingen die Männer von Ortais hinein, soviel ihr wollten. Man stellte da genug und gute Wachen hin. An diesem Tag ward der Leichnam des Grafen von Foix nach Ortais gebracht und in einen Sarg gelegt. Alle Männer, Frauen und Kinder von Ortais gingen ihm unter bittern Tränen entgegen, gedenkend seiner Stärke, seines edlen Lebens, seiner mächtigen Regierung, seines Verstands, seiner Tapferkeit und großen Freigebigkeit. Vor allem aber des Friedens, dessen sie unter diesem trefflichen Herrn genossen hatten. Denn weder Franzosen noch Engländer hatten es gewagt, ihn zu erzürnen.

Da sprachen sie also: »Ach Gaston, schöner Sohn, warum hast du je deinen Vater erzürnt; wärst du uns geblieben, der so schön und in so großem Beginnen war, du wärst uns ein großer Trost geblieben, aber wir haben dich allzu jung verloren, und dein Vater hat uns zu früh verlassen. Er war ein Mann erst von 63 Jahren, das ist kein groß Alter für einen solchen Fürsten, der einen so starken Willen hatte und alles, was er begehrte. Land von Bearn, trostlos und verwaist, ohne einen edlen Erben, was wird immer aus dir werden? So trefflichen und edlen Herrn wirst du nie wieder gewinnen.«

Unter solchen Klagen und Tränen ward der Leichnam von sieben Edelleuten durch die Stadt getragen, ihm folgten sechszig Ritter, welche sich aus dem Lande versammelt hatten, und trug man ihn, wie ich euch sage, mit entblößtem Angesicht nach der Barfüßerkirche. Da ward er einbalsamiert und in einem bleiernen Sarge bis zu seiner feierlichen Bestattung bewahrt, und brannten Tag und Nacht vierundzwanzig große Wachsfackeln um den Leichnam, die wurden abwechselnd von achtundvierzig Dienern getragen.

An dem Tag der Bestattung des herrlichen Grafen Gaston de Foix, des letzten dieses Namens, welche in der Stadt Ortais in der Barfüßerkirche in dem Jahr unsers Herrn 1391 den 12ten Oktober an einem Montag gehalten wurde, war viel Volk aus dem Lande Bearn und sonstwoher, Baronen, Ritter, Prälaten und drei Bischöfe in Ortais.

Der Bischof de Palmes las das Totenamt, da brannten eine Menge Lichter, und alles war sehr prächtig angeordnet, und hielten während der Messe vor dem Altar vier Ritter vier Fahnen mit den Wappen von Foix und Bearn.

Die erste hielt Messire Raymond du Chatelneuf, die zweite Messire Espaing du Lion, die dritte Messire Pierre Degmer, die vierte Messire Menauld de Novalles.

Den Degen hielt Messire Roger d'Espagne. Den Schild trug der Vicomte de Bruniquel. Den Helm trug der Sire de Valentin, das Pferd führte der Sire de Corasse.

Die ganze Bestattung wurde prächtig nach Landesgebrauch vollzogen, und wurde nach der Messe der Leichnam aus dem Sarge genommen, in gutes neues Wachstuch eingewickelt und vor den großen Altar des Chores bei den Barfüßern beerdigt.

Des Seinen ist nichts mehr.
Gott verzeihe ihm.


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