Jean Froissart
Von dem Leben u. Sterben des Grafen Gaston Phöbus von Foix u. von dem traurigen Tode seines Kindes Gaston
Jean Froissart

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Noch oft sah ich den Edelmann, der mir solches erzählt, auf dem Schlosse von Foix, und einstens fragte ich ihn, warum doch Messire Pierre de Bearn, der mir ein gar tapferer und reicher Herr schien, nicht verheiratet sei.

»Verheiratet ist er wohl«, sprach er, »aber seine Frau und seine Kinder wohnen nicht bei ihm.« »Und warum das?« sprach ich da. »Das will ich Euch wohl erzählen«, sagte der Edelmann. »Messire Pierre de Bearn hat die Gewohnheit, daß er nachts aus dem Schlaf erwacht, aufsteht, sich bewaffnet, seinen Degen zieht, um sich her kämpft, und man weiß nicht, gegen wen, was denn sehr sorglich ist. Aber seine Diener, die in seiner Stube schlafen und ihn bewachen, springen dann auf, wenn sie ihn so fechten sehen und sagen ihm, was er treibt. Er sagt dann aber zu ihnen, er wisse nichts davon, und sie seien Lügner. Manchmal ließ man ihm auch keine Waffen und Degen in seiner Stube, aber wenn er dann erwachte und sie nicht fand, führte er ein solches Getöse und Unwesen, daß man glauben sollte, alle höllischen Teufel wären bei ihm in der Stube. Darum läßt man sie ihm lieber und achtet auf ihn; wenn er dann sich bewaffnet und wieder entwaffnet hat, legt er sich wieder zu Bett.«

»Heilige Maria«, sagte ich, woher mag wohl solche Phantasie dem Messire Pierre kommen, daß er nachts aufsteht und solch Gefechte hält? Das sind sehr wunderbare Sachen.« –

»Meiner Treu«, sagte der Hofmann, »man hat ihn oft darum befragt, aber er weiß nicht zu sagen, woher ihm das kommt. Die erste Nacht, als man es bei ihm bemerkte, folgte auf einen Tag, an welchem er in einem Wald in Biscayen einen wunderbar großen Bär gejagt hatte. Dieser Bär hatte vier seiner Hunde getötet und noch mehrere verwundet, so daß die übrigen nicht an ihn wollten. Da nahm Messire einen Degen von Bourdeaux, den er trug, und machte sich, sehr erzürnt seiner getöteten Hunde wegen, an den Bären, stritt da in großer Leibesgefahr lange mit ihm und hatte große Not, bis er ihn erlegte. Endlich tötete er ihn und kehrte dann nach seinem Schloß Langue Deuton zurück, wohin er sich den erschlagenen Bären bringen ließ. Alle erstaunten über die Größe des Tiers und die Kühnheit des Ritters, mit der er ihn angefallen und erschlagen hatte. Als die Gräfin von Biscayen, seine Gemahlin, den Bären sah, fiel sie in eine Ohnmacht und bezeigte großen Schmerz darüber. Sie wurde von ihren Leuten aufgehoben und nach ihrer Stube gebracht und war diesen Tag und die folgende Nacht gar trostlos und wollte nicht sagen, was ihr fehlte. Den dritten Tag sprach sie zu ihrem Gemahl: »Mein Herr, ich werde niemals wieder gesund werden, ehe ich nicht nach St. Jakob gewallfahrtet bin; gebet mir Urlaub, dahin zu gehen, und daß ich Pierre, meinen Sohn, und Andrienne, meine Tochter, mit mir nehme; ich begehre es von Euch.«

Messire Pierre erlaubte es ihr sehr gern und ließ sie ihren ganzen Schatz, ihr Gold, ihr Silber und ihre Juwelen mitnehmen; denn er wußte wohl, daß sie nicht wiederkehren würde, dessen man sich doch sonst nicht versah. Die Dame vollbrachte ihre Reise und Wallfahrt und nahm sodann Gelegenheit, ihren Vetter, den König von Kastilien, und die Königin zu besuchen; da empfing man sie sehr wohl, und ist sie noch dort, will auch nicht zurückkehren noch ihre Kinder zurückschicken, und ich muß Euch sagen, daß in derselben Nacht, vor welcher er den Bären gejagt und getötet, er sich erhoben und ihm zum erstenmal diese wunderbare Phantasie angestoßen ist; und will man wissen, daß die Dame das wohl vorausgewußt habe, sobald als sie den Bären gesehen, welchen ihr Herr Vater schon einmal gejagt hatte, dem damals auf der Jagd eine Stimme zugerufen: »Du jagst mich, und ich will dir doch kein Übels, aber du sollst darum sterben eines bösen Tods.« Da hatte dann die Dame sich daran erinnert, als sie den Bären sah, und auch der Rede ihres Vaters, und gedachte sie wohl daran, wie der König Dom Pedro ihn unschuldig hatte enthaupten lassen, und darum sank sie in Ohnmacht vor ihrem Gemahl und behauptet noch immer, daß es ihm noch wunderbar ergehen werde, ehe er sterbe, und daß das alles nichts sei, was ihm auch jetzt geschehe, gegen das, was noch kommen werde.

Und so habe ich Euch denn von dem Messire Pierre de Bearn erzählt«, sagte der Hofmann, »wie Ihr begehrt habt, und ist die Sache wahrhaft, denn so ist sie geschehen, und was haltet Ihr davon?«

Ich, der ich ganz nachdenklich über die wunderbare Geschichte geworden war, sprach: »Ich glaube das gar wohl, denn wir finden in der Schrift, daß die Götter und Göttinnen vor alten Zeiten nach ihrem Vergnügen die Männer in Tiere und Vögel verwandelten, und so machten sie's auch mit den Weibern. Es kann gar wohl sein, daß dieser Bär ein Ritter gewesen, der einstens in den biscanischen Wäldern gejagt – er beleidigte vielleicht einen Gott oder eine Göttin zu seiner Zeit, warum er in einen Bären verwandelt wurde – und nun da seine Buße tat, so wie Aktäon in einen Hirsch verwandelt wurde.« –

»Aktäon?« antwortete der Hofmann, »lieber Meister, erzählt mir davon, und ich will Euch gern zuhören«; da erzählte ich ihm die Geschichte von Aktäon und sagte hierauf: »So kann es auch mit jenem Bären gewesen sein, und hat die Dame vielleicht noch was ganz anders erwartet und wußte, was sie damals nicht sagte; darum muß man sie für entschuldigt halten.« Da sprach der Hofmann: »Das kann alles wohl sein«, und somit beschlossen wir unsre Erzählung.


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