Friedrich der Große
Geschichte meiner Zeit
Friedrich der Große

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Der Erste Schlesische Krieg

Ursprung des Krieges und Einmarsch in Schlesien

Europas ganzes Interesse war damals der Erbfolge im Hause Österreich zugewandt, die nach dem Tode Kaiser Karls VI., des letzten Habsburgers im Mannesstamm, zur Entscheidung kommen mußte. Um der Zerstückelung der Monarchie vorzubeugen, hatte Karl VI., wie gesagt, ein Hausgesetz unter dem Namen der »Pragmatischen Sanktion« erlassen, das seine Erbschaft für seine Tochter Maria Theresia sicherstellen sollte: Frankreich, England, Holland, Sardinien, Sachsen und das Deutsche Reich hatten diese Pragmatische Sanktion garantiert. Auch der verstorbene König Friedrich Wilhelm hatte sie verbürgt, unter der Bedingung, daß der Wiener Hof ihm die Erbfolge in Jülich und Berg gewährleistete. Der Kaiser sagte ihm das zu, hielt aber sein Versprechen nicht, so daß also der König von der Garantie der Pragmatischen Sanktion entbunden war, die sein Vater bedingungsweise übernommen hatte.

Auf die Erbfolge in den Herzogtümern Jülich und Berg, die im Jahre 1740 nahe zu sein schien, war das Hauptaugenmerk der Politik des Hauses Brandenburg gerichtet. Friedrich Wilhelm hatte sich im Gefühl seines nahen Endes in kein Bündnis eingelassen, um seinem Nachfolger freie Hand zu bewahren, welche Verbindungen er je nach Umständen und Gelegenheit eingehen wollte. Nach dem Tode des Königs knüpfte der Berliner Hof Unterhandlungen in Wien, Paris und London an, um zu ergründen, welche von diesen Mächten seinen Interessen am geneigtesten wäre. Er fand sie alle gleich kühl. Denn nur dann verständigt man sich und kommen Allianzen zum Abschluß, wenn gegenseitige Bedürfnisse das einigende Band bilden. Es lag aber Europa wenig daran, ob der König oder irgendein anderer Fürst das Herzogtum Berg erhielt.

Mobilmachung in Berlin (vor dem Zeughause).

Die Erwerbung des Herzogtums war also sehr schwierig auszuführen. Um sich einen deutlichen Begriff davon zu machen, muß man sich genau in die damalige Lage des Königs versetzen. Er konnte kaum 60 000 Mann ins Feld stellen, und an Hilfsquellen zur Unterstützung seiner Unternehmungen hatte er nichts als den Schatz, den der verstorbene König hinterlassen hatte. Wollte er die Eroberung des Herzogtums Berg wagen, so mußte er alle seine Truppen dazu verwenden, weil er mit einem starken Gegner zu rechnen hatte. Er mußte Frankreich bekämpfen und zugleich die Stadt Düsseldorf einnehmen. Schon die Übermacht Frankreichs reichte hin, um ihn von dieser Unternehmung abzuhalten, hätten ihm auch von anderer Seite nicht ebenso ansehnliche Hindernisse im Wege gestanden. Denn auch das Haus Sachsen erhob die gleichen pfälzischen Erbansprüche, und Hannover war eifersüchtig auf Brandenburg. Rückte der König unter diesen Umständen mit seiner ganzen Macht an den Rhein, so setzte er seine Truppen von entblößten Erblande einem Einfall der Sachsen und der Hannoveraner aus, die eine solche Diversion gewiß nicht unterlassen hätten. Wollte er aber einen Teil seines Heeres in der Kurmark zurücklassen, um seine Lande gegen die Anschläge seiner Nachbarn zu decken, so wäre er auf beiden Seiten zu schwach gewesen. Frankreich hatte die pfälzische Erbfolge im Jahre 1733 dem Pfalzgrafen von Sulzbach verbürgt, um während seines Krieges am Rheine der Neutralität des alten Kurfürsten sicher zu sein. Diese Garantie hätte den König nun zwar nicht abgehalten, denn gewöhnlich werden solche Zusagen ebenso rasch gegeben wie gebrochen. Aber Frankreichs Vorteil verlangte schwache Nachbarn an den Ufern des Rheins und keine mächtigen, widerstandsfähigen Fürsten. Fast zur selben Zeit erhielt Graf Seckendorff, der auf der Festung Graz gefangen saß, seine Freiheit unter der Bedingung wieder, daß er dem Kaiser sämtliche Befehle einhändigte, durch die ihn dieser ermächtigt hatte, dem verstorbenen König von Preußen die feierlichsten Zusicherungen zur Unterstützung der preußischen Ansprüche auf die Erbfolge in den Herzogtümern Jülich und Berg zu geben.

Diese Darstellung zeigt, wie ungünstig die Umstände für das Haus Brandenburg lagen. Das bestimmte den König, sich an das provisorische Abkommen zu halten, das sein Vater mit Frankreich geschlossen hatte. Aber wenn auch so triftige Gründe die Ruhmbegierde des Königs zügelten, so reizten ihn andere, nicht minder starke Beweggründe, beim Antritt seiner Regierung Beweise von Kraft und Entschlossenheit zu geben, um seinem Volke Achtung in Europa zu verschaffen. Allen guten Patrioten blutete das Herz wegen der geringen Rücksicht, welche die Mächte dem verstorbenen König besonders in seinen letzten Regierungsjahren bezeigt hatten, und wegen der Kränkungen, denen der preußische Name in der Welt ausgesetzt war. Gerade das hatte großen Einfluß auf das Vorgehen des Königs, und wir halten uns für verpflichtet, einiges Licht darüber zu verbreiten.

Die weise und vorsichtige Zurückhaltung war dem verstorbenen König als Schwäche ausgelegt worden. Im Jahre 1729 hatte er wegen einiger Kleinigkeiten einen Streit mit den Hannoveranern, der aber gütlich beigelegt wurde. Kurz daraufkam es mit den Holländern zu ebenso unbedeutenden Zwistigkeiten, die gleichfalls eine friedliche Lösung fanden. Aus diesen beiden Beispielen der Mäßigung schlossen die Nachbarn und Neider, daß man den König ungestraft beleidigen könnte, daß er statt wirklicher Macht nur eine Scheinmacht, an Stelle erfahrener Offiziere nur Exerziermeister und statt tapferer Soldaten nur Söldlinge hätte, die dem Staate wenig anhänglich wären, und daß er selbst den Hahn stets nur spannte, aber nie losdrückte. Die Welt, in ihren Urteilen oberflächlich und leichtsinnig, glaubte solches Gerede, und diese schmählichen Vorurteile verbreiteten sich rasch durch ganz Europa. Der Ruhm, nach dem der verstorbene König trachtete, war gerechter als der Ruhm der Eroberer. Sein Ziel war, sein Land glücklich zu machen, sein Heer zu disziplinieren und seine Finanzen mit Ordnung und weisester Sparsamkeit zu verwalten. Er vermied den Krieg, um nicht von so schönen Aufgaben abgelenkt zu werden, und erhob so Preußen in der Stille zur Macht, ohne den Neid der Fürsten zu erregen. In seinen letzten Lebensjahren hatten körperliche Gebrechen seine Gesundheit völlig zerrüttet, und sein Ehrgeiz hätte es nie zugelassen, sein Heer anderen Händen anzuvertrauen. Unter solchen Umständen war seine Regierung glücklich und friedlich gewesen.

Wäre die Meinung, die man von dem König hatte, nur ein Rechenfehler gewesen, die Welt wäre von ihrem Irrtum früher oder später bekehrt worden. Aber die Fürsten urteilten so ungünstig über seinen Charakter, daß seine Verbündeten auf ihn nicht mehr Rücksicht nahmen als seine Feinde.

Ein Beweis dafür ist folgendes. Der Wiener und der russische Hof kamen mit dem verstorbenen König überein (1732), einen Prinzen von Portugal auf den polnischen Thron zu setzen. Plötzlich ließen sie das Projekt fallen und erklärten sich für den Kurfürsten August von Sachsen, hielten es aber für unter ihrer Würde, den König auch nur davon zu benachrichtigen. Kaiser Karl VI. hatte unter gewissen Bedingungen ein Hilfskorps von 10 000 Mann erhalten, das der verstorbene König im Jahre 1734 an den Rhein gegen die Franzosen sandte. Aber der Kaiser setzte sich selbst über seine ärmlichen Verpflichtungen hinweg. König Georg II. von England nannte den König »seinen Bruder Korporal«, hieß ihn den »König der Landstraßen und des Römischen Reiches Erzsandstreuer«. Das ganze Benehmen Georgs trug das Gepräge tiefster Verachtung. Die preußischen Offiziere, die auf Grund der Vorrechte der Kurfürsten in den Reichsstädten Soldaten anwarben, waren tausend Beschimpfungen ausgesetzt. Man nahm sie gefangen, schleppte sie in die Kerker zu den schlimmsten Verbrechern. Kurz, diese Übergriffe steigerten sich ins Unerträgliche. Ein armseliger Bischof von Lüttich suchte seine Ehre darin, den König zu tränken. Einige Untertanen der Herrschaft Herstal, die zu Preußen gehört, hatten sich aufgelehnt. Der Bischof nahm sie in Schutz. Der König sandte den Obersten Kreytzen mit Vollmacht und Beglaubigungsschreiben nach Lüttich, um die Sache beizulegen. Aber der Herr Bischof dachte gar nicht daran, ihn zu empfangen. Drei Tage hintereinander sah er den Gesandten in den Hof seines Palastes kommen, und jedesmal versagte er ihm den Eintritt.

Dieses Geschehnis und noch viele andere, die ich der Kürze halber übergehe, zeigten dem König, daß ein Fürst sich selbst und vor allem seinem Volke Respekt verschaffen muß, daß die Mäßigung eine Tugend ist, die Staatsmänner in dieser verderbten Zeit nicht immer streng ausüben können, und daß es beim Thronwechsel nötiger war, Beweise von Entschlossenheit als von Sanftmut zu geben.

Um nun alles zusammenzufassen, was das Feuer eines jungen, eben auf den Thron gelangten Fürsten anfachen konnte, so sei noch hinzugefügt, daß Friedrich I., als er Preußen zum Königreich erhob, durch diese eitle Größe einen Keim des Ehrgeizes in seine Nachkommen legte, der früher oder später Früchte tragen mußte. Die Monarchie, die er seinen Nachkommen hinterließ, hatte, wenn ich mich so ausdrücken darf, etwas von einem Zwitterwesen an sich: sie glich mehr einem Kurfürstentum als einem Königreiche. Es war ehrenvoll, diesem Zwitterzustand ein Ende zu machen, und das war sicherlich einer der Beweggründe des Königs bei den großen Unternehmungen, zu denen so vieles ihn reizte.

Hätten sich auch der Erwerbung des Herzogtums Berg nicht schier unüberwindliche Hindernisse entgegengestellt, so war der Gegenstand doch so gering, daß das Haus Brandenburg nur sehr wenig Gebietszuwachs gewonnen hätte. Dieser Gedanke lenkte den Blick des Königs auf das Haus Österreich. Nach dem Tode des Kaisers war die österreichische Erbschaft umstritten und der Kaiserthron ledig. Das war natürlich ein überaus günstiges Zusammentreffen wegen der wichtigen Rolle, die der König in Deutschland spielte, wegen der verschiedenen Ansprüche des sächsischen und bayrischen Hauses auf die österreichischen Erblande, wegen der Menge der Bewerber, die sich voraussichtlich zur Kaiserkrone meldeten, und schließlich wegen der Politik des Versailler Hofes, der diese Gelegenheit ergreifen mußte, um aus den Wirren, deren Ausbruch nach dem Tode Kaiser Karls VI. unausbleiblich war, seinen Vorteil zu ziehen.

Dieses Ereignis ließ nicht lange auf sich warten. Kaiser Karl VI. beschloß sein Leben auf seinem Lustschloß Favorita am 20. Oktober 1740. Die Nachricht kam nach Rheinsberg, als der König dort am viertägigen Fieber krank lag. Die Ärzte, in alte Vorurteile verrannt, wollten ihm kein Chinin geben. Er nahm es gegen ihren Willen; denn er hatte Wichtigeres vor, als seine Genesung abzuwarten. Unverzüglich entschloß er sich, die schlesischen Fürstentümer, auf die sein Haus unbestreitbare Ansprüche hatte, zurückzufordern, und zugleich rüstete er sich, um seine Ansprüche, wenn es sein mußte, mit Waffengewalt durchzusetzen. Dieser Plan erfüllte ihn ganz und gar. Das war der Weg, sich Ruhm zu erwerben, die Macht des Staates zu vergrößern und die strittige Erbfolge im Herzogtum Berg zu erledigen. Jedoch bevor der König sich völlig entschloß, wog er erst ab, welche Gefahren bei dem Wagnis eines solchen Krieges drohten, und andrerseits, welche Vorteile davon zu erhoffen waren.

Auf der einen Seite stand das mächtige Haus Österreich, dem es bei seinem ausgedehnten Länderbesitz nicht an Hilfsquellen fehlen konnte; eine Kaisertochter, die, wenn sie angegriffen wurde, im König von England, in der Republik Holland, sowie in der Mehrzahl der Reichsfürsten, die sich alle für die Pragmatische Sanktion verbürgt hatten, Verbündete finden mußte. Der Herzog von Kurland, der damals Rußland regierte, stand im Solde des Wiener Hofes. Zudem konnte die junge Königin von Ungarn Sachsen an sich fesseln, wenn sie ihm ein paar Kreise von Böhmen abtrat. Was schließlich die Einzelheiten der Ausführung betraf, so mußte die Mißernte des Jahres 1740 die Errichtung von Magazinen und die Verpflegung der Truppen als kaum durchführbar erscheinen lassen. Die Gefahren waren groß. Die Unbeständigkeit des Waffenglücks war zu fürchten. Eine verlorene Schlacht konnte alles entscheiden. Der König hatte keine Bundesgenossen und konnte den alten, unter den Waffen ergrauten österreichischen Soldaten, die in so vielen Feldzügen erprobt waren, nur unerfahrene Truppen entgegenstellen.

Andrerseits belebten zahlreiche Erwägungen die Hoffnungen des Königs. Der Wiener Hof befand sich nach des Kaisers Tode in der mißlichsten Lage. Die Finanzen waren in Unordnung, das Heer zerrüttet und mutlos geworden durch die Mißerfolge im Türkenkriege. Das Ministerium war uneins. Dazu denke man sich an der Spitze der Regierung eine junge unerfahrene Fürstin, die eine strittige Erbschaft verteidigen soll, und es ergibt sich leicht, daß diese Macht nicht als furchtbar erscheinen konnte. Ferner war es ganz unmöglich, daß der König keine Bundesgenossen fand. Die Eifersucht, die zwischen Frankreich und England herrschte, sicherte dem König notwendig eine dieser beiden Mächte. Außerdem mußten alle Bewerber um die Erbschaft des Hauses Österreich ihr Interesse mit dem seinen verknüpfen. Der König hatte eine Stimme zur Kaiserwahl zu vergeben. Er konnte sich bezüglich seiner Ansprüche auf das Herzogtum Berg entweder mit Frankreich oder mit Österreich vergleichen. Endlich war der Krieg, den er in Schlesien führen konnte, die einzig mögliche Offensive, welche durch die Lage seiner Staaten begünstigt wurde, weil er hier nahe an seinen Landesgrenzen blieb und durch die Oder eine stets sichere Verbindung behielt.

Vollends zu seiner Unternehmung bestimmt wurde der König durch den Tod der Kaiserin Anna von Rußland, die bald nach dem Kaiser starb. Die russische Krone fiel an den jungen Großfürsten Iwan, den Sohn einer mecklenburgischen Prinzessin und des Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig, eines Schwagers des Königs von Preußen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Rußland während der Minderjährigkeit des jungen Zaren mehr mit der Erhaltung der Ruhe im eigenen Lande zu tun als mit der Pragmatischen Sanktion, die in Deutschland jedenfalls Unruhen hervorrufen mußte.

Hierzu kam ein schlagfertiges Heer, ein wohlgefüllter Kriegsschatz und vielleicht auch der Drang, sich einen Namen zu machen. Dies alles bewog den König von Preußen zu dem Kriege, den er an Maria Theresia von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen, erklärte.

König Friedrich, in der Gestalt eines Kentauren, bietet der Amazone Maria Theresia die Hand zum Vergleich, bevor er den Kampf eröffnet.

Trotzdem man in Berlin alle Vorsicht anwandte, um die geplante Unternehmung geheimzuhalten, war es doch nicht möglich, Magazine anzulegen, Geschütze bereitzustellen und Truppen in Marsch zu setzen, ohne daß es gemerkt wurde. Das Publikum ahnte bereits, daß etwas vorging. Demeradt, der Kaiserliche Gesandte in Berlin, schrieb warnend an seinen Hof, daß ein Gewitter im Anzuge sei, das sich sehr wohl gegen Schlesien entladen könnte. Der Staatsrat der Königin antwortete ihm aus Wien: »Wir wollen und können den von Euch gemeldeten Nachrichten keinen Glauben beimessen.« Gleichwohl sandte man den Marchese Botta nach Berlin, um dem König zu seiner Thronbesteigung zu gratulieren, aber mehr noch, um zu erforschen, ob Demeradt nur blinden Lärm geschlagen hatte. Der Marchese Botta war schlau und scharfsinnig. Er merkte sofort, worum es sich handelte. Nachdem er in seiner Antrittsaudienz (6. Dezember 1740) die üblichen Komplimente gemacht hatte, sprach er von den Unbequemlichkeiten der zurückgelegten Reise und erwähnte besonders die schlechten Wege in Schlesien, die durch Überschwemmungen so verdorben seien, daß man nicht durchkommen könnte. Der König tat, als verstände er das nicht, und antwortete, das Schlimmste, was den Reisenden auf solchen Wegen zustoßen könne, sei, sich zu beschmutzen.

So fest auch der König entschlossen war, den gefaßten Plan durchzuführen, so hielt er es doch für richtig, Versuche zum gütlichen Vergleich beim Wiener Hofe zu machen. Zu diesem Zwecke schickte er den Grafen Gotter nach Wien. Der sollte der Königin von Ungarn erklären: falls sie des Königs Ansprüche auf Schlesien anerkennen wolle, so biete er ihr nicht nur seinen Beistand gegen alle offenen und versteckten Feinde an, welche das Erbe Karls VI. zerstückeln wollten, sondern auch seine Stimme bei der Kaiserwahl für den Großherzog von Toskana.

Da vorauszusehen war, daß dieses Anerbieten zurückgewiesen würde, so war Graf Gotter für diesen Fall ermächtigt, der Königin von Ungarn den Krieg zu erklären. Die Armee war flinker als der Gesandte. Sie rückte zwei Tage eher in Schlesien ein, als Graf Gotter in Wien anlangte.

Zwanzig Bataillone und sechsunddreißig Schwadronen wurden gegen die schlesische Grenze in Bewegung gesetzt; sechs Bataillone sollten nachfolgen, um die Festung Glogau einzuschließen. So schwach dieses Heer war, so schien es doch stark genug, um sich eines unverteidigten Landes zu bemächtigen. Auch gewann man dadurch den Vorteil, Magazine für den nächsten Frühling anlegen zu können, die eine größere Truppenzahl während des Winters aufgezehrt hätte.

Bevor der König zum Heere abreiste, gab er dem Marchese Botta noch eine Audienz (9. Dezember 1740) und sagte ihm das gleiche, was Graf Gotter in Wien erklären sollte. Botta rief aus: »Sire, Sie werden das Haus Österreich zugrunde richten, und sich selbst stürzen Sie mit in das Verderben.« Der König erwiderte: »Es hängt nur von der Königin ab, die ihr gemachten Vorschläge anzunehmen.« Da wurde der Marchese nachdenklich, faßte sich aber wieder und sagte, von neuem das Wort ergreifend, in ironischem Ton und mit spöttischer Miene: »Ihre Truppen sind schön, Sire, das gestehe ich. Unsere sehen nicht so schmuck aus, aber sie haben Pulver gerochen. Ich beschwöre Sie, bedenken Sie, was Sie tun wollen.« Der König ward ungeduldig und versetzte lebhaft: »Sie finden meine Truppen schön; bald sollen Sie zugeben, daß sie auch gut sind.« Der Marchese versuchte noch einige Vorstellungen, um die Ausführung des Vorhabens aufzuhalten. Aber der König machte ihm begreiflich, daß es zu spät sei, und daß er den Rubikon schon überschritten habe.

Da das ganze Projekt auf Schlesien jetzt bekannt wurde, so verursachte die kühne Unternehmung eine sonderbare Gärung in den Gemütern. Die schwachen und furchtsamen Seelen prophezeiten den Untergang des Staates. Andere glaubten, daß der König alles auf den Zufall setze und sich Karl XII. zum Muster nehme. Das Militär hoffte auf Glück und sah Beförderungen vor sich. Die Nörgler, die es ja überall gibt, neideten dem Staate die Vergrößerungen, die er sich verschaffen konnte. Der Fürst von Anhalt war wütend, daß nicht er diesen Plan entworfen hatte und nicht das erste Werkzeug bei dessen Ausführung war. Wie Jonas prophezeite er Unheil, das aber so wenig über Preußen kam wie einst über Ninive. Der Fürst betrachtete das kaiserliche Heer als seine Wiege. Auch fühlte er sich Kaiser Karl VI. verpflichtet, da dieser seiner Gattin, einer Apothekerstochter, den fürstlichen Rang verliehen hatte. Zudem fürchtete er die Vergrößerung des Königs, die einen Nachbarn wie den Fürsten von Anhalt zum Nichts herabdrückte. Diese Gründe des Mißvergnügens veranlaßten ihn, Mißtrauen und Schrecken in alle Gemüter zu säen. Ja womöglich hätte er den König selbst gern eingeschüchtert. Aber dessen Entschluß stand felsenfest. Die Dinge waren auch schon zu weit gediehen, als daß man noch hätte zurückweichen können. Um indessen dem üblen Eindruck zu begegnen, den die Meinung eines so großen Heerführers wie des Fürsten von Anhalt bei den Offizieren hätte machen können, hielt der König es für gut, die Offiziere der Berliner Garnison vor seiner Abreise zu sich zu berufen und ihnen die folgende Ansprache zu halten:

»Meine Herren, ich unternehme einen Krieg, für den ich keine anderen Bundesgenossen habe als Ihre Tapferkeit und Ihren guten Willen. Meine Sache ist gerecht, und ich vertraue auf mein Glück. Bleiben Sie stets des Ruhmes eingedenk, den Ihre Vorfahren sich erwarben auf den Feldern von Warschau, von Fehrbellin und auf dem Zuge nach Preußen. Ihr Schicksal ruht in Ihren eigenen Händen; Auszeichnungen und Belohnungen warten nur darauf, daß Sie durch glänzende Taten sie verdienen. Aber ich brauche Sie nicht erst anzufeuern. Der Ruhm allein steht Ihnen vor Augen, nur er ist das würdige Ziel Ihres Strebens. Wir werden Truppen angreifen, die unter dem Prinzen Eugen die Bewunderung der Welt errungen haben. Zwar ist dieser Prinz nicht mehr; aber unsere Siege werden darum nicht weniger ruhmvoll sein, da wir uns mit seinen braven Soldaten zu messen haben werden. Leben Sie wohl! Brechen Sie auf zum Rendezvous des Ruhmes, wohin ich Ihnen ungesäumt folgen werde«

Der König verließ Berlin nach einem großen Maskenball und kam am 14. Dezember in Krossen an. Ein Zufall wollte, daß gerade an diesem Tage ein mürbes Seil, woran die Glocke der Domkirche hing, zerriß. Die Glocke stürzte herab, und man sah darin eine schlechte Vorbedeutung; denn im Herzen des Volkes herrschten noch abergläubische Vorstellungen. Um den üblen Eindruck auszulöschen, legte der König dieses Vorzeichen in günstigern Sinne aus. Er sagte, der Sturz der Glocke bedeute, daß das Hohe erniedrigt werden solle; und da das Haus Osterreich unvergleichlich viel höher stände als das brandenburgische, so sähe man aus diesem Zeichen deutlich, daß Preußen den Sieg davontragen würde. Wer das Volk kennt, weiß, daß solche Begründungen hinreichen, um es zu überzeugen. Am 16. Dezember rückte das Heer in Schlesien ein.

Manifest gegen Österreich (Dezember 1740)

Die Ansprüche des Königs auf die meisten Herzog- und Fürstentümer Schlesiens sind unbestreitbar. Die Besitzer dieser Provinz haben dies selbst so weit zugeben, daß sie einen Vertrag mit Kurfürst Friedrich Wilhelm abschlossen, kraft dessen der Kurfürst für den Kreis Schwiebus seinen Rechten auf die anderen schlesischen Herzog- und Fürstentümer entsagt hat. Dieser Verzicht wäre gültig, hätte Kaiser Leopold I. den Kreis Schwiebus nicht mit schwärzester Treulosigkeit dem Könige Friedrich I. entrissen.

Da somit das Äquivalent für den Verzicht zurückgegeben ist, tritt Preußen wieder in den Vollbesitz seiner Rechte, und das ganze Abkommen mit Kurfürst Friedrich Wilhelm wird null und nichtig.

Auf Grund dieser Rechte und eines Anspruches auf mehrere Millionen Taler ist der König in Schlesien eingerückt, um seinen Besitz und seine Rechte aufrechtzuerhalten. Zu Lebzeiten des Kaisers wäre ein solcher Schritt unangebracht gewesen; denn der Kaiser ist das Reichsoberhaupt, und der Angriff eines Reichsstandes gegen ihn hätte gegen die Reichsgesetze verstoßen.

Außerdem läuft dieser Schritt der Pragmatischen Sanktion nicht zuwider; denn der König will kein Erbe antreten, sondern nur seine besonderen Rechte wahren. Da der Kaiser selbst keinerlei Anrecht auf die ihm strittig gemachten schlesischen Herzogtümer besitzt, mit welchem Recht kann seine Tochter sie dann beanspruchen? Man kann doch nichts erben, was den Eltern nicht gehört hat!

Nehmen wir aber den schlimmsten Fall an, daß man das Vorgehen des Königs als Verstoß gegen die Pragmatische Sanktion betrachtet, so ist hervorzuheben, daß der König von Preußen dem Kaiser die Pragmatische Sanktion durch den Vertrag von 1732 nur unter der Bedingung der Garantie für das Herzogtum Berg gewährleistet hat. Diesen Vertrag hat das Haus Österreich aber gebrochen, indem es im Jahre 1738 oder 1739 den vorläufigen Besitz der Herzogtümer Jülich und Berg dem Hause Sulzbach garantierte. Der König tritt also wieder in den Vollbesitz seiner Rechte, zumal man ihm als Äquivalent eigene Besitzungen des Kaisers versprochen hatte.

Alle diese Gründe miteinander haben den König zu seinem Vorgehen bestimmt. Er wünscht nichts sehnlicher, als sich mit dem Haus Österreich zu vergleichen, vorausgesetzt, daß man einige Rücksicht auf seine gerechten Ansprüche nimmt.

NB. Ich vergaß hinzuzufügen, daß Schlesien stets ein Mannslehen gewesen und nur durch die Pragmatische Sanktion zum Weiberlehen geworden ist. Da aber meine Garantie null und nichtig geworden ist, trete ich jetzt wieder in den Vollbesitz meiner Rechte; denn das Kaiserhaus hat keine männlichen Nachkommen mehr. Das kann zu den anderen oben erwähnten Gründen hinzugefügt werden.

Mollwitz

Die Lage wurde um so ernster, je näher die Eröffnung des Feldzuges rückte. Einstimmig berichteten die Spione, daß der Gegner seine Posten verstärkte, daß neue Truppen zu ihm stießen, und daß er eine Überrumpelung der Preußen in ihren Quartieren vorhätte, entweder auf dem Wege über Glatz oder über Zuckmantel. Zur selben Zeit hatten sich 100 österreichische Dragoner und 300 Husaren nach Neiße geworfen. Das allein war schon genug, um einen Teil der feindlichen Absichten zu erkennen, und der König befahl deshalb, die Quartiere enger zu legen. Er hätte auf der Stelle alle Truppen zusammenziehen müssen. Aber es fehlte ihm damals noch an Erfahrung, denn dies war eigentlich sein erster Feldzug. Die Jahreszeit war noch nicht vorgeschritten genug, um die Einschließung von Glogau und Brieg in eine Belagerung zu verwandeln. Es lag indessen ein fertiger Plan vor, Glogau mit Sturm zu nehmen, und so erhielt Erbprinz Leopold von Anhalt Befehl, ihn ungesäumt auszuführen. Am 9. März wurde die Stadt an fünf Stellen zugleich angegriffen und binnen einer Stunde erobert.

Preußische Infanterie in der schneebedeckten Landschaft am Morgen der Schlacht bei Mollwitz.

Doch mit der Einnahme von Glogau war noch nicht alles getan. Die Truppen lagen noch zu verstreut, um sich im Notfall zu vereinigen. Besonders die Quartiere in Oberschlesien, in denen Feldmarschall Schwerin stand, erregten höchste Besorgnis. Der König wollte, daß der Feldmarschall sie aufhöbe und sich gegen die Neiße zurückzöge, wo er mit allen Truppen aus Niederschlesien zu ihm stoßen konnte. Schwerin war anderer Meinung. Er schrieb, wenn man ihn verstärken wollte, so verspreche er, seine Quartiere bis zum Frühjahr zu behaupten. Für diesmal glaubte der König seinem Feldmarschall mehr als sich selbst. Seine Leichtgläubigkeit wäre ihm fast verderblich geworden, und als hätte er Fehler auf Fehler häufen müssen, setzte er sich selbst an die Spitze von acht Schwadronen und neun Bataillonen, um nach Jägerndorf zu marschieren. In Neustadt traf er den Feldmarschall. Des Königs erste Frage war: »Was haben Sie für Nachrichten vom Feinde?« – »Keine«, war die Antwort, »außer daß die Österreicher längs der Grenze von Ungarn bis nach Braunau in Böhmen zerstreut stehen. Aber ich erwarte jeden Augenblick meinen Spion zurück.«

Am folgenden Tage langte der König in Jägerndorf an. Sein Plan war, am Tage darauf wieder von dort aufzubrechen, um die Laufgräben vor Neiße zu eröffnen, wo Feldmarschall Kalckstein ihn mit zehn Bataillonen und ebensoviel Schwadronen erwartete. Der Herzog von Holstein, der damals in Frankenstein stand, sollte dort ebenfalls mit sieben Bataillonen und vier Schwadronen zum Könige stoßen. Als der König (am 2. April) eben aufbrechen wollte und dem Feldmarschall sowie dem Erbprinzen Leopold seine letzten Befehle gab, kamen sieben österreichische Dragoner an. Von diesen Überläufern erfuhr man, daß sie die Armee bei Freudenthal (nur anderthalb Meilen von Jägerndorf) verlassen hätten, daß ihre Reiterei dort lagerte und nur auf die Infanterie und das Geschütz wartete, um quer durch die Quartiere der Preußen zu rücken und sie zur Aufhebung der Blockade von Neiße zu zwingen. Mittlerweile hörte man schon vor der Stadt scharmutzieren, und jedermann glaubte, daß Neippergs Avantgarde im Begriff stände, Jägerndorf zu berennen. In dieser unglücklichen Stadt waren nur fünf Bataillone, fünf Dreipfünder und Pulver für 40 Schüsse. Die Lage war verzweifelt, wenn Neipperg sie zu nutzen verstand. Aber der kreißende Berg gebar nur eine Maus. Der Feind wollte bloß wissen, ob die Preußen noch in ihren Quartieren wären. Um dies zu erfahren, mußten seine leichten Truppen vor jeder Stadt herumplänkeln, um ihren Offizieren Meldung über den Stand der Dinge zu bringen.

Da nun die Absichten des Feindes offenbar waren, so zauderte der König keinen Augenblick mehr, das Heer zusammenzuziehen. Die Truppen in Niederschlesien erhielten Befehl, bei Sorge die Neiße zu überschreiten, und die in Oberschlesien sollten bei Jägerndorf zum König stoßen. Am 4. April ging er mit all diesen vereinigten Korps nach Neustadt und zwar parallel dem feindlichen Heere, das über Zuckmantel und Ziegenhals auf Neiße marschierte. Am folgenden Tage (5. April) rückte der König nach Steinau, welches eine Meile von Sorge liegt; dort hatte er Brücken über die Neiße schlagen lassen. Die Einschließung von Brieg mußte aufgehoben werden, und General Kleist erhielt Befehl, mit seiner Abteilung zum Heere zu stoßen. Auch der Herzog von Holstein erhielt mehrere Male die gleiche Order, aber sie konnte ihn nicht erreichen, und so blieb er ruhig in Frankenstein stehen und sah rechts und links den Feind an sich vorbeiziehen, ohne sich darüber zu beunruhigen. Überläufer vom österreichischen Heere, die in Steinau ankamen, sagten aus, daß General Lentulus sich am selben Tage bei Neiße mit dem Feldmarschall Neipperg vereinigt hätte. Auf diese Nachricht wurden die preußischen Truppen sofort um Steinau zusammengezogen, und der König wählte eine Stellung aus, wo er den Feind im Falle eines Angriffs empfangen konnte. Um die Verlegenheit noch zu erhöhen, brach am Abend im Quartier von Steinau Feuer aus. Es war nur ein Glück, daß man Geschütz und Munition noch durch die engen Gassen retten konnte, in denen schon alle Häuser in Flammen standen. Die Truppen biwakierten die Nacht in der Stellung, die der König tags zuvor zum Lager ausgesucht hatte.

Heinrich Prinz von Preußen, Bruder Friedrichs des Großen, preuß. General der Infanterie. Holzschnitt von Menzel.

Am folgenden Tage (6. April) langte das Häuflein von dreizehn Bataillonen und fünfzehn Schwadronen nach recht beschwerlichem Marsche in Falkenberg an. Dort traf vom Obersten Stechow, der die Brücke bei Sorge mit vier Bataillonen deckte, die Meldung ein, daß der Feind sich am anderen Flußufer verschanzte und schon ziemlich lebhaft auf die Preußen feuerte. Markgraf Karl marschierte sogleich mit vier Bataillonen auf Sorge und berichtete dem König, daß Lentulus auf dem anderen Neißeufer mit 60 Schwadronen stände und den Übergang völlig unmöglich machte, weil das Gelände zu schmal sei, um sich zu entwickeln. Die Marschrichtung mußte also verändert werden. Man schlug den Weg nach Michelau ein, wo eine andere Brücke über die Neiße führte und wo General Marwitz schon mit den Truppen stand, die aus den Schweidnitzer Quartieren und von der Einschließung von Brieg herbeigezogen waren. Die Brücke bei Sorge wurde ungesäumt abgebrochen, und am Abend vereinigten sich alle diese verschiedenen Korps mit dem König.

Skizze des Schlachtfeldes

Am nächsten Tage (8. April) ging das Heer bei Michelau über die Neiße, in der Absicht, auf Grottkau zu marschieren. Ein Kurier, der durch diese Stadt gekommen war, traf bei dem König ein, so daß dieser nichts besorgte. Ein dichtes Schneegestöber verfinsterte die Luft und trübte die Aussicht. Man marschierte immer weiter. Die Husaren der Vorhut kamen in das Dorf Leipe, das auf dem Wege liegt, und stießen unerwartet auf ein feindliches, dort kantonnierendes Husarenregiment. Die Preußen machten vierzig Gefangene, teils zu Fuß, teils zu Pferde. Von ihnen erfuhr man, daß Neipperg vor etwa einer halben Stunde Grottkau eingenommen hätte. Ein Leutnant Mützschefahl hatte sich dort mit 60 Mann drei Stunden lang gegen die ganze österreichische Armee verteidigt. Ferner sagten die Überläufer aus, daß der Feind am nächsten Tage nach Ohlau marschieren würde, um das schwere Geschütz fortzunehmen, das der König dort untergebracht hatte. Auf diese Nachricht wurden die verschiedenen, sämtlich in Marsch befindlichen Kolonnen der Armee zusammengezogen. Der König teilte sein Heer in vier Divisionen, die in vier naheliegenden Dörfern kantonnierten, so daß sie sich binnen einer Stunde vereinigen konnten. Er legte sein Hauptquartier in die Dörfer Pogarell und Alzenau und schickte von dort mehrere Offiziere an die Besatzung von Ohlau, um sein Anrücken zu melden und zwei Kürassierregimenter, die in der Nähe angekommen waren, an sich zu ziehen. Aber wegen der feindlichen Streifkorps, die die Gegend unsicher machten, konnte keiner dieser Offiziere nach Ohlau gelangen.

Am anderen Tage (9. April) fiel der Schnee so dicht, daß man kaum zwanzig Schritte weit sehen konnte. Jedoch erfuhr man, daß der Feind sich Brieg genähert hätte. Dauerte das schlechte Wetter fort, so wurde die Lage der Preußen immer schlimmer. Die Lebensmittel fingen an knapp zu werden. Man mußte Ohlau zu Hilfe kommen, und im Fall eines Mißerfolges stand kein Rückzug offen. Aber das Glück ersetzte den Mangel an Vorsicht. Tags darauf, am 10. April, war das Wetter klar und heiter. Wenn auch der Schnee zwei Fuß hoch lag, so hinderte das doch nicht, die geplanten Operationen auszuführen. Um 5 Uhr morgens zog sich die Armee bei der Pogarellschen Mühle zusammen. Sie bestand aus 27 Bataillonen, 29 Schwadronen Kavallerie und 3 Husarenschwadronen. In fünf Kolonnen setzte sie sich in Marsch: in der Mitte die Artillerie, rechts und links davon die Infanterie und an den Flanken die Kavallerie. Der König wußte, daß ihm der Feind an Reiterei überlegen war. Um diesen Nachteil wettzumachen, gab er den Schwadronen jedes Flügels zwei Grenadierbataillone bei, eine Anordnung, die Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen getroffen hatte, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach in Zukunft nicht mehr zur Anwendung kommen wird.

In dieser Marschordnung rückte das Heer in der Richtung auf Ohlau gegen den Feind vor. General Rothenburg, der die Avantgarde führte, machte bei dem Dorfe Pampitz etwa zwanzig Gefangene; diese bestätigten die Nachricht, die Bauern aus dem Dorfe Mollwitz dem König gebracht hatten, daß die feindliche Armee in Mollwitz, Grüningen und Hünern stände. Sobald die Kolonnen sich Mollwitz ungefähr auf 2000 Schritt genähert hatten, stellte sich die Armee in Schlachtordnung auf, ohne daß man einen Feind im Felde erscheinen sah. Der rechte Flügel sollte sich an das Dorf Hermsdorf anlehnen. Aber Schulenburg, der die Kavallerie dieses Flügels befehligte, benahm sich dabei so ungeschickt, daß er nicht bis dorthin kam. Der linke Flügel war vom Laugwitzer Bache gedeckt, dessen Ufer steil und sumpfig sind. Da die Reiterei vom rechten Flügel dem Fußvolke nicht Platz genug gelassen hatte, so mußte man drei Bataillone aus dem ersten Treffen zurückziehen und formierte daraus, durch einen glücklichen Zufall, eine Flankendeckung für die rechten Flügel der beiden Infanterietreffen. Diese Anordnung wurde zur Hauptursache für den Gewinn der Schlacht. Die Bagage parkierte bei dem Dorfe Pampitz, ungefähr 1000 Schritt hinter den Treffen, und das Regiment La Motte, das in diesem Moment zur Armee stieß (es kam aus Oppeln), diente zu ihrer Bedeckung. Rothenburg näherte sich mit der Avantgarde dem Dorfe Mollwitz, aus dem er die Österreicher heraustreten sah. Er hätte sie in dieser Unordnung angreifen müssen. Aber er hatte gemessenen Befehl gehabt, sich auf nichts einzulassen. So führte er seine Truppen auf den rechten Flügel zurück, zu dem er gehörte.

Es muß sonderbar scheinen, daß ein so erfahrener General wie Neipperg sich derart überraschen ließ. Indes war er zu entschuldigen. Er hatte verschiedene Husarenoffiziere beauftragt, auf Kundschaft zu reiten, besonders auf dem Wege nach Brieg. Aber sei es aus Trägheit oder aus Nachlässigkeit, diese Offiziere taten ihre Schuldigkeit nicht, und der Marschall erfuhr den Anmarsch des Königs erst, als er auch schon dessen Heer in Schlachtordnung vor seinen Quartieren erblickte.

Neipperg mußte seine Truppen also unter dem Feuer der preußischen Artillerie aufstellen, und diese ward schnell und gut bedient. Die Kavallerie des linken Flügels unter dem Befehl von Römer war zuerst zur Stelle. Dieser kluge und entschlossene Offizier sah, daß der rechte preußische Flügel näher bei Mollwitz stand als der linke. Er erkannte, daß Neipperg, wenn er in seiner Stellung blieb, geschlagen werden konnte, bevor die Kavallerie seines rechten Flügels heran war. Ohne irgend einen Befehl abzuwarten, entschloß er sich, den rechten Flügel der Preußen anzugreifen. Schulenburg machte, um das Dorf Hermsdorf zu gewinnen, sehr ungeschickt eine schwadronsweise Viertelschwenkung nach rechts. Römer bemerkte dies und fiel, ohne sich zu formieren, mit verhängtem Zügel kolonnenweise auf den von Schulenburg kommandierten Flügel. Seine dreißig österreichischen Schwadronen warfen die zehn preußischen, deren jede ihnen die linke Flanke darbot, im Augenblick über den Haufen. Die geschlagene Reiterei jagte vor dem ersten Infanterietreffen entlang und zwischen dem ersten und zweiten Treffen hindurch. Sie hätte die Infanterie niedergeritten, hätte diese nicht auf die Flüchtlinge gefeuert, wodurch zugleich die Feinde abgewiesen wurden. Römer kam dabei ums Leben. Jeder Soldat muß aber erstaunen, daß die zwei Grenadierbataillone, die zwischen den Schwadronen des rechten Flügels standen, allein standhielten und sich in guter Ordnung zum rechten Flügel der Infanterie zogen.

Reiterkampf in der Schlacht bei Wollwitz.

Der König glaubte die Kavallerie wie ein Rudel Hirsche aufhalten zu können, wurde aber von ihrer Flucht bis zur Mitte des Heeres fortgerissen, wo es ihm gelang, ein paar Schwadronen zusammenzuraffen, die er auf den rechten Flügel zurückführte. Sie mußten nun ihrerseits die Österreicher angreifen. Aber geschlagene und hastig wieder zusammengebrachte Truppen haben keine Widerstandskraft mehr. Sie lösten sich auf, und Schulenburg blieb bei diesem Angriff. Die siegreiche feindliche Kavallerie fiel nun in die rechte Flanke der preußischen Infanterie. Dort waren, wie wir schon sagten, drei Bataillone aufgestellt, die im ersten Treffen keinen Platz gefunden hatten. Die Infanterie wurde dreimal heftig angegriffen. Österreichische Offiziere fielen verwundet zwischen ihren Reihen. Mit dem Bajonett warf sie feindliche Reiter aus dem Sattel und schlug durch ihre Tapferkeit die Kavallerie unter großen Verlusten ab. Diesen Augenblick nahm Neipperg wahr.

Seine Infanterie setzte sich in Bewegung, um den rechten preußischen Flügel, der von Kavallerie entblößt war, anzugreifen. Unterstützt von der österreichischen Reiterei, machte er unsägliche Anstrengungen, um das Treffen des Königs zu durchbrechen, doch umsonst! Die tapfere Infanterie stand wie ein Fels gegen alle Angriffe und brachte dem Feind durch ihr Feuer schwere Verluste bei.

Auf dem linken preußischen Flügel war die Lage nicht so kritisch gewesen. Dieser Flügel war dem Feinde versagt worden und stand an den Laugwitzer Bach angelehnt. Jenseits des Sumpfes hatte die preußische Kavallerie die der Königin von Ungarn angegriffen und geschlagen.

Indessen dauerte das Feuer der Infanterie auf dem rechten Flügel seit fast fünf Stunden mit großer Heftigkeit. Die Munition war aufgebraucht, und die Soldaten griffen nach den Pulvervorräten der Gefallenen, um wieder schießen zu können. Die Lage war höchst kritisch. Alte Offiziere glaubten schon, es sei alles verloren, und erwarteten den Augenblick, wo die Truppen sich aus Mangel an Munition zur Übergabe genötigt sehen würden. Aber so kam es nicht, und junge Militärs mögen daraus lernen, nicht vorzeitig zu verzweifeln. Die Infanterie hielt nicht nur stand, sondern gewann dem Feinde sogar Boden ab. Als Feldmarschall Schwerin dies bemerkte, setzte er seinen linken Flügel gegen die rechte Flanke der Österreicher an. Das entschied den Sieg und führte zur völligen Niederlage der Feinde. Sie gingen in gänzlicher Auflösung zurück. Die Nacht verhinderte die Preußen, ihre Vorteile über das Dorf Laugwitz hinaus auszunutzen.

Jetzt kamen, freilich zu spät, die 14 Schwadronen aus Ohlau an. Ein Damm, den sie passieren mußten, um zur Armee zu stoßen, war ihnen von den österreichischen Husaren verlegt worden. Dort waren sie lange aufgehalten worden, und der Gegner hatte seine Stellung nicht eher geräumt, als bis er die Hauptarmee fliehen sah.

Diese Schlacht kostete der Königin 180 Offiziere und 7000 Tote an Kavallerie und Infanterie, ferner verloren die Österreicher 7 Kanonen, 3 Fahnen und 1200 Gefangene. Auf preußischer Seite zählte man 2500 Tote, darunter den Markgrafen Friedrich, des Königs Vetter, und 3000 Verwundete. Das erste Bataillon Garde, das der Hauptstoß des Feindes traf, verlor die Hälfte seiner Offiziere, und von seinen 800 Mann blieben nur 180 kampffähig.

Die Schlacht war eine der denkwürdigsten des Jahrhunderts, weil hier zwei kleine Heere das Schicksal von Schlesien entschieden, und weil die Truppen des Königs sich dabei einen Ruhm erwarben, den weder Zeit noch Neid ihnen entreißen können.

Aus diesem Bericht vom Beginn des Feldzuges wird der Leser gewiß schon gesehen haben, daß der König und der Feldmarschall Neipperg sich in Fehlern überboten. Waren die Entwürfe des österreichischen Feldherrn die besseren, so zeigten sich die Preußen in der Ausführung überlegen. Der Plan Neippergs war klug und einsichtsvoll: bei seinem Einmarsch in Schlesien schiebt er sich zwischen die Quartiere des Königs; er dringt bis Neiße vor, wo Lentulus zu ihm stößt, und ist im Begriff, sich nicht nur der Artillerie des Königs zu bemächtigen, sondern auch den Preußen ihre Magazine in Breslau, die einzigen, die sie hatten, zu entreißen. Aber Neipperg hätte den König in Jägerndorf überrumpeln und so durch einen Streich den ganzen Krieg beendigen können. Von Neiße aus hätte er das Korps des Herzogs von Holstein, das eine Meile entfernt im Quartier lag, aufheben können. Bei etwas mehr Tatkraft hätte er dem König den Übergang über die Neiße bei Michelau verwehren können. Auch hätte er von Grottkau aus Tag und Nacht marschieren müssen, um Ohlau einzunehmen und den König von Breslau abzuschneiden. Aber statt alle diese Gelegenheiten wahrzunehmen, ließ er sich in unverzeihlicher Sorglosigkeit überraschen und wurde großenteils durch seine eigene Schuld geschlagen.

Feierliche Verkündigung des Friedensschlusses durch einen Herold.

Noch mehr Tadel verdient der König. Er erfuhr rechtzeitig von dem Vorhaben des Feindes und ergriff doch keine hinlängliche Maßregel, um sich dagegen zu sichern. Statt nach Jägerndorf zu marschieren und dadurch seine Truppen noch mehr zu verzetteln, hätte er seine ganze Armee vereinigen und bei Neiße dicht zusammen in Kantonnementsquartiere legen müssen. Er ließ sich vom Herzog von Holstein abschneiden und brachte sich selbst in die üble Lage, die Schlacht in einer Stellung zu liefern, wo ihm im Fall einer Niederlage kein Rückzug offen stand, und wo er Gefahr lief, sein Heer zu verlieren und sich selbst zugrunde zu richten. Als er vor Mollwitz ankam, wo der Feind kantonnierte, hätte er drauflosmarschieren und die Österreicher in ihren Quartieren zersprengen müssen. Statt dessen verliert er zwei Stunden damit, sich regelrecht vor einem Dorfe in Schlachtordnung aufzustellen, wo kein Feind sich zeigte. Hätte er nur das Dorf Mollwitz angegriffen, so hätte er darin die ganze österreichische Infanterie gefangen genommen, ähnlich wie vierundzwanzig französische Bataillone bei Höchstädt (1704) überrumpelt wurden. Aber in seinem Heer hatte allein der Feldmarschall Schwerin Verständnis und Kriegserfahrung. Bei den Truppen herrschte viel guter Wille, aber sie kannten bloß den kleinen Dienst, und weil sie noch nie im Felde gestanden waren, gingen sie nur zaghaft zu Werke und scheuten herzhafte Entschlüsse. Eigentlich rettete die Preußen nur ihre Tapferkeit und ihre Mannszucht. Mollwitz war die Schule für den König wie für seine Truppen. Der König dachte über alle von ihm begangenen Fehler reiflich nach und suchte sie künftig zu meiden.

Rückblick

So kam Schlesien an den preußischen Staat: Zwei Kriegsjahre hatten zur Eroberung dieser wichtigen Provinz genügt. Der vom verstorbenen König hinterlassene Schatz war fast erschöpft. Aber Staaten sind billig, wenn sie nur sieben bis acht Millionen kosten. Ein Zusammentreffen günstiger Umstände erleichterte das Unternehmen. Frankreich mußte sich in den Krieg hineinziehen lassen, Rußland von Schweden angegriffen werden, die Hannoveraner und Sachsen mußten sich aus Ängstlichkeit untätig verhalten, die Kette der Erfolge mußte ununterbrochen sein, und der König von England, Preußens Feind, mußte zähneknirschend ein Werkzeug der Erhebung Preußens werden. Was aber zum glücklichen Gelingen das meiste beitrug, das war ein Heer, das in zweiundzwanzigjähriger Arbeit zu bewundernswerter Mannszucht herangebildet worden war und alle Armeen Europas in Schatten stellte; das waren wahrhaft patriotische Offiziere, erfahrene und unbestechliche Staatsdiener; das war schließlich ein gewisses Glück, das so oft mit der Jugend ist, aber das Alter im Stiche läßt. Wäre die große Unternehmung mißlungen, so hätte man den König einen leichtsinnigen Fürsten gescholten, der Dinge unternimmt, die seine Kräfte übersteigen. Da sie gelang, sah man ihn als Glückskind an. In Wahrheit entscheidet allein das Glück über den Ruf: wer vom Glück begünstigt wird, erntet Beifall; wen es verschmäht, der wird getadelt.


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