Friedrich der Große
Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg
Friedrich der Große

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Friedrich I., König von Preußen (1688-1713)

Charakterbild

Friedrich I. war klein und verwachsen; seine Miene war stolz, seine Physiognomie gewöhnlich. Seine Seele glich den Spiegeln, die jeden Gegenstand zurückwerfen. Er war äußerst bestimmbar. Daher konnten diejenigen, die einen gewissen Einfluß auf ihn gewonnen hatten, seinen Geist nach Gefallen erregen oder beschwichtigen. Ließ er sich fortreißen, so geschah es aus Laune; war er sanft, so kam das von seiner Lässigkeit. Er verwechselte Eitelkeit mit echter Größe. Ihm lag mehr an blendendem Glanz als am Nützlichen, das bloß gediegen ist. 30 000 Untertanen opferte er in den verschiedenen Kriegen des Kaisers und der Verbündeten, um sich die Königskrone zu verschaffen. Und er begehrte sie nur deshalb so heiß, weil er seinen Hang für das Zeremonienwesen befriedigen und seinen verschwenderischen Prunk durch Scheingründe rechtfertigen wollte. Er zeigte Herrscherpracht und Freigebigkeit. Aber um welchen Preis erkaufte er sich das Vergnügen, seine geheimen Wünsche zu befriedigen! Er verschacherte das Blut seines Volkes an Engländer und Holländer, wie die schweifenden Tartaren ihre Herden den Metzgern Podoliens für die Schlachtbank verkaufen.

Die Vorurteile des Volkes scheinen der fürstlichen Prachtliebe günstig zu sein. Aber es besteht ein Unterschied zwischen der Freigebigkeit eines Bürgers und der eines Herrschers. Ein Fürst ist der erste Diener und Beamte des Staates. Ihm schuldet er Rechenschaft über die Verwendung der Steuern. Er erhebt sie, um den Staat durch die Truppen, die er hält, zu schützen, die ihm anvertraute Würde aufrechtzuerhalten, Dienste und Verdienste zu belohnen, eine Art Ausgleich zwischen den Reichen und den Belasteten herzustellen, Unglücklichen jeder Art ihr Los zu erleichtern und endlich freigebig bei allem zu verfahren, was den Staatskörper im allgemeinen angeht. Hat der Herrscher einen aufgeklärten Geist und das Herz auf dem rechten Fleck, so wird er seine sämtlichen Ausgaben für das Staatswohl und die größtmögliche Förderung seines Volkes verwenden.

Die Freigebigkeit, die Friedrich I. liebte, war nicht von solcher Art, vielmehr nur Vergeudung, wie ein eitler und verschwenderischer Fürst sie übt. Seine Hofhaltung war eine der prächtigsten in Europa, seine Gesandtschaften waren nicht minder prunkvoll als die der Portugiesen. Er bedrückte die Armen, um die Reichen zu mästen. Seine Günstlinge erhielten hohe Gnadengehälter, während sein Volk im Elend schmachtete. Seine Bauten waren prachtvoll, seine Feste glänzend, seine Marställe und Dienerschaft zeugten eher von asiatischem Prunk als von europäischer Würde. Seine Gnadenbeweise schienen mehr durch den Zufall als durch gescheite Auswahl bedingt. Seine Bedienten machten ihr Glück, wenn sie die ersten Wallungen seines Zornes überstanden hatten. Ein Gut von 40 000 Talern Wert gab er einem Jäger, der ihm einen kapitalen Hirsch vor den Schuß brachte. Die Launenhaftigkeit, die bei seiner Verschwendung waltete, befremdet am stärksten, wenn man die Summe seiner Ausgaben und Einnahmen vergleicht und sich von seinem Leben ein einheitliches Bild macht. Dann sieht man mit Staunen Teile eines Riesenkörpers neben verdorrten, absterbenden Gliedern. Seine Domänen im Halberstädtischen wollte der König den Holländern verpfänden, um den berühmten Pitt kaufen zu können, den Brillanten, den Ludwig XV. zur Zeit der Regentschaft erwarb. Er verkaufte den Verbündeten 20 000 Mann, um das Ansehen zu genießen, daß er 30 000 Mann unterhalte. Sein Hof war wie ein großer Strom, der alle Bächlein in sich aufnimmt. Seine Günstlinge wurden mit Wohltaten überhäuft, seine Verschwendung kostete Tag für Tag ungeheure Summen, während Ostpreußen und Litauen der Hungersnot und der Seuche preisgegeben waren, ohne daß der freigebige Monarch sich herbeiließ, ihnen zu helfen. Ein geiziger Fürst ist für sein Volk wie ein Arzt, der einen Kranken in seinem Blut ersticken läßt. Der verschwenderische gleicht einem Arzt, der den Kranken so lange zur Ader läßt, bis er ihn getötet hat.

In seiner Zuneigung war Friedrich I. niemals beständig. Bald hatte er eine schlechte Wahl zu bereuen, bald fehlte es ihm an Nachsicht gegen menschliche Schwächen. Vom Freiherrn von Danckelman bis zum Grafen Wartenberg nahmen seine Günstlinge alle ein schlimmes Ende.

In seinem schwachen, abergläubischen Geist lebte eine außerordentliche Anhänglichkeit an den Calvinismus. Ihm hätte er gern alle übrigen Bekenntnisse zugeführt. Es ist anzunehmen, daß er die anderen verfolgt hätte, wären die Priester so schlau gewesen, die Verfolgungen mit Zeremonien zu verknüpfen.

Wenn Friedrich I. Lob verdient, so geschieht es deshalb, weil er seinen Landen immer den Frieden erhalten hat, während die seiner Nachbarn vom Krieg verwüstet wurden; weil sein Herz im Grunde gut war und, wenn man will, weil er die eheliche Treue nicht verletzt hat. Alles in allem: er war groß im Kleinen und klein im Großen. Und sein Unglück wollte es, daß er in der Geschichte seinen Platz zwischen einem Vater und einem Sohne fand, die ihn durch die Überlegenheit ihrer Begabung verdunkeln.


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