Friedrich der Große
Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg
Friedrich der Große

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Friedrich Wilhelm I., König von Preußen (1713-1740)

Regierungsantritt und innerer Ausbau des Staates

Friedrich Wilhelms Regierung begann unter den günstigen Auspizien des Friedens. Dieser wurde zwischen Frankreich, Spanien, England, Holland und der Mehrzahl der deutschen Fürsten in Utrecht geschlossen.

Nach der Wiederherstellung des Friedens wandte sich die ganze Aufmerksamkeit des Königs auf die innere Verwaltung. Er arbeitete an der Wiederherstellung der Ordnung in Finanzwirtschaft, Verwaltung, Rechtspflege und Heerwesen; denn diese Gebiete waren unter der vorangegangenen Regierung gleichermaßen verwahrlost. Er besaß eine arbeitsame Seele in einem kraftvollen Körper. Es hat nie einen Mann gegeben, der für die Behandlung von Einzelheiten so begabt gewesen wäre. Wenn er sich mit den kleinsten Dingen abgab, so tat er das in der Überzeugung, daß ihre Vielheit die großen zuwege bringt. Alles, was er tat, geschah im Hinblick auf das Gesamtbild seiner Politik; er strebte nach höchster Vervollkommnung der Teile, um das Ganze zu vervollkommnen.

Er strich alle unnützen Ausgaben und verstopfte die Kanäle, durch die sein Vater die Mittel des öffentlichen Wohlstandes abgelenkt hatte, um sie in eitlem und überflüssigem Aufwand zu verschwenden. Der Hof spürte die Reform zuerst. Der König behielt nur soviel Personen, als es für die Wahrung der Würde notwendig war oder dem Nutzen des Staates entsprach. Von den hundert Kammerherren seines Vaters blieben nur zwölf; die übrigen wurden Offiziere oder Diplomaten. Er beschränkte seine eigenen Ausgaben auf eine sehr mäßige Summe, indem er sagte, ein Fürst müsse mit dem Gut und Blut seiner Untertanen sparsam umgehen. In dieser Hinsicht war er ein Philosoph auf dem Thron, wiewohl er nichts gemein hatte mit jenen Gelehrten, deren unfruchtbare Wissenschaft auf der Spekulation über abstrakte Gegenstände beruht, die sich unserer Erkenntnis offenbar entziehen. Er gab das Beispiel einer Sittenstrenge und Einfachheit, die der ersten Zeiten der römischen Republik würdig waren. Dem Prunk und den imposanten Äußerlichkeiten des Königtums war er feind. In seiner stoischen Tugend gönnte er sich nicht einmal die nächstliegenden Annehmlichkeiten des Lebens. Seine einfachen Sitten, seine große Genügsamkeit bildeten einen vollkommenen Gegensatz zu dem Hochmut und der Verschwendung Friedrichs I.

Verpackte Kostbarkeiten, ein ausgezogener Kammerherrenrock auf dem Stuhl, der durchstrichene Hofstaatsetat auf dem Tische künden das sparsame Regiment König Friedrich Wilhelms I. an.

Ein politisches Ziel schwebte Friedrich Wilhelm bei dem inneren Ausbau des Staates vor: er wollte sich durch ein mächtiges Heer bei seinen Nachbarn in Respekt setzen. Georg Wilhelms Beispiel hatte ihn gelehrt, wie gefährlich <Bild/> es ist, sich nicht verteidigen zu können. Und das Beispiel Friedrichs I., dessen Truppen weniger ihm selbst als den sie bezahlenden Bundesgenossen gehörten, hatte ihn erkennen lassen, daß ein Herrscher nur in dem Maße geachtet wird, als er sich mächtig und furchtgebietend zu machen weiß. Er war der Demütigungen satt, die bald die Schweden, bald die Russen seinem Vater zugefügt hatten, indem sie ungestraft seine Staaten durchquerten. Er wollte sein Volk wirksam vor seinen unruhigen Nachbarn beschützen und sich zugleich in den Stand setzen, seine Anrechte auf die Erbfolge in Berg zu vertreten, die beim Tod des Kurfürsten von der Pfalz, des letzten Fürsten aus dem Hause Neuburg, frei werden mußte. Man ist zwar allgemein in dem Vorurteil befangen, der Plan einer militärischen Regierung sei nicht vom König selbst ausgegangen, sondern ihm durch den Fürsten von Anhalt eingegeben worden, aber wir folgen dieser Meinung nicht, weil sie irrig ist. Ein so überlegener Geist wie der Friedrich Wilhelms durchdrang und erfaßte die größten Fragen. Besser als irgend einer von seinen Ministern oder Generalen kannte er die Interessen des Staates.

(Es folgt die Darstellung des Nordischen Krieges bis zum Tode Karls XII. und der Einleitung der Unterhandlungen, die 1720 zum Abschluß des Friedens von Stockholm zwischen Preußen und Schweden führten.)

Wiewohl der Friede noch nicht geschlossen wurde, war er doch so gut wie hergestellt. Der König, der die Ruhe seines Staates gesichert sah, begann nun erst wahrhaft zu regieren, das heißt, für das Glück seines Volkes zu sorgen. Er haßte die unruhigen Geister, deren ungestüme Leidenschaften so weit um sich greifen, als die Macht der Ränke reicht. Er strebte keineswegs nach dem Ruf der Eroberer, die einzig und allein den Ruhm lieben, wohl aber nach dem der Gesetzgeber, die nichts anderes vor Augen haben als das Gute und die Tugend. Der geistige Mut, der zur Abstellung von Mißbräuchen und zur Einführung nützlicher Neuerungen in der Verwaltung unbedingt gehört, verdiente nach seiner Meinung den Vorzug vor der Tapferkeit aus Temperament, die den größten Gefahren trotzt, ohne Furcht zwar, doch oft auch ohne Bewußtheit. Die Spuren, die sein weises Wirken in seinem Lande hinterließ, werden dauern, solange der preußische Staat besteht.

Friedrich Wilhelm verwirklichte nun sein militärisches System und verknüpfte es so innig mit der ganzen übrigen Organisation, daß man an das Heerwesen nicht rühren konnte, ohne den Staat selbst der Gefahr des Umsturzes auszusetzen. Um die Weisheit dieses Systems beurteilen zu können, wird es vielleicht nicht unnütz sein, den Gegenstand hier ein wenig näher zu erörtern.

Seit der Regierung Friedrichs I. hatte sich eine Menge von Mißbräuchen in den Abgaben eingeschlichen. Sie waren ein Gegenstand der Willkür geworden. Im ganzen Staat wurde der Ruf nach einer Reform laut. Bei der Untersuchung zeigte es sich, daß keinerlei Grundsatz für die Einschätzung der Kontribution bestand, daß für die Grundbesitzer an manchen Orten die Abgaben auf demselben Fuß belassen waren, auf dem sie vor dem Dreißigjährigen Krieg gestanden hatten, während alle Eigentümer der zahlreichen Ländereien, die seitdem angebaut waren, verschieden besteuert wurden. Um die Lasten im richtigen Verhältnis abzustufen, ließ der König alle anbaufähigen Felder genau vermessen und stellte innerhalb der verschiedenen Klassen von gutem und schlechtem Boden die Gleichheit der Kontribution wieder her. Da die Lebensmittel seit der Regierung des Großen Kurfürsten stark im Preise gestiegen waren, steigerte er auch die Abgaben, so daß sie den neuen Preisen entsprachen. Dadurch erhöhte er seine Einkünfte bedeutend.

Der Wiederaufbau der von der Pest verheerten Provinzen Ostpreußen und Litauen.

Um aber mit der einen Hand wieder auszustreuen, was er mit der anderen einzog, stellte er neue Infanterieregimenter auf und vermehrte seine Kavallerie. Dadurch wuchs das Heer auf 60 000 Mann an. Die Truppen verteilte er über all seine Provinzen, so daß das Geld, das diese an den Staat bezahlten, durch die Truppen beständig zu ihnen zurückfloß. Um den Landmann nicht mit dem Unterhalt der Soldaten zu belasten, wurde das ganze Heer, Kavallerie wie Infanterie, in die Städte gelegt. Dadurch nahmen die Akzise-Einkünfte zu, die Disziplin der Truppen befestigte sich, die Preise der Waren stiegen, und unsere Wolle, die wir zuvor an das Ausland verkauften und von dort als verarbeitete Ware zurückerhielten, verließ nun das Land nicht mehr. Das ganze Heer wurde regelmäßig alle Jahre neu eingekleidet, und Berlin bevölkerte sich mit zahlreichen Arbeitern, die nur von ihrem Gewerbe leben und nur für die Truppen arbeiten. Die Manufakturen wurden gediegen eingerichtet, kamen in Blüte und versorgten einen großen Teil der nordischen Völker mit Wollstoffen. Das Heer, das schon im Jahre 1718 nahezu 60 000 Mann stark war, sollte dem Staate durch die große Zahl der Aushebungen, deren es bedurfte, nicht zur Last fallen. Daher erließ der König eine Verordnung, durch die jeder Hauptmann verpflichtet wurde, im Reich Leute anzuwerben. Ein paar Jahre später bestanden die Regimenter nur zur einen Hälfte aus Landeskindern, zur anderen aus Ausländern.

Der König bevölkerte Ostpreußen und Litauen, wo die Pest verheerend gehaust hatte (1710), aufs neue. Aus der Schweiz, aus Schwaben und der Pfalz ließ er Kolonisten kommen und half ihnen mit ungeheuren Kosten, sich anzusiedeln. Mit nicht geringem Aufwand an Zeit und Mühe gelang es ihm schließlich, die verwüsteten Lande mit neuen Wohnstätten und neuen Einwohnern zu versehen, nachdem sie eine Zeitlang aus der Zahl der bewohnten Länder gestrichen waren. Alljährlich bereiste er jede Provinz, ermutigte in diesem periodischen Kreislauf überall den Gewerbefleiß und begründete den Wohlstand. Viele Fremde wurden ins Land gezogen. Diejenigen, die in den Städten Manufakturen errichteten oder neue Kunstfertigkeiten lehrten, wurden durch Unterstützungen, Privilegien und Belohnungen angefeuert.

Er hatte sich eine anmutige Residenz in Potsdam geschaffen, das ursprünglich nur ein Fischerdörfchen war. Daraus machte er eine schöne, große Stadt. In ihr erblühten Künste jeder Art, von den alltäglichen bis zu denen, die dem raffinierten Luxus dienen. Leute aus Lüttich, die er durch seine Freigebigkeit angezogen hatte, errichteten dort eine Waffenfabrik, die nicht allein das preußische Heer, sondern auch die Truppen einiger nordischen Mächte versorgte. Bald wurden in Potsdam auch Sammete so schön wie in Genua hergestellt. Alle Ausländer, die ein Gewerbe verstanden, wurden in Potsdam aufgenommen, angesiedelt und belohnt. Der König errichtete in der Stadt, deren Gründer er war, ein großes Militärwaisenhaus, wo alljährlich 2500 Soldatenkinder Unterkunft finden und alle Berufsarten erlernen können, zu denen sie Anlage zeigen. Desgleichen baute er eine Anstalt für Mädchen, die dort zu Arbeiten erzogen werden, wie sie ihrem Geschlecht ziemen. Durch diese mildtätigen Einrichtungen linderte er das Elend der Soldaten, die für eine Familie zu sorgen hatten, und verschaffte den Kindern eine gute Erziehung, die sie von ihren Vätern nicht erhalten konnten. Im selben Jahr vermehrte er das Kadettenkorps, worin dreihundert junge Edelleute zum Waffendienst vorgebildet werden. Einige alte Offiziere wachen über ihre Erziehung. Lehrer bringen ihnen Kenntnisse bei und unterweisen sie in den körperlichen Übungen, mit denen Personen von Stande vertraut sein müssen.

Keine Sorge ist des Gesetzgebers würdiger als die um die Erziehung der Jugend. In zartem Alter sind die jungen Pflanzen noch empfänglich für Eindrücke aller Art. Flößt man ihnen Liebe zur Tugend und zum Vaterland ein, so werden sie gute Bürger. Und die guten Bürger sind das beste Bollwerk der Staaten. Verdienen die Fürsten dafür unser Lob, daß sie ihre Untertanen mit Gerechtigkeit regieren, so gewinnen sie sich unsere Liebe, indem sie ihre Fürsorge auf die Nachkommenschaft ausdehnen.

Charakterbild

Der König lebte seit dem Anfall von Wassersucht, den er 1734 erlitten hatte, nur noch durch die Kunst der Ärzte. Gegen Ende des Jahres 1739 verfielen seine Kräfte immer mehr. In diesem kränklichen Zustand traf er ein Abkommen mit Frankreich, das ihm das Herzogtum Berg garantierte, ausgenommen die Stadt Düsseldorf nebst einem Streifen von einer Meile Breite am ganzen Rheinufer entlang. Er begnügte sich mit dieser Teilung um so eher, als seine schwindende Lebenskraft ihm keine Hoffnung mehr ließ, ansehnlichere Erwerbungen zu machen.

Die Wassersucht, die ihn plagte, nahm erheblich zu. Am 31. Mai 1740 starb er mit der Festigkeit eines Philosophen und der Ergebung eines Christen. Bis zum letzten Atemzuge bewahrte er eine bewundernswerte Seelenstärke. Er ordnete seine Angelegenheiten als Staatsmann, verfolgte die Fortschritte seiner Krankheit wie ein Arzt und triumphierte als ein Held über den Tod.

Er hatte im Jahre 1706 Sophie Dorothea geheiratet, eine Tochter Georgs von Hannover, des späteren Königs von England. Dieser Ehe entsprossen Friedrich II., der sein Nachfolger ward; die drei Prinzen August Wilhelm, Heinrich und Ferdinand; Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth; Friederike, Markgräfin von Ansbach; Charlotte, Herzogin von Braunschweig; Sophie, Markgräfin von Schwedt; Ulrike, Königin von Schweden; Amalie, Äbtissin von Quedlinburg.

Die Minister veranlaßten Friedrich Wilhelm, vierzig Verträge oder Abkommen zu unterzeichnen, deren Aufzählung wir uns erspart haben, weil sie zu nichtig sind. Von der maßvollen Art des Königs waren die Minister so weit entfernt, daß sie weniger an die Würde ihres Herrn dachten als an die Mehrung der Einkünfte aus ihren Ämtern.

Ebenso haben wir die häuslichen Kümmernisse dieses großen Fürsten mit Stillschweigen übergangen: um der Tugenden eines solchen Vaters willen muß man einige Nachsicht mit den Fehlern seiner Kinder haben.

Die Politik des Königs war stets untrennlich von seiner Gerechtigkeit. Er war weniger auf Mehrung seines Besitzes bedacht als auf dessen gute Verwaltung, stets zu seiner Verteidigung gerüstet, aber niemals zum Unheil Europas. Das Nützliche zog er dem Angenehmen vor. Er baute im Überfluß für seine Untertanen und wandte nicht die bescheidenste Summe an seine eigene Wohnung. Er war bedachtsam im Eingehen von Verbindlichkeiten, treu in seinen Versprechungen, streng von Sitten, streng auch gegen die Sitten der anderen. Unnachsichtig wachte er über die militärische Disziplin, und den Staat regierte er nach denselben Grundsätzen wie sein Heer. Von der Menschheit hatte er eine so hohe Meinung, daß er von seinen Untertanen den gleichen Stoizismus verlangte wie von sich selbst.

Friedrich Wilhelm hinterließ bei seinem Tod ein Heer von 66 000 Mann, das er durch seine sparsame Wirtschaft unterhielt, gesteigerte Staatseinkünfte, einen wohlgefüllten Staatsschatz und in all seinen Geschäften eine wunderbare Ordnung.

Wenn es wahr ist, daß wir den Schatten der Eiche, der uns umfängt, der Kraft der Eichel verdanken, die den Baum sprossen ließ, so wird die ganze Welt darin übereinstimmen, daß in dem arbeitsreichen Leben dieses Fürsten und in der Weisheit seines Wirkens die Urquellen des glücklichen Gedeihens zu erkennen sind, dessen sich das königliche Haus nach seinem Tode erfreut hat.


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