Friedrich der Große
Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg
Friedrich der Große

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Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1640-1688)

Fehrbellin

Während Turenne durch sein geschicktes Vorgehen die Grenzen Frankreichs sicherte, mühte sich der Staatsrat Ludwigs XIV., ihn von einem gefährlichen Feind zu befreien. Um Friedrich Wilhelm von den Kaiserlichen zu trennen, führte Frankreich eine Diversion herbei, die ihn in seine eigenen Staaten zurückrief.

Schweden hatte zwar im Jahre 1673 ein Schutzbündnis mit dem Kurfürsten geschlossen, aber Frankreich fand Mittel, es zu zerreißen. Mit einem schwedischen Heere drang Wrangel in die Mark Brandenburg ein. Der Fürst von Anhalt, der dort Statthalter war, beklagte sich bitter über den Einbruch. Wrangel begnügte sich damit, ihm zu antworten, die Schweden würden ihre Truppen zurückziehen, sobald der Kurfürst seinen Frieden mit Frankreich gemacht habe. Der Fürst von Anhalt meldete dem Kurfürsten, daß seine Staaten von den Schweden ausgeplündert und verheert würden. Da der Statthalter zu wenig Truppen hatte, um ihrem Heer entgegenzutreten, billigte der Kurfürst, daß er sich in Berlin einschlösse und dort seine Ankunft abwartete.

Das Denkmal des Großen Kurfürsten auf der Langen Brücke zu Berlin, im Hintergrunde das Königliche Schloß.

Während die brandenburgischen Truppen sich in ihren fränkischen Winterquartieren von den Anstrengungen des Elsässer Feldzugs erholten, wurden die märkischen Bauern durch die Schwedenplage zur Verzweiflung getrieben. Sie scharten sich zusammen und errangen auch etliche Erfolge gegen ihre Feinde. Sie hatten Kompagnien gebildet. Auf ihren Fahnen las man den Namen des Kurfürsten und den Spruch:

Wir sein Bauern von geringem Gut
Und dienen unserm gnädigsten Kurfürsten mit unserm Blut.

Wrangel, der immerhin noch einige Ordnung unter den Schweden aufrechterhalten hatte, wurde krank. Da er nicht nach dem Rechten sehen konnte, nahmen die Erpressungen und Plünderungen noch zu. Nicht einmal die Kirchen wurden geschont. Die Habgier trieb den Soldaten zu den ärgsten Grausamkeiten.

Die Mark sehnte sich nach ihrem Befreier. Und sie brauchte nicht lange auf ihn zu warten. Friedrich Wilhelm war schon unterwegs, sich an den Schweden für ihre Treulosigkeit zu rächen. Er verließ seine Quartiere in Franken und kam am 21. Juni 1675 in Magdeburg an. Sofort nach seinem Eintreffen ließ er die Tore der Festung schließen und wandte alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln an, damit keine Nachricht von seinem Nahen bis zum Feinde dringe. Am Abend des 22. Juni ging das Heer über die Elbe und gelangte auf Umwegen in der folgenden Nacht vor die Tore von Rathenow. Er ließ Baron Briest, der in der Stadt war, seine Ankunft mitteilen und verabredete mit ihm insgeheim Mittel und Wege, um die Schweden zu überrumpeln.

Briest entledigte sich seines Auftrags auf geschickte Art. Er gab den Offizieren des Regiments Wangelin, das die Besatzung von Rathenow bildete, ein großes Nachtmahl. Die Schweden überließen sich dabei rückhaltlos den Freuden des Trunks. Während sie ihren Rausch ausschliefen, ließ der Kurfürst auf Schiffen Fußtruppen über die Havel setzen, um die Stadt von allen Seiten zu überfallen (26. Juni). General Derfflinger drang als erster in Rathenow ein, indem er sich für den Kommandeur eines von Brandenburgern verfolgten Schwedentrupps ausgab. Er ließ die Wachen niederhauen, und zu gleicher Zeit wurden alle Tore gestürmt. Die Reiterei säuberte die Straßen. Die schwedischen Offiziere vermochten beim Erwachen kaum zu glauben, daß sie Gefangene des Fürsten waren, den sie samt seinen Truppen noch tief in Franken wähnten. Wäre in jener Zeit der Wachdienst schon ebenso eingerichtet gewesen wie heutzutage, so wäre diese Überrumpelung fast unmöglich gewesen. Aber das gehört ja zur Signatur der großen Männer, daß sie selbst aus den geringsten Vorteilen Nutzen zu ziehen wissen.

Der Kurfürst wußte, wie wertvoll im Krieg jeder Augenblick ist. Er wartete nicht in Rathenow, bis seine ganze Infanterie ihn einholte, sondern rückte mit der Reiterei geradenwegs auf Nauen vor, um das bei Brandenburg stehende schwedische Korps von dem anderen bei Havelberg zu trennen. Trotz aller Sorgfalt, die er in diesem entscheidenden Augenblick anwandte, konnte er den Schweden doch nicht zuvorkommen. Auf das Gerücht von seiner Annäherung hatten sie Brandenburg verlassen und sich eine Stunde vor seinem Eintreffen über Nauen zurückgezogen. Er verfolgte sie heftig und erfuhr durch die Aussage von Gefangenen und Deserteuren, daß das Korps auf Fehrbellin marschiere, wo es mit dem von Havelberg zusammentreffen wollte.

Skizze

Das brandenburgische Heer bestand aus 5600 Reitern. Es hatte kein Fußvolk, führte aber zwölf Kanonen mit sich. Die Schweden ihrerseits waren 10 Infanterieregimenter und 800 Dragoner stark. Trotz des Unterschieds der Zahl und der Waffengattungen bedachte sich der Kurfürst nicht, auf den Feind loszugehen, um ihn zu schlagen.

Am 28. Juni marschiert er gegen die Schweden. 1600 Reiter, den Vortrab, vertraut er dem Landgrafen von Homburg an, mit dem Befehl, sich auf keinen Kampf einzulassen, sondern nur zu rekognoszieren. Der Landgraf geht vor. Nachdem er einen Wald durchritten, sieht er die schwedischen Truppen zwischen den Dörfern Hakenberg und Tarnow lagern, einen Sumpf im Rücken, die Fehrbelliner Brücke zu ihrer Rechten und eine kahle Ebene vor sich. Er wirft ihre Feldwachen zurück, verfolgt sie und treibt sie bis auf die Hauptmacht ihres Korps zurück. Gleichzeitig verlassen die Truppen das Lager und stellen sich in Schlachtordnung auf. Der Landgraf von Homburg in seiner überschäumenden Kühnheit läßt sich vom Kampfeseifer fortreißen und verwickelt sich in einen Kampf, der einen verhängnisvollen Ausgang genommen hätte, wäre nicht der Kurfürst auf die Meldung von der gefährlichen Lage des Landgrafen schleunigst zur Hilfe herbeigeeilt.

Friedrich Wilhelms Scharfblick war bewunderungswürdig, seine Tatkraft staunenswert. Augenblicklich traf er seine Anordnung. Er benutzte einen Sandhügel zur Aufstellung seiner Batterie und ließ einige Salven auf die Feinde abgeben. Die schwedische Infanterie wurde erschüttert. Als er sah, daß ihre Reihen zu wanken anfingen, stürzte er sich mit seiner ganzen Reiterei auf den rechten Flügel des Feindes, sprengte ihn auseinander und machte ihn nieder. Das schwedische Leibregiment und das Regiment Ostgotland wurden vollkommen zusammengehauen. Die wilde Flucht des rechten Flügels riß den linken mit sich fort. Die Schweden warfen sich in die Sümpfe, wo sie von den Bauern erschlagen wurden. Die, welche sich retten konnten, flüchteten über Fehrbellin hinaus und brachen die Brücke hinter sich ab.

Es entspricht nur der Würde der Geschichte, wenn auch die schöne Tat hier berichtet wird, die ein Stallmeister des Kurfürsten während der Schlacht vollbrachte. Der Kurfürst ritt einen Schimmel. Sein Stallmeister Froben bemerkte, daß die Schweden mehr nach diesem Pferd schossen, das durch seine Farbe in die Augen stach, als nach den anderen. Daher bat er seinen Herrn, es mit dem seinen zu vertauschen. Als Grund gab er an, das Roß des Kurfürsten scheue. Kaum hatte der treue Diener den Schimmel ein paar Augenblicke geritten, als er selber tödlich getroffen ward. So rettete er durch seinen Tod dem Kurfürsten das Leben.

Da Friedrich Wilhelm keine Infanterie zur Hand hatte, konnte er weder die Fehrbelliner Brücke nehmen noch den Feind auf seiner Flucht verfolgen. Er ließ es sich genug sein, auf dem Schlachtfeld, wo er so hohen Ruhm erworben hatte, sein Lager aufzuschlagen. Dem Landgrafen von Homburg verzieh er, daß er so leichtherzig das Schicksal des ganzen Staates aufs Spiel gesetzt hatte. Er sprach zu ihm: »Wenn ich Euch nach der Strenge der Kriegsgesetze richten würde, hättet Ihr das Leben verwirkt. Aber verhüte Gott, daß ich den Glanz eines solchen Glückstages beflecke, indem ich das Blut eines Fürsten vergieße, der ein Hauptwerkzeug meines Sieges war!«

Die Schweden verloren in dieser berühmten Entscheidungsschlacht zwei Standarten, acht Fahnen, acht Kanonen, 3000 Mann und viele Offiziere.

Derfflinger kam mit der Infanterie nach, verfolgte tags darauf die Flüchtigen, machte viele Gefangene und eroberte mit ihrem Gepäck einen Teil ihrer Beute aus den märkischen Landen zurück. Das schwedische Heer, das auf 4000 Streiter zusammengeschmolzen war, zog über Ruppin und Wittstock nach Mecklenburg ab.

Wenige Heerführer können sich rühmen, eine ähnliche Kriegstat wie die von Fehrbellin vollbracht zu haben. Der Kurfürst entwirft einen Plan, der ebenso groß wie kühn ist, und führt ihn mit erstaunlicher Geschwindigkeit aus. Er hebt ein Quartier der Schweden auf, während Europa ihn noch in Franken glaubt. Im Flug erreicht er die Ebene von Fehrbellin, wo die Feinde sich sammelten. Er führt einen Kampf glücklich durch, der mit mehr Mut als Klugheit begonnen war. Und er bringt: es fertig, mit einem numerisch schwächeren und vom langen Marsche erschöpften Kavalleriekorps zahlreiche und ansehnliche Infanterie zu schlagen, die durch ihre Tapferkeit das Reich und Polen bezwungen hatte. Die Fähigkeiten, die er hierbei an den Tag legte, lassen erkennen, was er geleistet hätte, wäre er im Elsaß sein eigener Herr gewesen. Dieser kühne und glänzende Kriegszug verdient es, Cäsars Veni, vidi, vici auf ihn anzuwenden. Selbst seine Feinde rühmten Friedrich Wilhelm, seine Untertanen segneten ihn. Und seine Nachkommen datieren von diesem ruhmreichen Tage den hohen Aufschwung, den das Haus Brandenburg in der Folge genommen hat.

Charakterbild

Friedrich Wilhelm besaß alle Vorzüge, die den großen Mann ausmachen, und die Vorsehung bot ihm jede Gelegenheit, sie zur Entfaltung zu bringen. Im jugendlichen Lebensalter, das sich in der Regel nur durch Verirrungen kennzeichnet, gab er Proben kluger Umsicht. Niemals mißbrauchte er seine Heldentugend. Seine Kühnheit ging immer nur darauf aus, seine Staaten zu verteidigen oder seinen Verbündeten beizustehen. Durch weiten Blick und tiefe Einsicht ward er ein großer Staatsmann. Durch sein arbeitsames und menschenfreundliches Wesen ward er ein guter Fürst. Den gefährlichen Verlockungen der Liebe war er nicht zugänglich; zärtliche Schwäche kannte er nur gegenüber der eigenen Gattin. Wein und Geselligkeit liebte er, doch gab er sich niemals der Schlemmerei hin. Sein lebhaftes, gern aufbrausendes Temperament konnte ihn fortreißen. Aber wenn er der ersten Aufwallung nicht Herr wurde, so meisterte er sicher doch die zweite, und sein Herz machte überreichlich wieder gut, was sein allzu hitziges Blut etwa verschuldet hatte. In seiner Seele wohnte die Tugend. Glück vermochte ihn nicht zur Überhebung zu verleiten, Schicksalsschläge konnten ihn nicht niederdrücken. Sein hochherziger, gütiger, edler, menschlicher Charakter verleugnete sich niemals. Er ward der Neubegründer und Verteidiger seines Vaterlandes, der Schöpfer von Brandenburgs Macht, der Schiedsrichter für seinesgleichen, der Stolz seines Volkes. Mit einem Wort: sein Leben bedeutet seinen Ruhm.

Im siebzehnten Jahrhundert zogen drei Männer die Aufmerksamkeit ganz Europas auf sich: Cromwell, der sich die Herrschaft über England anmaßte und den Word an seinem König zu verschleiern suchte, indem er sich den Schein des Maßvollen gab und eine großzügige Politik führte; Ludwig XIV., der Europa vor seiner Macht erzittern ließ, alle Talente unter seinen Schutz nahm und seiner Nation die Achtung der ganzen Welt erzwang, und Friedrich Wilhelm, der mit geringen Mitteln Großes vollbrachte, sein eigener Minister und Feldherr war und einen unter Trümmern begrabenen Staat zu blühendem Dasein erweckte. Der Name des Großen gebührt nur heldenhaften und fleckenlosen Charakteren. Cromwell hat aus Ehrsucht seine tief angelegte Politik durch Verbrechen entehrt. Es hieße daher das Andenken Ludwigs XIV. und Friedlich Wilhelms erniedrigen, wollte man ihr Leben dem eines erfolgreichen Tyrannen gegenüberstellen.

Beide Fürsten galten, jeder in seiner Sphäre, als die größten Männer ihres Jahrhunderts. In ihrem Leben gibt es Erscheinungen von verblüffender Ähnlichkeit und wiederum andere, bei denen die begleitenden Umstände keine Übereinstimmung aufkommen lassen. Vergliche man beide Fürsten miteinander im Hinblick auf die Machtfülle, so wäre das nicht anders, als wenn man Jupiters Blitze und die Pfeile des Philoktet einander gegenüberstellen wollte. Prüft man aber ihre persönlichen Eigenschaften und läßt die politische Macht aus dem Spiel, so tritt es klar zutage, daß die Seele des Kurfürsten und seine Taten dem Geist des Königs und seinen Leistungen nicht nachstanden.

Beide hatten eine einnehmende, glückliche Gesichtsbildung, ausdrucksvolle Züge, eine Adlernase und Augen, in denen sich ihre seelischen Regungen spiegelten. Leutseliges Wesen vereinigte sich bei ihnen mit majestätischer Miene und Haltung. Ludwig XIV. war von höherem Wuchs, in seinem Gebaren lag mehr Anmut, sein Ausdruck war bündiger und kraftvoller. Friedrich Wilhelm hatte während seiner Lehrjahre in Holland eine kühlere Miene, eine weiter ausholende Beredsamkeit angenommen. Beide waren von gleich alter Abkunft. Doch zählten die Bourbonen unter ihren Ahnen mehr Herrscher als die Hohenzollern. Sie waren das Königsgeschlecht einer großen Monarchie, hatten seit langem Fürsten zu Vasallen. Die Hohenzollern waren Kurfürsten eines wenig umfangreichen Landes und damals teilweise von den Kaisern abhängig.

Die Jugend beider Fürsten stand unter einem annähernd gleichen Schicksal. Während seiner Minderjährigkeit war der König von der Fronde und den Prinzen von Geblüt verfolgt worden. Von einer entfernten Anhöhe aus sah er dem Kampfe zu, den seine rebellischen Untertanen mit seinen Truppen in der Vorstadt St. Antoine ausfochten (1652). Der Kurprinz, dessen Vater durch die Schweden seiner Staaten beraubt war, lebte als Flüchtling in Holland, machte seine Lehrzeit als Kriegsmann unter dem Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien durch und zeichnete sich bei der Belagerung von Schenkenschanz und Breda aus. Als Ludwig XIV. zur Regierung gelangte, unterwarf er sich sein Reich durch die Wucht der königlichen Autorität. Als Friedrich Wilhelm in dem vom Kriege heimgesuchten Lande seinem Vater nachfolgte, erwarb er sich durch politische Unterhandlungen den Besitz seines Erbes.

Richelieu, Ludwigs III. Minister, war ein Genie ersten Ranges. Von langer Hand her vorbereitete und kühn durchgeführte Pläne schufen die gediegenen Grundlagen der Größe; Ludwig XIV. brauchte nur auf ihnen aufzubauen. Schwarzenberg dagegen, der Minister Georg Wilhelms, war ein Verräter; durch seine schlechte Geschäftsführung trug er viel dazu bei, daß der brandenburgische Staat in den Abgrund stürzte, worin Friedlich Wilhelm ihn bei seinem Regierungsantritt fand. Der französische Monarch ist des Lobes wert, da er den Ruhmesweg ging, den Richelieu ihm bereitet hatte. Der deutsche Held tat mehr: selber bahnte er sich den Weg.

Beide Fürsten befehligten ihre Heere. Der eine hatte die berühmtesten Heerführer Europas unter sich. Bei seinen Erfolgen konnte er sich auf einen Turenne, einen Condé, einen Luxemburg stützen, brauchte nur Kühnheit und Begabung anderer zu fordern; die Begierde, des Königs Anerkennung zu ernten, rief verdienstvolle Taten hervor. Ludwig liebte den Ruhm mehr als den Krieg. Um groß zu erscheinen, unternahm er Feldzüge. Er belagerte Städte, mied aber die Schlachten. Er nahm an dem berühmten Kriegszug teil, in dem seine Feldherren den Spaniern alle Plätze Flanderns entrissen, ebenso an dem schönen Feldzug, durch den Condé in weniger als drei Wochen die Franche-Comté für Frankreich eroberte. Durch seine Gegenwart ermutigte er die Truppen, als sie durch die berühmte Furt am Tolhuys über den Rhein gingen. Liebedienerische Höflinge und begeisterte Poeten stellten das Unternehmen als eine Wundertat hin.

Der andere hatte kaum Truppen, ihm fehlte es an tüchtigen Heerführern, aber er allein ersetzte durch seinen mächtigen Geist die Hilfsmittel, deren er entbehrte. Er selbst entwarf die Kriegspläne und führte sie aus. Er dachte als Heerführer und kämpfte als Soldat, und da seine Lage es erforderte, betrachtete er die Kriegführung als seinen Beruf. Dem Rheinübergang stelle ich den Sieg bei Warschau gegenüber, dessen Hauptwerkzeug der Große Kurfürst war. Der Eroberung der Franche-Comté stelle ich die Überrumpelung Rathenows entgegen und die Schlacht bei Fehrbellin, in der unser Held mit 5000 Reitern die Schweden aufs Haupt schlug und aus dem Lande jagte. Und wenn diese Tat noch nicht zureichend scheinen sollte, so füge ich noch den Zug nach Preußen hinzu, den Eilmarsch über ein zugefrorenes Meer, wobei in acht Tagen 40 Meilen zurückgelegt wurden und der bloße Name des großen Fürsten die Schweden nahezu kampflos aus ganz Preußen vertrieb.

Georg Freiherr von Derfflinger – Johann Georg Fürst von Anhalt-Dessau – General von Sparr – General von Kannenberg. Bleistiftzeichnung von Menzel.

Die Taten des französischen Monarchen blenden durch den großartigen Aufwand, den er dabei zur Schau stellte, durch die große Zahl der Truppen, die für seinen Ruhm stritten, durch seine Überlegenheit über die anderen Könige und durch die Bedeutung der Streitfragen, an denen ganz Europa Anteil nahm. Die Taten des brandenburgischen Helden verdienen um so höhere Bewunderung, weil sein Mut und sein Genie alles vollbrachten, weil er mit wenig Mitteln die schwersten Unternehmungen durchführte und die Fruchtbarkeit seines Geistes sich im selben Maße steigerte, in dem die Hindernisse sich mehrten.

Ludwigs XIV. Stern glänzte nur so lange, als Colbert, Louvois und die großen Heerführer Frankreichs am Leben waren. Friedrich Wilhelms Glück blieb sich jederzeit gleich; es war ihm treu, so oft er an der Spitze seiner eigenen Heere stand. Es scheint also, die Größe des einen war das Werk seiner Minister und Generale, das Heldentum des anderen gehörte einzig ihm selbst.

Der König hat durch seine Eroberungen Flandern, die Franche-Comté, das Elsaß und in gewissem Sinne auch Spanien seinem Reich angegliedert und so die Eifersucht aller europäischen Fürsten erregt. Der Kurfürst hat durch seine Verträge Pommern, Magdeburg, Halberstadt und Minden erworben und dem Kurfürstentum Brandenburg einverleibt. Dazu bediente er sich des Neides, der an seinen Nachbarn zehrte, und machte sie zu Werkzeugen seiner Größe.

Ludwig XIV. war Europas Schiedsrichter durch seine Macht, die auch den mächtigsten der übrigen Könige fühlbar wurde. Friedrich Wilhelm erwuchs zum Orakel Deutschlands kraft seiner Tugend, die ihm das Zutrauen der mächtigsten Fürsten erwarb. Während so viele Herrscher mit Ungeduld das Joch des Despotismus trugen, das der König von Frankreich ihnen auferlegt hatte, unterbreiteten der König von Dänemark und andere Fürsten ihre Zwistigkeiten dem Tribunal des Kurfürsten und achteten seine gerechten Schiedssprüche.

Vergebens hatte Franz I. versucht, die schönen Künste nach Frankreich zu ziehen. Ludwig XIV. machte sie dort heimisch. Unter seinem Schutz entwickelten sie sich glänzend. Attischer Schönheitssinn und römische Eleganz erlebten in Paris ihre Wiedergeburt. Urania hatte einen goldenen Zirkel in Händen. Kalliope klagte nicht mehr über Unfruchtbarkeit ihrer Lorbeeren; prachtvolle Paläste dienten nunmehr den Musen zur Heimstatt. Georg Wilhelm mühte sich vergeblich um den Wiederaufbau des Landes; wie ein vernichtender Strom verheerte der Dreißigjährige Krieg ganz Norddeutschland. Friedrich Wilhelm bevölkerte seine Staaten wieder. Aus Sümpfen schuf er Wiesen, aus Wüsteneien Dörfer, aus Ruinen Städte. Zahlreiche Herden weideten, wo zuvor nur Raubtiere gehaust hatten. Die nützlichen Künste sind älter als die schönen; sie müssen also notwendigermaßen früher als diese erscheinen.

Ludwig XIV. verdiente Unsterblichkeit, da er den Künstlern seinen Schutz angedeihen ließ. Das Andenken des Kurfürsten wird seinen spätesten Enkeln teuer sein, weil er an seinem Vaterland nicht verzweifelte. Dem einen sind die Wissenschaften und Künste Bildsäulen schuldig; denn seine freigebige Schirmherrschaft förderte die Aufklärung der Welt. Dem anderen schuldet die Menschlichkeit Altäre; sein hochherziges Schaffen bevölkerte die Erde aufs neue.

Der König vertrieb die Reformierten aus seinem Reich, der Kurfürst aber nahm sie in seine Staaten auf. In diesem Betracht steht der abergläubische und harte Fürst tief unter dem toleranten und mildtätigen. Staatskunst und Menschlichkeit bekunden hier übereinstimmend, daß den Tugenden des Kurfürsten durchaus der Vorzug gebührt.

Alle beide schlossen und brachen Verträge. Aber der eine tat es aus Ehrsucht, der andere aus Notwendigkeit. Mächtige Fürsten setzen sich freien, unabhängigen Willens darüber hinweg, Sklaven ihres Wortes zu sein. Fürsten mit geringen Kräften kommen ihren Verpflichtungen nicht nach, weil sie sich oft den Zeitumständen fügen müssen.

Beide Fürsten endeten als große Männer, wie sie gelebt hatten. Mit unerschütterlicher Festigkeit sahen sie den Tod nahen. Mit stoischem Gleichmut schieden sie von Glück und Freuden, vom Ruhm und vom Leben. Mit sicherer Hand lenkten sie das Staatsruder bis zur Stunde ihres Todes. Ihre letzten Gedanken galten ihrem Volk; mit väterlicher Liebe legten sie es ihrem Nachfolger ans Herz.

Durch ein ruhmreiches Leben voll wunderbarer Taten haben sie sich den Beinamen des Großen verdient, den sie von ihren Zeitgenossen empfingen und den die Nachwelt ihnen einstimmig bestätigt.

Friedrich I., König von Preußen (1688-1713)

Charakterbild

Friedrich I. war klein und verwachsen; seine Miene war stolz, seine Physiognomie gewöhnlich. Seine Seele glich den Spiegeln, die jeden Gegenstand zurückwerfen. Er war äußerst bestimmbar. Daher konnten diejenigen, die einen gewissen Einfluß auf ihn gewonnen hatten, seinen Geist nach Gefallen erregen oder beschwichtigen. Ließ er sich fortreißen, so geschah es aus Laune; war er sanft, so kam das von seiner Lässigkeit. Er verwechselte Eitelkeit mit echter Größe. Ihm lag mehr an blendendem Glanz als am Nützlichen, das bloß gediegen ist. 30 000 Untertanen opferte er in den verschiedenen Kriegen des Kaisers und der Verbündeten, um sich die Königskrone zu verschaffen. Und er begehrte sie nur deshalb so heiß, weil er seinen Hang für das Zeremonienwesen befriedigen und seinen verschwenderischen Prunk durch Scheingründe rechtfertigen wollte. Er zeigte Herrscherpracht und Freigebigkeit. Aber um welchen Preis erkaufte er sich das Vergnügen, seine geheimen Wünsche zu befriedigen! Er verschacherte das Blut seines Volkes an Engländer und Holländer, wie die schweifenden Tartaren ihre Herden den Metzgern Podoliens für die Schlachtbank verkaufen.

Die Vorurteile des Volkes scheinen der fürstlichen Prachtliebe günstig zu sein. Aber es besteht ein Unterschied zwischen der Freigebigkeit eines Bürgers und der eines Herrschers. Ein Fürst ist der erste Diener und Beamte des Staates. Ihm schuldet er Rechenschaft über die Verwendung der Steuern. Er erhebt sie, um den Staat durch die Truppen, die er hält, zu schützen, die ihm anvertraute Würde aufrechtzuerhalten, Dienste und Verdienste zu belohnen, eine Art Ausgleich zwischen den Reichen und den Belasteten herzustellen, Unglücklichen jeder Art ihr Los zu erleichtern und endlich freigebig bei allem zu verfahren, was den Staatskörper im allgemeinen angeht. Hat der Herrscher einen aufgeklärten Geist und das Herz auf dem rechten Fleck, so wird er seine sämtlichen Ausgaben für das Staatswohl und die größtmögliche Förderung seines Volkes verwenden.

Die Freigebigkeit, die Friedrich I. liebte, war nicht von solcher Art, vielmehr nur Vergeudung, wie ein eitler und verschwenderischer Fürst sie übt. Seine Hofhaltung war eine der prächtigsten in Europa, seine Gesandtschaften waren nicht minder prunkvoll als die der Portugiesen. Er bedrückte die Armen, um die Reichen zu mästen. Seine Günstlinge erhielten hohe Gnadengehälter, während sein Volk im Elend schmachtete. Seine Bauten waren prachtvoll, seine Feste glänzend, seine Marställe und Dienerschaft zeugten eher von asiatischem Prunk als von europäischer Würde. Seine Gnadenbeweise schienen mehr durch den Zufall als durch gescheite Auswahl bedingt. Seine Bedienten machten ihr Glück, wenn sie die ersten Wallungen seines Zornes überstanden hatten. Ein Gut von 40 000 Talern Wert gab er einem Jäger, der ihm einen kapitalen Hirsch vor den Schuß brachte. Die Launenhaftigkeit, die bei seiner Verschwendung waltete, befremdet am stärksten, wenn man die Summe seiner Ausgaben und Einnahmen vergleicht und sich von seinem Leben ein einheitliches Bild macht. Dann sieht man mit Staunen Teile eines Riesenkörpers neben verdorrten, absterbenden Gliedern. Seine Domänen im Halberstädtischen wollte der König den Holländern verpfänden, um den berühmten Pitt kaufen zu können, den Brillanten, den Ludwig XV. zur Zeit der Regentschaft erwarb. Er verkaufte den Verbündeten 20 000 Mann, um das Ansehen zu genießen, daß er 30 000 Mann unterhalte. Sein Hof war wie ein großer Strom, der alle Bächlein in sich aufnimmt. Seine Günstlinge wurden mit Wohltaten überhäuft, seine Verschwendung kostete Tag für Tag ungeheure Summen, während Ostpreußen und Litauen der Hungersnot und der Seuche preisgegeben waren, ohne daß der freigebige Monarch sich herbeiließ, ihnen zu helfen. Ein geiziger Fürst ist für sein Volk wie ein Arzt, der einen Kranken in seinem Blut ersticken läßt. Der verschwenderische gleicht einem Arzt, der den Kranken so lange zur Ader läßt, bis er ihn getötet hat.

In seiner Zuneigung war Friedrich I. niemals beständig. Bald hatte er eine schlechte Wahl zu bereuen, bald fehlte es ihm an Nachsicht gegen menschliche Schwächen. Vom Freiherrn von Danckelman bis zum Grafen Wartenberg nahmen seine Günstlinge alle ein schlimmes Ende.

In seinem schwachen, abergläubischen Geist lebte eine außerordentliche Anhänglichkeit an den Calvinismus. Ihm hätte er gern alle übrigen Bekenntnisse zugeführt. Es ist anzunehmen, daß er die anderen verfolgt hätte, wären die Priester so schlau gewesen, die Verfolgungen mit Zeremonien zu verknüpfen.

Wenn Friedrich I. Lob verdient, so geschieht es deshalb, weil er seinen Landen immer den Frieden erhalten hat, während die seiner Nachbarn vom Krieg verwüstet wurden; weil sein Herz im Grunde gut war und, wenn man will, weil er die eheliche Treue nicht verletzt hat. Alles in allem: er war groß im Kleinen und klein im Großen. Und sein Unglück wollte es, daß er in der Geschichte seinen Platz zwischen einem Vater und einem Sohne fand, die ihn durch die Überlegenheit ihrer Begabung verdunkeln.

Friedrich Wilhelm I., König von Preußen (1713-1740)

Regierungsantritt und innerer Ausbau des Staates

Friedrich Wilhelms Regierung begann unter den günstigen Auspizien des Friedens. Dieser wurde zwischen Frankreich, Spanien, England, Holland und der Mehrzahl der deutschen Fürsten in Utrecht geschlossen.

Nach der Wiederherstellung des Friedens wandte sich die ganze Aufmerksamkeit des Königs auf die innere Verwaltung. Er arbeitete an der Wiederherstellung der Ordnung in Finanzwirtschaft, Verwaltung, Rechtspflege und Heerwesen; denn diese Gebiete waren unter der vorangegangenen Regierung gleichermaßen verwahrlost. Er besaß eine arbeitsame Seele in einem kraftvollen Körper. Es hat nie einen Mann gegeben, der für die Behandlung von Einzelheiten so begabt gewesen wäre. Wenn er sich mit den kleinsten Dingen abgab, so tat er das in der Überzeugung, daß ihre Vielheit die großen zuwege bringt. Alles, was er tat, geschah im Hinblick auf das Gesamtbild seiner Politik; er strebte nach höchster Vervollkommnung der Teile, um das Ganze zu vervollkommnen.

Er strich alle unnützen Ausgaben und verstopfte die Kanäle, durch die sein Vater die Mittel des öffentlichen Wohlstandes abgelenkt hatte, um sie in eitlem und überflüssigem Aufwand zu verschwenden. Der Hof spürte die Reform zuerst. Der König behielt nur soviel Personen, als es für die Wahrung der Würde notwendig war oder dem Nutzen des Staates entsprach. Von den hundert Kammerherren seines Vaters blieben nur zwölf; die übrigen wurden Offiziere oder Diplomaten. Er beschränkte seine eigenen Ausgaben auf eine sehr mäßige Summe, indem er sagte, ein Fürst müsse mit dem Gut und Blut seiner Untertanen sparsam umgehen. In dieser Hinsicht war er ein Philosoph auf dem Thron, wiewohl er nichts gemein hatte mit jenen Gelehrten, deren unfruchtbare Wissenschaft auf der Spekulation über abstrakte Gegenstände beruht, die sich unserer Erkenntnis offenbar entziehen. Er gab das Beispiel einer Sittenstrenge und Einfachheit, die der ersten Zeiten der römischen Republik würdig waren. Dem Prunk und den imposanten Äußerlichkeiten des Königtums war er feind. In seiner stoischen Tugend gönnte er sich nicht einmal die nächstliegenden Annehmlichkeiten des Lebens. Seine einfachen Sitten, seine große Genügsamkeit bildeten einen vollkommenen Gegensatz zu dem Hochmut und der Verschwendung Friedrichs I.

Verpackte Kostbarkeiten, ein ausgezogener Kammerherrenrock auf dem Stuhl, der durchstrichene Hofstaatsetat auf dem Tische künden das sparsame Regiment König Friedrich Wilhelms I. an.

Ein politisches Ziel schwebte Friedrich Wilhelm bei dem inneren Ausbau des Staates vor: er wollte sich durch ein mächtiges Heer bei seinen Nachbarn in Respekt setzen. Georg Wilhelms Beispiel hatte ihn gelehrt, wie gefährlich <Bild/> es ist, sich nicht verteidigen zu können. Und das Beispiel Friedrichs I., dessen Truppen weniger ihm selbst als den sie bezahlenden Bundesgenossen gehörten, hatte ihn erkennen lassen, daß ein Herrscher nur in dem Maße geachtet wird, als er sich mächtig und furchtgebietend zu machen weiß. Er war der Demütigungen satt, die bald die Schweden, bald die Russen seinem Vater zugefügt hatten, indem sie ungestraft seine Staaten durchquerten. Er wollte sein Volk wirksam vor seinen unruhigen Nachbarn beschützen und sich zugleich in den Stand setzen, seine Anrechte auf die Erbfolge in Berg zu vertreten, die beim Tod des Kurfürsten von der Pfalz, des letzten Fürsten aus dem Hause Neuburg, frei werden mußte. Man ist zwar allgemein in dem Vorurteil befangen, der Plan einer militärischen Regierung sei nicht vom König selbst ausgegangen, sondern ihm durch den Fürsten von Anhalt eingegeben worden, aber wir folgen dieser Meinung nicht, weil sie irrig ist. Ein so überlegener Geist wie der Friedrich Wilhelms durchdrang und erfaßte die größten Fragen. Besser als irgend einer von seinen Ministern oder Generalen kannte er die Interessen des Staates.

(Es folgt die Darstellung des Nordischen Krieges bis zum Tode Karls XII. und der Einleitung der Unterhandlungen, die 1720 zum Abschluß des Friedens von Stockholm zwischen Preußen und Schweden führten.)

Wiewohl der Friede noch nicht geschlossen wurde, war er doch so gut wie hergestellt. Der König, der die Ruhe seines Staates gesichert sah, begann nun erst wahrhaft zu regieren, das heißt, für das Glück seines Volkes zu sorgen. Er haßte die unruhigen Geister, deren ungestüme Leidenschaften so weit um sich greifen, als die Macht der Ränke reicht. Er strebte keineswegs nach dem Ruf der Eroberer, die einzig und allein den Ruhm lieben, wohl aber nach dem der Gesetzgeber, die nichts anderes vor Augen haben als das Gute und die Tugend. Der geistige Mut, der zur Abstellung von Mißbräuchen und zur Einführung nützlicher Neuerungen in der Verwaltung unbedingt gehört, verdiente nach seiner Meinung den Vorzug vor der Tapferkeit aus Temperament, die den größten Gefahren trotzt, ohne Furcht zwar, doch oft auch ohne Bewußtheit. Die Spuren, die sein weises Wirken in seinem Lande hinterließ, werden dauern, solange der preußische Staat besteht.

Friedrich Wilhelm verwirklichte nun sein militärisches System und verknüpfte es so innig mit der ganzen übrigen Organisation, daß man an das Heerwesen nicht rühren konnte, ohne den Staat selbst der Gefahr des Umsturzes auszusetzen. Um die Weisheit dieses Systems beurteilen zu können, wird es vielleicht nicht unnütz sein, den Gegenstand hier ein wenig näher zu erörtern.

Seit der Regierung Friedrichs I. hatte sich eine Menge von Mißbräuchen in den Abgaben eingeschlichen. Sie waren ein Gegenstand der Willkür geworden. Im ganzen Staat wurde der Ruf nach einer Reform laut. Bei der Untersuchung zeigte es sich, daß keinerlei Grundsatz für die Einschätzung der Kontribution bestand, daß für die Grundbesitzer an manchen Orten die Abgaben auf demselben Fuß belassen waren, auf dem sie vor dem Dreißigjährigen Krieg gestanden hatten, während alle Eigentümer der zahlreichen Ländereien, die seitdem angebaut waren, verschieden besteuert wurden. Um die Lasten im richtigen Verhältnis abzustufen, ließ der König alle anbaufähigen Felder genau vermessen und stellte innerhalb der verschiedenen Klassen von gutem und schlechtem Boden die Gleichheit der Kontribution wieder her. Da die Lebensmittel seit der Regierung des Großen Kurfürsten stark im Preise gestiegen waren, steigerte er auch die Abgaben, so daß sie den neuen Preisen entsprachen. Dadurch erhöhte er seine Einkünfte bedeutend.

Der Wiederaufbau der von der Pest verheerten Provinzen Ostpreußen und Litauen.

Um aber mit der einen Hand wieder auszustreuen, was er mit der anderen einzog, stellte er neue Infanterieregimenter auf und vermehrte seine Kavallerie. Dadurch wuchs das Heer auf 60 000 Mann an. Die Truppen verteilte er über all seine Provinzen, so daß das Geld, das diese an den Staat bezahlten, durch die Truppen beständig zu ihnen zurückfloß. Um den Landmann nicht mit dem Unterhalt der Soldaten zu belasten, wurde das ganze Heer, Kavallerie wie Infanterie, in die Städte gelegt. Dadurch nahmen die Akzise-Einkünfte zu, die Disziplin der Truppen befestigte sich, die Preise der Waren stiegen, und unsere Wolle, die wir zuvor an das Ausland verkauften und von dort als verarbeitete Ware zurückerhielten, verließ nun das Land nicht mehr. Das ganze Heer wurde regelmäßig alle Jahre neu eingekleidet, und Berlin bevölkerte sich mit zahlreichen Arbeitern, die nur von ihrem Gewerbe leben und nur für die Truppen arbeiten. Die Manufakturen wurden gediegen eingerichtet, kamen in Blüte und versorgten einen großen Teil der nordischen Völker mit Wollstoffen. Das Heer, das schon im Jahre 1718 nahezu 60 000 Mann stark war, sollte dem Staate durch die große Zahl der Aushebungen, deren es bedurfte, nicht zur Last fallen. Daher erließ der König eine Verordnung, durch die jeder Hauptmann verpflichtet wurde, im Reich Leute anzuwerben. Ein paar Jahre später bestanden die Regimenter nur zur einen Hälfte aus Landeskindern, zur anderen aus Ausländern.

Der König bevölkerte Ostpreußen und Litauen, wo die Pest verheerend gehaust hatte (1710), aufs neue. Aus der Schweiz, aus Schwaben und der Pfalz ließ er Kolonisten kommen und half ihnen mit ungeheuren Kosten, sich anzusiedeln. Mit nicht geringem Aufwand an Zeit und Mühe gelang es ihm schließlich, die verwüsteten Lande mit neuen Wohnstätten und neuen Einwohnern zu versehen, nachdem sie eine Zeitlang aus der Zahl der bewohnten Länder gestrichen waren. Alljährlich bereiste er jede Provinz, ermutigte in diesem periodischen Kreislauf überall den Gewerbefleiß und begründete den Wohlstand. Viele Fremde wurden ins Land gezogen. Diejenigen, die in den Städten Manufakturen errichteten oder neue Kunstfertigkeiten lehrten, wurden durch Unterstützungen, Privilegien und Belohnungen angefeuert.

Er hatte sich eine anmutige Residenz in Potsdam geschaffen, das ursprünglich nur ein Fischerdörfchen war. Daraus machte er eine schöne, große Stadt. In ihr erblühten Künste jeder Art, von den alltäglichen bis zu denen, die dem raffinierten Luxus dienen. Leute aus Lüttich, die er durch seine Freigebigkeit angezogen hatte, errichteten dort eine Waffenfabrik, die nicht allein das preußische Heer, sondern auch die Truppen einiger nordischen Mächte versorgte. Bald wurden in Potsdam auch Sammete so schön wie in Genua hergestellt. Alle Ausländer, die ein Gewerbe verstanden, wurden in Potsdam aufgenommen, angesiedelt und belohnt. Der König errichtete in der Stadt, deren Gründer er war, ein großes Militärwaisenhaus, wo alljährlich 2500 Soldatenkinder Unterkunft finden und alle Berufsarten erlernen können, zu denen sie Anlage zeigen. Desgleichen baute er eine Anstalt für Mädchen, die dort zu Arbeiten erzogen werden, wie sie ihrem Geschlecht ziemen. Durch diese mildtätigen Einrichtungen linderte er das Elend der Soldaten, die für eine Familie zu sorgen hatten, und verschaffte den Kindern eine gute Erziehung, die sie von ihren Vätern nicht erhalten konnten. Im selben Jahr vermehrte er das Kadettenkorps, worin dreihundert junge Edelleute zum Waffendienst vorgebildet werden. Einige alte Offiziere wachen über ihre Erziehung. Lehrer bringen ihnen Kenntnisse bei und unterweisen sie in den körperlichen Übungen, mit denen Personen von Stande vertraut sein müssen.

Keine Sorge ist des Gesetzgebers würdiger als die um die Erziehung der Jugend. In zartem Alter sind die jungen Pflanzen noch empfänglich für Eindrücke aller Art. Flößt man ihnen Liebe zur Tugend und zum Vaterland ein, so werden sie gute Bürger. Und die guten Bürger sind das beste Bollwerk der Staaten. Verdienen die Fürsten dafür unser Lob, daß sie ihre Untertanen mit Gerechtigkeit regieren, so gewinnen sie sich unsere Liebe, indem sie ihre Fürsorge auf die Nachkommenschaft ausdehnen.

Charakterbild

Der König lebte seit dem Anfall von Wassersucht, den er 1734 erlitten hatte, nur noch durch die Kunst der Ärzte. Gegen Ende des Jahres 1739 verfielen seine Kräfte immer mehr. In diesem kränklichen Zustand traf er ein Abkommen mit Frankreich, das ihm das Herzogtum Berg garantierte, ausgenommen die Stadt Düsseldorf nebst einem Streifen von einer Meile Breite am ganzen Rheinufer entlang. Er begnügte sich mit dieser Teilung um so eher, als seine schwindende Lebenskraft ihm keine Hoffnung mehr ließ, ansehnlichere Erwerbungen zu machen.

Die Wassersucht, die ihn plagte, nahm erheblich zu. Am 31. Mai 1740 starb er mit der Festigkeit eines Philosophen und der Ergebung eines Christen. Bis zum letzten Atemzuge bewahrte er eine bewundernswerte Seelenstärke. Er ordnete seine Angelegenheiten als Staatsmann, verfolgte die Fortschritte seiner Krankheit wie ein Arzt und triumphierte als ein Held über den Tod.

Er hatte im Jahre 1706 Sophie Dorothea geheiratet, eine Tochter Georgs von Hannover, des späteren Königs von England. Dieser Ehe entsprossen Friedrich II., der sein Nachfolger ward; die drei Prinzen August Wilhelm, Heinrich und Ferdinand; Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth; Friederike, Markgräfin von Ansbach; Charlotte, Herzogin von Braunschweig; Sophie, Markgräfin von Schwedt; Ulrike, Königin von Schweden; Amalie, Äbtissin von Quedlinburg.

Die Minister veranlaßten Friedrich Wilhelm, vierzig Verträge oder Abkommen zu unterzeichnen, deren Aufzählung wir uns erspart haben, weil sie zu nichtig sind. Von der maßvollen Art des Königs waren die Minister so weit entfernt, daß sie weniger an die Würde ihres Herrn dachten als an die Mehrung der Einkünfte aus ihren Ämtern.

Ebenso haben wir die häuslichen Kümmernisse dieses großen Fürsten mit Stillschweigen übergangen: um der Tugenden eines solchen Vaters willen muß man einige Nachsicht mit den Fehlern seiner Kinder haben.

Die Politik des Königs war stets untrennlich von seiner Gerechtigkeit. Er war weniger auf Mehrung seines Besitzes bedacht als auf dessen gute Verwaltung, stets zu seiner Verteidigung gerüstet, aber niemals zum Unheil Europas. Das Nützliche zog er dem Angenehmen vor. Er baute im Überfluß für seine Untertanen und wandte nicht die bescheidenste Summe an seine eigene Wohnung. Er war bedachtsam im Eingehen von Verbindlichkeiten, treu in seinen Versprechungen, streng von Sitten, streng auch gegen die Sitten der anderen. Unnachsichtig wachte er über die militärische Disziplin, und den Staat regierte er nach denselben Grundsätzen wie sein Heer. Von der Menschheit hatte er eine so hohe Meinung, daß er von seinen Untertanen den gleichen Stoizismus verlangte wie von sich selbst.

Friedrich Wilhelm hinterließ bei seinem Tod ein Heer von 66 000 Mann, das er durch seine sparsame Wirtschaft unterhielt, gesteigerte Staatseinkünfte, einen wohlgefüllten Staatsschatz und in all seinen Geschäften eine wunderbare Ordnung.

Wenn es wahr ist, daß wir den Schatten der Eiche, der uns umfängt, der Kraft der Eichel verdanken, die den Baum sprossen ließ, so wird die ganze Welt darin übereinstimmen, daß in dem arbeitsreichen Leben dieses Fürsten und in der Weisheit seines Wirkens die Urquellen des glücklichen Gedeihens zu erkennen sind, dessen sich das königliche Haus nach seinem Tode erfreut hat.


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