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Die Mulattin und ihre Deszendentinnen.

Die Mulattin ist in den meisten Fällen das Kind eines Weißen und einer Negerin; in seltenen Ausnahmen ist das elterliche Rassenverhältnis umgekehrt. Sie erreicht jede Art Körpergröße. Ihre Hautfarbe, schlechtweg als gelb bezeichnet, ist genauer ein bräunliches, krankhaft erscheinendes und unangenehm wirkendes Gelb. Ihre Körperhaltung erscheint von Hause aus ein wenig unsicher, doch gibt sie sich gern geziert und kokett. Was unscharfe Beobachter an ihr graziös zu nennen pflegen, ist in Wirklichkeit nur grotesk. Dieses Wesen, ein Erbteil der afrikanischen Rasse, zeigt sich nicht nur in ihren Bewegungen, in ihrem ganzen Gebaren; es überträgt sich sogar auf ihre Sprache und Ausdrucksweise.

Das Haar der Mulattin ist zuweilen schlicht oder großlockig, gewöhnlich aber gleicht es dem Haar des Negers. Auch ihre Kopfform erinnert an die afrikanischen Väter. Die Stirn ist niedrig, der Hinterkopf kurz, die Nase unten etwas schmäler als beim Neger; auch die Lippen gemahnen an die afrikanische Herkunft, doch sind sie weit weniger gewulstet.

Die Mulattin ist intelligent, anstellig, aber träg. Im Umgang ist sie freundlich und liebenswürdig; ihre Sprache ist stets in sanftem Ton gehalten, was aber nicht zum wenigsten daher rührt, weil sie es für überflüssig hält, ihre Lungen beim Sprechen anzustrengen.

Hand in Hand mit ihrer Koketterie geht eine übertriebene Putzsucht, die z. B. in Brasilien die kuriosesten Blüten treibt. Schreiendste Farben sind hier besonders beliebt; möglichst auffälligen, glitzernden Schmuck zu besitzen, ist der brennendste Wunsch jeder Mulattin Brasiliens. Dagegen fand ich sie in Martinique und Guadeloupe in der dort entstandenen Volkstracht zwar etwas bunt, aber doch recht hübsch gekleidet. Die Eitelkeit der Mulattin ist so groß, daß es z. B. einem witzigen Europäer leicht gelingt, ihr einzureden, sie sei gar nicht » de couleur« (oder coloured, wie man in den Vereinigten Staaten sagt), sondern nahezu weiß, nicht viel anders als eine südeuropäische Prinzessin.

Unbegrenzt wie ihre Eitelkeit ist ihre Sinneslust. In den mittleren und unteren Ständen bemüht sich das weibliche Mulattenvolk kaum, stets den äußeren Anstand zu wahren. Von Moral kann hier gar nicht die Rede sein. Ihr Ideal ist natürlich der Weiße; für ihn glüht ihre tiefste Neigung, während sie wieder Verachtung für den rein Schwarzen empfindet, der ihr aber mit gleicher Intensivität diese despektierlichen Gefühle erwidert.

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Abb. 184. Aimará-Indianerin vom Bolivischen Hochland.

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Abb. 185. Choroteweib und -Kind vom Bolivischen Chaco.

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Abb. 186. Kordilleren-Indianerin vom Ketschuastamme.

Die Mulattin ist überaus fruchtbar; sie erzieht ihre Kinder mit großer Liebe, obschon man mit der Art ihrer Erziehung, in der sie stets den Kindern nachgibt, und es nie versteht, die Kleinen vor moralischen Schäden zu bewahren, kaum einverstanden sein kann.

Als größte Fehler wirft man ihr, schwerlich zu Unrecht, Lügenhaftigkeit und Falschheit vor. Wie solche häßlichen Eigenschaften ganz gut erworben werden können, läßt sich ermessen, wenn man einerseits die offene Vorliebe der Mulattin für ihre weißen Freunde in Betracht zieht, andererseits aber ihr nur zu begründetes Mißtrauen, von diesen nicht für »voll« genommen zu werden.

Das stärkste Kontingent von Mulatten stellt der Süden der Vereinigten Staaten, Westindien, Brasilien und wohl auch der Nordrand von Südamerika. Die größte Rolle aber spielen sie in Brasilien, wo sie einen bedeutenden Bruchteil der städtischen Bevölkerung bilden. Hier, wo sie sich einer gewissen Beliebtheit erfreut, fühlt sich unsere Mulattin zweifellos auch am wohlsten. In diesem lebens- und sinneslustigen Lande mögen aber auch ihre Sitten den größten Tiefstand erreicht haben. Wirkliche Ehen mit Mulattinnen sind ziemlich selten. Freilich haben diese weder den Ehrgeiz, noch das moralische Verständnis für legitime Verhältnisse. Ihnen genügt die sinnliche, wilde Ehe, die ohne die geringsten Umstände wieder aufgelöst oder verändert werden kann. Das zahlreiche kleine Völkchen, das solchen Verhältnissen entspringt, behält die Mulattin im Falle einer Trennung gewöhnlich bei sich, oder sie findet diesen Sprößlingen der freien Liebe ein Unterkommen in den aufs beste florierenden Asilos de infancia.

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Abb. 187. Indianerkinder aus dem Chacogebiet.

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Abb. 188. Negerin aus Surinam (Niederländisch Guayana). (Vermutlich eine Angehörige der Buschneger.)

Aus den letzteren rekrutieren sich die jedem Reisenden bekannten kleinen »Muleques«, halbwüchsige Jungen, die als Hausdiener, Laufjungen, »Kindermädchen« und dergleichen sich in jeder brasilianischen Familie finden. Sie sind die späteren verschwiegenen Freunde der gleichzeitig mit ihnen aufwachsenden jungen Brasilianerinnen der guten Familie …

Die aus der Vermischung von Negern und Mulatten entstandenen Nachkommen nennt man »Griff«, aus der Ehe von Weißen und Mulatten »Quarteronen« oder »Quadronen«. Die »rückfällige« Kreuzung von Quadronen und Mulatten heißt wieder »Terzeronen«. Besonders gute Kenner zählen die Mischungen noch weiter bis zu Okteronen. Hier sei nur gesagt, daß die Quadronin bereits ganz weiß erscheint. Nur das gewellte und gleichzeitig leicht gekräuselte Haar, die sinnlich starken Lippen sind dem Kenner ein Zeichen afrikanischer Herkunft. Die noch höheren Mischungen von Weißen zu unterscheiden, war mir, trotzdem ich etwa ein halbes Jahr in Westindien verbracht habe, nicht möglich. Auch als mir von befreundeter Seite solche Personen als afrikanische Deszendenten bezeichnet wurden, suchte ich vergeblich nach körperlichen Merkmalen. Beiläufig habe ich die schwarzen Flecke in den Nägeln, von denen man öfters hört, trotz sorgfältiger Mühe niemals feststellen können; ich bin geneigt, sie ins Bereich zahlreicher andrer Legenden, die ohne Kontrolle von Mund zu Mund sich fortpflanzen, oder von einem Buch ins andere übergehen, zu verweisen. – Aber andere und sogar hoch zu schätzende Merkmale finden wir bei den Frauen dieser höheren Mischlingsrassen, wie ich sie eben nannte: ein ungewöhnlich zartes Wesen, das sich im gesellschaftlichen Umgang mit ihnen in kaum definierbarer Weise kundgibt. Nirgends in der Welt, wo man auch suche, wird man weibliche Wesen finden, die an schlichter, züchtiger Art, an Liebenswürdigkeit und in der zwanglosen, aber wohlgesitteten Form des Verkehrs die Frauen dieser Rassen übertreffen. Das ist besonders der Fall in Westindien und hier vornehmlich in denjenigen Inselstaaten, in denen die Bewohner nicht die politisch Unterdrückten sind, also in Haiti, Santo Domingo, dann auf den französischen Antillen. Sie nennen sich hier mit Vorzug Créolles, spanisch: Criollas.

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Abb. 189. Pilagáweib mit Kind vom Chacogebiet am Pilcomayo.

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Abb. 190. Toba-michi-Indianerinnen vom Pilcomayo.

Mit dem Worte »liebenswürdig«, wie es oft geschieht, sind diese Frauen keineswegs zur Genüge gekennzeichnet. Denn Liebenswürdigkeit kann aufdringlich sein, indem sie mehr gibt, als man zu nehmen gewillt ist. Oder sie ist faszinierend, indem sie den Betroffenen vielleicht mehr anzieht, als ihm recht ist. Nein, der Charme, der von diesen Frauen ausgeht, ist in der Tat undefinierbar, und die Wirkung eine so große, weil ihnen Kunst und niedere Koketterie fremd sind, und auf ein reines, keusches Gemüt geschlossen werden kann.

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Abb. 191. Indianerinnen der Toba-guasú vom Pilcomayo (Gran-Chaco).

Man höre sie nur plaudern, diese wohlgesitteten Euro-Afrikanerinnen, besonders in der sogenannten guten Gesellschaft Haitis, eines Landes, das in kultureller Beziehung doch auf einer so bescheidenen Stufe steht. Allein der Klang ihrer Stimme gleicht einer sanften Musik, an der sich das Ohr des Zuhörers gern berauscht. Übrigens dürfen wir uns über diese Vorzüge der helleren Haitianerinnen nicht wundern; ist doch auch ihren Müttern, den schwarzen Töchtern Afrikas, unstreitig eine gewisse Liebenswürdigkeit und ein unverkennbares Zartgefühl eigen, während ihre Vorfahren väterlicherseits meistens galante Franzosen waren.

Diese hellfarbigen Frauen von Haïti und noch mehr die der Vereinigten Staaten, dann wieder etwas weniger die von Kuba und Puerto Rico und den andern westindischen Inseln, besitzen keine üble Bildung; auch Kunstsinn ist vorhanden, und besonders groß ist die Freude an Musik, die viel gepflegt wird.

Sie kleiden sich in der Regel bescheiden, aber mit Geschmack. Nicht wenige Europäer sind glückliche Gatten westindischer Euro-Afrikanerinnen, und ich glaube versichern zu können, daß Trübungen solcher Ehen zu den größten Seltenheiten gehören.


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