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Einleitung

 

Allgemeines über die Einteilung des Menschengeschlechts. Nomenklatur.

Der Versuch einer Einteilung des Menschengeschlechts in bestimmte Gruppen ist stets eine Aufgabe der Völkerkunde gewesen. Dieser Bestrebung sind die verschiedensten Gesichtspunkte zugrunde gelegt worden, die bald somatische, d. h. körperliche Merkmale (den Schädelbau, die Hautfarbe, die Behaarung), bald linguistische, bald gemischte, d. h. somatisch-linguistische Merkmale betrafen. Der somatischen Einteilung und zwar derjenigen, welche den Schädelbau mit besonderer Berücksichtigung des Gesichtsteiles ins Auge faßt, einer Einteilung, welche sich zweifellos in der Gelehrtenwelt der größten Zahl von Anhängern erfreut, schließt sich der Verfasser des vorliegenden Werkes durchaus an.

Die Anthropologie, d. h. die Lehre »vom Menschen«, und die sich ihr unmittelbar anreihende Ethnologie, die Lehre »von den« Menschen, kurz die Völkerkunde, sind Wissenschaften, die infolge unüberwindlicher Schwierigkeiten, welche sich der Forschung entgegenstellen, noch vieler Aufhellung bedürfen. Der Laie kann sich von diesen Schwierigkeiten bereits eine Vorstellung machen, wenn er gewahr wird, daß zahlreiche Fachausdrücke keine feststehende Bedeutung haben. Es schwirrt da herum von Ausdrücken wie Familie, Gruppe, Zweig, Stamm, Rasse usw., so daß man getrost Goethes Spruch: »Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein« als Motto vor die Nomenklatur dieser Wissenschaften setzen könnte. Hier ein paar Beispiele:

Was ist ein Volkstamm? Was eine Völkerfamilie? Welche Zusammensetzung darf man Rasse, welche nur einen Zweig nennen? Sind die Uraustralier, wie man annehmen möchte, die reinen, d. h. unvermischten Nachkommen eines Urmenschengeschlechtes, so wäre eine möglichst hoch stehende Bezeichnung für sie am Platze, also etwa »Rasse«. Sind sie aber das Endprodukt zahlreicher verschiedenartiger Vorfahren, so könnte ihre Bezeichnung bis zu dem letzten Terminus der Nomenklatur hinabgehen. Dann wären die Uraustralier vielleicht nur ein »Zweig« zu nennen. Da gebrauchte ich übrigens das Wort Rasse, einen Ausdruck, der heute in so schlechtem Rufe steht, daß viele ihn ganz vermeiden. Warum aber ein Wort in Acht und Bann tun, das so lange Zeit das Bürgerrecht besessen hat? Wenn es für etwas gebraucht wurde, das nicht existiert, so ist das kein Grund, es ganz zu verbannen. Man gebrauche es eben in anderem Sinne und bereichere damit den ohnehin unzulänglichen Wortschatz der Wissenschaft.

Im Anhang dieses Werkes findet der Leser eine Karte, in welcher der Versuch einer graphischen Aufstellung der Völker der Erde nach dem heutigen Stande der Wissenschaft gemacht worden ist. Hier hielt ich es allerdings für notwendig, zum besseren Verständnis der Neben- bzw. Unterordnung der Völker den gebräuchlichen Ausdrücken eine feststehende Bedeutung zu geben. So gebrauche ich zur Bezeichnung der höchsten, möglichst viel umfassenden Abteilung der Menschheit den Ausdruck »Menschengeschlecht«. Darauf in unterordnender Folge die Bezeichnungen »Rasse«, dann »Völkerfamilie«, »Volksstamm«, »Zweig«, »Abzweigung«. So nenne ich die Euro-Asiaten als eine der höchsten Abteilungen ein »Menschengeschlecht«. Ihnen gegenüber stelle ich die Afro-Australier. Beide stehen in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander. Dagegen nehme ich zwischen den Euro-Asiaten, d. h. den Bewohnern Europas und Asiens (mit Ausschluß der Negritos) einerseits, und den Afro-Australiern, d. h. den Negervölkern Afrikas, den Negritos und den Australiern andererseits, gewisse verwandtschaftliche Beziehungen an. Meines Erachtens standen sich die Urvorfahren der Mongolen und die der europäischen Völker weit näher, als es bei ihren Nachkommen heute der Fall ist. Selbst wenn Asien nicht »die« Wiege der Menschheit ist, so ist es zweifellos eine Wiege gewesen: In nicht allzu weit auseinander liegenden Zeitläufen und Gebieten dürften die Urvorfahren der Euro-Asiaten entstanden sein. Unbekannte Ursachen, vielleicht nicht zuletzt Übervölkerung, trieben sie auseinander, bis sie sich allmählich über beide Weltteile und darüber hinaus ausgebreitet hatten und infolge des veränderten Bodens, des Klimas usw., kurz infolge veränderter Lebensverhältnisse im Laufe der Jahrtausende andere somatische Merkmale annahmen S. die Zeichnungen auf Seite XXII und XXIII..

Eine Hauptabteilung der Euro-Asiaten sind die Mittelländer, die also in der Ordnung meiner Nomenklatur als »Rasse« bezeichnet werden. Weiter sind die Germanen eine »Völkerfamilie« der mittelländischen Rasse, die Deutschen ein »Volksstamm« dieser Familie, von dem sich wieder verschiedene »Zweige« und »Abzweigungen« trennen.

In dem Hauptteil des Werkes ließen sich freilich die vorstehenden Bezeichnungen nicht mit gleicher Konsequenz durchführen. Besonders sei darauf hingewiesen, daß ich die Bezeichnungen »Gruppe« und »Volk« nicht im subordinierenden Sinne gebrauche. Das Wort »Gruppe« verwende ich vielmehr bald koordinierend, bald im soziologischen oder geographischen Sinne, auf die Religion bezüglich u. a. So nenne ich z. B. die Jats und die Sikhs zwei »Gruppen« eines und desselben Stammes; die ersteren sind Hindus, die letzteren Mohammedaner. Indo-Iranier und Europäer sind zwei »Gruppen« der gleichen Indo-Europäischen Völkerfamilie, die einen heute in Europa, die anderen in Asien ansässig. Das Wort »Volk« gebrauche ich stets in dem unbestimmten Sinne des englischen » folk«, wenn es sich um Menschen handelt, die ethnisch zusammen gehören, deren Rubrizierung noch erfolgen soll, aber im Augenblick von keiner Bedeutung ist. Mit »Volk« sollen also vorübergehend sowohl eine Rasse, wie eine Völkerfamilie oder noch kleinere Abzweigungen bezeichnet werden.

 

Betrachtungen über die Entwickelung der Menschengeschlechter und über besondere Völkergruppen.

 

Basken, Amerikaner, Negritos.

Die anthropologische Wissenschaft steht heute gefestigt auf dem Standpunkt der Darwinschen Deszendenztheorie, nach der bekanntlich die Abstammung des Menschen von Anthropoiden Anthropoiden, Pithekoiden oder Menschenaffen. Zu ihnen gehören heute in Asien der Orang-Utan und der Gibbon, in Afrika der Schimpanse und der Gorilla. bzw. von Wesen, die für Menschen wie Anthropoiden die gleiche Ahnenreihe bildeten, angenommen wird. Da keine Notwendigkeit für ein gleichzeitiges Entstehen der Menschheit auf allen Teilen der Erde vorliegt, so ist das Wahrscheinlichere, daß sich zu sehr verschiedenen Epochen und in weit auseinander liegenden Gebieten aus anthropoiden Vorfahren die ersten Wesen entwickelt haben, die den Namen »Mensch« erhielten. Demnach gibt es Völker, die man folgerichtig als ältere bzw. jüngere bezeichnen kann. So sind wahrscheinlich die entwickelten Kulturvölker älter, als die primitiven, sogenannten »wilden«, beispielsweise die Australier. (Diese rechnet man vom entgegengesetzten Gesichtspunkte wieder zu den ältesten Völkern der Menschheit, nämlich im Hinblick auf die bei ihnen vermutete Rassenreinheit. Nach dem gleichen Gesichtspunkt gehören die Basken zu den ältesten Völkern Europas.)

Der Anthropoide, der für das euro-asiatische Menschengeschlecht in Betracht kommt, ist der in den Wäldern Indonesiens lebende Orang-Utan. (Im Malaiischen bedeutet orang der Mensch, utan der Wald. Die Malaien selbst nennen also den menschenähnlichen Affen einen Waldmenschen.) Für die Negritos kommt der ebenfalls in Indonesien heimische Gibbon, wahrscheinlich Hylobates agilis oder leuciscus, für die Australier vermutlich der große schwarze Gibbon ( H. syndactilus), und für die Negervölker Afrikas der Gorilla und der Schimpanse in Betracht. Die Ähnlichkeit der Gesichter des kleinen Hylobates leuciscus und eines Negrito ist in die Augen springend. Ebenso kann man eine frappierende Ähnlichkeit zwischen gewissen Malaien, besonders Frauen, und den Orangs wahrnehmen. Mehr als einmal habe ich beobachtet, wie sundanesische Frauen in aller Ruhe den kleinen Gibbon betrachteten und vergnügt seine flinken Bewegungen verfolgten, wogegen sie sich scheu abwandten und fortliefen, sobald ihnen ihr getreues Ebenbild, ein Orang-Utan, gezeigt wurde. Zum Beweise der Ähnlichkeit zwischen der Negerrasse und den afrikanischen Anthropoiden findet der Leser ein treffliches Bild in Sokolowskys »Menschenkunde«.

Es darf bei dieser Gelegenheit noch ausdrücklich auf einen im Volke weit verbreiteten Irrtum hingewiesen werden, als stamme der Mensch unmittelbar vom Affen, bzw. von den heute noch lebenden Anthropoiden ab. Das ist von der Wissenschaft niemals behauptet worden. Vielmehr wird, wie schon eingangs dieses Artikels gesagt wurde, für Menschen wie für Anthropoiden die gleiche Ahnenreihe angenommen. Diese Ahnen existieren längst nicht mehr. Von ihnen zweigten sich verschiedene Geschlechter derartig ab, daß sich aus einigen die heutigen Anthropoiden, aus anderen die Menschen allmählich entwickelten.

 

Europa und Amerika sind diejenigen Weltteile, in denen man keine Anthropoiden kennt. Für Europa, das wiederholt, in verschiedenen Erdepochen eine tropische Flora getragen hat, darf aber die einstige Existenz eines solchen angenommen werden. Die zahlreichen Skelettfunde von vorgeschichtlichen Menschen, die man in den letzten Jahren gemacht hat, dürften mit einem europäischen Anthropoiden in Zusammenhang stehen. Ob die aus Asien herstammenden Mittelländer, die heute Europa bevölkern, bei ihrem Eintritt in diesen Weltteil noch den homo primogenius Europas, der vielleicht alle geologischen Umwälzungen der Erde überdauert hat, angetroffen und sich mit ihm vermischt haben, ist eine Frage, die noch der Lösung harrt. Man nimmt aber an, daß die Basken ein solcher autochthoner Europäerstamm sind. Alle Versuche, ihre sehr entwickelte Sprache in die der Indo-Europäer einzureihen, sind bisher gescheitert. Möglich, daß sie in vorgeschichtlicher Zeit einen großen Teil europäischen Bodens eingenommen hatten, um später von den Kelten in jenen südwestlichen Winkel des Weltteils verdrängt zu werden, in dem sie noch heute (in den Pyrenäen und deren Abhängen) ansässig sind. Einige Zweige von ihnen gingen später eine Vermischung mit Kelten ein.

Anders liegt die Frage mit Amerika. Die Flora wie die Fauna dieses Weltteils sind sehr reich entwickelt. In der letzteren findet sich aber kein Anthropoide. Die Funde von vorhistorischen menschlichen Skeletten, die man dort gesammelt hat, haben sich als einer verhältnismäßig jungen Epoche angehörig herausgestellt.

Dagegen zeigen die amerikanischen Völker eine auffallende Ähnlichkeit mit Angehörigen der ural-altaischen Rasse, besonders den Mongolen, nächstdem den Malaien. Die Hautfarbe, das Haar, die mongoloide Augenbildung gleichen sich hüben und drüben so sehr, daß die Typen oft nicht von einander zu unterscheiden sind. Dazu kommen noch die von Baelz zuerst entdeckten blauen Infradorsalflecke bei Neugebornen, kleine blaue Flecke unterhalb des Rückgrats, die bei den Säuglingen von Mongolen, Malaien und Indianern vorhanden sind und erst mit der Zeit verschwinden. Die Ähnlichkeit mit den Asiaten ist am größten bei den Indianerstämmen der Westküste; bei ihnen erinnert die ganze Gestalt, die Schädelbildung und auch die schlecht entwickelte Nase, abgesehen von den schon vorher genannten Vergleichsmerkmalen, an die Bewohner des östlichen Weltteils.

Diese Tatsachen haben bei vielen Forschern zu der Annahme geführt, daß die Urbevölkerung Amerikas ihre Herkunft von den asiatischen Völkern ableitet, einer Annahme, der ich mich völlig anschließe. Es sind also Völker von Asien über das Meer gewandert, haben sich in dem neuen Weltteil angesiedelt und sind allmählich zu dem Volk, das wir heute unter dem Namen Indianer oder Rothäute kennen, geworden. Diese Wanderungen mögen sich über viele Jahrhunderte erstreckt und nicht lange vor der Zeit, als der amerikanische Weltteil entdeckt wurde, aufgehört haben. Meine Beobachtung, daß sich eine unleugbare Ähnlichkeit zwischen den Indianern des südlichen Südamerikas, besonders den Araukanern und Tehueltschen mit polynesischen Stämmen, vornehmlich mit den Maoris, findet, läßt mich vermuten, daß Amerika nicht nur von den Küsten Sibiriens, Chinas und Indonesiens, sondern auch von den Archipeln der Südsee erreicht worden ist. Die Polynesier stehen wahrscheinlich auch in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu den Malaien. Nachdem neuerdings die erwähnten Infradorsalflecke auch bei polynesischen Stämmen (und zwar bei den Samoanern) nachgewiesen worden sind, gewinnt meine Annahme an Wahrscheinlichkeit. Der Umstand, daß die Ähnlichkeit des indianischen Volkes mit den Asiaten abnimmt, je mehr man in Amerika von Westen nach Osten fortschreitet, dürfte damit eine Erklärung finden, daß im Osten die ältesten Ansiedler wohnen, die also mehr Zeit hatten, eine Veränderung ihrer körperlichen Merkmale durchzumachen. Die an der Westküste erschienenen asiatischen Nachschübe hatten offenbar die bereits ansässigen Kolonisten gezwungen, ihre Wohnplätze zu verlassen und neue aufzusuchen. Hierzu boten ihnen die reichen Jagdgebiete des östlichen Amerikas die einzige und beste Gelegenheit.

 

Das Euro-Asiatische Menschengeschlecht.
Versuch einer graphischen Darstellung der Rassenverwandtschaft der Völker Europas und Asiens.

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Fig. 1. Typus einer Germanin. Fig. 2. Typus einer Norddeutschen von germanisch-slawischer Mischung. Fig. 3. Typus einer Südslawin. Fig. 4. Typus einer Zentralasiatin. Fig. 5. Typus einer Mongolin.

Die unmittelbar nebeneinander stehenden Figuren zeigen nur geringe Verschiedenheiten, die in den somatischen Kennzeichen – vergl. besonders die Jochbeine und die Augen – zu suchen sind. Aus Fig. 1 entsteht durch allmähliche Übergänge Fig. 5 – und umgekehrt. Noch vorteilhafter betrachtet man die Übergänge von Fig. 3 zu 1, und 3 zu 5.

 

Das Afro-Australische Menschengeschlecht.

Zwischen den obenstehenden Figuren – den Euro-Asiaten – und den untenstehenden Afro-Australiern ist keine Ähnlichkeit zu entdecken. Wohl aber zeigen die Afro-Australier gleich den Euro-Asiaten unter sich eine gewisse Verwandtschaft der Züge.

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Fig. 1. Typus einer zentralafrikanischen Negerin. Fig. 2. Typus einer Negritofrau. Fig. 3. Typus einer Uraustralierin.

Wem aber die unterschiedlichen Merkmale zwischen den Amerikanern und den genannten asiatischen Völkerfamilien wichtiger erscheinen als die verwandtschaftlichen, der sei auf die Kraft hingewiesen, die der neue Weltteil besitzt, fremde Völker in wenigen Generationen zu verändern. Das kann am einfachsten bewiesen werden an der Veränderung, die Europäer allmählich an ihrem Typus in Amerika erleiden. Quatrefages stellt als solche fest: Veränderung der Kopfform, Vertiefung der Schläfen und der Augen, veränderten Blick, Verlängerung der Knochen, besonders der oberen Gliedmaßen und des Halswirbels usw. Der Leser wolle zur Vervollständigung des vorher Gesagten meinen Aufsatz über die »Nordamerikanerin« S. 160-162 nachlesen.

Wie sehr sich auf einem neuen Boden ein Volksstamm von Grund auf neu zu gestalten pflegt, kann man auch andererorts beobachten. Ein interessantes Beispiel dafür gibt uns Nikolas von Chanykow an die Hand. Er erzählt, daß 1860 etliche hundert württembergische Familien nach Transkaukasien gekommen waren und sich unweit Tiflis ansiedelten. Die ersten Kolonisten waren von seltener Häßlichkeit, breiten, viereckigen Gesichtern, mit blondem oder rotem Haar und blauen Augen. Aber schon das nächste Geschlecht schien etwas gehoben; schwarzes Haar und dunkle Augen waren keine Seltenheit. Die dritte Generation dagegen war vollständig verändert; ihre Abkunft war nicht mehr zu erkennen: schwarzes Haar und dunkle Augen waren die Regel, die Gesichter erschienen verlängert, der Körper gleich hoch, aber schlanker und anmutiger. An der Keuschheit der Mütter war nie zu zweifeln; die Heiraten erfolgten nur im eignen Stamme.

Über die Stellung der Lappen, Finnen und Ungarn in Europa, die zu der finnisch-ugrischen Abteilung der ural-altaischen Rasse gehören, ebenso über die ihnen rasseverwandten Türken, die eine Abteilung der turanischen Völkerfamilie bilden, findet der Leser Angaben in der Einleitung zu Europa bezw. in den diese Völker behandelnden Artikeln.

Ein besonderes Interesse erregten von jeher die Negritos, die wir als einen Bestandteil des Menschengeschlechts der südlichen Hemisphäre, der Afro-Australier, hingestellt haben. Sie finden sich nur noch in verhältnismäßig kleinen Gruppen auf asiatischen Archipelen, die aber etliche tausend Meilen voneinander abliegen. Es ist durchaus möglich, daß sie ehedem das asiatische Festland, vielleicht sogar Vorderindien bevölkert hatten und allmählich von eindringenden stärkeren Völkern aus ihren Wohnsitzen vertrieben und nach den Archipelen verschlagen wurden. Da man annimmt, daß in einer unbekannten Periode der Erdgeschichte ein gewaltiger Kontinent, Lemuria, einen Teil des Indischen Ozeans ausgefüllt hatte, von dem Madagaskar und Sumatra noch als Reste gelten, stellt sich auch die Möglichkeit dar, daß Urvorfahren der Negritos diesen Kontinent bevölkert hatten. Gleichzeitig ließe sich annehmen, daß sie von hier aus beim Untergang ihres Weltteils auf die benachbarten nördlichen Archipele, falls diese nicht gar ein Bestandteil Lemurias waren, hatten flüchten müssen. – Ob zwischen den Negritos und den Zwergvölkern Afrikas ein Zusammenhang besteht, ist noch nicht erwiesen.

 

Das Weib als Mittelpunkt einer ethnographischen Darstellung.

Das Weib als Mittelpunkt einer ethnographischen Darstellung zu bringen, ist kein neuer Gedanke. Bereits der namhafte Gelehrte G. Fritsch, dem Stratz in seinen Werken gefolgt ist, behauptet, daß die Rasseneigentümlichkeiten bei dem Weibe viel klarer zutage treten als beim Manne.

Insofern sich Fritsch auf die somatischen Rassenmerkmale allein bezieht, hat er sicherlich Recht. Dagegen herrscht kein Zweifel, daß die Frauen in ihrem Wesen, in psychischer Hinsicht, weit weniger Unterschiede zutage treten lassen, als die Männer; denn überall bleibt das Weib ein Geschöpf der Natur, deren Kräfte überall walten und wirken, im hohen Norden wie am Äquator, im Osten wie im Westen. Zum Unterschied von den Männern, die sich vielleicht vor Urzeiten, vor Anbeginn aller Kultur, in ihrem Wesen geglichen, sich aber im Laufe der Zeiten, im Kampfe ums Dasein stark differenziert haben.

Für die Beurteilung der weiblichen Psyche gibt es zwei Standpunkte. Der eine ist der eben erwähnte, nach dem die Frauen aller Gesellschaftsklassen und aller Völker eine gewisse Seelenverwandtschaft besitzen. Man stelle eine kleine Plebejerin in eine vornehme Umgebung, gebe ihr die entsprechende Erziehung, und sie wird sich als erwachsene Jungfrau durch nichts von der geborenen Aristokratin unterscheiden. Aus Bauernmädchen und Töchtern niederster Herkunft sind schon öfters Fürstinnen geworden, und den amerikanischen Gattinnen des vornehmsten englischen Adels ist sicher nicht anzumerken, daß ihre Väter in plebejischen Stellungen ihre »Karriere« begonnen hatten. Ein kleines Negermädchen, eine Japanerin, die man von früh auf in Europa erzieht, werden als reife Frauen nicht die geringste Eigentümlichkeit ihres Stammes zeigen. Ich darf hier anmerken, daß ich mich in den letztgenannten Beispielen auf eigene Beobachtungen stütze. Stellt man solche Versuche mit männlichen Individuen an, so werden sie mehr oder weniger fehlschlagen, oft völlig mißlingen.

Der andere Standpunkt aber ist der ethnographische, der neben der gemeinsamen Urpsyche des Weibes doch noch viele Unterschiede bei den Frauen der verschiedenen Völker entdeckt. Von diesem Standpunkt ausgehend ist das vorliegende Werk entstanden.

Die Urpsyche des Weibes enthält verschiedene Eigentümlichkeiten; so kennt der Psychologe das Weib als geborene Lügnerin. Wie Marcel Prévost vortrefflich nachweist, ist die Lüge das natürliche Verteidigungsmittel des Weibes gegenüber der Kultur des Mannes. Die Hörigkeit hat das Weib zur Gewohnheitslügnerin gemacht. Genau so verhält es sich aber mit allen übrigen Eigenschaften des Weibes. Sie sind teils ein Reflex (da wo das Weib sich frei fühlt), teils ein Gegengewicht (in den Fällen, wo es gebunden ist), gegenüber den Kräften des Mannes. Da nun die Kräfte der Männer bei den verschiedenen Völkern verschieden sind, müssen es in logischer Folgerung aus dem oben Gesagten auch die Eigenschaften der Frauen sein.

Die Unterschiede im Wesen der Menschen sind an und für sich nicht zu verkennen. Um so schwieriger ist es aber, festzustellen, welche von den beobachteten Eigenschaften allein auf das Individuum zu setzen sind, und welche bei der Allgemeinheit (dem Stamme) so häufig wiederkehren, daß man sie als »typische« bezeichnen kann. Nur die letzteren haben ethnographische Bedeutung. Die Tatsache, daß es z. B. unter deutschen Frauen kurze und schlanke, graziöse und plumpe, häßliche und hübsche, dumme und gescheite, artige und unhöfliche usw. gibt, hat für die Wissenschaft nur geringes Interesse. Für diese kommt es nur darauf an, festzustellen, welche der genannten Eigenschaften bei der Mehrheit des Stammes vorhanden sind.

Ich bin mir völlig klar darüber, daß, um die Frauen zu begreifen, auch eine Schilderung ihrer ganzen Umwelt nötig wäre, eine Schilderung des Landes, in dem sie leben, und vor allem eine Schilderung der Männer ihres Stammes, denen sie bei- resp. untergeordnet sind. Da dies aber den Umfang des Werkes weit über den beabsichtigten Rahmen vermehrt hätte, mußte davon Abstand genommen werden. Immerhin ist über die Männer das unmittelbar zum Verständnis Nötige gesagt worden, und wer für besondere Fälle eine vollständigere Belehrung wünscht, findet sie in zahlreichen ethnographischen Werken, deren Gegenstand nach bisherigem Brauch immer »der Mann« war.

Somit beschränkte ich mich im wesentlichen mit einer Schilderung des Äußeren (der somatischen Kennzeichen) der Frauen, ihrer Stellung in der Familie und ihres Ansehens beim Volke, ihrer physischen und geistigen Eigenschaften und ihrer Fähigkeiten.

Die Bekleidungsfrage behandelte ich, wie sich die Notwendigkeit darstellte, von Fall zu Fall besonders; doch legte ich im allgemeinen auf diese Frage nicht viel Gewicht, da sie auch bei den primitivsten Völkern der »Mode« unterworfen ist.

Daß mir die Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, nicht im ganzen Umfange gelingen konnte, muß ich mit dem Hinweis auf die außerordentliche Schwierigkeit, über jede Einzelheit Material zu erlangen, entschuldigen.

Aus eigenen Anschauungen habe ich alle Völker Europas kennen gelernt (mit Ausnahme einiger slawischer Abzweigungen), die Kreolen und andere Mischlinge von Amerika und anderer Weltteile, die Indianer in den meisten Teilen Nord- und Zentral-Amerikas, sowie im ganzen westlichen Süd-Amerika und in den Anden-Ländern, verschiedene brasilianische Wald-, sowie die Pampa-Indianer, die Patagonier und Feuerländer, die Australier, Papuas, Maoris, Samoaner und Kanaken, die Völker Nord-, Ost- und Südafrikas, einige Zwergstämme Zentral-Afrikas und in Asien die Japaner, Koreaner, Mandschus, Chinesen, Siamesen, Birmanen, Indier in allen Teilen des Kaiserreichs, Singhalesen, die Gebirgsvölker vom Himalaya, von Kaschmir und Tibet, die Bewohner von Afghanistan, Beludschistan, Persien, Armenien, Kurdistan, Arabien, verschiedene Turanier und sibirische Völker, schließlich die Malaien, Javanen, Sumatraner, Alfuren, Tagalen und andere Inselvölker.

In meinem Versuch, das Allgemeine darzustellen, war ich mir wohl bewußt, ein an Klippen reiches Gebiet zu befahren. Diese Klippen liegen in der mit Recht verurteilten Verallgemeinerung, in der Versuchung, die aus einzelnen Fällen gesammelten Erfahrungen auf die Allgemeinheit zu übertragen. Ob ich jedesmal das Richtige getroffen, weiß ich nicht. Ein jeder vermag nur mit seinen eigenen Sinnen wahrzunehmen und nach seinem eigenen Verstande zu urteilen.

Für eine Schilderung der körperlichen Eigenschaften pflegt nach den Erfahrungen der meisten Forscher, ein möglichst kurzer Aufenthalt bei dem zu schildernden Volksstamm förderlicher zu sein als ein längeres Verweilen. Jede Äußerlichkeit verursacht bekanntlich bei der ersten Bekanntschaft den stärksten Eindruck. Mit der Zeit vermindern und verwischen sich diese Eindrücke. Dagegen ist, um die psychischen Eigenschaften und Fähigkeiten eines Volkes kennen zu lernen, der längste Aufenthalt der zweckdienlichste.

 

Vom Körper des Weibes. Der Begriff »Schönheit«.

Die Rasse- und Stammeszugehörigkeit eines Menschen zeigt sich in seinem Schädel, vornehmlich in seinem Antlitz. Die Wissenschaft, die Rassenmerkmale auch im Rumpf und in den Gliedmaßen erkennen will, von Stratz begründet, bewegt sich noch in den Kinderschuhen. Noch ist niemand imstande, auch nur mit ungefährer Sicherheit die Stammes-, ja selbst nur Rassezugehörigkeit eines Menschen nach dem Rumpf allein zu bestimmen.

Die Züge einer Frau zu beschreiben, ohne von dem Eindruck zu sprechen, den die Gesamtheit dieser Züge auf den Beschauer macht, ist nicht gut möglich. Dabei interessiert uns nicht wenig die ästhetische Wirkung, die von dem zu schildernden Antlitz ausgeht, die Frage: ist es schön oder häßlich. Wir verlassen damit die Wissenschaft und begeben uns in das Gebiet der Kunst.

Nun weiß ein jeder, daß für den Begriff der Schönheit noch keine Norm gefunden ist, sondern daß in ihrer Bestimmung immer nur der Geschmack des jeweiligen Beurteilers zum Ausdruck kommt. Sind aber schon die Geschmacksrichtungen verschieden unter uns nächsten Bekannten, die wir alle eine ähnliche Erziehung gehabt haben und dem gleichen Stamme angehören, um wie viel anders stellt sich das ästhetische Empfinden bei anderen Völkern dar! Man kann sagen, daß der Begriff Schönheit mit jedem Breiten- und Längengrade wechselt.

Was aus dem Vorhergehenden für den Leser hervorgeht, ist, daß er in allen Schilderungen in diesem Werk, in denen ästhetische Werte, wie die Schönheit von Frauen behandelt werden, zunächst nur die persönliche Ansicht des Verfassers erblicken darf. Ganz besonders liegt noch der Fall da, wo ich mein Material aus den Werken von Spezialforschern geschöpft habe. Je länger solch ein Forscher bei einem Volke weilte, um so unfähiger wurde er, die Schönheitsfrage bezüglich der Eingeborenen zu behandeln. Hatten sich doch Reisende, die längere Zeit unter den Hottentotten gelebt haben, die man getrost zu den lebenden Vogelscheuchen der Erde rechnen kann, so an dieses Volk gewöhnt, daß sie allmählich Schönheiten unter ihnen entdeckten!! Der Leser wird also solche Wiederberichte öfters mit einem Fragezeichen versehen müssen.

Besonders viel gesündigt wird mit der Bezeichnung »klassische« Schönheit.

Die »klassische« Schönheit beruht auf geraden und feinen Linien, die sich im allgemeinen in kurzen (fast rechten) Winkeln schneiden. Die fein geschnittene, ziemlich niedrige Stirn, völlig gerade liegende Augen, die sogenannte griechische, kurzwinklige Nase ohne erheblichen Einschnitt an der Stirn, ein feiner, dünnlippiger Mund sind dafür charakteristisch. Durchaus nicht alle Köpfe, die wir aus der Antike kennen, zeigen diesen Schnitt. Zu den »klassischen« Schönheiten im engeren Sinne des Wortes wird man die meisten Statuen der Hera, der Pallas Athene, der milonischen Venus, des Apoll vom Belvedere rechnen. Abweichend von diesem rein-klassischen Typus erscheinen die Venus von Medici, die Athena Parthenos (im Thermen-Museum), viele Köpfe der Artemis, sowie die meisten Bildnisse der spätattischen Kunstperiode. Diese Statuen bilden gewissermaßen einen Übergang zu dem Typus der meisten unserer heutigen Schönheiten. Ich möchte die hier gemeinte moderne Schönheit im Gegensatz zur klassischen die »lyrische« nennen. Nicht mehr sind die feinen Linien das Charakteristische, sondern die Formen, deren Rundung und Plastik unser Wohlgefallen erregen. Die Stirn ist mehr oder weniger gewölbt, die Nase setzt merklich ein und ist stets weitwinkliger, der Mund zeigt begehrende, liebeswarme Lippen in geschwungener Form.

Zu den klassischen Schönheiten rechne ich heute die Georgierinnen. Ferner finden sich unter den Britinnen und den Nord-Amerikanerinnen öfters klassische Typen und noch öfters wohl unter den südamerikanischen Kreolinnen, ebenso hier und da in Andalusien, Rumänien, in der Levante. Die Kreolinnen zeigen jedoch noch öfters den Übergangstypus. Dagegen sind die meisten Andalusierinnen, Italienerinnen, Romaninnen, Griechinnen, Levantinerinnen, die Jüdinnen von Tunis und wo sonst immer Frauenschönheit uns heute beglücken mag, von der »lyrischen« Art.

Außer dieser auf dem Schnitt der Züge beruhenden Differenzierung lassen sich Frauenschönheiten noch nach dem lebendigen Ausdruck, der aus dem Antlitz sprechenden Psyche scheiden. Die Bezeichnungen, die ich dafür wähle, klingen zwar etwas prosaisch, aber um so leichter dürften sie verständlich sein. Ich unterscheide nämlich: die warme – die kalte – und die apathische (oder indifferente) Schönheit.

Es braucht dem Leser kaum gesagt zu werden, was unter einer warmen Schönheit zu verstehen ist. Ein Reflex des Seelenlebens der Frau, die wir betrachten, leuchtet aus ihren Augen und belebt und beseelt ihr ganzes Antlitz. Im Augenblick sind unsere Sinne und unser Herz gefangen. Die kalte Schönheit dagegen offenbart nichts als ihre schönen Züge. Niemals findet ein Rapport von Herz zu Herz statt. Jeder Versuch des Betrachtenden in ihre Psyche einzudringen, prallt an eine stählerne Mauer. Man sagt sich öfters: wie schön! aber welche eisige Kälte! Man schließt sofort, wenn auch nicht selten mit Unrecht, auf schlechte Eigenschaften, die sich hinter diesem Antlitz verbergen. Es gibt sicher kalte männliche Naturen, die sich von solchen Zügen einnehmen lassen, denen es kein Bedürfnis ist, eine Seele hinter dem Antlitz zu suchen. Aber kein Künstler, kein Dichter, kein warm fühlender Mann möchte für eine Spanne seines Lebens an die Person einer kalten Schönheit gekettet sein. Wieder anders die apathische Schöne. Sie stößt uns nicht ab, aber sie erwärmt auch nicht. Sie mag von vornehmer Gesinnung sein, ein edles Herz mag in ihr schlagen – man merkt nichts davon. Sie versucht auch gar nicht, Eindruck zu machen; frei von Koketterie, scheint sie sich ihrer Schönheit kaum bewußt. Der Eindruck ihres Antlitzes ist der der Gleichgültigkeit.

Von diesen ausgesprochen apathischen Schönheiten gibt es nicht allzu viele. Nur in einem Lande fand ich die wegen ihrer Schönheit berühmte gesamte Weiblichkeit von dieser Art: im Kaukasus. Die schönen Georgierinnen, die ich vorhin zu den klassischen Schönheiten rechnete, zeigen eine wie die andere den apathischen Typus. Ferner ist hin und wieder unter den Rumäninnen und öfters noch unter den Slawinnen dieser Typus anzutreffen. Kalte Schönheiten sind in der Mehrheit die Levantinerinnen; sie finden sich vielfach unter den Britinnen und Nordamerikanerinnen und zuweilen auch unter den Rumäninnen. Ausgesprochen warme Schönheiten sind die Kreolinnen der spanisch-amerikanischen Länder, die Spanierinnen und Italienerinnen, die Jüdinnen von Nordafrika; meistens sind es auch die Rumäninnen und Griechinnen. In den meisten übrigen Ländern, also in Deutschland, Holland, Skandinavien, in den slawischen Ländern, dürfte die warme Schönheit überwiegen.

 

Die Eigenschaften der Frauen.

Von den Klippen der Verallgemeinerung, von denen ich im vorigen Kapitel sprach, stellen sich uns die gefährlichsten in den Weg, wenn wir die Eigenschaften der Frauen eines Volkes zu bestimmen uns anschicken. Damit verglichen erscheint die Bestimmung von Schönheit ein leichtes Spiel, bei dem ein gefälliger Kavalier, der gute Geschmack, seine Ansichten kundgibt, ohne jemals oder doch selten Ärger zu erregen. Hier aber handelt es sich um eine Entscheidung, die an den Urteilsspruch eines Richters erinnert: ob die zu Beurteilende gut oder schlecht, niedrig oder vornehm, tugendhaft oder sündhaft beschaffen ist. Da heißt es höchst vorsichtig sein und – sich bei allem die Nachsicht seiner Leser sichern.

Auch hier liegt die Schwierigkeit darin, Eigenschaften, die vielleicht auf einzelne Individuen zutreffen, von denen der Mehrheit des Stammes zu scheiden, und, wenn es auf einen Vergleich mit anderen Völkern ankommt, das Verhältnis der Mehrheit des einen Volkes zu der des anderen abzuwägen. In Anbetracht dieser Schwierigkeiten war sich der Verfasser durchaus bewußt, nicht immer ein absolut sicheres und endgültiges Urteil abgeben zu können. Das trifft besonders zu, wo von »Superlativen« die Rede ist. Der Superlativ hat aber einen eigenen Reiz, und so bin ich längst gewöhnt, wenn ich von einer Reise zurückkomme, Fragen an mich gerichtet zu hören, wie die: »Wo trafen Sie die ›nettesten‹ Menschen?« »Wo ist es am heißesten?« »Wo reist man am besten?« Und nicht zuletzt: »Wo trafen Sie die schönsten Frauen?« Und die sittsamsten, die leichtsinnigsten, die treuesten, die heitersten … und ich weiß nicht, wie viele mehr–sten. Ich will einmal versuchen, solche auf Frauen bezügliche Superlative zu beantworten, aber diesmal gänzlich – als unverantwortlicher Redakteur.

Wo finden sich die gütigsten und wo die grausamsten aller Frauen? Die erste Frage ist positiv kaum zu entscheiden. Unter den Kulturvölkern halte ich die Romaninnen jedenfalls für gütiger als die Germaninnen und Slawinnen; letztere sind weicher an Gemüt als die Germaninnen, und unter diesen sind die Britinnen und noch mehr die Amerikanerinnen die rücksichtslosesten. Für die grausamsten Frauen unter den Naturvölkern gelten die Apatsche- und Pahni-Indianerinnen Nordamerikas.

Welches sind die eitelsten und welches die schlichtesten aller Frauen? Sich mit Schmuck übermäßig zu behängen liebt die Weiblichkeit fast aller primitiven Völker; den läppischsten Kult mit der eigenen Person aber treiben zweifellos die auf niedriger Kulturstufe stehenden Mischvölker, besonders die Mulattinnen und Zambos. Unter den Kulturvölkern halte ich die Nordamerikanerin für die putzsüchtigste, aber nicht gerade für die eitelste. Dieser zweifelhafte Ruhm gebührt am ehesten der Levantinerin. Außerdem sind die Romaninnen eitler als die Slawinnen, diese ein wenig eitler als germanische Frauen. Zu den verhältnismäßig schlichtesten rechne ich die Deutschen, Däninnen und Norwegerinnen.

Da sich Bescheidenheit wohl immer mit Schlichtheit paart, ist leicht zu ersehen, wo die bescheidensten Frauen zu suchen sind. Nicht aber geht Eitelkeit immer mit Bescheidenheit Hand in Hand. So sind die meisten Romaninnen, wie wir schon feststellten, zwar ein wenig eitel, wozu sie die Schönheit ihres Körpers auch berechtigt; gleichzeitig steht aber ihre Bescheidenheit ebenso außer Zweifel, wie die Unbescheidenheit bei den kecken Töchtern unter dem vielgestreiften Banner jenseits des großen Salzteiches.

Wo sind die treuesten Frauen zu finden? Treu, in den meisten Beziehungen, die von dieser Eigenschaft ausgehen, sind Frauen im allgemeinen überhaupt nicht – von Ausnahmen kann hier nicht gesprochen werden. Am besten entwickelt ist noch die Familientreue, besonders zu den eigenen Kindern und dem angetrauten Gatten. Freilich sucht man die Gattinnentreue, so paradox es klingt, am besten im Gatten; denn das Weib ist ganz ein Produkt der Natur und folgt, wenn es nicht gefesselt ist, stets seinen natürlichen Trieben. Vermag aber das ihr in der Ehe beigeordnete Kulturprodukt, Gatte geheißen, sie mittels einer seiner berühmten Erfindungen, Pflicht genannt, am Zügel zu führen, so erlebt der Beschauer die optische Täuschung einer »treuen Gattin«. Molière hat das schon sehr schön ausgedrückt:

»Denn brav als Frau im Ehestand zu bleiben,
Hängt sehr vom Manne ab, den man ihr gibt.«

Die Kunst dieser Zügelführung scheint unter den Kulturvölkern am wenigsten von den Nordamerikanern und Briten verstanden zu werden.

Züchtigkeit und Unsittlichkeit unter Frauen ist ein heikles Thema, das aber nicht umgangen werden kann. Unsittliche Verhältnisse unter der Jugend herrschen im ganzen zentralen und nördlichen Asien. Die größte sexuelle Zügellosigkeit aber findet sich unter verschiedenen Polynesierinnen und ganz besonders auf den Markesas-Inseln in der Südsee. Unter den Kulturvölkern steht die Sittlichkeit der Romaninnen am höchsten. Unter den germanischen Frauen nehmen die Skandinavierinnen die höchste, unter den Deutschen die österreichische Gruppe die niedrigste Stufe ein. Bei den Slawen liegen die Verhältnisse ähnlich wie bei den Germanen. Die größte Ungebundenheit in den Sitten wird aus Kärnten und Steiermark berichtet, und da hier, wie wenig Bildung auch das niedere Volk besitzen mag, gewisse Kulturmaximen in allen Schichten der Bevölkerung bekannt sind, muß diese Moral strengen Sittenrichtern bedenklicher erscheinen als die jener unter andern Lebensanschauungen aufgewachsenen Südsee-Insulanerinnen.

Loyalität. Ein deutsches Wort, das sich mit diesem Fremdwort völlig deckt, fehlt uns leider. Mit Biederkeit, Anhänglichkeit, Aufrichtigkeit ist es ganz unzulänglich übersetzt. Die Loyalität ist eine besondere Art Treue, bei der weniger die persönliche, alle Hindernisse überwindende Anhänglichkeit eines Menschen zu einem anderen betont wird, als seine geistige Zugehörigkeit und bindende Übereinstimmung auf Grund von Gerechtigkeit, Gesetz und Hochschätzung des Charakters. Der hohe Schwung, der in der Loyalität liegt, kann im allgemeinen in Frauen nicht gesucht werden. Sie findet sich verhältnismäßig noch am meisten unter Britinnen und Nordamerikanerinnen. Suchen wir anstatt des geraden Gegensatzes von loyal – illoyal – einen Gegensatz in einer schrägen Linie, so finden wir Klatschsucht und die ihr meistens verbündete Neugier als spezifische Eigenschaften von Frauen, die ihnen wenigstens die Männerwelt aller Völker zuschreibt. Klatsch und Neugier sind bei Kulturvölkern am meisten unter den Germaninnen verbreitet; verhältnismäßig am wenigsten unter den Romaninnen. Vor allem fehlt den Südländerinnen die ätzende Schärfe und spitze Zunge germanischer Frauen. Man ist im Süden stets mehr geneigt, die Fehler seiner Nächsten in einem milderen Licht zu sehen und zu entschuldigen, als im Norden. Unter den germanischen Frauen nehmen in dem genannten, wenig preisenswerten Sinne die Holländerinnen die Spitze ein, während der loyale Volkscharakter und der Grundsatz: » see every thing, but don't talk« am meisten unter den Britinnen zu finden ist.

Für die aufrichtigsten aller Frauen halte ich die Nordamerikanerinnen. Wo aber die falschesten unter Kulturvölkern ihr Unheil brüten, vermag ich nicht auszusagen. Unter den germanischen Frauen ist vielleicht die Linie Berlin-Dresden-Prag-Wien am wenigsten fest fundiert. Unter den Romaninnen sind die Spanierinnen die aufrichtigsten. Unter den Naturvölkern sind die Malaiinnen berüchtigt wegen ihrer Falschheit. Falsch sind durchgängig auch die Frauen der Rothäute. Wiederum halte ich im Gegensatz zu vielen Reisenden die Negerin nicht für falsch; ist doch auch, beiläufig, persönliche Treue ein wesentlicher Zug der Negervölker. Dagegen sind die Mulattinnen wie überhaupt alle aus heterogenen Elementen zusammengesetzten Produkte für ihre Falschheit bekannt.

Leidenschaft und TemperamentApathie. Die leidenschaftlichsten Frauen sind unter Kulturvölkern unstreitig die Französinnen und die Südländerinnen. Die geringste Leidenschaft findet sich bei den Slawinnen und den zur Apathie neigenden Frauen im Kaukasus. Die Germaninnen stehen etwa in der Mitte. Von ihnen zeigt die Deutsche die meiste, die Britin verhältnismäßig die geringste Leidenschaftlichkeit. Das regste Temperament haben Spanierinnen und Polinnen. Auch den übrigen Slawinnen mangelt es nicht an Temperament, das aber, wie gesagt, nie oder selten die Steigerung bis zur Leidenschaft erfährt.

Intelligent und dumm; intellektuell und ungebildet.

Für die intelligentesten Frauen halte ich die Nordamerikanerinnen, für ihr Gegenteil die Schönen vom Ebrolande. Die intellektuellsten Frauen sind die Deutsche und die Schweizerin, nächst ihr wohl die Dänin und die Norwegerin; die ungebildetste ist zweifellos mit der dümmsten identisch.

Welches sind die fleißigsten Frauen? Wenn absolute Arbeitsleistung als Folgeerscheinung sozialer Verhältnisse in Betracht kommt, so ist die Frage für uns ziemlich belanglos. Den Ethnologen kann nur interessieren, welche Frauen den angeborenen Schaffenstrieb und die Lust zur Betätigung besitzen. Ich wage nicht zu entscheiden, ob der Französin, der Deutschen, der Britin oder der Nordländerin, die alle unstreitig zu den arbeitsamsten Frauen der Welt gehören, die Palme für Fleiß gebührt. Aber ich glaube, daß die Wage sich zugunsten der Französin neigt. Zu den trägsten Frauen unter den Kulturvölkern darf man die Spanierinnen und die Kreolinnen rechnen.

Die sauberste Frau, was den Körper anbelangt, ist die Engländerin; was ihre Umgebung betrifft, die Holländerin. Die unsaubersten Frauen sind in den unwirtlichen, wasserarmen Gegenden Zentralasiens zu suchen.

Nun noch einige Eigenschaften ohne Anführung von Gegensätzen. Am meisten Verständnis für Politik zeigt die Engländerin; den höchsten Patriotismus empfindet die Polin. Die höchste Eleganz in der Kleidung entfaltet die Nordamerikanerin, den vollendetsten Geschmack die Französin. Auf die feinste Koketterie verstehen sich die Töchter der romanischen Völker; sie ist bei den Französinnen wohl am höchsten entwickelt, aber selten frei von Bewußtsein, wogegen sie bei den Kreolinnen durch das Ungewollte den meisten Zauber auf empfängliche Gemüter ausübt. Nicht zu verwechseln mit Koketterie ist eine andere weibliche Kunst, der Flirt. Er ist im Grunde nur die Prostitution der Koketterie; eine Dirnenkunst, die sich in Großbritannien und noch mehr in den Vereinigten Staaten am höchsten entwickelt findet. Grazie vereinigt sich oft mit Koketterie; doch gibt es genug Frauen, die graziös sind, ohne kokett zu sein, und umgekehrt. Auch die Grazie ist eine wesentliche Eigenschaft der Romaninnen; sie scheint mir zu der schönsten Blüte entfaltet bei den Kreolinnen – den Preis gäbe ich der Limeña.

Am meisten Aktivität, d. h. allgemeinen Betätigungssinn, entwickelt die Engländerin. Mit Hinsicht auf Muskelkraft stehen die Holländerinnen und Norwegerinnen an erster Stelle. Die meiste Ausdauer zeigt die vielgeplagte, arme Montenegrinerin. Die fruchtbarsten Frauen der Welt sind die Boerinnen und die französischen Kanadierinnen, die unfruchtbarsten die Nordamerikanerinnen.


Zum Verständnis des vorliegenden Werkes mag hier eine Erklärung von Fachausdrücken folgen, denen der Leser häufig begegnen wird.

Der Ehestand, den wir als den normalen anzusehen pflegen, ist die Einehe oder Monogamie. Polygamie nennt man die Ehe eines Mannes mit mehreren Weibern, Polyandrie die Ehe mehrerer Männer mit einem Weib; gewöhnlich sind die Männer in diesem Falle Brüder.

Hetärismus oder Kommunismus, auch Promiskuität nennt man den durch keine Ehegesetze geregelten sexuellen Verkehr der Geschlechter in beliebiger Abwechslung; also ähnlich dem Verkehr vieler Tiere. Hetärismus soll sich im Innern Australiens und bei einigen Zweigen der Feuerländer finden.

Gruppenehen nennt man eine Art geregelten Kommunismus. Gewöhnlich sind eine Anzahl von Männern die gemeinsamen Gatten einer Anzahl von Schwestern, oder eine Anzahl von Brüdern haben ihre (untereinander nicht verwandten) Frauen gemeinsam. Solche Eheverhältnisse bestanden bis vor noch nicht zu langer Zeit in Hawaii; man vermutet, daß auch die alten Briten in solchen Ehen gelebt haben. Heute findet sich die Gruppenehe nur bei einer kleinen Anzahl auf niedriger Kulturstufe stehender Völker.

Unter Endogamie versteht man die Heirat innerhalb des eigenen Stammes; oft auch nur innerhalb einer kleinen Abzweigung des Stammes. In der Exogamie ist umgekehrt der Freier gezwungen, ein Mädchen aus einem anderen Stamm, genau genommen, aus einer anderen Abzweigung des Stammes, gewöhnlich aus dem benachbarten Dorfe, zu nehmen. Wird die Endogamie ins Extrem getrieben, so entsteht Inzest (Inzucht, Blutschande). Da den meisten primitiven Völkern die nachteiligen Folgen des Inzest bekannt sind, wird er streng vermieden. Zahlreiche Völker gehen in ihrer Furcht vor Inzest noch weiter als die Europäer, indem sie selbst Ehen unter sehr weitläufigen Verwandten (vornehmlich mit solchen von mütterlicher Seite) verbieten. Bei Völkern, die nach exogamen Grundsätzen leben, würde selbst eine Ehe mit Nicht-Blutsverwandten, aber innerhalb desselben Stammes (also endogam) geschlossen, als sündhaft gelten und mit dem Tode bestraft werden. Als Exogamie sind auch alle Ehen aufzufassen, die nach dem Gebrauch des Totem ( Totemismus) geschlossen werden.

Man versteht darunter die Gliederung eines Stammes in Familien (Clans), die gewöhnlich nach Tieren oder Pflanzen bezeichnet werden. Ihre Abzeichen pflegen über dem Eingang zu den Hütten angebracht zu sein. Niemand darf innerhalb seines Clans heiraten. Da in den meisten Fällen zugleich Mutterrecht herrscht, wird der heiratende Jüngling in das Totem seiner Frau aufgenommen und nimmt deren Namen an.

Mutterrecht (Matriarchat) nennt man ein Gesetz, nach dem die Mutter als das natürliche Haupt der Familie gilt (was aber die äußere Gewalt des Vaters nicht ausschließt); mit dem Mutterrecht steht in engster Verbindung das Erbrecht der weiblichen Linie. (Patriarchat, Vaterrecht, bei den Hirten- und Wandervölkern entstanden, ist das heute in allen zivilisierten Staaten herrschende Familienrecht, in dem der Vater als das Oberhaupt der Familie gilt, von dem Namen und Rechte geerbt werden.)

Gynäkokratie (Weiberherrschaft). Von ihr finden sich hier und da Spuren bei einigen afrikanischen Völkern. Livingstone will eine ausgesprochene Gynäkokratie bei den Banias am Zambesi getroffen haben.

Unter Tribadie oder lesbischer Liebe versteht man den homosexuellen Verkehr der Frauen.

Infibulation nennt man eine Vorrichtung zum Schutz der Keuschheit der Jungfrauen. (Siehe das Nähere in dem Artikel »Die Nubierin«.)

Zirkumzision, Exzision, die Beschneidung der Frauen. (Siehe das Nähere in den Artikeln »Die Javanin« und »Die Abessinierin«.)

Unter Katamenialzeit versteht man die Periode der monatlichen Reinigung (Menses, Menstruation) des Weibes.

Tabu (eigentlich tapu), d. h. geheiligt und verboten für jede Art Berührung. Tabu wird irgend etwas (ein Gegenstand, ein Lebensmittel, ein Eigenname usw.) nach dem Willen eines Häuptlings. Das Gebot wird von den Stammesangehörigen streng befolgt. Der Gebrauch findet sich hauptsächlich in der Südsee.

Brachykephal oder kurzköpfig nennt man diejenigen Schädel, bei denen der Breitendurchmesser mindestens 80 Prozent des größten Längendurchmessers beträgt, wenn sich also Breite und Länge des Schädels ziemlich gleichen. Dolichokephal, langköpfig, nennt man die Schädel, deren Länge die Breite bedeutend übertrifft. Unter Prognathismus versteht man die vorstehende Kiefer- bezw. Mundbildung, bei der die Zähne schief übereinander stehen.


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