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Damit ist schon viel gewonnen, aber alle diese Eigenschaften reichen zur restlosen Erklärung des Phänomens doch nicht aus, am wenigsten bei solchen Arten, wo die Jungen streng getrennt von den Alten ziehen, also deren Erfahrung und Führung entbehren müssen, hier müssen noch andere Dinge im Spiele sein, und wir kommen deshalb um die Annahme eines besonderen, uns vorläufig noch völlig rätselhaften Richtsinnes nicht herum, der seinen Sitz vielleicht in den Ampullen (blasenförmigen Erweiterungen) des Gehörgangs hat. Dieser Richtsinn ermöglicht eine allgemeine, aber sofortige und durchaus sichere Orientierung nach den verschiedenen Himmelsrichtungen auch in finsterster Nacht und ohne jede Unterstützung durch die anderen Sinne oder sonstige Fähigkeiten. In abgeschwächtem Maße findet er sich auch bei anderen Tieren, andeutungsweise selbst bei wilden Menschenrassen, während er beim Kulturmenschen völlig verkümmert ist. Der Eisfuchs in der unendlichen, gleichförmigen, aller hervorstechenden Merkmale entbehrenden Tundra und der ihn verfolgende Samojedenjäger haben ihn auch. Man kann beide bei Nacht und Nebel mitten in die Tundra weitab von ihrem Wohnsitze hineinsetzen, und sie finden sich doch zurecht, ebenso die Katze, die man meilenweit in einem Sack verschleppt hat und die doch ohne Zögern den richtigen Weg nach ihrem Zuhause einschlägt. Der ganze Brieftaubensport wäre ohne solchen Richtsinn ja gar nicht denkbar. Um ihn aber voll zur Auswertung gelangen zu lassen, ist noch etwas weiteres notwendig, nämlich eine ausgezeichnete Orientierungsgabe, verbunden mit einem guten Gedächtnis. Beides ist ja den Vögeln in hohem Maße eigen. Der Richtsinn allein genügt nicht, aber in Verbindung mit der Orientierungsgabe wird er zum ausschlaggebenden Faktor. Jener deutet nur allgemein die Himmelsrichtung an, die zu den ersehnten warmen Überwinterungsplätzen führt, diese dagegen regelt alle Einzelheiten und Umwege, bahnt die Zugstraßen und wählt die Raststationen, alle solche Kenntnis auch den künftigen Geschlechtern vermittelnd und schließlich vererbend. Nur sie ist Zwischenfällen und Veränderungen gewachsen. Zwei Beispiele werden das noch klarer machen. Man hat wiederholt größere und kleinere Versuche gemacht, den netten Sonnenvogel, die sogenannte chinesische Nachtigall, bei uns einzubürgern, sowohl seiner Falbenschönheit und seines munteren Benehmens, als auch seiner zwar kurzen, aber sehr wohlklingenden Gesangsstrophe halber. Die Sache ließ sich zunächst auch immer ganz gut an. Die bunten Fremdlinge gewöhnten sich vortrefflich an unser Klima, sangen und brüteten fleißig und zogen eine ganze Anzahl von Jungen groß. Im Herbst trieben sie sich dann rudel- und schwarmweise in der Gegend herum, und dann waren sie eines schönen Tages, als der Zuginstinkt in ihnen erwachte, plötzlich verschwunden, und zwar ausnahmslos auf Nimmerwiedersehen. Wohl wurden solche abgezogene Trupps mehrfach in südlicheren Gegenden gesehen, aber dann verlor sich ihre Spur. Der angeborene Richtsinn hatte sie ganz richtig die Richtung nach Süden einschlagen lassen, aber als sie dann auf die große Quermauer der Alpen stießen, reichte ihre Orientierungsgabe nicht aus, denn es fehlte diesen Asiaten ja jede vererbte und überlieferte Erfahrung der Vorfahren über die verwickelte Gestaltung Europas und seiner Zugverhältnisse. So irrten sie umher und gingen dabei wahrscheinlich zugrunde, denn man hat sie nie wiedergesehen. Daran sind alle so hoffnungsvoll begonnenen Einbürgerungsversuche mit Sonnenvögeln ausnahmslos gescheitert. Ferner hat man Jungstörche eingefangen und so lange in Haft gehalten, bis die Zugzeit der Störche vorüber und die Alten längst abgezogen waren. Endlich freigelassen, wurden auch diese Jungstörche vom Richtsinn gen Süden geführt, aber die große, bekannte Zugstraße der Störche vermochten sie nicht zu finden, sondern irrten weit von ihr ab, wurden z. B. in Griechenland angetroffen, wo sonst keine Störche durchziehen.
Nun wandern aber auch in freier Natur bei zahlreichen Vogelarten Alte und Junge streng getrennt, so daß diese lediglich auf ihre eigene Weisheit angewiesen sind, wenigstens sagt man es. Namentlich Gätke hat diese Behauptung sehr nachdrücklich verfochten und mancherlei Beweise dafür erbracht, die seine zahlreichen Gegner nicht allzu stark zu erschüttern vermochten. So erscheinen auf Helgoland von Ende Juni ab und den ganzen Juli hindurch Unmassen von jungen Staren, darauf tritt eine Pause von fast zwei Monaten ein, während welcher dort überhaupt kein Star gesehen wird, bis dann endlich Ende September der Zug der alten Stare einsetzt und den ganzen Oktober über anhält. Ähnliches beobachtete er bei Steinschmätzern, Braunkehlchen, Rotschwänzchen, Trauerfliegenfängern u. a., und ich konnte selbst auf der Kurischen Nehrung diese Angaben nur durchaus bestätigen. Ebenso verhielt es sich dort mit dem Strandläuferzug: erst kamen die Jungvögel, später die Alten, und im Frühjahr war es dann gerade umgekehrt. Russische Forscher berichten uns, daß man im Winter bei Petersburg nur alte Schneeammern im schön schwarzweißen Kleide zu sehen bekomme, im Süden des weiten Reiches aber ausschließlich Jungvögel im unansehnlichen Jugendkleide. Es scheint sogar, daß bei manchen Arten Junge und Alte überhaupt ganz verschiedene Straßen ziehen. Sa beobachtete ich allherbstlich bei Rossitten zahlreiche Steppenweihen und Rotfußfalken, die ja sonst in Deutschland als Seltenheit gelten, aber immer nur Jungvögel, und ich kann mich nicht erinnern, dort jemals einen Altvogel dieser Arten gesehen zu haben, wenn überhaupt, so treten solche dort jedenfalls nur ganz vereinzelt auf. Offenbar fliegen sie im allgemeinen ganz andere Wege. Trotz alledem bin ich gegen die Lehre vom Getrenntziehen nach Altersstufen und gegen die daraus gezogenen Folgerungen im Lauf der Jahre immer mißtrauischer geworden. Sehr oft sind ja die Herbst- und Reisekleider der Alten den Jugendkleidern so ähnlich, daß es ganz unmöglich ist, beide selbst bei naher Entfernung voneinander zu unterscheiden. Und wer will wirklich mit voller Sicherheit sagen, daß unter den zuerst erscheinenden Strandläuferwolken oder den nach Tausenden zählenden Starenschwärmen nicht doch auch einige Altvögel zwischen der Unmasse der Jungen sich befinden? Ein einziger würde ja schließlich als Führer genügen! Auch wollen wir nicht vergessen, daß viele Vögel gern gemeinsam mit solchen anderer Art ziehen, daß wir also z.B. bei Finken oder Strandvögeln häufig bunt gemischten Schwärmen begegnen. Oft ist nur ein einzelner Fremdvogel dabei, der dann in der Regel einer größeren, klügeren und vorsichtigeren Art angehört. So sah ich nicht selten alte Kiebitzregenpfeifer oder Kampfläufer als Führer eines Schwarms von Alpen- oder Bogenschnäbligen Strandläufern, und es ist sehr wohl denkbar, daß diese Führerrolle nicht auf Vermeidung von Gefahren sich beschränkt, sondern auch dem Einhalten der richtigen Zugstraße zugute kommt. Die Macht des Beispiels darf gerade im Vogelreiche nicht unterschätzt werden. Bricht z.B. ein Zug Kraniche im Morgengrauen zur Fortsetzung seiner Reise auf, so folgen ihm alsbald auch die in seiner Nähe auf den Fluren liegenden Schwärme von Kleinvögeln. Dasselbe gilt von den Einzelwanderern. Hüpft ein Rotkehlchen abends schnickernd am Waldesrande herum und schwingt es sich endlich lockend in die Lüfte, so tun es ihm die in Hörweite befindlichen Artgenossen alsbald nach. Dieser ganze Fragenkomplex bedarf also dringend noch weiterer Erforschung und Aufhellung, ehe wir ein einigermaßen sicheres Urteil fällen können, wahrscheinlich ist aber das völlige Alleinziehen der Jungvögel viel seltener als man bisher glaubte. Eine Vogelart nun verursacht in dieser Beziehung besonders viel Kopfzerbrechen. Es ist der Kuckuck, der als Brutschmarotzer seine Erzeuger ja nie kennen lernt, also auch unmöglich von ihnen auf der Reise geführt werden kann. Eckards Ansicht, daß der junge Kuckuck auch auf dem Zuge noch von seinen Pflegeeltern betreut werde, ist zweifellos irrtümlich und beruht unbedingt auf einem Beobachtungsfehler. Sicher ist aber, daß die alten Kuckucke schon lange vor ihren Nachkommen abziehen, um die sie sich ja überhaupt nie gekümmert haben. Auf der Kurischen Nehrung war der Telegraphendraht zur Zugzeit oft weithin mit breitspurig auf ihm thronenden Jungkuckucken geschmückt, die aber in weiteren Abstanden, jeder für sich, dasaßen und sich oft nur mühsam gegen den starken Westwind behaupteten, übrigens auch ungewöhnlich zutraulich waren, so daß man sie bequem und ungedeckt auf wirksamste Schrotschußweite angehen konnte, von der Anwesenheit ihrer Pflegeeltern aber, die mir doch auf der kahlen und übersichtlichen Pallwe unmöglich hätten entgehen können, war nichts zu merken. Nur einmal in meinem Leben habe ich – gewiß ein sehr seltener Fall – in Württemberg einen richtigen Kuckuckszug von etwa 30 Stück am hellen Tag beobachten können, denn im allgemeinen ist der Gauch Nachtwanderer. Da die Vögel ganz niedrig zogen und die Beleuchtung gut war, konnte ich deutlich erkennen, daß es sich ausschließlich um Jungvögel handelte, wie finden die sich zurecht? Bei der Ungeselligkeit des Kuckucks ist es doch wohl ausgeschlossen, daß er sich anderen Vogelarten anschließt. Der Richtsinn weist ihm wohl die allgemeine Südwestrichtung, aber wer unterrichtet ihn über die verwickelten Einzelheiten des langen Weges bis ins innerste Afrika? Ich muß offen gestehen: ich weiß es nicht.
Außer nach Altersstufen findet beim Zuge nun aber häufig noch eine Trennung nach dem Geschlechte statt, indem Männchen und Weibchen gesondert reisen, sogar oft zu verschiedenen Zeiten aufbrechen und wieder zurückkehren. Die Männchen ziehen zuletzt fort und sind zuerst wieder da. Bei den Nachtigallen und an den Storchnestern läßt sich dies besonders leicht feststellen, und der Buchfink führt ja wegen dieser zeitweisen Geschlechtertrennung den wissenschaftlichen Namen coelebs = Hagestolz. Bei Arten, wo die Geschlechter sehr verschieden gefärbt sind, springt dieses Verhältnis natürlich besonders scharf in die Augen. Wenn z.B. die großen nordischen Dompfaffen im Spätherbst bei uns einrücken, sehen wir, daß manche Flüge fast nur aus den prachtvoll roten Männchen bestehen und andere fast nur aus den unansehnlichen grauen Weibchen. Auch im Winterquartier bleibt diese Trennung der Geschlechter bestehen, und dabei stoßen wir auf die vielerörterte, aber immer noch nicht geklärte Frage, ob unsere Vögel auch im fremden Lande singen, oder ob sie den ganzen Winter über hartnäckig den Schnabel halten und sich lediglich mit der Nahrungssuche beschäftigen. Mehr poetisch schön als naturgeschichtlich richtig hat man behauptet, daß sie aus Sehnsucht nach der fernen Heimat schweigen und erst nach ihrer Rückkehr den Gesang wieder aufnehmen. Die ganze Frage erscheint aber eigentlich ziemlich müßig, da doch jeder Liebhaber weiß, daß gekäfigte Drossel- und Grasmückenarten schon bald nach der Mauser den Gesang wieder aufnehmen, wenn auch leiser, und daß selbst gefangene Nachtigallen schon um Weihnachten herum wieder ihre Strophen hören lassen, vorausgesetzt, daß sie sorgsam und naturgemäß verpflegt werden. Spötter, Rohrsänger und Würger fangen wieder zu singen an, sobald sie die Wintermauser glücklich überstanden haben. Wenn also die Vögel während der Wintermonate im Käfig singen, warum sollten sie es dann nicht auch in freier Natur tun, wo es ihnen doch zum allermindesten ebenso gut geht? Wir wissen doch, daß der Vogelgesang nicht nur Minnelied und Kampfruf ist, sondern überhaupt Ausdruck allgemeinen Wohlbefindens. Ich habe in Marokko im Winter Schwarzplättchen, Rotkehlchen, Lerchen, Nachtigallen u.a. vielfach singen hören. Die volle Kraft und Fülle des Nachtigallenliedes, das lauteste Jauchzen der Schwarzplättchenstrophe entfaltet sich allerdings erst wieder beim Werben um das Weibchen und beim Kampf mit dem Nebenbuhler. Während des Zuges selbst singen die Vögel nicht, denn dann haben sie keine Zeit und Ruhe dazu, und wenn die Wanderung sehr weit geht, etwa gar bis nach Südafrika hinunter, und entsprechende Zeit in Anspruch nimmt, da wird die winterliche Gesangsperiode ohnehin auf eine recht knappe Zeitspanne eingeschränkt. Nun kommt noch bei vielen Arten eine meist im Januar bis Februar sich vollziehende Wintermauser hinzu, und während des Mausergeschäftes singt ja überhaupt kein Vogel.
Die Natur hat es weise eingerichtet mit der Geschlechtertrennung auf dem Zuge und in der Winterherberge. Wenn im Frühjahr der Vogel infolge der üppigen Winterkost im Vollbesitz seiner Kräfte ist, dann sieht sich das Männchen nach einem Weibchen um, um dem allmächtigen Paarungsdrange zu genügen. In unmittelbarer Nähe findet er keines. Dafür tauchen halbverblaßte Erinnerungsbilder in ihm auf von den ehelichen Freuden, die er im Vorjahre in der fernen nordischen Heimat genoß, zuerst nur in verschwommenen Umrissen, dann immer schärfer und deutlicher. Dort oben, wo im vorjährigen Nest die bunten Eierchen lagen und die hungrigen Jungen kreischten, muß doch auch wohl das Weibchen wieder anzutreffen sein! So macht er sich auf den Weg, an den vom Herbstzug her lebendig in ihm haften gebliebenen Erinnerungsbildern und Landmarken sich zurücktastend. Es ist also die Liebe oder – naturwissenschaftlicher gesprochen – der Fortpflanzungstrieb, der ihn in die alte Brutheimat zurückführt. Aber erstaunlich ist die Sicherheit, mit der er sich sofort in dieser zurechtfindet und den alten Brutplatz wieder aufsucht. Die Seevögel finden ihren alten Vogelberg wieder, obgleich Hunderte ähnlicher Felsklippen in der Gegend vorhanden sind, die Schwalbe kehrt zu demselben alten Lehmnest zurück, in welchem sie im Vorjahre ihre Kinder großzog, der Storch bezieht seine alte Reisigburg, und die Schneeammer landet in der endlosen gleichförmigen Tundra genau auf demselben Steinblock, unter dem im vergangenen Sommer ihr Nestchen stand. Aus mancherlei Merkmalen wissen wir schon längst, daß es im allgemeinen stets dieselben Vögel sind, die zum alten Nest zurückkehren, und der Beringungsversuch hat es neuerdings bestätigt. Erst wenn die alten Inhaber den Weg alles Fleisches gegangen sind, wird ein solcher Nistplatz für ihre Nachkommen oder für ihre Vetternschaft frei. Im übrigen suchen sich die Jungvögel in der Nähe anzusiedeln, und erst wenn hier schon alles übervölkert ist, schweifen sie weiter in die Ferne, um sich etwas Passendes zu suchen, dadurch unter Umständen zur Erweiterung der Verbreitungsgrenzen der Art beitragend. Nun könnte man freilich fragen: warum bleiben die Vögel denn nicht einfach im Winterquartier und brüten daselbst? In der Tat gibt es Vogelkenner, die z. B. die ersichtliche Verminderung unserer Brutschwalben dadurch erklären möchten, daß unsere Schwalben mehr und mehr in Nordafrika hängen bleiben und sich hier fortpflanzen, sich also den gefährlichen Heimweg über das Mittelmeer schenken. Ich halte aber diese Ansicht für durchaus verfehlt. Die bedauerliche Abnahme unserer Brutschwalben hat ganz andere Ursachen, auf die aber hier nicht näher eingegangen werden kann. Würden die europäischen Zugvögel in Afrika auch brüten, so müßte dort sehr bald Raummangel, Übervölkerung und Nahrungsknappheit eintreten, zumal dort die Schnabelweide namentlich zur Trockenzeit durchaus nicht so bequem sich bietet, wie der Laie gewöhnlich annimmt. Manche unserer Vögel sind auch hinsichtlich des Aufzuchtfutters für ihre Jungen so stark spezialisiert, daß sie vielleicht im Winterquartier gar nicht das Richtige finden würden, vor allem fällt aber der Umstand ins Gewicht, daß die tropischen Tage im Sommer bedeutend kürzer sind als die nord- und mitteleuropäischen, daß also nur eine viel kürzere Fütterungszeit zur Verfügung steht, etwa 12 Stunden, statt 16–18. Wir sehen ja, daß Spätbruten in vorgerückter Jahreszeit, auch wenn es noch Kerbtiere genug gibt, bei uns immer nur Schwächlinge liefern, die dem Kampfe ums Dasein nicht gewachsen sind. Jungvögel solcher Arten brauchen eben naturnotwendig eine zeitlich ausgedehnte Fütterung.
Wer und was sagt aber unsern Brutvögeln im Herbst, daß es nun Zeit sei zum Aufbruch nach dem milderen Süden? Man denkt natürlich auch hier zunächst an den allmählich sich geltend machenden Nahrungsmangel, und in vielen Fällen trifft dies ja auch zu. Es gibt aber doch eine ganze Reihe von Arten, die schon zu einer Zeit aufbrechen, wo es nach Kerbtiere und andere Nahrung in Hülle und Fülle gibt, sie also unmöglich Hunger leiden können. Eine andere Frage ist es freilich, ob ihnen auch ihre Lieblingsnahrung noch in genügender Menge und erwünscht leichter Zugänglichkeit zur Verfügung steht. Über diesen Punkt – viele Vögel sind recht leckerhafte und wählerische Geschöpfe – wissen wir aber noch viel zu wenig, als daß wir hier ein sicheres Urteil zu fällen vermöchten, wenn die stürmischen Segler nach geradezu hastig vollendetem Brutgeschäft schon anfangs August verschwinden, so gibt es freilich noch Kerfe in Menge. Ob aber auch die winzigen Vertreter der Insektenwelt, die sich in den höheren Luftschichten tummeln und die Lieblingsnahrung des »Vogels Wupp« bilden, wie der unvergeßliche Hermann Löns die Turmschwalbe so treffend genannt hat? Für den zeitigen Abzug der alten Kuckucke läßt sich schon eher eine einleuchtende Erklärung finden, denn die behaarten Raupen, die sie mit großer Vorliebe fressen und durch deren Vertilgung sie so forstnützlich werden, verpuppen sich im Hochsommer, stehen also nicht mehr zur Verfügung. Zum wirklichen oder scheinbaren Nahrungsmangel kommen nun aber noch mancherlei Gründe hinzu. Da ist zunächst die abnehmende Besonnung. Der Sonnentage werden immer weniger, und die große Mehrzahl unserer Vögel gehört nun einmal zu den ausgesprochenen Sonnenfreunden, die die wärmende und belebende Wirkung der Strahlen des Tagesgestirns nicht entbehren können. Die Tage werden immer kürzer, und damit vermindert sich die für die tägliche Nahrungssuche zur Verfügung stehende Zeit in geradezu beängstigendem Maße. Die Zärtlinge unter unseren gefiederten Freunden können nur wenige Stunden hungern, ohne an Leib und Leben Schaden zu nehmen. Der erfahrene Liebhaber beleuchtet abends künstlich die Käfige seiner Gelbspötter und Sumpfrohrsänger, denn er weiß, daß diese Vögelchen sonst sehr rasch von Kräften kommen und die gefährliche Wintermauser nicht überstehen können, wenn sie nicht täglich etwa 12 Freßstunden haben, wie dies ja auch in ihren tropischen Winterquartieren der Fall ist.
Weiter tritt auch hier die Abhängigkeit des Vogels von der Pflanzenwelt klar in Erscheinung. Sobald die Pflanzen absterben, fehlen auch die an ihnen lebenden Insekten, und sobald die Beeren- und Samenernte aufgezehrt ist, muß auch der Körnerfresser wandern oder streichen, um noch nicht ausgeplünderte Gegenden aufzusuchen. Das Gedeihen oder Mißraten gewisser Sämereien beherrscht den ganzen Strich, wobei wir nur an die auf Nadelholzzapfen angewiesenen Kreuzschnäbel zu denken brauchen. Die dicke Herbstluft wird den meisten Vögeln auch nicht gerade angenehm sein, und die ersten ernstlichen Frostnächte bewirken einen geradezu fluchtartigen Abzug aller derer, die sich bei ihrem gemütlichen Herbstbummel verspätet haben. Ich glaube weiter an einen niederdrückenden Einfluß der im Herbst besonders zahlreich auftretenden Nebel auf das Vogelgemüt. Es wird ihnen dann zu ungemütlich. Leiden doch selbst wir Menschen, die wir doch viel weniger wetterempfindlich beschaffen sind als die Vögel, ersichtlich unter dem verstimmenden Einfluß der Herbstnebel, die das Licht abschließen und beklemmend auf unser ganzes Nervensystem einwirken. Es ist die wehmütige Zeit des Sterbens in der Natur, das freilich eigentlich gar kein Sterben ist, sondern nur ein Ausruhen zum Aufspeichern neuer Kraft.
Wenn auch die Zugvögel auf ihren Wanderungen vom Zuginstinkt vollständig beherrscht werden, neben dem der Fortpflanzungsinstinkt völlig erloschen ist und selbst der Nahrungsinstinkt sehr zurücktritt, so darf man deshalb doch nicht glauben, daß die Vögel ihre Wanderungen sozusagen ganz blindlings vollziehen, und daß sie nicht imstande wären, sich dabei veränderten Verhältnissen anzupassen. Der Zug vollzieht sich also nicht rein schablonenmäßig, wie wir ja schon aus dem Verhalten der Vögel bei verschiedener Witterung schließen können. Aber auch die Tierseele selbst hat dabei mancherlei Wandlungen durchzumachen, wenn hochnordische Vögel zu uns kommen, die in ihrer öden Heimat die Tücke des Menschen noch nicht kennen lernten, so verblüffen sie uns förmlich, wenigstens in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft, durch ihre Zutraulichkeit. Ich habe in dieser Beziehung die tollsten Sachen erlebt. Die prächtigen Hakengimpel, die ich in einem meiner ostpreußischen Winter sehr zahlreich beobachten konnte, kümmerten sich überhaupt nicht um den Menschen, und wenn sie auf irgend einem Baume eingefallen waren, konnten die Dorfjungen ruhig am Stamme heraufklettern, ihnen eine an einem Stock befestigte Schlinge über den Kopf legen, sie so herunterziehen und dieses Spiel mehrmals hintereinander wiederholen, ehe der Rest des Schwarms sich zum Abstreichen entschloß. Einmal stand ich in Gesellschaft des jetzigen Museumsdirektors Jacobi in Dresden an einem großen Wiesentümpel bei Rossitten, als plötzlich zwei Wassertreter angeschwirrt kamen und sich dicht vor uns niederließen. Wir konnten noch einige Schritte näher herangehen, ohne daß sie fortflogen, und es war ein reizender Anblick, wie die winzigen Federbällchen auf dem Wasser herumschwammen und schließlich bis an unsere mit Tran eingeriebenen Stiefel gelangten und nun eifrig an ihnen herumpickten.
Wir wagten kaum zu atmen, um das köstliche Bild nicht zu zerstören, sanken dabei aber immer tiefer in den Sumpf ein, und erst als wir es nicht länger in unserer unbequemen Stellung aushalten konnten und mit großem Geräusch unsere Stiefel aus dem Schlamm herausziehen mußten, da strichen die lieblichen Vögelchen mit klirrenden Rufen ab. Bekannt ist es ja auch, daß die Seidenschwänze und die schlankschnäbeligen sibirischen Tannenhäher in die plumpsten Fallen gehen und daß die Isländischen Strandläufer den ungedeckten Schützen auf freiem Gelände auf jede beliebige Entfernung herankommen lassen. Auch die Birkenzeisige sind überaus zutraulich, und wenn die großen nordischen Gimpel bei uns eintreffen, kann man sofort feststellen, daß sie lange nicht so ängstlich sind wie unsere kleineren Brutgimpel. Aber das Bild ändert sich, sobald die Tiere die Tücke des Menschen kennen gelernt haben, und es dauert gar nicht lange, dann werden die anfangs so vertrauten Strandläufer, nordische Enten usw. sogar recht scheu. Und wiederum ändert sich das Bild, sobald die gefiederten Reisenden weiter südlich in mohammedanische Länder kommen, da der Mohammedaner bekanntlich den Tieren nichts zuleide tut, solange dies nicht für seine eigene Lebenserhaltung notwendig ist. Die Raubvögel verlieren dort jede Scheu vor dem Menschen, und Reiher und Störche laufen unbefangen im belebtesten Marktgewühl herum, um Fleischabfälle zu ergattern.
Der Einfluß der Witterung auf den Vogelzug ist früher zweifellos überschätzt worden, aber noch zweifelloser wird er gegenwärtig, wo man sich in allzu einseitiger Weise in den Beringungsversuch verbohrt hat, stark unterschätzt. Es gibt heute viele Vogelzugsforscher, die überhaupt jeden Einfluß der Witterung auf den Vogelzug leugnen und infolgedessen Wetternotizen bei ihren Aufzeichnungen kaum noch machen. Das ist sicherlich verfehlt. Wir wissen doch, wie sehr die Tierwelt einschließlich des Menschen in ihrem Wohlbefinden und in ihrer Stimmung von der Witterung abhängig ist, und in besonders hohem Maße muß dies bei Geschöpfen zutreffen, deren Körper Luftsäcke enthält und deren Knochen teilweise mit Luft gefüllt sind, wie dies bei den Vögeln der Fall ist. Wer den Vogelzug nicht aus Büchern, sondern in der freien Natur studiert, der kommt bald zu der Überzeugung, daß die jeweilige Witterung dabei eine recht bedeutende, oft sogar eine ausschlaggebende Rolle spielt. Jeder Schnepfenjäger weiß ja, daß er bei lauem, feuchtem Frühlingswetter mit leisem Südwestwind gute Aussichten auf dem Schnepfenstrich hat, während es ihm gar nicht einfallen wird, bei kaltem Frost oder Schneefall sich auf die Langschnäbler anzustellen, auch wenn die richtige Jahreszeit schon längst da ist. Ebenso wissen die italienischen Vogelfänger aus der Wetterlage ganz genau, wann es sich lohnt, die kleine Hütte bei ihrem Roccolo zu beziehen oder wann nicht. Dieselben praktischen, aus langjähriger Erfahrung gesammelten Kenntnisse haben auch die Krähenfänger auf der Kurischen Nehrung, die aus den Witterungsverhältnissen mit größter Sicherheit schließen können, ob sie einen guten Fang zu erwarten haben oder nicht. Auf der Insel Zante bezeichnet man nach den Mitteilungen des bekannten Mittelmeerforschers Erzherzog Ludwig Salvator eine bestimmte Wetterlage geradezu als »Turteltauben-Wetter«, weil nur bei dieser Witterung die ersehnten Turteltauben sich massenhaft einstellen. Ähnliches gilt von den Wachtelzügen an den nordafrikanischen, italienischen und syrischen Küsten oder von den großen Lerchenzügen in der Gegend von Palermo, wo das Volk gleichfalls eine bestimmte Wetterlage als »Lerchenwetter« bezeichnet und an solchen Tagen mit der Ankunft von etwa einer Million Lerchen rechnet, ebenso wie man im Golf von Smyrna von »Schnepfenwetter« spricht.
Ich gehe soweit, den Vögeln sogar eine gewisse Vorausahnung des für sie günstigen oder ungünstigen Wetters zuzuschreiben, und behaupte, daß sie sich nach diesen Ahnungen bei ihrem Zuge richten. Das ist natürlich nicht so gemeint, als ob die Vögel auf Wochen oder gar Monate das Wetter vorausahnen, wie manche Leute glauben, daß also etwa ein frühes Erscheinen von Wintervögeln auf einen strengen und harten Winter schließen lasse oder ein zeitiges Eintreffen der gefiederten Lenzesboten auf einen frühen und schönen Sommer. Wohl aber ahnen die Vögel nach meinen Erfahrungen das Wetter auf 6 – 24 Stunden voraus und zeigen namentlich plötzliche Wetterumschläge oder Wetterkatastrophen mit ziemlicher Sicherheit für diesen Zeitraum an.
So heißt es z.B. in meinem Rossittener Tagebuch vom 3. Oktober 1895: »Bis mittag Südostwind und heiteres Wetter, großartiger Zug von Krähen, Turmfalken und Buchfinken. Am Mittag bricht der Zug plötzlich ab, und eine Stunde später schlägt der Wind in einen böigen West um und bezieht sich der Himmel mit dicken Regenwolken. Vom 4. bis 8. tobt dann ein furchtbarer Sturm aus Westen und Südwesten!« Die Zugvögel haben also offenbar den schroffen Wetterumschlag und den orkanartigen Sturm vorausgeahnt und deshalb ihren Zug jählings unterbrochen. Auch das Umgekehrte kommt vor. So berichtet der bekannte bayrische Vogelforscher Pfarrer Jäckel, daß am 24. und 25. Februar noch ungeheure Schneemassen sein Beobachtungsgebiet bedeckten, daß trotzdem aber bereits die ersten Lerchen erschienen, und daß gleich darauf der Wind nach Süden umschlug, Tauwetter eintrat und mit dem Regen und der milderen Luft nun plötzlich ein starker Vogelzug einsetzte, namentlich von Lerchen, deren Lieder bald die ganze Gegend erfüllten. Hier haben die Lerchen also offenbar den Umschlag vom winterlichen zum milden Frühlingswetter vorausgeahnt und daraufhin ihren Zug wieder aufgenommen.
Am meisten gestritten worden ist über die Frage, ob die Vögel mit dem Winde ziehen oder gegen ihn. Kein Geringerer als Alfr. Edm. Brehm vertrat die Ansicht, daß die Vögel auf ihren Wanderungen gegen den Wind fliegen, weil es ihnen im umgekehrten Falle unangenehm sei, wenn der Wind ins Rückengefieder blase. In der Tat kann man ja an jedem Käfigvogel leicht feststellen, wie zuwider es ihm ist, wenn man ihm Luft aufs Rückengefieder bläst, aber beim Vogelzug kommt das kaum in Betracht, da der Durchschnittszugvogel schneller fliegt als eine starke Windböe. Es ist auch richtig, daß größere Wasservögel stets gegen den Wind auffliegen, selbst wenn sie sich dabei dem Jäger noch etwas nähern müssen. Wer sie aber weiter mit dem Auge verfolgt, wird bald bemerken, daß sie umschwenken, sobald sie eine gewisse Höhe erreicht haben, und nun mit dem Winde viel schneller davonziehen. Jedenfalls kann der mit dem Winde ziehende Vogel eine erheblich größere Geschwindigkeit entwickeln als der gegen den Wind anfliegende, denn bei ihm würde dann die Zugsgeschwindigkeit gleich sein der Eigengeschwindigkeit zuzüglich der Windgeschwindigkeit. Bei dem gegen den Wind ziehenden Vogel dagegen wäre die Zugsgeschwindigkeit gleich der Eigengeschwindigkeit, vermindert um die Windgeschwindigkeit, also bedeutend geringer als im ersten Falle. Im allgemeinen werden demnach die Vögel mit dem Winde ziehen, was auch mit der praktischen Beobachtung übereinstimmt, da sie ja einen großen Vorteil davon haben. Nur darf man den Einfluß des Windes nicht überschätzen. Um schwachen wind kümmern sie sich im allgemeinen wenig, haben es sogar ganz gern, wenn ein solcher schräg von der Seite bläst oder lavieren gegen Gegenwind an, so daß ich manchmal auf der Kurischen Nehrung förmliche Zickzackbänder von ziehenden Vögeln sich durch die Luft wälzen sah.
Erst stärkere Winde üben einen Einfluß aus. Im allgemeinen sind es also im Herbst Nordost- und im Frühling Südwestwinde, die dem Vogelzug in unseren Breiten förderlich sind, und da jene Kälte, diese aber Wärme mit sich zu bringen pflegen, kann man auch einen gewissen Zusammenhang zwischen Vogelzug und Temperatur feststellen, der an sich aber gleichfalls keinen allzu großen Einfluß ausübt. Immerhin hat das oft so scharf beobachtende Volk recht, wenn es die im Spätherbst über unsere Fluren ziehenden Wildgänse als »Schneegänse« bezeichnet, obwohl diese Tiere mit den echten Schneegänsen nichts zu tun haben, sondern in der Regel nordische Saatgänse sind. Sie sind aber häufig genug Vorboten von Frost oder Schnee. Noch in dem launischen Dezember 1927 konnte ich sehr hübsche Beobachtungen dazu machen. In Württemberg hatten sowohl die Wetterwarten als auch die Tageszeitungen mildes Regenwetter für die nächsten Tage vorausgesagt – aber es flogen große Züge von Schneegänsen über meinen damaligen Aufenthaltsort Murrhardt, und denen traute ich mehr. Sie waren auch tatsächlich die zuverlässigeren Wetterkundigen, denn in den nächsten Tagen trat starker Frost und schwacher Schneefall ein, von Regenwetter keine Spur.
Windstärke und Windrichtung sind in den einzelnen höheren oder tieferen Luftschichten oft ganz verschieden, und natürlich suchen sich die Wandervögel dann diejenige Luftschicht aus, in der die ihnen am besten zusagenden Windverhältnisse herrschen. Dadurch kann die Höhe des Vogelzugs innerhalb weniger Stunden mehrfach wechseln. Kräftigere Vögel und stärkere Flieger werden in dieser Beziehung weniger empfindlich sein als kleinere und schwächlichere oder ausgesprochen schlechte Flieger. So kann es kommen, daß der Vogelzug sich gewissermaßen in mehreren Stockwerken vollzieht, indem etwa dicht über der Erde, wo an diesem Tag der Wind am günstigsten bläst, Singvögel ziehen, über ihnen Rabenvögel und über diesen vielleicht Kraniche oder Störche, so daß man einen ähnlichen Eindruck bekommt, wie etwa in den belebtesten Teilen Berlins, wo der Verkehr mit Untergrundbahn, Straßen- und Hochbahn ja auch in mehreren Stockwerken sich abwickelt. Steigert sich der Wind zum Sturm, so unterbricht er jeden regelrechten Vogelzug. Die Vögel, die ja das Hereinbrechen des Sturmes vorausahnen, beschleunigen ihre Reise in den letzten Stunden nach Möglichkeit, um noch vor Ausbruch des Unwetters geschützte Örtlichkeiten zu erreichen. Landvögel werden in Wäldern und Buschwerk ja immer geeignete Zufluchtstätten finden und gehen dann einfach zum Erdboden herab, um den Sturm über sich hinwegbrausen zu lassen. Etwas Nahrung bietet sich an solchen Stellen auch immer. Schlimmer sind die Seevögel dran, denn selbst wenn sie gute Schwimmer sind, können sie doch den Kampf mit den hochgehenden Wogen der von einem Orkan aufgepeitschten See nicht aufnehmen, und oft genug werden sie vom Sturmwind aufs feste Land geworfen. Hier machen sie einen rührend unbehilflichen Eindruck. Manche dieser Vogelarten sind derart an das Meer und seine Küste gewöhnt, daß sie alle Besonnenheit verlieren, wenn sie aufs feste Binnenland kommen und hier gar nicht auffliegen, obwohl sie es recht gut könnten. So kann man verschlagene Sturmtaucher, Seetaucher und dergleichen, wenn sie auf eine freie Landfläche geworfen werden, manchmal buchstäblich mit den Händen ergreifen, ohne daß sie den Versuch machen, ihre Schwingen zu lüften. Offenbar fällt ihnen auch an sich das Auffliegen vom Erdboden schwer. Werden Landvögel bei einem Flug über das Meer vom Sturme überrascht, so geht es ihnen oft traurig genug. Viele finden dann in den Wellen ihren Tod, andere werden an die nächste Küste geworfen und kommen dann hier in so völlig ermattetem Zustand an, daß sie jeder Nachstellung schutzlos preisgegeben sind. So schrieb mir der Sammler Rettich aus Malcoci-Tulcea einmal über einen verunglückten Vogelzug folgendes: »In der Nacht vom 12. zum 13. September 1910 herrschte starker ONO-Sturm an der Küste des Schwarzen Meeres. Der Durchzug der Wachteln, Schwalben und Wildtauben muß in dieser Nacht ein enorm starker gewesen sein. Am Morgen des 13. September fand man in Sulina die Straßen wie besät mit toten Wachteln und Schwalben, vereinzelt fand man auch Wildtauben. Im Hafen und am Meeresstrande sah man unzählige tote Wachteln und Schwalben auf dem Wasser treiben. Hunderte von Wachteln, welche durch den Anprall an die Häuser oder Telegraphendrähte wie betäubt oder geflügelt waren und teilweise stumpfsinnig dasaßen, teilweise verzweifelt in den Straßen herumhuschten, wurden bei der im Lauf des Morgens sich entwickelnden allgemeinen Wachteljagd zur Strecke gebracht. Die Leuchtturmwächter sammelten an diesem Morgen neben vielen anderen Vögeln vier große Säcke – etwa 400 Kilogramm! – toter Wachteln auf.« Man sieht, welch gewaltige Einbußen wandernde Vogelheere durch solche Wetterkatastrophen erleiden können, und da die Vögel stammweise ziehen, d. h. die Brutvögel derselben Gegend sich auf der Wanderung zusammenhalten, so kann es leicht geschehen, daß z.B. der Schwalbenbestand einer bestimmten Gegend dadurch nahezu vernichtet wird und im folgenden Jahr nur sehr wenig Schwalben an die alten Brutplätze zurückkehren. Die Leute wundern sich dann darüber und erschöpfen sich in allerlei Mutmaßungen. Wie wir aber sahen, ist die richtige Erklärung für solche Erscheinungen gar nicht schwer zu finden. Die Wanderung mit ihren vielen Unbilden und Gefahren ist ja überhaupt ein strenger Prüfstein dafür, ob eine Vogelart dem Kampfe ums Dasein gewachsen, also des Fortbestandes wert ist, und die Natur zeigt sich dabei als eine unerbittliche, manchmal geradezu grausame Zuchtmeisterin. Es kann vorkommen, daß der Sturm ein wanderndes Vogelheer auf ein kleines, kahles Felseneiland wirft, das aller geeigneten Nahrungsmittel bar ist, und es hier mehrere Tage lang blockiert, so daß die armen Reisenden elendiglich verhungern müssen, falls sie es nicht vorziehen, bei verzweifelten Fluchtversuchen lieber zu ertrinken. So führt auch der Vogelzug zur Vernichtung der Schwächlinge und zur Auslese der Stärksten und Kräftigsten und besitzt auch nach dieser Richtung hin eine nicht zu unterschätzende biologische Bedeutung.
Neben Sturmwind und Orkan wirkt noch ein anderer Faktor sehr ungünstig auf den Vogelzug ein, und das ist dichter Nebel, der den wandernden Vögeln trotz der Ölkügelchen in ihren Augen jede Fernsicht versperrt, ihnen dadurch das Zurechtfinden erschwert und schließlich unmöglich macht. Starker Nebel bringt nach meinen Erfahrungen jeden Vogelzug sofort zum Stocken und oft in heillose Unordnung. Die Vögel irren dann wie von Sinnen herum und wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen, werfen sich schließlich zum Ausruhen an die erste beste Örtlichkeit, mag sie an sich noch so ungeeignet sein. Dann findet man Wasserhühner in Tannendickichten und Teichhühnchen in Gartenlauben oder offenen Scheunen. Wie schlecht selbst die scharfgesichtigen Raubvögel schon bei nicht allzu starkem Nebel sehen, das konnte ich einmal auf der Insel Gran Canaria beobachten. Dort gab es auf dem Gipfel des Pico Osonio regelmäßig Gabelweihen, und ich hätte gern einige Stücke für meine Sammlung gehabt. Aber lange Zeit blieben alle meine Nachstellungen den scharfsinnigen und mißtrauischen Vögeln gegenüber vergeblich, bis einmal, als ich gerade auf diesem Berge weilte, plötzlich dichter Nebel einsetzte; da waren auch die Gabelweihen wie geblendet und umflogen mich schreiend auf ganz kurze Entfernung, obwohl ich offen und ohne jede Deckung auf dem kahlen Gipfel stand, so daß ich in kaum einer halben Stunde mehrere Stücke erlegen und auf diese Weise meine Sammlung kanarischer Vögel in der gewünschten Weise ergänzen konnte. Auf der Kurischen Nehrung fingen sich unter ähnlichen Umständen regelmäßig viele Vögel in den zum Trocknen ausgespannten Fischernetzen, die sie offenbar nicht sehen konnten. Ganze Züge wurden von der gewohnten Richtung längs der Nehrung abgeleitet und kamen aufs litauische Ufer hinüber. Ich muß dabei unwillkürlich immer wieder an die Mißweisung der Kompaßnadel bei recht starkem Nebel denken, die schon so viele Schiffsunglücke verursacht hat. Irgendein innerer Zusammenhang zwischen beiden Erscheinungen besteht nach meiner Überzeugung ganz sicherlich, obwohl wir ihn vorläufig nicht ergründen können. Aber vielleicht war doch der alte Middendorff auf dem richtigen Wege, als er den Richtungssinn der Wandervögel mit erdmagnetischen Einflüssen in Zusammenhang zu bringen suchte. Die Zunftgelehrten haben ihn freilich dieserhalb verlacht, aber das ist noch lange kein Gegenbeweis.
Durch Sturm und Nebel können also wandernde Vogelscharen unter Umständen nach allen Richtungen der Windrose hin zersprengt und einzelne Stücke weit von der gewohnten Luftbahn abgetrieben werden, so daß sie schließlich in Gegenden auftauchen, wo man sonst niemals einen Vertreter ihrer Art zu sehen bekommt. Man spricht in solchen Fällen von Irrgästen. Hierher gehört es z. B., wenn plötzlich am Rhein ein Flug Flamingos erscheint oder eines schönen Tages auf einem schlesischen Teiche ein mächtiger Pelikan herumschwimmt, wenn über dem Hagenbeckschen Tierpark in Stellingen Geier kreisen, wenn auf einem kahlen Felde bei Ludwigsburg ein Papageitaucher gefangen oder gar auf dem Stuttgarter Güterbahnhof ein Wasserscherer ( Puffinus kuhli) ergriffen und in einer belebten Straße Breslaus eine Sturmschwalbe ( Thalassidroma pelagica) von einem Fuhrmann mit der Peitsche erschlagen wurde. Immerhin sollte man mit der Bezeichnung »Irrgast« sparsamer und vorsichtiger umgehen, als es gemeiniglich geschieht. Namentlich bei großen Schwimm- und Stelzvögeln wird es sich oft genug nicht um Irrgäste aus freier Natur, sondern um Flüchtlinge aus den Tiergärten und Tierhandlungen handeln, wo solche Vögel ja vielfach in halb freiem Zustande auf den Teichen und Vogelwiesen gehalten werden, sorgfältige Erkundigungen nach dieser Richtung hin erscheinen deshalb bei solchen Vorkommnissen stets dringend geboten. – Weiter ist zu bedenken, daß viele solcher »Irrgäste« wahrscheinlich überhaupt zur Zugzeit gar keine so großen Seltenheiten sind, wie man anzunehmen pflegt. Aber wie viele Menschen gibt es denn bei uns, die z.B. genau auf die schwierig zu beobachtenden östlichen Laubsänger- und Rohrsängerarten achten, und sie von den einheimischen Formen zu unterscheiden vermögen? Früher zur Zeit des Dohnenstiegs gelangten sibirische Drosselarten gar nicht selten in unsere Museen. Das hat seit dem an sich ja sehr gerechtfertigten Verbot des Krammetsvogelfanges nahezu aufgehört, aber trotzdem wird niemand behaupten wollen, daß solche Vögel nicht mehr durch Deutschland ziehen, wenn natürlich auch immer in nur geringer Zahl. Es fehlt eben jetzt nur an der Gelegenheit, solche Seltlinge auch zu erwischen. Für gewisse sibirische Drosseln und Laubsänger bedeutet ein Auftreten auf deutschem Boden oder in Helgoland nicht eigentlich ein Abweichen von dem gewohnten Weg oder gar ein Verschlagenwerden, sondern nur ein Hinausschießen über das Ziel auf der großen ostwestlichen Zugstraße. Ich möchte sie deshalb nicht als eigentliche Irrgäste bezeichnen. Selbst amerikanische Arten sind gelegentlich schon in Europa vorgekommen, namentlich in England und auf Helgoland. Auf welchem Wege mögen sie wohl diese ungeheure Entfernung bewältigt haben? Insofern es sich um Wasservögel handelt, die wie etwa die Möwenarten bei nicht allzu bewegter See schwimmend auf dem Meere auszuruhen vermögen, sind sie meines Erachtens sicherlich über den Atlantik zu uns herübergekommen. Verstärkt wird diese Annahme noch dadurch, daß ja umgekehrt auch zwei beringte deutsche Lachmöwen auf der Insel Barbados und an der Südküste des Golfs von Mexiko geschossen wurden, also gleichfalls den Atlantik überflogen und dabei die gewaltige Entfernung von 14 000 Kilometern zurückgelegt haben. In England beringte Dreizehenmöwen sind gleichfalls schon jenseits des Ozeans in Labrador und Neufundland festgestellt worden. Aber auch für Landvögel wie für amerikanische Drosseln halte ich den Flug über das »große Wasser«, das ihnen vielleicht doch mehr als der »Ententeich« erscheint, für denkbar, namentlich von der Neuen Welt zur Alten, was ja bei den vorherrschenden Luftströmungen nach den Erfahrungen waghalsiger Flieger ungleich leichter ist als der umgekehrte Weg. Abgesehen davon, daß die Bermudas, die Azoren und verschiedene Felsklippen unterwegs Ausruhegelegenheiten bieten, weiß ja jeder, der selbst einmal eine größere Seereise und insbesondere die Überfahrt von Europa nach Amerika mitgemacht hat, wie häufig rastsuchende Vögel das Schiff umschwärmen und sich schließlich auf ihm niederlassen. Sie blieben dort nur so lange, bis sie wieder frische Kräfte gesammelt und sich an den von gutmütigen Menschen gespendeten Nahrungsbrocken gestärkt hatten, und flogen dann wieder ab, auch wenn noch gar kein Land in Sicht war. Gerade diese meist befahrene Strecke der Welt hat aber einen derartig regen Schiffsverkehr, daß der sie überfliegende Vogel kaum jemals ernstlich wegen Ausruhegelegenheiten in Verlegenheit kommt und bei einigermaßen günstigem Wetter einem frühen Wellengrab entgehen wird. Natürlich sind und bleiben das immerhin nur seltene Ausnahmefälle, und bei Sturmwetter sind die Vögel dem Untergang verfallen. Da aber nicht nur die kräftigeren Drosseln, sondern auch die zarten Waldsänger Nordamerikas (sogar der dortige Eisvogel und die Rohrdommel) gelegentlich nach Europa kommen, so hat auch die zuerst von Gätke vertretene und dann von der Mehrzahl der Vogelforscher geteilte Ansicht gewiß ihre Berechtigung, daß solche Vögel auch auf dem Landwege zu uns gelangen können, indem sie die schmale Beringstraße übersetzen und dann in Sibirien ständig westwärts ziehen. Freilich kommen dabei noch viel gewaltigere Strecken in Betracht, aber der Flug führt seiner ganzen Ausdehnung nach über offenes und flaches, keinerlei Hindernisse bietendes Gelände mit zahllosen guten Futterplätzen, und in solchem Falle gibt es für einen Vogel überhaupt keine Entfernung, die er nicht zu bewältigen vermöchte. Jedenfalls steht diese Auffassung in Einklang mit dem unverkennbaren »Zug nach Westen«, der sich wie ein roter Faden durch das ganze Tierreich einschließlich des Menschen hindurchzieht und vielleicht mit der Erdrotation in Zusammenhang zu bringen ist. Klarheit könnte in diese Sache erst kommen, wenn es einmal gelänge, nordamerikanische Vögel genannter Arten in Sibirien nachzuweisen. Aber wer achtet in den unendlichen Einöden Sibiriens auf kleine, unscheinbare Vögelchen? Sicher ist es aber andererseits, daß auch unter den Landvögeln wenigstens so ausgezeichnete Flieger, wie es die Regenpfeifer sind, die überhaupt zu den gewaltigsten aller Wanderer gehören, den Flug über weite Meeresstrecken keineswegs scheuen. Allerdings besitzen auch sie die Fähigkeit, sich bei ruhiger See schwimmend auf der Wasseroberfläche auszuruhen, und sie finden dabei auch wohl etwas Nahrung. Es ist festgestellt, daß z.B. Charadrius dominicus, ein naher Verwandter unseres Goldregenpfeifers, von Alaska nach den Hawai-Inseln zieht, wobei er von den Aleuten bis Honolulu eine offene Meeresstrecke von 3000 Kilometer zu überwinden hat. Nimmt man an, daß er als einer der schnellsten Flieger 90 Kilometer Eigengeschwindigkeit in der Stunde entwickelt und mit einem Winde von 10 Sekundenmetern zieht, so würde er zur Bewältigung dieser Strecke etwa 24 Stunden brauchen. Ich kann mir nicht gut denken, daß eine solche Flugleistung ohne Ruhepause möglich ist, denn schließlich ist auch der ausdauerndste Vogel kein Motor, sondern ein Geschöpf aus Fleisch und Blut.
Um nochmals auf den Begriff der Irrgäste zurückzukommen, sei hier noch bemerkt, daß auch Erdkatastrophen, wie Erdbeben und Vulkanausbrüche, eine plötzliche Auswanderung der Vogelbevölkerung der betroffenen Gegend bewirken, und daß dann solche Vögel plötzlich als unvermutete Irrgäste in weit entfernten Ländern auftauchen können. Offenbar flüchten die Vögel vor Schreck und Angst halb besinnungslos in kopfloser Verwirrung so rasch und so weit, wie ihre Schwingen sie nur tragen können, und machen nicht eher halt, als bis sie sich einigermaßen wieder beruhigt haben. So erschienen nach dem furchtbaren bucharischen Erdbeben des Jahres 1907 zahlreiche Trupps ermatteter Flamingos in den verschiedensten Teilen Rußlands.
Bei plötzlichem Witterungswechsel wird der Beobachter fast immer auf einen starken Vogelzug in der einen oder anderen Form rechnen dürfen, aber andererseits gibt es auch Zeitabschnitte, namentlich solche mit anhaltend gutem Wetter, wo man von Wandervögeln fast nichts zu sehen bekommt. Eines schönen Tages sind unsere gefiederten Freunde eben wieder an ihren Brutplätzen eingetroffen, aber vom Zuge selbst hat man so gut wie nichts gemerkt. Er hat sich sozusagen insgeheim vollzogen. Es muß immer wieder betont werden, daß wir – von wenigen besonders günstigen Beobachtungspunkten abgesehen – vom Vogelzuge hauptsächlich nur die Unregelmäßigkeiten und Abweichungen zu sehen bekommen und diese nicht mit dem regelrechten Zugverlauf verwechseln dürfen. Ob wohl die Mondphasen vielleicht auch einen bestimmten Einfluß auf den Vogelzug haben, insbesondere auf die Aufbruchzeiten? Spielen vielleicht gar Nordlichter irgendwie eine Rolle? Oder sonstige Einwirkungen kosmischer Art, namentlich Sonnenfleckenperioden? Über alle diese Dinge ist noch so auffallend wenig gearbeitet und beobachtet worden, daß sich derartige Fragen mit Bestimmtheit weder verneinen noch bejahen lassen und von einem Eindringen in Einzelheiten vorläufig gar keine Rede sein kann. Hier müßten Laboratariumsversuche einsetzen, um die Empfindlichkeit lebender Zugvögel gegen Einflüsse verschiedenster Art genau festzustellen und ihr Verhalten dabei sorgsam zu beobachten. Daß aber die Vögel im allgemeinen lieber in mondhellen Nächten ziehen werden als in ganz finsteren, erscheint aus naheliegenden Gründen sehr wahrscheinlich.
Weit näher als diese Dinge liegt es freilich für den Vogelzugsforscher, an eine Beeinflussung des Zugsverlaufs durch den Luftdruck, insbesondere durch den Verlauf der barometrischen Depressionen zu denken, die ja so bestimmend auf die Wetterbildung einwirken. Muß doch der Vogel als ausgesprochenes Lufttier gegen Schwankungen und Veränderung des Luftdrucks ganz besonders empfindlich sein. Indessen ist die Lösung auch dieser Frage kaum erst in Angriff genommen und überhaupt keineswegs so einfach, wie es zunächst den Anschein haben könnte. Die Ansichten selbst der Fachmeteorologen stehen sich hier vorläufig noch recht schroff gegenüber, und es sind weitere und ausgedehntere Untersuchungen deshalb dringend nötig. Marek glaubt, daß der Beginn des Herbstzuges verursacht werde durch die Vorstöße der barometrischen Maxima von Norden gegen Mittel- und Südeuropa, während umgekehrt Vorstöße des subtropischen Barometermaximums gegen Norden den Beginn des Frühlingszuges auslösen. Der Herbstzug gliedere sich in mehrere Abschnitte, was von den Vorstößen der barometrischen Maxima abhängt. Im Frühling wandern die Zugvögel auf der Äquatorialseite der barometrischen Depressionen. Unregelmäßigkeiten im Vogelzuge finden hauptsächlich bei veränderlichem Wetter statt, wie es durch eine mannigfache und wechselnde Luftdruckverteilung hervorgerufen wird. Zu ganz ähnlichen Anschauungen ist auch Hübner auf Grund seiner planvollen Beobachtungen des Rotkehlchenzuges in Pommern gelangt. Gallenkamp, der sich hauptsächlich auf die eingehende Beobachtung des Rauchschwalbenzuges in Bayern stützt, fügt noch ergänzend hinzu, daß weniger die absolute Höhe, als vielmehr die größere oder geringere Gleichmäßigkeit des Luftdrucks maßgebend ist. Auch der Ungar Hegyfoky, dem die gewaltige Datenfülle der »Ungarischen Ornithologischen Zentrale« zur Verfügung stand, nimmt eine starke Beeinflussung des Vogelzuges durch die Witterung und namentlich durch den Luftdruck an, ist aber in den Einzelheiten vielfach zu abweichenden Ergebnissen gelangt. Gutes Wetter und steigende Temperatur beschleunigen seiner Auffassung nach im Frühjahr den Vogelzug, während fallende Temperatur und schlechtes Wetter ihn verlangsamen, was ja mit den praktischen Erfahrungen der Jäger und Vogelfänger durchaus im Einklang steht. Längere Zeit anhaltender hoher Luftdruck, der der Sonnenbestrahlung genügend Zeit zur Erwärmung der Erdoberfläche läßt, hat frühzeitige oder doch wenigstens normale Ankunftsdaten im Gefolge. Auch Depressionen im nordwestlichen Teile Europas mit gleichzeitigem Hochdruck im Südosten sind von ähnlicher Wirkung, während Depressionen im Südosten mit gleichzeitigem Hochdruck im Nordwesten Verzögerungen des Frühlingszuges hervorrufen. Im ganzen ist Hegyfoky sehr geneigt, die Wärme als den eigentlichen entscheidenden Witterungsfaktor beim Vogelzug anzusehen, und hier begegnet er sich wieder mit den schon 1855 ausgesprochenen Anschauungen des großen russischen Forschers v. Middendorff.