Johann Gottlieb Fichte
Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution.
Johann Gottlieb Fichte

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Drittes Capitel.

Ist das Recht, die Staatsverfassung zu ändern, durch den Vertrag Aller mit Allen veräusserlich?

Durch Dämmerung geht der Weg aus der Finsterniss zum Lichte. Ich kann meine Leser keinen anderen Weg führen, als den die Natur führt. Ich habe im vorhergehenden vom Rechte eines Volkes, seine Staatsverfassung zu ändern, gesprochen, und habe den Begriff des Volkes nicht bestimmt. Was ausserdem ein grosser Fehler ist, ist keiner, wenn die Natur der Sache ihn mit sich führt. – So lange die grösste Gesellschaft, die ganze Menschheit, das ganze Geisterreich, wenn wir wollen, bloss auf das Sittengesetz bezogen wird, ist es zu betrachten als ein Individuum. Das Gesetz ist das Gleiche, und auf seinem Gebiete giebt es nur einen Willen. Mehrere Individua sind erst da, wo uns jenes Gesetz auf das Feld der Willkür übergehen lässt. Auf diesem Felde herrscht der Vertrag; ihn schliessen mehrere. Wenn zu Ende dieses Capitels der Begriff des Volkes noch unbestimmt ist, dann habe ich Unrecht.

Durch dieses ganze Capitel herrscht die Voraussetzung, dass alle Mitglieder des Staats, als solche, gleich seyen, und dass im Bürgervertrage keiner mehr versprochen habe, als alle ihm versprachen. Dass es so sey oder seyn solle, will ich dadurch gar nicht erschleichen. Ich werde in den folgenden Capiteln davon zu reden haben. Im gegenwärtigen untersuche ich bloss, was daraus auf die Abänderlichkeit der Staatsverfassung folgen werde, wenn es so sey.

Das Recht, die Staatsverfassung zu verändern, könnte durch den Vertrag Aller mit Allen auf zweierlei Art vergeben seyn; nemlich, dass entweder Alle Allen versprochen hätten, dieselbe überhaupt nie abzuändern; oder dass Alle Allen versprochen hätten, es nicht ohne die Einwilligung eines jeden Einzelnen zu thun.

Von dem ersteren Versprechen ist schon oben in Rücksicht auf seine Materie – auf seinen Gegenstand, die Unveränderlichkeit einer Staatsverfassung, gezeigt, dass es schlechterdings unstatthaft sey, weil es geradezu gegen den höchsten Endzweck der Menschheit streitet. In Absicht der Form hätten dies Versprechen Alle Allen gethan; es wäre der gemeinsame Wille; das Volk hätte sich selbst ein Versprechen gegeben. Wenn es nun späterhin der gemeinsame Wille, der Wille Aller würde, die Verfassung abzuändern, wer hätte denn das Recht, Einspruch dagegen zu thun? – Ein solcher vermeinter Vertrag verstösst gegen die formelle Bedingung alles Vertrags, dass wenigstens zwei moralische Personen dazu gehören. Hier wäre nur eine: das Volk. – Diese Voraussetzung ist mithin in sich unmöglich und widersprechend, und es bleibt bloss die zweite übrig, dass nemlich im Bürgervertrage die Uebereinkunft getroffen worden: die Verfassung solle nicht ohne den gemeinsamen Willen, ohne den Willen Aller, abgeändert werden; Alle hätten Jedem versprochen: sie würden ohne seine besondere Einwilligung nicht abändern.

Es scheint sowohl in der Natur der Sache, als auch in unseren eigenen, oben festgestellten Grundsätzen zu liegen, dass ein solches Versprechen im Bürgervertrage gegeben, worden, und dass es gültig und verbindlich seyn muss. Und es ist wahr, oder auch nicht wahr, je nachdem man es nimmt. Da es aber unsere Art nicht ist, den Leser die Sache nehmen zu lassen, wie er will, so haben wir den angenommenen Satz vor allem ein wenig zu zergliedern. – Ein solches Versprechen nemlich enthält in sich folgende zwei: Alle würden ohne Einwilligung jedes Einzelnen nichts Altes aufheben , und: – sie würden keinen der Bürger zwingen, das an seine Stelle gesetzte Neue ohne seine eigene Einwilligung anzunehmen .

Der zweite Theil des Versprechens, dass keinen ohne seine Einwilligung neue Veranstaltungen verbinden sollen, kann vernünftigerweise durch Vertrag gar nicht gegeben werden; das Gegentheil würde, wie oben erwiesen ist, gegen das erste aller Menschenrechte Verstössen. Wer mir durch Vertrag verspricht: kein unveräusserliches Menschenrecht in mir zu kränken, verspricht mir nichts; das durfte er vor allem Vertrage vorher nicht. Der Staat mag es versprochen haben, oder nicht: keine neue Veranstaltung verbindet den Bürger der alten Verfassung ohne seine Einwilligung, und das nicht vermöge Vertrags, sondern vermöge Menschenrechts.

Die Frage über den ersteren Theil des Versprechens scheint auf den ersten Anblick gerade so leicht, und gerade so zu beantworten, und ich sehe voraus, dass die mehresten meiner Leser, welche mit mir denken, eine solche Antwort geben werden. Die Einrichtungen im Staate sind Bedingungen des Bürgervertrags, werden sie sagen; Alle haben gegen Alle sich verbunden, diese Bedingungen zu erfüllen; wenn Einige ohne Einwilligung der Uebrigen sie aufheben, so brechen sie einseitig den Vertrag, und handeln gegen ihre in demselben übernommenen Verbindlichkeiten. Es versteht sich also von selbst, dass keine Einrichtung im Staate ohne die Einwilligung Aller aufgehoben werden könne.

Wenn diese Schlüsse so ganz richtig wären, so liefe unsere Theorie grosse Gefahr, zwar nicht umgestossen zu werden, aber doch den Vorwurf zu verdienen, dass sie im Leben nicht anwendbar sey. Möchte noch so scharf erwiesen seyn, dass jede Staatsverfassung, vermöge des durch das Sittengesetz geforderten Fortgangs der Cultur von Zeit zu Zeit abgeändert und verbessert werden müsse: – wann würde in der wirklichen Welt je eine solche Verbesserung zu Stande kommen können, wenn jedes Mitglied des Staats in der geringsten Veränderung erst seine Einwilligung geben müsste? Und was würde unser Beweis weiter gewesen seyn, als ein Kunstwerk der Schule, ein Probestück des Vernünftelns? – Aber ehe wir so rasch schliessen, lasst uns nur erst ein wenig tiefer in die Natur des Vertrages eingehen, als es gemeinhin zu geschehen pflegt.

Wenn über natürliche Menschenrechte kein Vertrag stattfindet, wie er denn nicht stattfindet; so bekomme ich durch Vertrag auf jemanden ein Recht, das ich nach dem blossen Vernunftgesetze nicht hatte, und er gegen mich eine Verbindlichkeit, die er nach diesem Gesetze ebensowenig hatte. Was ist es, das ihm diese Verbindlichkeit auflegt? Sein Wille; denn nichts verbindet, wo das Sittengesetz schweigt, als unser eigener Wille. Mein Recht gründet sich auf seine Verbindlichkeit ; mithin zuletzt auf seinen Willen, auf den diese sich gründet. Hat er den Willen nicht, so bekomme ich das Recht nicht. Ein lügenhaftes Versprechen giebt kein Recht. – Man lasse sich nicht durch die anscheinende Härte dieser Sätze schrecken. Es ist so, und man darf sagen, wie es ist. Die Moralität, die Heiligkeit der Verträge, wird sich schon unter unseren Folgerungen zu retten wissen.

Ich gebe ein Versprechen dagegen. Ich habe wirklich den Willen, es zu halten, lege mir mithin eine Verbindlichkeit auf, und gebe dem Anderen ein Recht. Er hatte den Willen nicht, und gab mir kein Recht. Hat er mich betrogen? Hat er mich hinterlistigerweise um ein Recht gebracht?

»Ich habe nach dem Naturrechte kein vollkommenes Recht auf die Wahrhaftigkeit des Anderen. Thut er mir ein lügenhaftes Versprechen, so kann ich nicht eher über Verletzung klagen, bis ich durch dasselbe zu einer Leistung verleitet bin,« sagt der scharfsinnigste und consequenteste Lehrer des Naturrechtes, den wir bis jetzt haben.Herr Schmalz in seinem reinen Naturrechte ; der mir es verzeihe, dass ich ihm hier meine Achtung bezeuge. Dass ich nicht aus seinen Grundsätzen, sondern aus den meinigen folgere, wird jeder Kenner schon sehen. Das folgende sey ein Commentar, und, wo es Noth thut, eine Berichtigung dieser Sätze.

Als ich ihm mein wahrhaftes Versprechen gab; nahm ich da wohl an, dass er löge, oder nahm ich nicht vielmehr an, er meine es ebenso aufrichtig, als ich? Wenn ich vorausgesetzt hätte, dass er löge, würde ich ihm dann wohl ehrlicherweise versprochen haben, – würde ich dann den Willen gehabt haben, mein Versprechen zu halten? Mein Wille war also bedingt. Das Recht, das ich ihm durch meinen Willen gebe, ist bedingt. Log er, so erhielt er kein Recht, weil ich keines erhielt. – Es ist gar kein Vertrag geschlossen , denn es ist kein Recht ertheilt , und keine Verbindlichkeit übernommen .

Du sagst mir: wenn auch Er log, so will doch Ich kein Lügner seyn; seine Treulosigkeit soll Meine Treue nicht aufheben; ich will ihm redlich halten, was ich versprach: – und du thust wohl daran; nur musst du die Begriffe nicht vermengen; du musst nicht aus den Grenzen des Naturrechtes in die der Moral übergehen. – Du bezahlst ihm dann keine Schuld; du warst ihm nichts schuldig: du schenkst ihm etwas. Du hältst dein Versprechen nicht auf Anforderung seines Rechtes an dich; er hatte keins: sondern auf Aufforderung deiner Selbstachtung. Es ist dir nicht darum, ihm nicht, – es ist dir darum, dir selbst nicht verächtlich zu werden.

Wahrhaftigkeit ist also die ausschliessende Bedingung je des Vertrages. Wenn Einer von Beiden nicht Wort halten will; noch mehr, wenn Beide es nicht wollen, ist gar kein Vertrag geschlossen.

Beide meinen es in der Stunde des Versprechens aufrichtig. Es ist ein Vertrag zwischen ihnen. Sie gehen hin, und Einer von Beiden, oder Beide, bedenken sich eines anderen und nehmen in ihrem Herzen ihren Willen zurück. Der Vertrag ist aufgehoben; die Versprechen sind ungeschehen gemacht; denn Recht und Verbindlichkeit sind aufgehoben.

Bis jetzt verbleibt die ganze Sache auf dem Gebiete des inneren Richterstuhles. Jeder weiss, wie er selbst es meine; aber keiner weiss, wie der andere es meint. – Ob wirklich ein Vertrag da ist , oder nicht , weiss kein Wesen, als dasjenige, in welchem für beide der gemeinschaftliche innere Richterstuhl ist, die executive Macht des Sittengesetzes, Gott.

Jetzt leistet der eine, was er versprochen hat, und nun geht die Sache in die Welt der Erscheinungen über. – Was folgt hieraus, und was folgt nicht hieraus? – Er macht ohne Zweifel durch seine Handlung klar und sichtbar, dass er es ehrlich gemeint, und von dem anderen geglaubt hat, er meine es gleichfalls ehrlich; dass er wirklich im Vertrage mit dem anderen zu stehen, – dass er ihm ein Recht auf sich gegeben, und eins auf ihn erhalten zu haben glaubt . – Aber erhält er etwa durch diese seine Handlung dieses Recht auf den anderen, oder bestärkt er es auch nur, wenn er es vorher nicht hatte, oder nur halb hatte? Wie wäre das möglich? Ist sein Wille, dass der Andere leisten solle, nicht verbindend für den anderen, so lange dieser noch an der Wirklichkeit desselben zweifeln konnte, so wird er es dadurch gar nicht mehr, dass seine Wirklichkeit in der Welt der Erscheinungen sich bestätigt. Das eine wie das andere Mal ist es doch nur sein Wille; und ein fremder Wille verbindet nie. – Oder um jede mögliche Ausflucht abzuschneiden, – bekommt er etwa durch das äusserliche Zeichen seiner Wahrhaftigkeit ein vollkommenes Recht auf die Wahrhaftigkeit des anderen, d. i. verbindet er etwa durch seine Leistung den anderen, wirklich zu wollen , was er versprochen hat, und durch diesen seinen eigenen Willen sich zu verbinden? Wenn ich auf die Wahrhaftigkeit des anderen nie ein vollkommenes Recht habe, wie kann ich es denn durch meine eigene Wahrhaftigkeit bekommen? Verbindet meine Moralität den anderen zu der gleichen Moralilät? Ich bin nicht Executor des Sittengesetzes überhaupt: das ist Gott. Dieser hat die Lügenhaftigkeit zu strafen: ich bin nur Executor meiner durch das Sittengesetz mir verstatteten Rechte, und unter diese Rechte gehört die Aufsicht über die Herzensreinigkeit anderer nicht.

Also selbst durch die Leistung von meiner Seite bekomme ich kein Recht auf die Leistung des anderen, wenn nicht sein freier Wille, dessen Richtung ich nicht kenne, mir dieses Recht gegeben hat und fortgiebt. – Aber ich werde ja durch die Wortbrüchigkeit des anderen um diese meine Leistung verkürzt. Wie kann nach solchen Grundsätzen noch irgend jemand einen Vertrag zu machen wagen? – Man gehe mit Anwendung derselben nur noch einen Schritt weiter, und alles ist klar, und die Schwierigkeit befriedigend gelöst.

Ich habe geleistet, in der Meinung, der andere habe ein Recht auf meine Leistung; sie sey nicht mein , sie sey sein ; meine Kräfte, die ich dabei verwandte, die Früchte dieser Kraftanwendung seyen ein Eigenthum des anderen. Ich habe mich darin geirrt: sie waren mein , da der andere kein Recht auf mich hatte, weil er mir keins auf sich gab. Vor den Augen des obersten Richters aller Moralität waren sie mein; kein endlicher Geist konnte wissen, wessen sie seyen. Der andere leistet nicht, und nun wird, was vorher nur dem obersten Richter bekannt war, auch in der Welt der Erscheinungen klar. Durch seine Unterlassung wird nicht etwa meine Leistung wieder mein; sie war es vom Anfange an: es wird nur bekannt, dass sie mein ist. Ich behalte mein Eigenthum – das Product meiner Leistung ist mein. – Auch das von meiner Kraftanwendung, was auf reinen Verlust verloren ist, ist mein Eigenthum. Dass es verloren ist, geht mich nichts an; es sollte nicht verloren seyn. In den Kräften des anderen ist es zu finden; auf sie habe ich meine Anweisung. Ich kann ihn zum völligen Schadenersatz zwingen. Nun habe ich doch durch die Wortbrüchigkeit des anderen nichts verloren, Er nichts gewonnen. Wir sind beide in den Zustand, der vor unserer Verabredung herging, zurückversetzt; alles ist ungeschehen gemacht, und so sollte es seyn, denn es war kein Vertrag zwischen uns.

Nur durch die vollendete Leistung an seinem Theile nimmt der andere meine Leistung in sein Eigenthum auf. Sie war sein, kraft meines freien Willens; dass sie es aber sey, wusste niemand, als der Herzenskündiger, welcher wusste, dass er leisten würde. Durch seine Leistung beweiset er auch in der Welt der Erscheinungen, dass sie es sey. – Vor dem unsichtbaren Richterstuhle ist der Vertrag geschlossen, sobald der wahrhafte Wille Beider zur versprochenen Leistung da ist; in die Welt der Erscheinungen tritt er nicht eher ein, bis beide Leistungen völlig vollzogen sind. Der Augenblick, der ihn hier einführt, vernichtet ihn.

Lasst uns dies auf eine fortdauernde Verbindung zu gegenseitigen Leistungen, wie der Bürgervertrag eine ist, anwenden! – Alle haben Allen ein Recht auf sich gegeben, und dagegen ein Recht auf sie übernommen, wenigstens ist das vorauszusetzen, weil anzunehmen ist, sie seyen ehrliche Leute. Dass sie es waren, haben sie in der Welt der Erscheinungen gezeigt; sie haben Alle, jeder an seinem Theile, geleistet, durch Handeln, durch Unterlassen, durch Unterwerfung unter die gesetzmässige Busse, wenn sie unterliessen, wo sie handeln, oder handelten, wo sie unterlassen sollten. So lange keiner durch Worte oder Handlungen einen veränderten Willen zeigt, ist anzunehmen, er sey im Vertrage.

Jetzt ändert einer seinen Willen, und von diesem Augenblick an ist er vor dem unsichtbaren Richterstuhle nicht mehr im Vertrage; er hat kein Recht mehr auf den Staat, der Staat keins mehr auf ihn. Er zeigt seinen veränderten Willen entweder durch eine offene Erklärung, oder dadurch, dass er die vertragsmässige Hülfe unterlässt, und sich der im Falle der Unterlassung gesetzmässigen Abbüssung nicht unterwirft.Nur soviel in der Note: – Wenn das angehe, werde jeder, der gestraft werden solle, aus der Verbindung treten, und so werde die Bestrafung gänzlich unmöglich werden: dürfte man hier sagen, und ich antworte folgerecht: das mag jeder, wenn er will, und der Staat kann ihn dann ohne die höchste Ungerechtigkeit nicht strafen. Vernünftigerweise kann sich niemand der Strafe unterwerfen, als um ferner im Staate bleiben zu dürfen. – Was hieraus auf die Todesstrafe folge? O! um zu zeigen, dass jede Todesstrafe auf bürgerliche Vergehungen Mord sey, bedarf es dieser Umwege nicht. Beleidigt der Bürger an der Gesellschaft unveräusserliche Menschenrechte (nicht blosse Vertragsrechte), so ist er nicht mehr Bürger , er ist Feind ; und die Gesellschaft lässt ihn nicht büssen ; sie rächt sich an ihm, d. h. sie behandelt ihn nach dem Gesetze, das er aufstellte. Wie verhält er sich nunmehr zum Staate, und dieser sich zu ihm? Haben beide Theile noch gegenseitige Rechte und Pflichten, und welche?

Offenbar sind sie gegen einander in den blossen Naturstand zurückgesetzt; ihr ihnen noch jetzt gemeinschaftliches Gesetz ist das Sittengesetz. Was nach diesem Gesetze, im Falle der unterlassenen Leistung, nachdem der eine Theil geleistet hat, Rechtens sey, haben wir oben gesehen: Zurücknahme des Products der Leistung und Schadenersatz.

Aber tritt denn dieser Fall auch wirklich hier ein? Wenn in einer bürgerlichen Gesellschaft Alle gleiche Rechte und gleiche Pflichten haben – und nur davon ist im gegenwärtigen Capitel die Rede – und jeder – im Unterlassungsfalle durch Abbüssung – treulich leistet, was er nach Zeit, Ort und Umständen leisten soll, so sehe ich nicht ein, wie sie je in Abrechnung kommen können. – Bis diesen Augenblick habt ihr mir geleistet, was ihr schuldig wäret; ich euch. Von diesem Augenblicke leistet ihr nicht mehr, und ich nicht. Gleich gegen Gleich geht auf; wir sind quitt. – Es kann seyn, wenn ihr grosse Rechner des Nützlichen seyd, dass ich bei euch in dieser Rücksicht sehr in Rest bin, Aber wir reden jetzt nicht davon; wir reden vom Rechte . Wenn ich in die Lage gekommen wäre, weit mehr für euern Nutzen thun zu müssen, als ihr für den meinigen thun konntet, so war es meine Schuldigkeit, es zu thun; es war euer Recht: ich darf keine Restitutionsklage anstellen; denn was ich für euch that, war laut des Vertrages nie mein, es war euer Eigenthum. Was ihr für mich thatet, dürftet ihr zurückfordern? – es ist rechtlich mein Eigenthum.

Diese letztere Bemerkung deckt denn völlig den falschen Schein aller Sophistereien auf, die man gegen das Recht des Bürgers, seine Constitution zu ändern, aus dem langen Capitel der grossen Wohlthaten ableitet, die er ihr zu verdanken haben soll. Sie alle reden von Dankbarkeit, von Billigkeit; sie alle rechnen auf milde Spenden: davon ist in einer solchen Beurtheilung nicht die Rede; die Rede ist vom strengen Rechte und von Schuldforderungen. Lasst uns nur erst diese Rechnung ins reine bringen; dann werden wir ja sehen, was wir zu verschenken übrig behalten. – So ermahnt uns einer von ihnen, nachdem er seine Klagen über die nichtsbedeutenden Predigten und stumpfen, witzigen Einfälle der Declamatoren, welche Moral und Politik verwechseln, kaum beschlossen hat, die Cultur, die wir doch bloss unserer guten Mutter verdankten, doch nicht zu ihrer eigenen Zerfleischung anzuwenden: aber – lassen wir die Kinder mit ihrer Mutter spielen, und reden als Männer von der Sache!

Welches wären denn die Leistungen, auf welche der Staat eine Restitutionsklage gegen uns anstellen könnte? Unser ganzes Eigenthum, sagen Einige, das hat er euch verliehen, unter der Bedingung, dass ihr seine Mitglieder seyn solltet; – wenigstens das Grundeigenthum, sagen Andere: denn der Grund gehört sein: und diese sind wahrhaftig um nichts grossmüthiger. Indess die Einen uns nackend ausziehen, verweisen die Anderen uns in die Luft; denn Erde und Meer sind ja bereits occupirt, und sogar das noch unentdeckte durch den Papst, vermöge göttlichen Rechtes, verschenkt. Sollte es mit diesen Drohungen völliger Ernst seyn, so müssten wir uns freilich die Lust vergehen lassen, je aus der bürgerlichen Gesellschaft zu treten. Eine Untersuchung über den Rechtsgrund des Eigenthums überhaupt, und des Grundeigenthums besonders, wird die Sache klar machen.

Ursprünglich sind wir selbst unser Eigenthum. Niemand ist unser Herr, und niemand kann es werden. Wir tragen unseren, unter göttlichem Insiegel gegebenen Freibrief tief in unserer Brust. Er selbst hat uns freigelassen und gesagt: sey von nun an Niemandes Sklave. Welches Wesen dürfte uns sich zueignen?

Wir sind unser Eigenthum: sage ich, und nehme dadurch etwas Zweifaches in uns an: einen Eigenthümer und ein Eigenthum. Das reine Ich in uns, die Vernunft, ist Herr unserer Sinnlichkeit, aller unserer geistigen und körperlichen Kräfte; sie darf sie als Mittel zu jedem beliebigen Zwecke gebrauchen.

Um uns herum sind Dinge, die nicht ihr eigenes Eigenthum sind; denn sie sind nicht frei: ursprünglich aber auch nicht das unsere; denn sie gehören nicht unmittelbar zu unserem sinnlichen Ich.

Wir haben das Recht, unsere eigenen sinnlichen Kräfte zu jedem beliebigen Zwecke zu gebrauchen, den das Vernunftgesetz nicht verbietet. Das Vernunftgesetz verbietet nicht, durch unsere Kräfte jene Dinge, die nicht ihr eigenes Eigenthum sind, als Mittel für unsere Zwecke zu gebrauchen, noch, sie geschickt zu machen, es zu seyn. Wir haben also das Recht, unsere Kräfte auf diese Dinge zu verwenden.

Haben wir Dingen diese Form eines Mittels für unsere Zwecke gegeben, so kann kein anderes Wesen sie gebrauchen, ohne entweder die Wirkung unserer Kräfte, mithin unsere Kräfte selbst, die doch ursprünglich unser Eigenthum sind, für sich zu verwenden; oder ohne diese Form zu zerstören, d.i. unsere Kräfte in ihrer freien Wirkung aufzuhalten – (denn dass das unmittelbare Wirken unserer Kräfte vorüber ist, thut nichts zur Sache; so lange die Wirkung dauert, dauert unser Wirken): – das aber darf kein vernünftiges Wesen; denn das Sittengesetz verbietet ihm, die freie Wirkung irgend eines freien Wesens zu stören, und diesem Verbote entspricht in uns ein Recht, eine solche Störung zu verhindern. – Wir haben also das Recht, jeden anderen von dem Gebrauche einer Sache auszuschliessen, die wir durch unsere Kräfte gebildet haben, der wir unsere Form gaben. Und dieses Recht heisst bei Sachen das Eigenthum .

Diese Bildung der Dinge durch eigene Kraft (Formation) ist der wahre Rechtsgrund des Eigenthums; aber auch der einzige naturrechtliche.Das, was Herr Schmalz Accession nennt, gründet sich zuletzt auf Formation. Herr Rehberg hätte also weniger naiv finden können, dass in Schlözers Staatsanzeigen gesagt wird: wer nicht arbeite, solle auch nicht essen. – Wer nicht arbeitet, darf wohl essen, wenn ich ihm etwas zu essen schenken will: aber er hat keinen rechtskräftigen Anspruch aufs Essen.

Er darf keines Anderen Kräfte für sich verwenden; ist keiner so gut, es freiwillig für ihn zu thun, so wird er seine eigenen Kräfte anwenden müssen, um sich etwas aufzusuchen oder zuzubereiten, oder Hungers sterben, und das von Rechts wegen.

Aber der Mensch könne doch nichts Neues hervorbringen, nichts erschaffen, bemerkt Herr Rehberg; die Materie, der er seine Form gebe, müsse doch vorher vorhanden gewesen seyn; wenn er also gleich einen rechtsgegründeten Anspruch auf die Form derselben darthun könne, so sey es doch nie möglich, ein Eigenthum auf die Materie zu beweisen. – Es hat uns aufrichtig leid gethan, dass Herr R. aus der einzigen Bemerkung in seinem ganzen Buche, welche scharfsinnig war, und zu belehrenden Erörterungen führen konnte, eine falsche Folgerung zog. Er wendet nemlich diese Bemerkung auf das Grundeigenthum an; und da nach ihr nach natürlichem Rechte niemand Eigenthümer des Bodens seyn könne, so müsse er dieses Recht vom Staate haben, meint er.

Herr R. hat aus seinem Grundsatze lange nicht genug gefolgert. Nicht nur der Boden ist Materie, die wir nicht her vorbringen; allem, was je unser Eigenthum werden kann, liegt solche Materie, die ganz ohne unser Zuthun vorhanden ist, zu Grunde. – Das Kleid, das ich trage, war freilich ein rechtmässiges Eigenthum des Schneiders, der es verfertiget hatte, das er durch Vertrag auf mich übertrug; das Tuch dazu war Eigenthum des Webers, ehe es an den Schneider kam; die Wolle, aus der es verfertiget wurde, Eigenthum des Heerdenbesitzers; dem wurde die Heerde durch seine angeerbten oder durch Vertrag erworbenen Schaafe zugeboren; das erste Schaaf wurde Eigenthum dessen, der es zähmte und ernährte: aber woher doch dieses erste Schaaf selbst? Es war ohne sein Zuthun organisirte Materie. Uebertrug der Staat diese an den ersten Besitzer, so besitze ich ohne Zweifel auch mein Kleid bloss durch die Vergünstigung des Staates. Trete ich aus der Verbindung, so lässt er es mir ausziehen.

Aber, vor allen Dingen, wie kommt denn der Staat zu einem Rechte, das keiner von den einzelnen Mitgliedern hat, aus denen er besteht? Keiner hat ein Eigenthumsrecht an die Materie, wie ihr sagt; wenn aber alle ihre Rechte vereinigen, soll ein solches Recht daraus werden? Setzt ihr aus mehreren gleichartigen Theilen ein Ganzes zusammen, das von anderer Art ist, als die Theile? Meint ihr, wenn jeder Rum in die Schale giesse, werde Punsch daraus werden? – Das ist unlogisch.

Es ist an sich völlig richtig, dass sich nicht nur kein Eigenthumsrecht auf die Materie, als solche , sondern dass sich auch das Widersprechende eines solchen Rechtes handgreiflich darthun lässt. Ein solches Recht widerspricht dem Begriffe der rohen Materie im naturrechtlichen Sinne . Ist nemlich keine andere Art der Zueignung möglich, als durch Formation, so ist nothwendig alles, was noch nicht formirt, was roh ist, noch nicht zugeeignet, niemandes Eigenthum. Auf die rohe Materie haben wir das Zueignungsrecht , auf die durch uns modificirte das Eigentumsrecht . Das erstere bezeichnet die moralische Möglichkeit; das zweite die moralische und physische Wirklichkeit. Könnt ihr uns die Materie nicht nehmen, ohne die Form mitzunehmen, und dürft ihr diese Form uns nicht nehmen, so wollen wir uns über das Eigenthum der Materie, von der Form abgesondert gedacht , nicht mit euch streiten; wenn ihr sie nur nicht wirklich absondern könnet. Wenn sie nicht unser Eigenthum ist, so ist sie auch nicht das eure; und da ihr uns die Form lassen müsst, so werdet ihr uns die Materie wohl auch lassen müssen. – Man kann, wenn auch nicht streng philosophisch, doch bildlich richtig sagen: Gott sey der Eigenthümer der rohen Materie; wir seyen von ihm damit belehnt, jeder mit der ganzen Materie, die da ist; das Freiheitsgesetz in unserer Brust sey sein Belehnungsbrief; und bei unserer Formation übertrage er uns den wirklichen Besitz. Man hätte also immer jenen alten Gedanken weniger trivial finden können; nur muss man freilich diese Belehnung nicht von Adam, oder von den drei Söhnen Noahs auf uns forterben lassen. Geerbt haben wir sie nicht; jeder hat sie unmittelbar zugleich mit dem Geschenke der moralischen Freiheit erhalten.

Und sollte es denn anders seyn? Wenn die rohe Materie, als solche, irgend jemandes Eigenthum seyn könnte, wie sollten wir denn je zu einem Eigenthum kommen? Was sollten wir uns denn zueignen? Einen Beweis des Eigenthumsrechtes auf die Materie suchen, heisst alles Eigenthum überhaupt aufheben wollen.

Jeder Mensch, – um diese Sätze auf das Grundeigenthum anzuwenden, – hat ursprünglich ein Zueignungsrecht auf den ganzen Erdboden: dass keiner dieses Recht in seiner völligen Ausdehnung geltend mache, dagegen ist schon, theils durch eines jeden eigene Schwäche, theils dadurch, dass jedes Individuum das gleiche Recht hat, gesorgt, – wo ein Anderer schon occupirt hat, ist für ihn nichts mehr zu occupiren. Dass alle Menschen auf einen gleichen Theil Landes rechtlichen Anspruch haben, und dass der Erdboden zu gleichen Portionen unter sie zu vertheilen sey, wie einige französische Schriftsteller behaupten, würde nur dann folgen, wenn jeder nicht bloss das Zueignungs- , sondern das wirkliche Eigentumsrecht auf den Erdboden hätte. Da er aber erst durch Zueignung vermittelst seiner Arbeit etwas zu seinem Eigenthume macht, so ist klar, dass der, welcher mehr arbeitet, auch mehr besitzen darf, und dass der, welcher nicht arbeitet, rechtlich gar nichts besitzt. – Stellt euch einen Haufen Menschen vor, die mit Ackergeräth und Zugvieh auf einer wüsten, unangebauten Insel ankommen. Jeder setzt seinen Pflug in die Erde, wo er will; wo der seinige steht, kann kein anderer stehen. Jeder ackert um, was er kann, und wer am Abend das grösste Stück urbar gemacht haben wird, wird das grösste Stück rechtlich besitzen. – Jetzt ist die ganze Insel umgeackert. Wer den Tag verschlafen hat, wird nichts besitzen, und das von Rechts wegen.

Herr R. indem er die Frage aufwirft:S.13. seines oben angeführten Buches. woher sich das Recht schreibe ,Man hört doch, womit die Leute umgehen! die Gegenstände, die uns nicht gehören, zu bearbeiten ? – eine Frage, die ich oben beantwortet habe, und die auch schon vorher, z. B. in Hrn. Schmalzs Naturrechte,Ein Buch, welches Herr R. entweder lesen musste, ehe er das seinige schrieb, oder es widerlegen musste, wenn er es gelesen hatte. gründlich beantwortet war – schiebt ein accentuirtes »ausschliesslich« ein, welches entscheiden soll, und welches die Wagschale auch nicht um eines Haares Breite neigt. Wenn ich ein Stück rohe Materie unmittelbar in den Händen habe, so ist der andere ja wohl ausgeschlossen; denn er kann es nicht bearbeiten, ohne mir es zu entreissen, und das darf er nicht. Hätte er, indem ich es vom Boden aufnehmen wollte, geschwinder zugegriffen, so wäre es in seinen Händen, und ich wäre ausgeschlossen. Als es noch auf dem Boden lag, hatten wir beide gleiches Recht darauf; jetzt habe ich das ausschliessende, oder, wie Herr R. das ausdrücken würde, das ausschliesslicheAusschliesslich , soviel als ausschliessbar ; als ob der Bearbeiter ausgeschlossen zu werden , und nicht vielmehr alle Anderen selbst auszuschliessen forderte. – Jedem anderen Schriftsteller so etwas aufzurücken, wäre unanständige Sylbenstecherei; dem, der gegen andere sich Seines Tones bedient, geschieht recht daran. Metiri – quemque suo modulo ac pede verum est. Recht, es zu bearbeiten. Ich halte es unmittelbar in meinen Händen.

Doch er redet auch nicht von solchen Dingen, die man unmittelbar in den Händen haben kann, ohnerachtet er im allgemeinen von Gegenständen redet, diese scheinen seiner Gründlichkeit entgangen zu seyn: sein Beispiel ist von Grund und Boden hergenommen. »Wenn ich einen Acker besäen will, ein anderer aber, der keinen tauglichen Acker zur Hand hat, oder eben diesen vorzieht, will ihn auch bearbeiten: woher sollen die Entscheidungsgründe genommen werden?« fragt er. – Wenn das Stück Land, worüber die Frage entsteht, nur wirklich ein Acker ist (oder steht dies Wort nur darum hier, um die anderen, welche müde sind, abzulösen?), so ist die Entscheidung leicht, und man dürfte sagen: wer so frage, sey keiner Antwort werth. Ein Acker ist ungeackert; es muss ihn jemand umgeackert haben; dieser Jemand ist nach dem Naturrechte Eigenthümer, und es wolle doch kein Anderer sich die vergebliche und widerrechtliche Mühe machen, ihn noch einmal zu bearbeiten. Jeder Acker hat einen Eigenthümer, so gewiss er das ist; denn er ist nicht mehr rohe Materie, sondern hat eine Form. Herr R. will den bewussten Acker gar schon besäen – (wenn nicht dieses Alles, und vielleicht sein ganzes Buch, bloss um der beliebten copia dieendi willen da steht): mithin muss er wirklich frisch umgeackert seyn. Das, sollte ich meinen, wäre Grund genug, um jeden Anderen von der Bearbeitung desselben auszuschliessen. – Doch wir wollen uns nicht durch einen Advocatenkniff der Ungeschicklichkeit unseres Gegners bedienen: wir wollen untersuchen, um zu belehren. – Wenn auch der Acker nicht frisch umgeackert wäre, wenn er es auch seit einer Reihe von Jahren nicht wäre, so bleibt der erste Bearbeiter, oder seine Stellvertreter, doch immer rechtmässiger Eigenthümer, so lange noch die geringste Wirkung der ersten Bearbeitung im Boden ist – und wann könnte die je verschwinden? Ist die äussere Spur derselben verschwunden, so ist freilich der, der sich seiner bemächtiget, ohne von der ehemaligen Bearbeitung zu wissen, ein redlicher Besitzer, aber kein rechtlicher. Auf den Einspruch des wahren Eigenthümers muss er seine Bearbeitung unterlassen.

Die folgende Frage Herrn Rs. lässt eine richtigere Deutung zu, und wir wollen diese annehmen, so verdächtig auch die Frage durch ihre Nachbarschaft mit der ersteren wird. »Womit will ich, fragt er, aus der blossen Vernunft beweisen, dass dieser Boden, auf dem Beide stehen, einem eher, als dem anderen gehöre?« Wir wollen annehmen, Boden heisse hier, was es heissen muss, wenn wir uns auf die Frage einlassen sollen: kein urbares, sondern ein rohes, noch nie bearbeitetes Stück Land; und dann verdient die Frage eine Antwort. – Welches ist denn dieser Boden, von dem er redet? Dieser eine und ebenderselbe Boden, auf welchem Beide stehen sollen? Wo begrenzt er ihn denn? Wo schneidet er ihn denn von anderem Boden ab, der nicht mehr derselbe Boden ist, auf dem Beide stehen? Hat ihm nicht etwa seine Phantasie hier den Streich gespielt, ihm ganz in aller Stille Umzäunungen, Gräben, Raine, Grenzsleine unterzuschieben? Das etwas kann nicht da seyn, sonst ist der Boden schon occupirt, und gehört entweder dem Einen, oder dem Anderen, oder Keinem von Beiden, sondern einem Dritten ausschliessend. Verzeihung also wegen des Bodens: reden wir lieber vom Platze! – Auf einem und ebendemselben Platze können Beide nicht stehen; das ist gegen das Gesetz der Undurchdringlichkeit der Materie. Von dem Platze, auf dem der Eine steht, ist der Andere ausgeschlossen; er kann nicht da stehen, ohne Jenen wegzustossen, und das darf er nicht. Jeder ist rechtmässiger und ausschliessender Eigenthümer des Platzes, auf welchem er steht, wenn dieser Platz nicht schon vorher einen Eigenthümer hatte. Er ward es dadurch, dass er sich darauf stellte. Weiter aber, als er es mit seinem Körper bedecken kann, geht sein Eigenthum auch nicht. – Jetzt zieht der Eine eine Furche. Diese Furche ist sein; sie ist das Product seiner Arbeit. Die Furche zu ziehen, war er vermöge seiner vernünftigen Natur berechtigt. – Er könne sein Eigenthum an den Erdschollen nicht beweisen: sagt ihr. – Das kümmert ihn wenig. Wenigstens ist die Furche, zu der er jetzt die Erdschollen umgestaltet hat, sein: nehmt ihm doch die Erdschollen, aber lasst ihm die Furche! – Sein Nachbar zieht hart neben der seinigen auch eine Furche. Das darf er wohl thun, aber wo der erstere gezogen hat, kann er nicht ziehen, ohne die Furche desselben zu zerstören, und das darf er nicht. – So lässt sich demnach die Frage, warum auf nicht occupirtem Boden der Platz, auf dem jemand steht, und die Furche, die er gezogen hat, ihm, und nicht demjenigen, der nicht darauf steht, und der sie nicht gezogen hat, gehöre, befriedigend beantworten, und wir haben in diesem Augenblicke eine von Herrn Bs. Unmöglichkeiten wirklich gemacht.

Ueberhaupt – der rechtmässige Eigenthümer der letzten Form ist Eigenthümer des Dinges. – Ich gebe ein Stück Gold, welches ich rechtmässig, sey es durch eigene Bearbeitung oder durch Vertrag, besitze, an den Goldschmied, mit dem Auftrage, mir einen Becher daraus zu machen. Ich habe ihm einen gewissen Lohn dafür versprochen; zwischen uns scheint ein Vertrag zu seyn. Er bringt den Becher, und ich gebe ihm seinen Lohn nicht. Es war kein Vertrag zwischen uns: seine Arbeit war sein, und bleibt sein. – Aber das Gold ist ja mein? – Mag ich es zurücknehmen, wenn ich kann, ohne den Becher mitzunehmen, oder ihn zu zerstören. Will er mich für meinen Verlust entschädigen, so ist das recht und gut; aber einen rechtlichen Anspruch auf seinen Becher habe ich nicht. Er ist rechtmässiger Besitzer der letzten Form; denn er hat meinem Golde mit meiner Bewilligung Seine Form gegeben. Wäre er unrechtmässiger Besitzer derselben, – hätte er ohne meine Einwilligung mein Gold zum Becher gemacht, so müsste er, mit oder ohne seine Form, mir das Gold zurückgeben.

Aus diesem Allen erhellet, dass nicht der Staat, sondern die vernünftige Natur des Menschen an sich die Quelle des Eigenthumsrechtes sey, und dass wir allerdings nach dem blossen Naturrechte etwas besitzen, und alle Anderen rechtlich vom Besitze desselben ausschliessen können.

Aber was kann uns, die wir im Staate geboren sind, dieses helfen? sagt man. Wir hätten, es sey zugegeben, nach dem blossen Naturrechte uns ein Eigenthum erwerben, und es so gänzlich unabhängig vom Staate machen können. Aber wir haben nun einmal das unsere nicht so erworben; wir verdanken es den Anordnungen des Staates, und werden es ihm, wenn wir aus der Verbindung mit ihm treten, wohl zurückgeben müssen. – Wir werden sehen, ob diese Befürchtung gegründet sey.

Wir wurden freilich arm, nackend und hülflos geboren. Was der Staat zur Entwickelung unserer Kräfte gethan haben will, seine Behauptung, dass wir noch diesen Augenblick eben so arm, nackend und hülflos seyn würden, wenn er nichts gethan hätte – darüber hernach! Jetzt sey mir ein Sprang über die Jahre der unbeholfenen Thierheit hinweg verstattet; unsere Kräfte sollen entwickelt seyn, wir sollen uns selbst helfen können: die Verdienste des Staates um diese Entwickelung werde ich hernach schon anzuerkennen wissen, wenn sie sich aufzeigen lassen. – Unsere Kräfte sind also entwickelt; wir wollen uns etwas zueignen, richten unsere Augen rund um uns herum, und alles hat seinen Eigenthümer, ausser Luft und Licht; aus dem einfachen Grunde, weil sie keiner fremden Form empfänglich sind. Wir dürften die Erde umwandern, ohne etwas zu finden, worauf wir unser Zueignungsrecht, das auf alle rohe Materie sich erstreckt, geltend machen könnten. Es giebt fast keine rohe Materie mehr. – Wollen wir etwa dem Staate darüber Vorwürfe machen, als ob er schon alles weggenommen, und uns nichts übrig gelassen habe? Nein, dadurch würden wir eine grosse Ungeschicklichkeit verrathen, und zeigen, dass wir von der Sache nichts verstehen. Der Staat ist es nicht, der alles schon in Besitz genommen hat: die Einzelnen sind es. Wollen wir mit diesen rechten, dass sie nicht auf uns gewartet, – dass sie nicht auf uns gerechnet haben, ehe wir da waren? Wollen wir ein Recht in der Welt der Erscheinungen fordern, ehe wir erschienen? Dass alle Plätze schon besetzt sind, ist freilich schlimm für uns; aber warum wurden wir auch nicht eher geboren? Jemanden von seinem Platze herabstossen, weil wir eines bedürfen, dürfen wir einmal nicht. Wir mögen also sehen, wie wir zu recht kommen. Das ist unsere Sorge.

Hier nun, meint man, tritt der Staat ins Mittel. Er setzt uns vorläufig in die Mitherrschaft über das Eigenthum unserer Eltern, wenn sie eins haben, und nach ihrem Tode zu Erben desselben ein. – Das wäre grossmüthig vom Staate, einem Uebel abzuhelfen, das er, wie wir eben zugestanden, nicht verursacht hat. Aber man erlaube mir nur vorläufig zur Erweckung der Aufmerksamkeit zu fragen: woher hat denn der Staat das Recht, mir erst die Mitherrschaft, und dann die völlige Herrschaft über ein fremdes Eigenthum zu schenken? Können Alle ein Recht haben, das kein Einzelner hat? Habe ich nicht schon gesagt, dass kein Punsch entstanden seyn könne, wenn jeder nur Rum in die Schale gegossen habe?

Wie es mit der Mitherrschaft der Kinder über das Eigenthum ihrer Eltern nach Grundsätzen des Naturrechts beschaffen sey, werden wir sehen, wo von der Cultur die Rede seyn wird. Jetzt vom Erbe! – Nach dem Naturrechte findet kein Erbschaftsrecht statt, sagt man. Ei? – Gar ein grosses, ausgedehntes; nur muss man die Begriffe rein aufzufassen wissen, und nicht fremdartige, aus der Gewohnheit entlehnte Merkmale durch die Phantasie in sie einmischen lassen.

Sobald einer aus der Welt der Erscheinungen heraustritt, verliert er seine Rechte in derselben. Sein Eigenthum wird wieder so gut als rohe Materie, denn niemand ist Besitzer seiner Form. Die ganze Menschheit ist der rechtmässige Erbe jedes Verstorbenen; denn die ganze Menschheit hat das uneingeschränkte Zueignungsrecht auf alles, was keinen Besitzer hat. Wer es zuerst sich wirklich zueignen wird, wird der rechtmässige Eigenthümer seyn. – So hat die Natur durch das allmählige Abrufen der alten Besitzer vom Schauplatze für diejenigen gesorgt, die sie nachgebiert. Natur und Sittengesetz sind hier im vollkommensten Einverständnisse. Die erstere ist hier, was sie immer seyn sollte, Dienerin des letzteren. – Du sollst keinen von seinem Platze herabstossen, sagt das Gesetz. Ich muss aber einen Platz haben, sagst du. Hier ist dein Platz, sagt die Natur, und stösst herunter, den Du nicht herunterstossen durftest.Der zu Anfange des ersten Capitels belobte Naturrechtslehrer deute mir dies und das folgende nicht so, als ob ich ein historisches Factum erzähle; als ob ich, seinem Ausdrucke nach, meine, dies sey in der Zeit geschehen! Ich finde in meinen Heften darüber keine Nachricht.

Dieses Rennen nach einem Besitze, das doch vergeblich seyn kann; diese Streitigkeiten und Feindschaften, die darüber entstehen müssen, gefallen uns nicht, sagten die Menschen, als sie Bürger wurden; und sie sagten wohl daran. Jeder nehme hinführo, was ihm am nächsten ist, so erspart er sich und anderen den Gang. Er nehme, was in seiner väterlichen Hütte, und um seine väterliche Hütte seines Vaters war; jeder von uns thut Verzicht auf sein Zueignungsrecht an diesen erledigten Besitz, wenn er an seinem Theile auf sein Zueignungsrecht an die Habe jedes anderen verstorbenen Mitbürgers Verzicht thun will. – Du hast demnach das bürgerliche Erbrecht nicht umsonst; du hast ein veräusserliches Menschenrecht – das, jeden Verstorbenen zu beerben, wenn du kannst – dagegen aufgegeben. Hast du nun nur wirklich nicht, so lange du im Staate lebtest, occupirt, so hast du deine Bedingung erfüllt, und der Staat die seinige. Dein väterliches Erbe ist dein, laut des von dir erfüllten Vertrags. Besitze es mit gutem Gewissen, auch wenn du aus dem Staate heraustrittst; fordert er es zurück, so fordere du von ihm alles, was du während der Zeit vom Hinterlasse verstorbener Bürger dir hättest zueignen können, und er wird es dir wohl lassen.

Die zweite Art, wie wir im Staate zu einem Eigenthume gelangen, ist vermittelst Vertrages durch Arbeit. Blosse Arbeit giebt im Staate selten oder nie ein Eigenthum; denn es ist selten oder nie rohe Materie da. Was irgend wir bearbeiten wollen, hat schon seine Form; wir dürfen es nicht bearbeiten, ohne Einwilligung des Eigentümers der letzten Form. Trägt uns dieser die weitere Bearbeitung des Dinges, gegen eine Entschädigung für unsere verwendete Kraft, die ursprünglich unser Eigenthum ist, auf; so wird das, was er von seinem Eigenthume an uns abtritt, unser, durch Vertrag und Arbeit. Er verkauft es uns. – Giebt er uns seine Einwilligung, das Ding willkürlich zu bearbeiten (schon das an sich Nehmen ist eine verwandte Mühe), ohne etwas dagegen von uns zu verlangen, so wird das Ding selbst, gleichfalls durch Vertrag und Arbeit, unser: denn ehe wir eine Mühe darauf verwendet haben, können wir ihn nicht nöthigen, sein Versprechen zu halten; er könnte den Willen gar nie gehabt haben, es uns zu geben, oder ihn geändert haben, und dann wäre es, laut obiger Auseinandersetzungen, nicht unser. Da er aber nichts dagegen in sein Eigenthum aufnimmt, so verkauft er es uns nicht; er schenkt es uns. – Erbe und Arbeitsvertrag erschöpfen alle Arten, auf welche wir im Staate zu einem Besitze gelangen. Handel ist nur ein Tauschvertrag über Besitzungen, deren Besitz schon Erbe, oder Arbeitsvertrag voraussetzt.

»Diese Verträge nun werden doch im Staate, unter dem Schutze des Staates, vermöge der Existenz des Staates, dessen erster Vertrag die Grundlage aller möglichen folgenden Verträge ist, geschlossen; wir verdanken mithin alles, was wir dadurch erlangen, dem Staate.« – Viel auf einmal, und rasch geschlossen! Wir brauchen Zeit, um diese Dinge auseinanderzusetzen.

Fürs erste muss ich hier eine Verwirrung der Begriffe rügen, die, soviel ich weiss, bis auf diesen Tag allgemein geherrscht, und so sehr bis in das Innere der Sprache sich verwebt hat, dass es schwer fällt, ein Wort zu finden, um ihr ein Ende zu machen. Das Wort »Gesellschaft« nemlich ist die Quelle des leidigen Misverständnisses. Man braucht es als gleichlautend bald mit Menschen, die überhaupt in einem Vertrage, bald mit Menschen, die in dem besonderen Bürgervertrage stehen, mit dem Staate; und schleicht sich dadurch über die wichtige Erörterung weg: wie es mit Menschen beschaffen sey, die um, neben, zwischen einander leben, ohne in irgend einem Vertrage, geschweige denn im Bürgervertrage zu stehen? Ich unterscheide beim Worte Gesellschaft zwei Hauptbedeutungen; einmal indem es eine physische Beziehung mehrerer auf einander ausdrückt, welches keine andere seyn kann, als das Verhältniss zu einander im Räume; dann, indem es eine moralische Beziehung ausdrückt, das Verhältniss gegenseitiger Rechte und Pflichten gegen einander. In der letzteren Bedeutung brauchte man das Wort, und liess diese Rechte und Pflichten durch Verträge, entweder überhaupt, oder durch den besonderen Bürgervertrag bestimmt werden. Und so war und musste nothwendig jede Gesellschaft durch Vertrag entstanden seyn, und ohne Vertrag war keine Gesellschaft möglich.

Warum vergass man doch die erstere Bedeutung des Wortes Gesellschaft so gar? – Wesen, die einmal nicht bloss Körper sind, können auch selbst als Körper nie ohne moralische Beziehungen bei einander im Raume seyn. – Richtig; aber? Daran hatte jene alte falsche Vorstellung vom Naturzustande des Menschen Schuld; jener Krieg Aller gegen Alle, der da Rechtens seyn sollte; jenes Recht des Stärkeren, das auf diesem Boden herrschen sollte. Zwei Menschen könnten sich nicht auf eines Fusses Breite nahe kommen, meinte man, ohne dass jeder das vollkommene Recht erhielte, den anderen für einen guten Fund zu erklären, ihn zu ergreifen und zu braten. Wenn keiner recht wisse, ob er auch der Stärkere seyn werde, so müssten sie einander sagen: Iss mich nicht, Lieber, ich will dich auch nicht essen; – und von nun an sey es nicht mehr Rechtens, sich unter einander aufzufressen, denn sie hätten sichs ja versprochen; und ob sie gleich an sich das völlige Recht hätten, sich aufzufressen, so hätten sie doch das Recht nicht – einander ihr Wort nicht zu halten. Nun dürften sie sicher bei einander leben. Eine gründliche Philosophie! Selbst in denjenigen Systemen, wo jene Vorstellung gänzlich verworfen wird, zeigen sich doch nähere oder entferntere Folgesätze derselben.

Die Menschen können allerdings, d. h. es ist moralisch möglich, in Gesellschaft, in der ersteren Bedeutung des Worts, d. i. um, neben, zwischen, unter einander leben, ohne in Gesellschaft in eurer zweiten Bedeutung, im Vertrage, zu stehen. Sie sind dann nicht ohne gegenseitige Rechte und Pflichten. Ihr gemeinschaftliches Gesetz, welches diese scharf genug bestimmt, ist das Freiheitsgesetz; der Grundsatz: hemme niemandes Freiheit, insofern sie die deinige nicht hemmt. – »Aber, würden sich denn auch die Menschen ohne Zwangsgesetze diesem Grundsatze unterwerfen? Würden sie nicht immer mehr darnach fragen, was sie vermöchten, als darnach, was sie dürften?« – Ich weiss, dass ihr euch immer auf eine ursprüngliche Bösartigkeit der Menschen beruft, von der ich mich nicht überzeugen kann; aber es sey: diese Zwangsgesetze gelten auch im Naturzustande; wer meine Freiheit hemmt, den darf ich rechtlich zwingen, sie selbst, und alle Wirkungen derselben wieder herzustellen. – »Du darfst ; aber wirst du allemal können – allemal der Stärkere seyn?« – Immer nur davon, was ich würde , oder werde ; ich rede davon, was ich sollte . Wenn das Sittengesetz die Natur beherrschte, würde ich allemal der Stärkere seyn, wenn ich recht habe; denn ich soll es dann seyn. Ihr versetzt mich unaufhörlich in das Gebiet der Naturnotwendigkeit. Eine kleine Geduld, und ich werde euch die Einwendung, die ihr auf dem Herzen habt, entwunden haben, ohne mich mit euch in die Untersuchung der Hypothese, was der Mensch im Naturzustande wirklich seyn würde , einzulassen.

Die Menschen können auch in Gesellschaft, in eurer zweiten Bedeutung des Worts, d. i. im Vertrage überhaupt, stehen, ohne eben im Staate, im Bürgervertrage zu leben. Was beim Vertrage überhaupt rechtlich sey, wird nicht erst durch eine besondere Art des Vertrages, durch den bürgerlichen, bestimmt; das würde (im Vorbeigehen sey auch das noch für diejenigen erinnert, denen es so einleuchtender ist) ein greiflicher Cirkel seyn. – Wir machen einen Vertrag, dass Verträge überhaupt gültig seyn sollen; und derselbe Vertrag ist gültig, weil, laut unseres Vertrages, Verträge überhaupt gültig sind. – Es ist, wie oben gezeigt worden, durch das Sittengesetz genau bestimmt: – gegenseitige Leistung, oder Zurückgabe der einseitigen Leistung und Schadenersatz. Darauf zu dringen erhalte ich das Recht nicht vom Staate; ich erhielt es zugleich mit dem Geschenke der Freiheit zu meiner Ausstattung vom gemeinschaftlichen Vater der Geister.

Ich habe diese Auseinandersetzung nicht zum blossen Vergnügen übernommen, sondern um eine wichtige Folgerung daraus zu ziehen. – Kann uns der Staat die Rechte, die ursprünglich unser sind, weder nehmen noch geben, so müssen alle diese Beziehungen in der bürgerlichen Gesellschaft wirklich fortdauern. Ein Recht, das ich als Mensch besitze, kann ich nie als Bürger, insofern ich das bin , besitzen. Ein Recht, das ich als Bürger besitzen soll, kann ich nicht schon als Mensch besessen haben. Es ist also ein grosser Irrthum, wenn man glaubt, der Naturzustand des Menschen werde durch den bürgerlichen Vertrag aufgehoben; der darf nie aufgehoben werden; er läuft ununterbrochen mit durch den Staat hindurch. – Der Mensch im Staate lässt sich in vielerlei Beziehungen betrachten. Zuvörderst isolirt, mit seinem Gewissen und dem höchsten Executor seiner Aussprüche allein. Dies ist seine höchste Instanz, der alle seine übrigen Beziehungen untergeordnet sind. Hier kann kein Fremder (die Gottheit ist ihm nicht fremd) sein Richter seyn. Das Gesetz, wornach der unsichtbare Richter dieses Gerichtshofes spricht, ist das Sittengesetz, insofern es sich bloss auf die Geisterwelt bezieht. In dieser ersten Beziehung ist er Geist . – Dann ist er zu betrachten in Gesellschaft, unter anderen seines Gleichen lebend. In diesem Verhältnisse ist sein Gesetz das Sittengesetz, inwiefern es die Welt der Erscheinungen bestimmt, und Naturrecht heisst. Vor diesem äusseren Gerichtshofe ist jeder sein Richter, mit dem er lebt. Er ist in dieser Beziehung Mensch . – Jetzt schliesst er Verträge. Das Feld der Verträge ist die Welt der Erscheinungen, insofern sie durch das Sittengesetz nicht völlig bestimmt ist. Sein Gesetz auf demselben ist die freie (vom Gesetz befreite) Willkür. Verletzt er durch Zurückziehung seiner Willkür die Freiheit des anderen, so ist seine Willkür nicht mehr frei; sie tritt unter das Gesetz zurück, und er wird nach dem Gesetze gerichtet. Er kann solcher Verträge schliessen, so viele und so mancherlei er will. – Er kann unter ihnen auch den besonderen Vertrag Eines mit Allen, und Aller mit Einem schliessen, den man den Bürgervertrag nennt. Das Feld dieses Vertrages ist ein beliebiger Theil des Gebietes der freien Willkür. Gesetz und Rechte sind, wie bei dem Vertrage überhaupt, wovon dieser eine Art ausmacht. Inwiefern er in diesem Vertrage steht, heisst er Bürger. – Man ziehe, um sich den Umfang und das Verhältniss dieser verschiedenen Gebiete anschaulich zu machen, einen Cirkel. Diese ganze Scheibe sey das Gebiet des Gewissens. Man ziehe innerhalb seines Umkreises einen viel kleineren. Dieser umfasst die sichtbare Welt; denjenigen Theil vom Gebiete des Gewissens, auf welchem, unter ihm, auch noch das Naturrecht, das Gesetz der vollkommenen Pflichten richtet. Man ziehe innerhalb dieses zweiten einen dritten kleineren. Innerhalb seines Umkreises richtet, unter Gewissen und Naturrecht, auch noch das Vertragsrecht. Innerhalb dieses dritten einen vierten kleineren gezogen, giebt den Platz, auf welchem unter obigen Richtern der besondere bürgerliche Vertrag richtet. Um meinen Gedanken anschaulicher zu machen, erlaube ich mir folgende Zeichnung hinzuzufügen.

Nur das ist noch anzumerken, dass die höheren Gerichtshöfe unsichtbar ihr Gebiet durch die Felder der niederen durchführen; dass das Naturrecht selbst in seinem Gebiete nur über solche Gegenstände spricht, die das Gewissen frei gelassen hat u. s. f. Die eingeschlossenen Cirkel umfassen gar nicht eben das , welches innerhalb ihrer Umkreise die ausgeschlossenen umfassen; sondern in diese Umkreise fallen nun ganz andere Gegenstände, über welche ihr Gericht sich erstreckt. Um es ganz anschaulich zu machen, müsste man vier dergleichen Cirkel ausgeschnitten über einander legen. – Das Gebiet des Gewissens umfasst alles; das des Bürgervertrages das wenigste. Es muss jedem erlaubt seyn, sich vom Mittelpuncte aus gegen den Umkreis, selbst aus dem Gebiet des Naturrechts heraus, wenn er auf einer wüsten Insel leben will, zurückzuziehen; aber aus dem Gebiete des Gewissens geht er nie heraus, wenn er kein Thier ist. – Man urtheile jetzt, mit welcher Befugniss der Staat, dessen Gebiet doch auf den engsten Raum eingeschlossen ist, über seine Grenze hinübergreift; das Feld der Verträge überhaupt, wohl gar das des Naturrechts, und, so Gott will, selbst das des Gewissens zu erobern sucht.

Nur durch Unterscheidung dieser verschiedenen Gebiete entwickeln sich die Trugschlüsse jenes griechischen Sophisten und seines würdigen Schülers. – – – Wenn du deinen ersten Process gewinnst, zahlst du mir hundert Talente; verlierst du ihn, so zahlst du mir nie etwas; sagte der erste zum letzteren, und unterrichtete ihn in seiner Kunst. Der Lehrer brauchte Geld; der Termin der Zahlung verzog sich; er ging und belangte seinen Schüler vor Gericht. – Er zahlt mir in jedem Falle die hundert Talente, ihr Richter, sagte er, – vermöge eures Ausspruchs, wenn Ihr ihn zur Zahlung verurtheilt, – vermöge unseres Vertrags, – wenn er den Process gewinnt; er hat dann seinen ersten Rechtshandel gewonnen. Nein, antwortete der würdige Schüler, ich zahle in keinem Falle etwas; zahle nicht, wenn euer Urtheil günstig für mich ausfällt, vermöge eures Richterspruchs; zahle ebensowenig, wenn es ungünstig ausfällt, vermöge unseres Vertrags: denn ich habe dann meinen ersten Rechtshandel nicht gewonnen. Die Richter – es waren Athenienser – gaben einen Einfall, wo sie keine Entscheidung geben konnten. – Jeder Leser – Sie verzeihen mir, wenn ich zuweilen unerwartet examinire, – der die obige Theorie verstanden hat, entscheidet diesen Handel auf den ersten Anblick. «Wer ihn nicht entscheidet, hat sie nicht verstanden, und denke sie so lange durch, bis er ihn entscheidet!
Wer sieht nicht, dass der alte und der junge Sophist den Handel dadurch verwirren, dass sie von einem Gebiete in das andere überspringen wollen; und dass der alte durch die sonderbare Bedingung des Vertrags es auf eine solche Verwirrung angelegt hatte? Jeder will auf das Feld des Staats flüchten, wenn der andere ihn auf dem Gebiete der Verträge, und in das Gebiet der Verträge, wenn der andere ihn auf dem Felde des Staats suchen wird; und wenn ihnen das erlaubt ist, so werden sie nie auf einander treffen. Hättet ihr sie an ihren wahren Gerichtshof gewiesen, atheniensische Richter! Was bei Verträgen Rechtens sey, sagt kein Areopagus; dies Gesetz ist älter als er. Ihr gegenwärtiger Handel gehört gar nicht vor euren Richterstuhl; es ist kein bürgerlicher Process. Lasst sie hingehen, und an dem Schüler die Bedingung des Vertrags bei einem wahren Processe erfüllt werden, dann sprecht nicht Ihr, sondern die Sache selbst, das Urtheil. Mag dann der Lehrer kommen, und den Staat, nicht um Entscheidung was Rechtens sey , sondern um die dem Bürgervertrage gemässe Beschützung seines natürlichen Rechts anflehen. Dann habt ihr ein Geschäft; jetzt noch nicht.

Was ich während meines Lebens im Staate durch irgend einen Vertrag gewonnen habe, ist demnach mein, als Mensch , und nicht als Bürger . Musste ich nicht eine moralische Person seyn, um einen Vertrag schliessen zu können? Bin ich denn, als Bürger betrachtet, eine moralische Person? Habe ich denn als solcher einen freien Willen? O nein, nur wenn ich mit allen zusammengenommen werde, entsteht erst diese moralische Person: durch den Willen Aller entsteht also erst der Wille des Staats. Soll ich überhaupt einen Vertrag schliessen können, so muss ich ihn als Mensch schliessen. Als Bürger kann ich nicht. – Der andere, der ihn mit mir schloss, hat ihn gleichfalls als Mensch geschlossen, und das aus dem angeführten Grunde.

Selbst wenn ich den Vertrag mit dem Staate geschlossen hätte, habe ich ihn nur als Mensch schliessen können, und das ist in diesem Falle fast noch einleuchtender, als im vorigen. Die zwei freiwilligen Entschliessungen, die zum Vertrage gehören, sind die des Staats und die meinige. Wäre mein Wille in dem Willen des Staates mit eingeschlossen gewesen, so war nur ein Wille; der Staat schloss einen Vertrag mit sich selbst, welches sich widerspricht. Habe ich geleistet, und der Staat geleistet, so ist der Vertrag vollzogen; meine Leistung bleibt dem Staate, und die des Staates mir.

Aber, sagt man, wenn der Staat nicht thäte, so würdest du auf die Heiligkeit der Verträge, die du doch immer als Mensch schliessen magst, nicht sehr rechnen können. Hielte der andere sein Wort nicht, so hättest du freilich nach dem Naturrechte die Befugniss ihn zu Rückgabe der Leistung und Schadenersatz zu zwingen; aber du würdest nicht immer der Stärkere seyn. Dieses nun ist an deiner Stelle der Staat. Er verhilft dir zu deinem Rechte, das du doch immer ein Menschenrecht nennen magst – wenn es jemand verletzt; die Scheu vor ihm ist der Grund, dass es seltener verletzt wird; – und so hätten wir denn den Einwurf, dessen Widerlegung wir oben versprachen, mehr in der Nähe.

Gegen Wen hat der Staat mein Recht geschützt – gegen einen Fremden, oder gegen einen Mitbürger? – Hat er es gegen den Fremden geschützt, so war er durch den blossen Vertrag dazu verbunden. Ich war damals im Vertrage. Ich gehörte auf eine oder die andere Art – sey es auch bloss dadurch, dass ich ihm keine Störung in den Weg legte – selbst mit zum schützenden Körper. Ich half die Rechte anderer Mitbürger auch schützen. Ich that das Meine; der Staat das Seine. Das ist nun vorbei. Unser Vertrag ist vollzogen, und jeder behält das Seine. – Wenn ich aus dem Vertrage heraustrete, so fällt freilich die vollkommene Pflicht des Staates, mein Recht zu schützen, weg; weil die meinige, das Recht anderer schützen zu helfen, wegfällt. Ich muss dann sehen, wie ich mir selbst helfe.

Hat er es gegen einen Mitbürger geschützt, so wiederhole ich das obige; aber ich setze noch weit mehr hinzu. – Ich schloss mit meinem und eurem Mitbürger den Vertrag, als Mensch mit dem Menschen. Das Naturrecht und kein anderes ist hier unser Gesetz. Er verletzt mich und setzt sich dadurch zu mir in das Verhältniss eines Feindes. Ich habe das Recht, ihn feindlich zu behandeln, bis ich in mein völliges Eigenthum wieder eingesetzt bin. Ihr wollt nicht, dass ich euren Mitbürger feindlich behandle? Nun wohl, so verhelft ihr selbst mir friedlich zu meinem Rechte. Sobald ihr dadurch, dass ihr euch meiner rechtmässigen Verfolgung desselben entgegensetzt, seine Partei ergreift, so wird die Sache eure Sache. Ihr alle seyd nunmehr die Eine moralische Person, die vor dem Gerichtshofe des Naturrechtes angeklagt wird; und ich bin die zweite moralische Person, welche klagt. Ich bin jetzt nicht Bürger. Gebt mir friedlich mein Recht, oder ich überziehe euch mit Krieg. Ich sey euer Mitbürger, oder ich sey ein Fremder; ich sey aus eurem Staate herausgetreten, oder ich sey überhaupt nie darin gewesen, das thut hier nichts zur Sache: in dieser Handlung bin ich überhaupt nicht Bürger. »Wie? Du Einzelner willst den ganzen Staat mit Krieg überziehen? Du bist sicher der Schwächere.« – So? Habt ihr euch vereiniget, ungerecht zu seyn, und tritt man darum mit euch in Verbindung, um ungestraft rauben zu können? Wenn ihr so philosophirt, so lasse ich euch stehen, und setze meinen Gang weiter fort.

Es ist jetzt erwiesen, dass alles Eigenthum, das wir im Staate erworben und er uns geschützt hat, rechtlich unser bleibe, wenn wir auch aus dem Staate heraustreten: und wir stehen bei dem zweiten Gegenstande, über welchem er uns mit einer Restitutionsklage bedroht, bei unserer in demselben erworbenen Cultur . – So fürchterlich auch der erstere Process war, so ist dieser es doch noch weit mehr. Hätte man uns auch, wie man drohte, nackend ausgezogen, und von Erde und Meer verwiesen, so hätten wir doch vielleicht ein Mittel ausfindig gemacht, um in die Luft zu entkommen, und da hätten wir denn ruhig existiren dürfen. Aber um alle unsere körperlichen und geistigen Fertigkeiten uns abzunehmen, dazu giebt es kein Mittel, als das, uns mit einem grossen Hammer auf den Kopf zu schlagen.

Unsere Cultur also fordert der Staat, als das Seine, zurück. Können wir sie ihm nicht wiedergeben, so bleiben wir ohne jemalige Rettung an ihn gefesselt. Wir gestehen, dass er ein Mittel, das beste, wohlthätigste Mittel, wird er sagen, – gefunden hat, um uns auf immer an sich zu ketten. Was wollen wir sagen? Menschheitsrechte zurückfordern? Wir verdanken ihm ja, wenn auch nicht die Möglichkeit Menschen zu seyn, doch das Bewusstseyn dieser Menschheit selbst. – Verehre die Menschheit in mir, sagst du: Undankbarer, antwortet der Staat, wärest du denn ein Mensch, wenn ich dich nicht dazu gemacht hätte? Wendest du Ansprüche gegen mich, die ich selbst erst in dir geltend gemacht habe ? O! hätte ich dich doch nie ahnden lassen, dass du mehr seyest als ein Thier, so würde ich jetzt nicht so viel Noth mit dir haben.

Also, du hast mich zu dem Endzwecke gebildet, o Staat, dass ich dir für deine Zwecke nützlich würde, nicht mir für die meinigen. Du hast mich behandelt wie ein Stück rohe Materie, das dir zu etwas nütze seyn sollte. Jetzt gebe ich selbst mir Zwecke auf, und will sie selbst ausführen. Dazu hast du mich nicht gebildet, sagst du. – Nun wohl. Also habe ich diese Art von Cultur nicht von dir, und gebe sie nicht zurück. Wenn du mir nur diese lassen musst; die für deine Zwecke – ich will dir mein Ehrenwort geben, sie nie zu gebrauchen.

Die Bildung, die du mir gabst, gabst du mir also nur unter der Bedingung, dass ich auf immer der deinige sey? Hast du mich denn gefragt, ob ich diese Bedingung eingehe? Habe ich denn die Sache überlegt, und gesagt: Ja? – Ich komme hungernd herab in die Herberge der Pilger. Ich finde gerade vor meinem Platze ein rothes Linsengericht, nehme es begierig an mich, und danke in meinem Herzen dem unbekannten grossmüthigen Geber. Du fällst aus deinem Schlupfwinkel heraus, ergreifst mich und sprichst: du bist mein; warum hast du dies Gericht gekostet? Es war der Kaufpreis für deine himmlische Erstgeburt. – Das ist weder grossmüthig, noch gerecht.

Hättest du mich aber auch gefragt, hätte ich dir auch geantwortet; hätten wir wirklich einen Vertrag geschlossen: worüber hätte doch dieser Vertrag sich erstrecken können? Du hättest mir gesagt: ich will dich aus einem bloss leidenden Thiere zu einem selbstthätigen Menschen machen? und ich hätte dir dagegen versprochen, nie selbstthätig zu werden; du hättest mir gesagt: ich will dich dahin bringen, dass du selbst urtheilen könnest; und ich hätte dir feierlich zugesagt, nie selbst zu urtheilen? – Du gestandest ja, dass ich noch unausgebildet sey; denn wozu hättest du mich sonst ausbilden wollen? Ehe du aber die Hand ans Werk legest, soll ich deine Verfassung beurtheilen und billigen? Wie kann ich das doch jetzt, Lieber? Vollende erst dein Werk; mache mich erst zu einem vernünftigen Menschen, dann werden wir ja sehen. Du magst freilich den Nebenzweck haben, mich durch die Cultur, die du mir giebst, in den Stand zu setzen, deine Verfassung schön und vortrefflich zu finden, und sie aus Ueberzeugung lieben zu lernen: aber dazu kannst du mich nicht im voraus verbinden; wenn du anders nicht etwa mich nicht cultiviren, sondern verdrehen und verkünsteln, nicht mein Auge schärfen, sondern ein gefärbtes Glas darauf setzen willst. Gieb mir die verheissene Cultur. Werde ich durch sie zur Liebe deiner Verfassung gebracht, so hast du ja deinen Zweck erreicht. Werde ich nicht dazu gebracht, so taugt entweder die vorgebliche Cultur nichts, die du mir gabst, und du hast dein Wort nicht gehalten; oder, wenn sie taugt, so muss deine Verfassung nichts taugen. Kann ich dein Geschenk besser anwenden, als zu deiner eigenen Verbesserung? – Doch, was antworte ich auch den Leuten nach ihrer Weise? Was tummele ich mich auch mit den Sophisten auf ihrem eigenen Felde herum? Sie verdauen wohl grössere Widersprüche, als diese. Ich rede mit dem unparteiischen Wahrheitsforscher.

Die Cultur lässt sich dem Menschen nicht so aufhängen, wie ein Mantel auf die nackten Schultern eines Gelähmten. Gebrauche deine Hände, greif zu und halte fest, und schmiege das Gewand in alle die eigenen Biegungen deines Wuchses: oder du wirst ewig Blössen geben und frieren. Was ich bin, verdanke ich zuletzt mir selbst, wenn ich für mich etwas bin. Bin ich nur mit, in oder an anderen etwas – ein Hausrath, der das Zimmer putzt, und selbst wieder vom Zimmer seinen höchsten Reiz entlehnt, oder ein Degen, der nur in der belebten Hand verwundet, oder eine Flöte, der ihre süssen Töne erst der Mund des Virtuosen einhauchte, so seyd sicher, dass ich nicht selbst aus eurem Zimmer gehen, eurer Hand mich entwinden, von eurem Munde mich abziehen werde. Hast du mich dazu gemacht, o Staat, und habe ich mich dazu machen lassen, so magst du das vor einem anderen Richterstuhle verantworten; ich wenigstens werde dich nie zur Rechenschaft ziehen. – Wer seine Cultur gegen den Staat wendet, der hat sie nicht vom Staate; und wer sie vom Staate hat, wendet sie nicht gegen den Staat.

Soll ich meinem Leser alles sagen? Soll ich den eben erst entwickelten Unterschied zwischen Gesellschaft und Staat auch hier anwenden? Cultur geben kann weder die erstere, noch der zweite; niemand wird cultivirt. Der Mittel zur Cultur giebt die erstere ungleich mehrere und ungleich brauchbarere, als der letztere. Beider Einfluss auf unsere Cultur verhält sich wie ihr beiderseitiges Gebiet.

Ich will hier nicht des Grundzuges in der sinnlichen Natur des Menschen gedenken, dass sie vor der Hülflosigkeit ihre ganze Stärke auszieht, und bei ihrem Anblicke nichts fühlt, als Erbarmen gegen die Schwäche. Ist es der Staat, der diesen Zug in unser Inneres zog? Ich will nicht des animalischen Instinctes im Menschen gedenken, das aus sich, oder aus seinem Weibe Geborene zu lieben. Ist es der Staat, der ihn uns einprägte? Ich will nicht erinnern, dass der Augenblick der Erscheinung eines Menschen für Ein menschliches Wesen nothwendig ein Augenblick der Freude ist, weil derselbe es einer drückenden Bürde und quälender Schmerzen entlastet; – will nicht erwähnen, dass der erste Zug aus der Brust meiner Mutter mich mit einem menschlichen Wesen in das süsse Verhältniss des gegenseitigen Wohlthuns versetzte. Sie gab mir Nahrung, und ich entledigte sie einer Last.Deine Mutter hat vielleicht andere Mittel gefunden, sich derselben zu entledigen. Sie mochte nichts von dir annehmen, um dir nicht etwas geben zu müssen. Aber lass das! Du hattest wohl eine Amme. Geh und danke ihr, oder weine eine Thräne auf ihr Grab, wenn sie todt ist. Mag sie doch auch in aller Menschen Augen ein verächtliches Geschöpf gewesen seyn; mag sie doch auch mit ihrer Milch das Gift in deinen Körper gegossen haben, das bis diesen Augenblick deine Nerven zerreisst, und sie zerreissen wird bis an das Grab, – das ist wenig – dennoch band sie, was deine Mutter nicht thun wollte, an dein Herz den einzigen Endpunct der grossen Kette, die in die Ewigkeit hinausgeht, und die von ihr, dem ersten Puncte aus, endlich alle Wesen mit demselben verbinden wird – die des gegenseitigen freien Gebens und Nehmens.
Fahre hin, geschärfter Pfeil, und zerreisse das Herz jeder Mutter, das du triffst: aber entfliege nicht ohne den lindernden Balsam, dass – höchstmöglichster Ersatz des verursachten Schadens, Besserung für die Zukunft, oder, wo diese nicht möglich ist, gegründete Ueberzeugung, dass man im vorkommenden Falle anders handeln würde, Warnung und Ermahnung für andere – aber auch nur das, das Geschehene völlig ungeschehen mache. Und möchtest du dann doch immer tief verwunden, um den alten bösen Schaden aufzustechen und ihn zu heilen.
Ist es der Staat, der dieses heilige Naturgesetz gab? – Ich will dies alles nicht erwähnen, denn ich will den Menschen hier nicht betrachten als Thier, sondern als Geist: ich will nicht von den Zügen seiner sinnlichen Natur, sondern von seinen Rechten reden.

Mein erster Schritt in die Welt der Erscheinungen geschieht an einer fremden Hand; und diese Hand giebt mir, indem sie sich mir bietet, vollgültige Ansprüche an sich. Hast du mich darum hervorgezogen, um mich hülflos verderben zu lassen? Verderben konnte ich ohne dich; du sagst mir die Erhaltung zu: hältst du dein Wort nicht, so klage ich dich über alle die Leiden an, die ich seit deiner Hervorziehung an das Licht des Tages bis zu meinem Abschiede von ihm erdulde. Ich darf klagen, denn ich trage das dir wohl bekannte Gepräge der Vernunft an mir.

Mein erstes Weinen ist ein Aufruf an die Welt der Geister, dass wieder einer von ihnen in die Welt der Erscheinungen eingetreten sey, und seine Rechte in ihr geltend machen wolle; – ist eine feierliche Erklärung und Ankündigung dieser Rechte für die gesammte Natur; ist eine feierliche Besitznehmung derselben. Durch nichts anderes konnte ich sie auch in Besitz nehmen, als durch dieses ohnmächtige Weinen; ich kann nichts weiter. Du, der du es hörst, erkenne in mir deine Rechte, und eile herbei, sie zu beschützen, bis ich es selbst könne. Du schützest in mir die Rechte der gesammten Menschheit.

Das ist der Rechtsgrund der elterlichen Gewalt. Wenn einer, der menschlich Antlitz trägt, unfähig ist, seine Menschenrechte zu behaupten, so hat die ganze Menschheit Recht und Pflicht, sie statt seiner auszuüben. Sie werden ein gemeinsamer Antheil, und ihre Behauptung eine gemeinsame Pflicht des ganzen Geschlechtes; in ihrer Verletzung wird das ganze Geschlecht verletzt. – Etwas, worauf die ganze Menschheit gemeinschaftliche Ansprüche hat, fällt dem anheim, der sich seiner zuerst bemächtiget. Das unvernünftige Ding wird selbst ein Eigenthum; das des Gebrauches der Vernunft unfähige Wesen kann nicht selbst Eigenthum seyn, aber seine Rechte werden ein Eigenthum desjenigen, der sich ihrer bemächtiget. Bemächtigung geschieht hier durch Ausübung derselben. Die Geburtshelferin, die mich an das Licht hervorzog, und in die Welt der Erscheinungen hinlegte, übte in ihr mein erstes Recht aus. Ich hatte Anspruch auf einen Ort im Raume. Ich konnte ihn nicht selbst einnehmen; sie that es statt meiner, als sie mich hinlegte, wo ich selbst mich nicht hinstellen konnte. Hätte sie nicht durch Vertrag meinen Eltern versprochen, ihr Recht auf mich an sie zurück abzutreten; hätte sie nicht überhaupt laut dieses Vertrages im Namen meiner Eltern gehandelt, so wären meine Rechte durch diese erste Ausübung derselben die ihrigen: so aber sind sie meinen Eltern. – Ich darf rechtlich jedes auch noch so fremden Kindes Rechte occupiren, wenn ich es bei seinem Eintritte in die Welt auffasse und kein Vertrag mich verbindet, sie zurückzugeben. Dass gemeinhin die Eltern der Rechte ihrer Kinder sich bemächtigen, kommt daher, weil sie bei Erscheinung derselben die nächsten sind, sie vorhersehen, und schon im voraus Anstalten zu ihrem Empfange in der Welt getroffen haben. Es ist demnach zufällig. Ein ausschliessendes Recht auf ihre Kinder, als Eltern derselben, haben sie nach dem Naturrechte nicht. Sie machen ihr mit der ganzen Menschheit gemeinschaftliches Zueignungsrecht nur durch Occupation zu einem Eigenthumsrechte. – Die Anwendung dieser Theorie auf Wahnsinniggewordene überlasse ich dem Leser, und ersuche ihn, sich daran zu prüfen, ob er sie richtig gefasst habe.

Habe ich die Rechte eines ohne Gebrauch der Vernunft vernünftigen Wesens zu den meinigen gemacht, so bleiben sie gegen jeden fremden Einspruch die meinigen, eben darum, weil sie mein sind. – Du verlangst dieses unmündige Kind, dessen Rechte ich rechtlich occupirt habe, in deinen Schutz. Und wärest du sein Erzeuger oder seine Gebärerin, so darf ich dir sagen: Nein. Hätte wohl dieses unmündige Kind, wenn es nicht unmündig, sondern seiner Vernunft mächtig wäre, das Recht dir zu sagen: ich will deines Schutzes nicht? Hätte es ohne Zweifel dieses Recht, so habe ich es, wenn seine Rechte die meinigen sind, und ich sage dir als Executor seiner Rechte: ich will deines Schutzes nicht. Willst du dich mit mir darüber vertragen, so magst du das wohl, und ich mag es. Aber rechtlich sie von mir zurückzufordern, hat keiner das Recht, als er selbst. Er wird, so wie seine Vernunft sich entwickelt, eins nach dem anderen selbst ausüben, er wird sich Schritt vor Schritt von meinem Ich ablösen, um ein eigenes zu bilden: und das wird mir Winkes genug seyn, in keines Fremden Rechte einzugreifen, und thue ich es, so wird er rechtlich mich in meine Grenzen zurückweisen. – Ich weiss, dass über die hier hereinfallenden Puncte der Staat von jeher mancherlei verordnet hat; ich weiss aber auch, dass der Staat von jeher gearbeitet hat, uns auf jede Art zu gewöhnen, Maschinen zu seyn, statt selbstständige Wesen zu seyn.

Uebernahm ich seine Rechte, so übernahm ich zugleich seine Pflichten, vermöge deren er allein Rechte hat. Ich handle ganz in seine Seele, und meine Vernunft tritt völlig an die Stelle der seinigen. Ich übernahm seine Verbindlichkeiten gegen andere. Dieses Kind hat dir Schaden zugefügt; dein Schaden muss ersetzt werden; an dasselbe kannst du dich nicht halten, es ist seiner Vernunft nicht mächtig. Du hältst dich an mich, der ich statt seiner Vernunft zu haben mich anheischig gemacht. Ich bin dir gleichsam das Unterpfand für ihn. – Ich übernehme seine noch weit höheren Verbindlichkeiten gegen sich selbst; seine Beziehungen auf das Sittengesetz an sich. Er ist berufen, durch Cultur auf den höchsten Endzweck aller moralischen Wesen hin zu arbeiten. Um das zu können, muss er vor allen Dingen in der Welt der Erscheinungen, in die er aufgenommen ist, leben können. Ich bin ihm Unterhalt schuldig, denn er selbst ist ihn sich schuldig, und ich handle an seiner Stelle. Dagegen habe ich das Recht, die Producte seiner sich entwickelnden Kräfte in mein Eigenthum aufzunehmen, denn seine Kräfte sind die meinigen. Dies ist das Miteigenthum im Naturstande, welches richtiger das Recht des Mitgenusses heissen würde; denn ein eigentliches Eigenthum kann keiner haben, der nicht occupiren kann, und ein Kind kann das nicht. – Er hat Pflicht und Recht, die Mittel zur Cultur aufzusuchen und anzuwenden. Ich habe seine Pflichten und Rechte statt seiner übernommen; er hat demnach das vollkommene Recht, diese Mittel, inwiefern sie in meiner Gewalt stehen, von mir zu fordern. Es ist nicht mein guter Wille, es ist meine unnachlassliche Pflicht, auf seine Cultur aus allen Kräften hinzuarbeiten. – Man dürfte – ich erinnere dies nur im Vorbeigehen – sagen, niemand werde sich leicht mit der Vormundschaft für Unmündige befassen, da unserer eigenen Deduction nach die Last derselben weit grösser sey, als der geringe Vortheil, wenn nicht der Staat wohlthätig ins Mittel getreten, und es den Eltern zur bürgerlichen Pflicht gemacht hätte: aber da zeigt sich wieder euer Mistrauen gegen die menschliche Natur, die ihr nicht aufhört zu verleumden, nachdem ihr sie durch eure bürgerlichen Verordnungen, die unaufhörlich in fremde Grenzen eingreifen, erst verdorben habt. Jeder Grundzug derselben ist gut, und nur durch ihre Ausartung werden sie schädlich. – Jeder mag gern der Obere seyn, mag lieber beschützen, als beschützt werden. Er erhebt sich dadurch in seinen eigenen Augen, und bekommt vor sich selbst eine gewisse Wichtigkeit. Jeder mag gern in anderen sich wieder darstellen, und ihre charakteristischen Eigenheiten zum Abdrucke der seinigen machen. Diese, solange sie nicht in die Freiheit anderer eingreifen, trefflichen Grundzüge würden uns immer antreiben, uns der Unmündigen anzunehmen, und uns selbst in ihnen wieder darzustellen, und uns vor unseren eigenen Augen zu erheben, wenn ihr nicht das unselige Geheimniss gefunden hättet, uns die Schande der Erniedrigung ehrenvoll, und den Schein in anderer Augen angenehmer zu machen, als die Ehre in den unserigen, kurz, wenn ihr nicht unseren edlen Stolz aus unserer Seele getilgt hättet, um eure kleinliche Eitelkeit an seine Stelle zu setzen.

Das thaten meine Vormünder für mich, und sie thaten nichts, als ihre Pflicht. Aber sie selbst lebten in der Gesellschaft, und jeder, der mit ihnen einen Berührungspunct gemein hatte, bildete mit an mir; jedes Wort, das sie redeten, diente mit dazu, meine Fähigkeiten zu entwickeln. – Dank sey der guten Natur und dem glücklichen Zufalle, der mich in der Gesellschaft geboren werden liess, insofern sie dies nicht bezweckten; Dank sey ausser jenen auch noch ihrem eigenen guten Herzen, wenn sie es wirklich bezweckten! Sie gaben dann dem Dürftigen aus freier Güte ein Almosen; sie bezahlten keine Schuld; und ich gebe, was allein sich für Geschenke geben lässt, meinen Dank. – Aber, was hat hier der Staat zu thun? Kann er nicht beweisen, dass die Gesellschaft überhaupt bloss kraft seiner da ist, so sind die Verdienste der Gesellschaft nicht die seinigen; das aber kann er nicht beweisen; wir haben bewiesen, dass er selbst kraft der Gesellschaft da ist. Verdanke er selbst der Gesellschaft, was er ihr zu verdanken hat; wir werden uns schon auch ohne seine Vermittelung mit ihr abfinden.

Aber mein Gesichtskreis erweitert sich; ich betrete die Schwellen der höheren Geistescultur. Ich finde niedere und höhere Schulen, bereit mich aufzunehmen. Diese wenigstens sind doch vermöge der Anordnungen des Staates da? Es würde nicht schwer werden, zu zeigen, dass auch sie Institute, nicht des Staates, sondern der Gesellschaft seyen, und dass ihr Daseyn sich nicht auf den Bürgervertrag, sondern auf andere besondere Verträge kleinerer oder grösserer Gesellschaften gründe; dass höchstens dasjenige in ihnen, was den Geist niederdrückt, und seine freie Schwungkraft lähmt, hier mönchische Disciplin, dort Aufsicht über Rechtgläubigkeit aller Art, Anhänglichkeit an das Alte, weil es alt ist, vorgeschriebene Lehrbücher und Lehrgänge, seiner Fürsorge beizumessen sey. Aber ich will nicht alles ängstlich genau nehmen; einmal wenigstens will ich den Staat seiner Neigung überlassen, alles Gute, was in der Gesellschaft ist, sich, und alles Böse in derselben unserer Widersetzlichkeit gegen seine heilsamen Verfügungen zuzuschreiben. Er mag jene Institute gestiftet, die Lehrer auf dieselben berufen und bezahlt haben. Ich will ihn selbst daran nicht erinnern, dass ich, ohngeachtet seiner weisen Fürsorge, doch nie weder gelehrt noch klug geworden wäre, wenn ich nicht meine eigenen Kräfte gebraucht hätte. Mag er doch sogar das Vermögen besitzen, die Menschen wider ihren Willen weise zu machen, und mag er uns an seinen erhabenen Stützen, an denjenigen, auf die er ja wohl seine besten Kunststücke verwenden wird, an seinen Fürstenkindern und seinem Adel glänzende Proben davon geben.

Berufen also und besoldet hat er unsere Lehrer? Sein Ruf war es, der jene Fähigkeit, in unser Inneres einzudringen, und ihren Geist in uns überzuflössen; jene zärtliche Theilnahme an uns, als an Kindern ihres Geistes, über sie ausgoss? Sein kärglicher Sold war es, der sie für die tausend Unannehmlichkeiten ihres Standes, für alle die Sorgen und anhaltende Mühen, die sie ertrugen, entschädigte; für die Behauptung des menschlichen Geistes auf dem errungenen Standpuncte, oder auch wohl für den mächtigen Fortstoss, den sie ihm gaben, bezahlte? O, glaubt doch dem Staate eher alles andere, als dieses. Wen sein heller, biegsamer Geist, und sein für Menschenwerth warm schlagendes Herz nicht längst zum Menschenlehrer verordnete, den macht keine Vocation dazu; sie kann nichts weiter, als einen leeren Platz mit einem Manne besetzen, welcher, wenn er den höheren Ruf nicht längst zuvor erhalten hatte, den Würdigeren verdrängt, und seine Stelle vergeblich drückt. Freie Mittheilung der Wahrheit ist das schönste Vereinigungsband, das die Welt der Geister zusammenhält; ein Geheimniss, das niemand kennt, denn der es empfangen hat. Die Wahrheit ist ein gemeinsames Erbgut dieser höheren Welt, frei wie der Aether, und von Myriaden zugleich zu geniessen, ohne sich zu verzehren. Ihr händigtet mir meinen Antheil davon ein, nicht als mein Eigenthum, sondern als ein auf eure späteren Nachkommen zu überlieferndes heiliges Unterpfand. Ich werde, ich muss es abliefern; wohl mir, wenn es in meinen Händen gewuchert hat; nur dadurch kann ich meinen Platz in der Welt der Geister bezahlen. Ich bezahle allerdings eine Schuld, aber nicht an dich, o Staat; dein Reich gehört nicht zu der Welt, mit der ich in Abrechnung stehe. – Du redest von Besoldung? Deine Anweisungen gelten nicht in derselben Welt, und der Lehrer der Menschheit macht sich durch eine Münze bezahlt, die du nicht ausgeprägt hast. So oft er einem anderen die Wahrheit mittheilt, fällt ihm selbst eine neue Beleuchtung darauf, und jeder Schüler, den er zu ihr bekehrt, zeigt ihm eine neue Seite an ihr. Alle Freuden und alle Belohnungen, die du ihm geben kannst, sind nichts gegen diejenigen, die er täglich erneuert schmeckt – Einmüthigkeit im Denken hervorzubringen, und einen menschlichen Geist mit dem seinigen in Eins zu verschmelzen. Die Aussichten auf diese kurze Spanne Leben, die du ihm eröffnen könntest, sind nichts gegen die seinigen, dass die Früchte seiner Arbeiten fortdauern werden in die Ewigkeit, und dass nichts in der unendlichen Reihe der Ursachen und Wirkungen zur Vervollkommnung des Menschengeschlechtes vergehen wird, das er in sie brachte. Der Jünger ist nicht grösser als sein Meister, wenn er nichts als Jünger und Lehrling ist, und nichts kann, als nachmachen; aber gross und glücklich wäre der Meister, der alle seine Schüler grösser machen könnte, als er selbst war. Welch' eine Saat von Menschenwerth und Menschenglück, aus dem Korne, das er warf, entsprossen, müsste vor seinem Auge dämmern! – Gehe doch mein Name verloren, und die Sylben desselben rollen nicht über die Zungen der Nachwelt, wenn nur in der grossen Kette der Vervollkommnung meines Brudergeschlechtes meine Existenz ein Glied ausmacht, in welches sich Glieder schlingen, bis in die Ewigkeit hinaus; wenn es auch keiner weiss, wenn es nur so ist.

Nein, Geister der Vorwelt, deren Schatten mich unsichtbar umschweben, Griechen und Römer, an deren noch fortlebenden Schriften mein Geist sich zuerst versuchte; die ihr diese Kühnheit, diese Verachtung der List, der Gefahr und des Todes, dieses Gefühl für alles, was stark und gross ist, unmerklich in meine Seele hauchtet – und ihr anderen zum Theil noch lebenden Lehrer, an deren Hand ich noch täglich tiefer in die Natur unseres Geistes und seiner Begriffe einzudringen, und von eingewurzelten Vorurtheilen mich immer mehr zu entfesseln suche: – fern sey von mir der entehrende Gedanke, dass ich alles das durch die paar armseligen Groschen bezahlt habe, die ich für eure Schriften gab. Mein Geist fliegt in dieser Minute sehnend zu euren unbekannten Gräbern, oder zu den Städten, wo ihr weilt, und von denen Länder und Seen mich trennen, und möchte gerührt aber männlich auf eurem Grabe danken, oder euch die Hand drücken, und euch sagen: ihr seyd meine Väter, Theile von eurem Geiste sind in den meinigen übergegangen. – Und ihr, meine mündlichen Lehrer, besonders du, verehrungswürdiger G***, bei dessen geradem harmonischem Gedankengange durch Blumengefilde mein Geist zuerst aus dem langen Schlummer erwachte, und sich selbst fand: euch werde ich vielleicht noch danken können, und das wird der Lohn seyn, womit ihr euch begnügt.

Vergebens also fordert der Staat eine Cultur zurück, die er mir weder gab, noch geben konnte; vergebens beklagt er sich, dass ich ein Geschenk gegen ihn wende, das nicht von ihm ist. – Jeder hat das vollkommene Recht aus dem Staate zu treten, sobald er will; er wird weder durch den Bürgervertrag, der nur so lange gilt, als jeder es will, und dessen Rechnung sich in jedem Augenblicke abschliessen lässt, noch durch besondere Verträge über sein Eigenthum, oder über seine erworbene Cultur gehalten: sein Eigenthum bleibt sein; seine Cultur, die sich ihm überdies nicht abnehmen lässt, giebt dem Staate keine Befugniss, über Verletzung eines Vertrages, oder über Undankbarkeit zu klagen.

Kann Einer aus dem Staate treten, so können es Mehrere. Diese stehen nun gegen einander und gegen den Staat, den sie verliessen, unter dem blossen Naturrechte. Wollen die, welche sich abgesondert haben, sich enger unter einander vereinigen, und einen neuen Bürgervertrag auf beliebige Bedingungen schliessen, so haben sie vermöge des Naturrechts, in dessen Gebiet sie sich zurückgezogen haben, dazu das vollkommene Recht. – Es ist ein neuer Staat entstanden. Die zur Zeit nur noch einen Theil umfassende Revolution ist vollendet. – Zu jeder Revolution gehört die Lossagung vom ehemaligen Vertrage, und die Vereinigung durch einen neuen. Beides ist rechtmässig, mithin auch jede Revolution, in der beides auf die gesetzmässige Art, d. i. aus freiem Willen, geschieht.

Bis jetzt bestehen noch zwei Staaten neben und in einander, die sich verhalten, wie alle Staaten sich gegen einander verhalten, d. i. wie Einzelne, die ohne besondere Verträge unter dem blossen Gesetze des Naturrechtes stehen. – Aber, hier stosse ich auf den mächtigen Einwurf von der Schädlichkeit des Staates im Staate, welcher Fall hier offenbar eintreten würde. Ich habe mich losgerissen, und bin in die neue Verbindung eingetreten. Meine beiden Nachbarn rechts und links stehen noch in der alten; und so ist über die ganze unabsehbare Strecke alles vermischt. Welche Verwirrungen und Unordnungen werden daraus nicht entstehen?

Aber, fragt doch nicht immer zuerst, was daraus entstehen wird , sondern untersucht vor allen Dingen, was ihr thun dürft , oder nicht dürft , um es abzuwenden. Mich verhindern aus eurer Verbindung zu gehen, und in eine neue einzutreten, dürft ihr nun einmal nicht; ihr würdet ein Menschenrecht in mir verletzen. Euch zwingen, dass ihr die alte aufgebt, und mit mir in die neue tretet, darf ich ebensowenig: dann würde ich das Menschenrecht in euch verletzen. Wir müssen uns also beide einrichten, so gut wir können, und ertragen, was wir nicht hindern dürfen. Es kann wohl seyn, dass es einem Staate unangenehm ist, einen Staat in sich entstehen zu sehen; aber davon ist hier nicht die Frage. Die Frage ist: ob er es rechtlich verhindern dürfe; und darauf antworte ich: Nein.

Aber ich bitte euch, ist es denn nothwendig, ist es denn auch nur wahrscheinlich, dass sogar viel Unheil daraus erfolgen würde? Ihr, die ihr die Gefahr eines solchen Verhältnisses so sehr fürchtet, habt ihr denn noch nie über eure eigene Lage nachgedacht, noch nie entdeckt, dass diese Gefahren euch immerfort hundertfach umringen?

Fast durch alle Länder von Europa verbreitet sich ein mächtiger, feindselig gesinnter Staat, der mit allen übrigen im beständigen Kriege steht, und der in manchen fürchterlich schwer auf die Bürger drückt; es ist das Judenthum. Ich glaube nicht, und ich hoffe es in der Folge darzuthun, dass dasselbe dadurch, dass es einen abgesonderten und so fest verketteten Staat bildet, sondern dadurch, dass dieser Staat auf den Hass des ganzen menschlichen Geschlechtes aufgebaut ist, so fürchterlich werde. Von einem Volke, dessen Geringster seine Ahnen höher hinaufführt als wir Anderen alle unsere Geschichte, und in einem Emir, der älter ist als sie, seinen Stammvater sieht – eine Sage, die wir selbst unter unsere Glaubensartikel aufgenommen haben; das in allen Völkern die Nachkommen derer erblickt, welche sie aus ihrem schwärmerisch geliebten Vaterlande vertrieben haben; das sich zu dem den Körper erschlaffenden, und den Geist für jedes edle Gefühl tödtenden Kleinhandel verdammt hat, und verdammt wird; das durch das bindendste, was die Menschheit hat, durch seine Religion, von unseren Mahlen, von unserem Freudenbecher, und von dem süssen Tausche des Frohsinns mit uns von Herz zu Herzen ausgeschlossen ist; das bis in seinen Pflichten und Rechten, und bis in der Seele des Allvaters uns andere alle von sich absondert, – von so einem Volke sollte sich etwas anderes erwarten lassen, als was wir sehen, dass in einem Staate, wo der unumschränkte König mir meine väterliche Hütte nicht nehmen darf, und wo ich gegen den allmächtigen Minister mein Recht erhalte, der erste Jude, dem es gefällt, mich ungestraft ausplündert. Dies alles seht ihr mit an, und könnt es nicht läugnen, und redet zuckersüsse Worte von Toleranz und Menschenrechten und Bürgerrechten, indess ihr in uns die ersten Menschenrechte kränkt; könnet eurer liebevollen Duldung gegen diejenigen, die nicht an Jesum Christum glauben, durch alle Titel, Würden und Ehrenstellen, die ihr ihnen gebt, kein Genüge thun, indess ihr diejenigen, die nur nicht eben so, wie ihr, an ihn glauben, öffentlich schimpft, und ihnen bürgerliche Ehre und mit Würde verdientes Brot nehmt. Erinnert ihr euch denn hier nicht des Staates im Staate? Fällt euch denn hier nicht der begreifliche Gedanke ein, dass die Juden, welche ohne euch Bürger eines Staates sind, der fester und gewaltiger ist als die eurigen alle, wenn ihr ihnen auch noch das Bürgerrecht in euren Staaten gebt, eure übrigen Bürger völlig unter die Füsse treten werden?Fern sey von diesen Blättern der Gifthauch der Intoleranz, wie er es von meinem Herzen ist! Derjenige Jude, der über die festen, man möchte sagen, unübersteiglichen Verschanzungen, die vor ihm liegen, zur allgemeinen Gerechtigkeits-, Menschen- und Wahrheitsliebe hindurchdringt, ist ein Held und ein Heiliger. Ich weiss nicht, ob es deren gab oder giebt. Ich will es glauben, sobald ich sie sehe. Nur verkaufe man mir nicht schönen Schein für Realität! – Möchten doch immer die Juden nicht an Jesum Christum, möchten sie doch sogar an keinen Gott glauben, wenn sie nur nicht an zwei verschiedene Sittengesetze und an einen menschenfeindlichen Gott glaubten. – Menschenrechte müssen sie haben, ob sie gleich uns dieselben nicht zugestehen; denn sie sind Menschen, und ihre Ungerechtigkeit berechtigt uns nicht, ihnen gleich zu werden. Zwinge keinen Juden wider seinen Willen, und leide nicht, dass es geschehe, wo du der nächste bist, der es hindern kann; das bist du ihm schlechterdings schuldig. Wenn du gestern gegessen hast und hungerst wieder, und hast nur auf heute Brot, so gieb es dem Juden, der neben dir hungert, wenn er gestern nicht gegessen hat, und du thust sehr wohl daran. – Aber ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sey. Um uns vor ihnen zu schützen, dazu sehe ich wieder kein anderes Mittel, als ihnen ihr gelobtes Land zu erobern, und sie alle dahin zu schicken.

Vorherrschende Toleranz der Juden in Staaten, wo für Selbstdenker keine Toleranz ist, zeigt sonnenklar, worauf eigentlich abgesehen wird. – Die Aufrechthaltung deines Glaubens liegt dir so sehr an deinem Vaterherzen. Siehe diese Juden; sie glauben überhaupt nicht an Jesum Christum; das musst du nicht leiden; und ich sehe, dass du sie mit Wohlthaten überhäufst. – »O, sie haben Aberglauben, und das ist mir genug. Glaube du doch an Zoroaster oder Confucius, an Moses oder Mahomed, an den Papst, Luther oder Calvin, das gilt mir gleich; wenn du nur an eine fremde Vernunft glaubst. Aber du willst selbst Vernunft haben, und das werde ich nie leiden. Sey unmündig, sonst wächsest du mir zu Kopfe.« – Ich will nicht etwa sagen, dass man die Juden um ihres Glaubens willen verfolgen solle, sondern dass man überhaupt niemand deswegen verfolgen solle.

Ich weiss, dass man vor verschiedenen gelehrten Tribunalen eher die ganze Sittlichkeit und ihr heiligstes Product, die Religion, angreifen darf, als die jüdische Nation. Denen sage ich, dass mich nie ein Jude betrog, weil ich mich nie mit einem einliess, dass ich mehrmals Juden, die man neckte, mit eigener Gefahr und zu eigenem Nachtheil in Schutz genommen habe, dass also nicht Privatanimosität aus mir redet. Was ich sagte, halte ich für wahr; ich sagte es so , weil ich das für nöthig hielt: ich setze hinzu, dass mir das Verfahren vieler neuerer Schriftsteller in Rücksicht der Juden sehr folgewidrig scheint, und dass ich ein Recht zu haben glaube, zu sagen, was und wie ich es denke. Wem das Gesagte nicht gefällt, der schimpfe nicht, verleumde nicht, empfindle nicht, sondern widerlege obige Thatsachen.

Neben diesen hin flicht sich ein beinah' eben so fürchterlicher Staat durch militairische Monarchien: das Militair. Durch eben das, was ihren Stand hart macht, die strenge Mannszucht, und die mit Blut geschriebenen Gesetze desselben an ihn angefesselt, finden sie in ihrer Erniedrigung ihre Ehre, und in der Ungestraftheit bei Vergehungen gegen den Bürger und Landmann ihre Entschädigung für die übrigen Lasten desselben. Der roheste Halbbarbar glaubt mit der Montur die sichere Ueberlegenheit über den scheuen, von allen Seiten geschreckten Landmann anzuziehen, welcher nur zu glücklich ist, wenn er seine Neckereien, Beschimpfungen und Beleidigungen ertragen kann, ohne noch dazu von ihm vor seinen würdigen Befehlshaber geschleppt und zerschlagen zu werden. Der Jüngling, der mehr Ahnen, aber nicht mehr Bildung hat, nimmt sein Degenband als einen Berechtigungsbrief, auf den Kaufmann, den würdigen Gelehrten, den verdienten Staatsmann, der ihn vielleicht selbst in der Ahnenprobe besiegen würde, höhnend herabzusehen, ihn zu necken und zu stossen; oder unsere Jünglinge, die sich den Wissenschaften widmen, von ihren etwanigen Unarten durch Fusstritte zu heilen.Dass hier kein Zug sey, der sich nicht mit zahlreichen Thatsachen belegen liesse, weiss Jeder, der gewisse starke Garnisonen kennt. Dass übrigens eben dieser Stand manche edle Tugend vorzüglich pflege und nähre; dass schnelle und muthige Entschlossenheit, dass männliche und offene Freimüthigkeit, die Würze des gesellschaftlichen Lebens, in unserem Zeitalter fast nur noch bei gebildeten Officieren angetroffen werde, setze ich hinzu, und bezeuge allen würdigen Männern, die ich in diesem Stande kenne oder nicht kenne, meine desto innigere Verehrung. – Aber das Urtheil im allgemeinen ist hier gar nicht auf die grössere oder geringere Anzahl der Thatsachen, sondern auf Gründe gebaut. Wenn ein Stand dem allgemeinen Gerichtshofe entzogen und vor einen besonderen geführt wird; wenn die Gesetze dieses Gerichtshofes von den allgemeinen Gesetzen aller Sittlichkeit sehr verschieden sind, und mit strenger Härte bestrafen, was vor diesen kaum ein Fehler ist, und Vergehungen übersehen, die diese streng ahnden würden: so erhält dieser Stand ein abgesondertes Interesse und eine abgesonderte Moral, und wird ein gefährlicher Staat im Staate. Wer den Verführungen einer solchen Verfassung entgeht, ist ein um so edlerer Mann; aber er widerlegt nicht die Regel; er macht nur die Ausnahme.

Weniger gefährlich, seitdem er nicht mehr der ausschliessende Besitzer der Reichthümer und der dürftigen Cultur unmündiger Völker ist, aber doch noch immer ein wirklicher Staat im Staate ist der Adel, abgesondert durch seinen Zunftgeist, durch seine Verheirathungen unter einander, und durch das noch immer ausschliessende Recht auf gewisse Bedienungen; allenfalls nur da gut, wo das Volk noch einer solchen Vormauer gegen den Despotismus bedarf. – Ich erwähne nicht der fortdauernden furchtbaren Gewalt der Hierarchie, weil ich zunächst für protestantische Länder schreibe; wenn aber auch unsere Geistlichkeit durch ihre ausschliessende Subordination unter Oberconsistorien, Consistorien und Superintendenten, durch ihren abgesonderten Gerichtshof und durch die hier und da noch sehr herrschende Maxime, manches nicht zu Gad und Askalon zu verkündigen, um den Philistern nicht ein Lachen zuzubereiten; kurz, durch ihren abgesonderten Staat nicht öffentlicher und stärker auf die ausgeschlossenen Bürger drückt, so beweist dies nichts weiter, als dass die Reformation wirklich einen besseren Geist ins Christenthum gebracht hat. Und ist es denn nicht auch unserer Geistlichkeit gelungen, den Fortgang des menschlichen Geistes aufzuhalten und wichtigen Verbesserungen sich mit Glück zu widersetzen? – Kleinere Neckereien begehen die Zünfte der Künstler und Handwerker, die man bloss darum weniger fühlt, weil man mit grösseren Plagen zu kämpfen hat.

Alles dieses sind ja Staaten im Staate, die nicht nur ein abgesondertes, sondern ein allen übrigen Bürgern entgegengesetztes Interesse haben; – Wahrheiten, deren ich hier bloss im Vorbeigehen erwähne, die ich aber, wenn ich meine Leser je wieder sehe, im folgenden Capitel auf Grundsätze zurückzuführen habe. Es sind wirklich feindselige Staaten. Warum erinnert man sich doch nur hier seines Grundsatzes nicht?

Kein Staat wird dadurch gefährlich, dass er dem Raume nach in einem anderen Staate ist, sondern dadurch, dass er ein dem anderen entgegengesetztes Interesse hat. Wenn nun alle Staaten, so wie isolirte Menschen, unter dem Gesetze des Naturrechtes stehen, und dieses Gesetz jedem schlechthin verbietet, die gesetzmässige Freiheit des anderen zu hemmen, inwiefern sie die seinige nicht hemmt, so kann ein solcher Widerstreit gar nicht entstehen, wenn nicht in einem von beiden, oder in beiden Staaten die Mitglieder sich verbunden haben, ungerecht zu seyn. Das sollten sie nicht; sie haben demnach gar nicht über den Druck der Umstände, sondern über ihren eigenen bösen Willen zu klagen. Sie dürften nur alle gerecht seyn, und sie würden, ganz vermengt und doch abgesondert von einander, die verschiedensten Geschäfte treiben können.

Habt ihr nie gesehen, dass in verschiedenen Strichen des deutschen Reiches die gedrückten und ausgesogenen Ländereien grösserer und kleinerer Despoten sich durch die gesegneten Fluren milder und menschenfreundlicher Fürsten hindurchwinden; und dass dennoch der verwelkende Sklave neben dem starken Landmanne ruhig ackert? Seyd ihr nie aus dem Gebiete einer gewissen Reichsstadt, auf welchem der genährte, gebildete und geehrte Landmann es nicht neu findet, dass er eures Gleichen sey, da er ein Mensch sey, über Grenzen getreten, welche statt des Wappens überall durch das Bild der Hand unter dem Beile, und des an die Karre Gefesselten bezeichnet werden, auf welchen euch ausgetrocknete Mumien in Lumpen begegneten, die vor eurem ganzen Rocke den Rest ihrer Kopfbedeckung abzogen, ehe sie noch in euren Gesichtskreis kamen ? Die Letzteren leben ruhig neben und unter den Ersteren, und verbluten jetzt ihren letzten Tropfen Blutes für den, der ihre vorherigen verkaufte. Hier sind ja wohl sehr verschiedene Staaten im gleichen Raume, und es entsteht kein Widerstreit derselben gegen einander.

Mögen doch also diejenigen, die aus der alten Verbindung getreten sind, sich durch eine neue vereinigen und ihren Bund durch freiwilligen Beitritt Mehrerer stärken; sie haben dazu das vollkommene Recht. Hat endlich die alte Verbindung gar keinen Anhänger mehr, und haben alle sich zur neuen freiwillig gewendet, so ist die gänzliche Revolution rechtmässig vollzogen.

Und hier lege ich denn die Feder nieder, um sie eben da wieder aufzunehmen, wenn ich finden sollte, dass ich nicht vergebens gearbeitet, und wenn das Publicum den gewohnten Vorwurf, dass es zu solchen Untersuchungen noch lange nicht reif sey, einmal durch die That widerlegt. Wo nicht, so laufe ich meine Bahn in einer anderen Sphäre.


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