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An Bord des »Lincoln«, des großen amerikanischen Dampfers der Sidney–Franzisko-Linie, war Sensation. Mister Sunbeam, der findige Reporter des »Newyork-Expreß« hatte entdeckt, wer der einzelne Gast war, der vorne am Deck saß und schweigend aufs Meer sah. Als er seine Entdeckung gemacht hatte, lief er zuerst zu dem Telegrafisten. Zwanzig eilige Textteile warf er dem Mann hin. Sofort aufzugeben chiffriert, wie geschrieben. Dann nahm er den Kodak und rannte nach vorne. Ehe der Gast ihn noch abwehren konnte, waren drei Aufnahmen in Sunbeams Händen. Dann rollte er, wie eine Kugel, das Schiff ab. In dreizehn Minuten war alles in Aufruhr. Das Sonnendeck wimmelte plötzlich von Menschen.

Eine ganze Schlachtreihe von Kodaks umringte den Passagier in seinem Sessel. Er sah es zu spät, doch er blieb ruhig sitzen und lächelte spöttisch. In Neugier, Bewunderung, dankbarer Achtung schob man sich nach vorne. Vereinzelte Mutige wagten sich näher, dann andere, viele.

»Oah, Mister Nagel! How wonderful – truly – you are't!«

Eine junge Amerikanerin schoß aus der Menge. Mit ausgebreiteten Armen. Doktor Nagel erhob sich, bevor sie heran war. Im Nu drängten Dutzende ihm ihre Hand hin. Er drückte sie freundlich und suchte ein Schlupfloch –. Die blonde Miß hielt aber schon seine Hände.

»Oah, Mister Nagel, – Sie kennen mich nicht – oah! Maud Sistertown, Boston – you know? Not? oah! und ich bin hinter Ihnen gereist, von Berlin nach Newyork, von Newyork nach Tokio, von Tokio nach – oah, well, jetzt habe ich Sie! – Sie müssen mir sitzen, yes. Und Mister Werndt auch. Wo haben Sie ihn? In der Kabine? Ich werde Sie beide to day porträtieren. Ich werde Sie beide berühmt machen, very – unsagbar berühmt. Alle wurden berühmt, die ich porträtierte. I have einen Strich, einen Strich, den mir neverone nachmacht ...!«

Nagel entsann sich jetzt plötzlich, wer diese Frau war. In einer Ausstellung neuester Stürmer war er ihr begegnet. Ihre Porträts waren schreiend in Farben, ein Wirrwarr von Linien und tollen Figuren. Man war damals vor ihren Bildern gestanden und hatte gewiehert und Witze gerissen. Maud Sistertown – ja, jetzt entsann er sich wieder.

»Herr Nagel!« drängte sich Sunbeam schnell vor. »Sie reisen nach Sidney?« Er hatte den Bleistift gezückt wie zum Angriff. Maud Sistertown schob ihn wutzischend beiseite.

»Oah, Sie werden mir sitzen ...! You say, Sir – well? Sie werden versprechen?«

Nagel fing eine Handvoll von Fragen, von Rufen und Grüßen und gab in fünf Sprachen die lachende Antwort. Die Amerikanerin ließ ihn nicht los.

»Wo werden Sie sitzen? Wann kann ich beginnen?«

»In zwei Stunden bitte. Wenn ich dann noch hier bin.«

»Wie werden Sie fort sein? Wir landen in Haway doch erst in vier Stunden. Where are Mister Werndt, Sir? In seiner Kabine?«

»Er ist nicht an Bord. Ich bin ganz allein hier.«

»Oah, ich werde sehen. In zwei Stunden – truly.«

John Sunbeam kam wieder nach vorne gekrochen. Das zierliche Männchen umsprang Nagels Sessel.

»Sie fahren nach Sidney?«

Der andere lachte.

»Ich werde gefahren, Herr Sunbeam. Der Dampfer fährt sicher nach Sidney.«

»Well, Sidney,« notierte der Zeitungsmann eifrig, verständnisvoll grinsend. Sie nahmen den Dampfer aus wichtigen Gründen?«

»Yes, Sir. Um nicht zu ersaufen. Ich wäre sonst zu Fuß nach Haway gegangen.«

Nagel gab seine Antworten ruhig, mit todernster Miene. Er wußte, im Kampf mit den Zeitungsreportern war das noch die einzige denkbare Rettung. Die Leute verfolgten ihn, wo er auch hinkam. Er kannte die Sitten der Amerikaner und wußte die Menschen entsprechend zu nehmen. Die Fahrgäste wieherten bei jeder Antwort. Sich nicht zu verraten bei Interviewern galt in diesem Lande der Neugier als Kunstsport. Doch Sunbeam verlor seinen Mut bei dem Spiel nicht.

»Sie haben einen wichtigen Auftrag?«

»Gewiß, Sir.«

»Oah. Darf ich ihn wissen?«

»Well. Können Sie schweigen? Es ist ein Geheimnis.«

Der Zeitungsmensch spitzte die Ohren vor Spannung.

»Oah, Sir. Ich kann schweigen.«

»Ich auch, mein Verehrter.«

Der andere merkte die Abfuhr am Lachen der Leute. Er ließ sich nicht stören.

»Sie fahren allein, Sir?«

»Nein. In Ihrer Gesellschaft.«

»Wo ist Mister Werndt jetzt?«

»Bei Mistreß Nagel.«

»Wo ist Mistreß Nagel?«

»Bei Doktor Werndt, Sir.«

»Wo sind Doktor Werndt und die Mistreß zu finden?«

Nagel sah auf die Uhr.

»Eintausendfünfhundert Meter unter dem Wendekreise des Krebses vermutlich.«

Sunbeam schmunzelte listig und schrieb schnelle Zeilen.

»Sie waren damals, in Indien, in großer Gefahr, Sir. Haben Sie gut überstanden? Wie ist Ihre Gesundheit?«

»Ausgezeichnet. Nur längeres Fragen ermüdet mich manchmal.«

»Und was ist mit diesen Verbrechern geschehen?«

»Professor Cachin sitzt, der Italiener liegt, hundertachtundsiebzig Mitschuldige stehen.«

»Thank you!« nickte der Kleine. »Of course, ich verstehe, Professor Cachin sitzt im Gefängnis, der Italiener liegt im Grabe, hundertachtundsiebzig Mitschuldige stehen in Untersuchung.«

Anerkennendes Lachen der Umstehenden zollte ihm Beifall für seine Erklärung. Er grinste geschmeichelt.

»Und wurde die Herrin der Inder gefangen?«

»Natürlich.«

»Ah!« machte der Zeitungsmann sichtlich verwundert und leckte am Bleistift.

»Von wem?«

»Von der Schwerkraft. Sie blieb auf der Erde.«

Er sah den Hereinfall.

»So ist sie entflohen? Verfolgt man sie jetzt noch?«

»Ja.«

»Wer?«

»Mister Sunbeam mit seinem Interesse.«

Der Kapitän schob den Reporter beiseite. Er kam, Doktor Nagel persönlich zu grüßen.

»Ehre, Sir, für mein Schiff,« sagte er kurz. Das war seine ganze begeisterte Rede. Doch seine Augen umfingen den Fahrgast voll Freude. »Well, ganzer Kerl!« brummte er in seinen Schnauzbart. Dann stapfte er wieder in seine Kabine.

Das Gros der Fahrgäste ebbte nach hinten. Tee wurde gereicht. Doktor Nagel hatte Bekannte getroffen und lehnte in flottem Gespräch am Geländer. Da tauchte ein Kopf zwischen Tauwerk und Teer auf. Sunbeams Äugelchen blinzelten lustig nach loben.

»Und was halten Sie von dem seltsamen Tauchboot, das man am Kap Horn letzte Woche bemerkt hat?«

Nagel lachte laut auf. Der Ausdruck des lauernden Blicks war zu drollig.

»Sie lachen? Sie glauben nicht? Well. Die Zeitungen schreiben doch ständig darüber. Ein schlankes, riesiges Boot, von goldener Farbe. Im Bau ganz verschieden von anderen Booten. Ein Haifischer sah es zuerst eines Tages. Es schwamm auf dem Wasser. Doch als er heranfuhr, verschwand es mit fünfzig Seemeilen. Er will es beschwören. Dann sah man's bei Aukland. Es schoß aus der Tiefe, in kurzer Entfernung von einem Transportschiff und war in Sekunden darauf schon verschwunden. Ein Flieger nordwestlich Tokio erkannte es deutlich. Es fuhr tief am Grunde und war hell erleuchtet.«

Nagel nickte ihm zu.

»Ich sehe, Sie sind unterrichtet, mein Lieber. Ich habe das auch in der Zeitung gelesen.«

Er sah auf die Uhr.

»Herr Sunbeam, Sie lebten doch in Valparaiso?«

»Ah, well, Sir. Noch vor einem Jahre.«

»Sie waren da drüben Reporter des ›Outlook‹?«

»Sie wissen, Herr Nagel? Ich bin sehr geschmeichelt.«

»Ich wohnte selbst einige Monate drüben. Man sprach damals von einem John Henry Sunbeam. Er hatte ein Kind aus den Flammen gerettet. Im zwanzigsten Stockwerk. Ein tollkühnes Wagnis. Ich kannte die Eltern.«

Der Zeitungsmann nickte und kroch aus dem Tauwerk.

»Oh, yes, Sir. Es war ziemlich heiß. Ich bin närrisch auf Kinder. Es war so ein Blondkopf.«

»Sie haben selbst Kinder?«

»Zwölf!« strahlte er selig.

»Was würden Sie von Ihrer Zeitung bekommen, wenn Sie eine Nachricht vom Tauchboot erhielten?«

Er faßte erregt nach der Sportjacke Nagels.

»Sie wissen etwas vom goldenen Tauchboot?«

»Zuerst eine Antwort. Was würden Sie an einer Nachricht verdienen, die Sie zuerst bringen und die wirklich wahr ist?«

»Ein ganzes Vermögen. Ein, zwei, drei Millionen.«

»Sie werden die Aufklärung von mir erhalten. In fünfzehn Minuten.«

»In fünfzehn Minuten? Sie scherzen nicht wieder? Sir, ich bin kein Krösus ... Es wäre ein Glücksfall. Nur jetzt keinen Witz, Sir! Zwölf Kinder ernähren ... in meinem Berufe – Was ist's mit dem Tauchboot?«

»In fünfzehn Minuten!« beschwichtigte Nagel das tanzende Männchen. »Sie werden zufrieden sein mit meiner Nachricht. Geduld also. Bleiben Sie in meiner Nähe!«

Die Fahrgäste hatten sich wieder gesammelt und standen in plaudernden Gruppen zusammen. Immer wieder gingen die Blicke zu Nagel hinüber, von dem alle sprachen. Der junge Vertraute und Freund Walter Werndts war allen längst eine Berühmtheit geworden, für die man fast schwärmte, wie für seinen Meister. Tausend Anekdoten erzählte man sich von seinen Taten, Aussprüchen und Scherzen. Die letzten Ereignisse und ihre Lösung umwoben ihn mit einem mystischen Schleier. Kein einziger auf diesem riesigen Schiffe, der nicht hochbeglückt war, den Helden des Tages selbst kennenzulernen. Nagel nahm diese Huldigung, die er gewohnt war, frohlaunig entgegen. Er fühlte sich nur als Vertreter des Meisters, in dessen Begleitung er sie oft empfangen. Auf jedes Wort hatte er eine freundliche Antwort. Unermüdlich schrieb er seinen Namen auf alle die Karten, die man ihm herbeitrug. Sein jungfrisches Wesen gewann ihm die Herzen.

Allmählich verlor sich der Andrang ein wenig. Man stand am Geländer und sprach von der Werndt-Stadt. Der Ozean lag wie im Schlaf. Leise kräuselnd strich südlicher Wind durch die blaugrünen Fluten. Das Wasser war metertief klar, wie ein Spiegel.

Oben auf der Kommandobrücke war plötzlich Bewegung. Ein Offizier stand neben dem Kapitän und zeigte hinaus in die glitzernden Wellen. Vom Achterdeck winkte man kurze Signale. Ein junger Beamter schoß eilig nach vorne. Man wurde aufmerksam auf allen Gängen und ging ans Geländer. Die Ferngläser suchten das nördliche Meer ab. Einige wollten beobachtet haben, was da vorne vorging.

»Haifische,« meinte ein Amerikaner.

»Delphine.«

»Ein Wrack – deutlich sah ich die Stangen.«

Die Zurufe jagten sich, aufgeregt ratend, erklärend und wettend.

Ein Strahl blitzte plötzlich dicht vorne im Meer auf, ein goldener Streifen und tanzte schnell näher.

»Ein Periskop!« rief Sunbeam an seinem Fernglas.

»Ein Tauchboot – ein Tauchboot!« erkannten jetzt viele. Man drängte nach vorne, um besser zu sehen.

Nur Nagel hielt aus und verließ seinen Platz nicht. Er sah nur mit leuchtendem Blick nach dem Goldstreif, der pfeilschnell emporstieg und glitzernd heranwuchs. Es fuhr über Wasser. Man konnte schon deutlich den Aufbau erkennen. Der Turm war geöffnet. Ein Mann stieg nach oben. In grünem Südwester. Er beugte sich abwärts und half einer Dame gewandt auf die Plattform. Die Sonne war eben voll aus einer kleinen Wolke getreten.

»Das goldene Tauchboot!« schrie Sunbeam auf einmal. Es pflanzte sich fort wie ein fressendes Feuer. Das goldene Tauchboot stand in allen Köpfen. Die Zeitungsnotizen und Märchenberichte vergangener Wochen belebten sich wieder. Das goldene Tauchboot! Man war wie von Sinnen. Es ging wie ein Ruck durch die Glieder des Dampfers. Die große Sirene schrie gellende Pfiffe. Der Gegendampf fuhr in die Riesenmaschinen. Kaum zwei Kilometer trennten das Boot noch vom Dampfer. Scharf, wie ein Torpedo kam es angeschossen. Schlank, schnittig und leuchtend, wie in einem Panzer gehämmerten Goldes. Das Maß seiner Schnelligkeit wirkte verblüffend. Die Fahrgäste tauschten verwunderte Fragen. Kein einziger hatte mehr eine Erklärung. Man starrte mit offenen Mündern nach unten.

Die Dame am Turm hob die Hand in die Höhe.

»Sie winkt – sie winkt!« schrie es von allen Seiten.

Kleine Fähnchen flatterten hoch und gaben Signale.

Zum erstenmal regte sich auch Doktor Nagel. Er hatte erkannt, was man signalisierte. »Stopp! Wrack in Gefahr.«

Der Kapitän stützte sich auf sein Geländer und winkte nach unten. Der »Lincoln« lag fast ohne Fahrt in den Wellen. Jetzt drehte er langsam. Ein Fallreep fiel klatschend nach unten ins Wasser. Das goldene Boot schoß dicht unter die Schiffswand. Die Fahrgäste stießen sich hastig und schreiend zur anderen Seite.

Auch Nagel war eilig und drängte nach vorne.

»Kommen Sie, Sunbeam!« rief er nach rückwärts. Er suchte vergeblich. Der Zeitungsmann war im Gedränge verschwunden.

Das seltsame Tauchboot lag vor aller Augen. Wie ein riesiger goldener Tintenfisch sah es aus. An seiner vorderen Spitze glühte ein Auge, ein spiegelndes Fenster. Und um dieses Auge gruppierten sich Fangarme, Greifer und Klauen, Saugrüssel mit Näpfen, phantastisch und drohend. An beiden Seiten des Bootes sah man wie Fischflossen verwindbare Steuer. Den mittleren Rumpf krönte zierlich ein Aufbau, ein Turm, wie ein Stoßhorn, zwei Meter im Durchschnitt. Am Schwanze war wieder ein funkelndes Auge und unter ihm wirbelten mehrere Schrauben.

Auf der untersten Treppe des »Lincoln« stieg eine Gestalt hoch. Man sah Offiziere, die sie kurz begrüßten und nach oben führten. Es war offensichtlich der Führer des Tauchboots. Der grüne Südwester gab ihm das Gepräge. Der Kapitän stapfte die Treppe hinunter. Die Fahrgäste drängten sich in seinem Rücken.

Der Tauchbootmann wartete schon vor dem Rauchsaal. Der Offizier hob seine Hand an die Mütze. Die anderen standen in dienstlicher Haltung.

Von oben kam Nagel entgegengelaufen. Der fremde Gast drückte ihm herzlich die Hände. Dann gingen sie beide auf den Kapitän zu. Der Bootführer schlug den Südwester nach hinten. Sein sonnenverbranntes Gesicht strahlte Kraft aus. Schlohweiß fiel das Haar in die offene Stirne.

»Werndt!« schrie es laut auf. Im Knäuel der Fahrgäste gab es ein Stocken. »Werndt! Walter Werndt!« kam es von allen Seiten. Die Untersten kamen nach vorne gelaufen. Auf Treppen und Gängen entstand ein Gedränge.

»Oah, Mister Werndt!« Es war wie ein Aufschrei. Miß Sistertown hing über einem Geländer und fuchtelte hilflos mit Armen und Beinen. Kein Mensch zeigte Lust, sie nach vorne zu lassen.

Der Kapitän stand wie ein Bär vor dem Fremden. Er preßte die Fäuste fest um seine Hände.

»Welcome, Sir – ein Feiertag für meinen ›Lincoln‹!«

Er war stumm vor Freude. Werndt drückte dem biederen Seemann die Rechte.

»Ich komme nur auf Sekunden, um hier meinen jungen Gefährten zu holen. Dann, um Ihnen selbst meine Meldung zumachen. Wir sind einem Wrack auf dem Meere begegnet. Elf Meilen nordwestlich. Veranlassen Sie bitte Hilfe von Haway. Es treibt auf den Wellen – hier, wollen Sie sehen.« Er wies einen Punkt seiner farbigen Karte. Zweihundert Gesunde und vierzehn Verletzte. Gefahr nicht bedeutend, Proviant noch vorhanden.«

Der Kapitän dankte und gab gleich Befehle.

»Wenn da nur nicht wieder so 'n teuflischer Zyklon, wie vorgestern mittag, die Hände im Spiel hat! Das Satansmeteor spukt überall in der See jetzt.«

Werndt lächelte gütig.

»Nein, diesmal gewiß nicht. Das Meteor ist diesmal wirklich ganz schuldlos.«

Er kannte den Aberglauben der Menschheit. Das Meteor war längst Erklärung geworden für jedes Ereignis, für alles Gesehenen, das nicht offenbar war. Für Regen und Stürme, für Mißernte, Hagel, für Kälte und Hitze, für Brände und Beben. Das Meteor galt allen nur noch als Dämon, erschaffen, die Welt und die Menschheit zu quälen.

»Na, na!« kam es brummend und noch nicht ganz gläubig. Die Achtung vor Werndt ließ ihn nicht widersprechen. Der mußte es wissen. Nur der und kein anderer.

»Three cheers – Mister Werndt!« scholl es plötzlich von drüben. Die Spannung der Leute zerplatzte im Schreien. Drei brausende Hurras zerrissen die Stille.

Werndt dankte gelassen durch Heben der Rechten. Er zog den Südwester schnell wieder nach vorne. Die Masse der Fahrgäste war kaum zu halten, obwohl die Matrosen zwei Ketten gezogen.

»Es ist alles klar jetzt?«

Der Kapitän nickte.

»All right – thank you ...«

Werndt drehte sich ruhig zu Nagel hinüber. Dann stieg er elastisch die Treppe hinunter.

»Three cheers – Doktor Werndt!« kam es wieder von oben. Er war schon im unteren Stockwerk verschwunden. Es war höchste Eile. Die Schiffskette fiel vor dem Ansturm der Menge. Der Menschenstrom flutete über die Treppen. Sie kamen zu spät. Das goldene Tauchboot stieß eben Vom Schiff ab. Der zierliche Turm zog sich ein wie ein Fernrohr ...

Ein staunender Aufschrei stieg von tausend Lippen ... Das Meer wogte auf, wie im Trichter gewirbelt ... Ein goldenes Blitzen, das Boot war verschwunden ...

* * *

»Gott sei Dank!« meinte Nagel, als das goldene Boot wie ein Stein in die Flut sank. Er zog seine junge Frau liebevoll an sich. »Da habt ihr mich wieder. Die da droben hätten mich schließlich in Stücke geredet mit ihrem Interesse. Nur eine Stunde noch, und Maud Sistertown hätte mich wehrlos gemalt. Bei lebendigem Leibe. Ich wäre den Enkeln im Traume erschienen nach diesem Gemälde.«

»O Gott!« lachte Mabel. Sie kannte die Bilder.

Nagel krauste die Stirne.

»Nur um Sunbeam tut es mir leid. Hat Pech, dieser Junge. Hätte ihm gerne die Nachricht gegeben. Er war nicht zu finden.«

»Sunbeam? Wer ist das?«

Aus dem Nebenraum kam lautes Schelten herüber.

»Carambo – brigante – Kerl, ich frikassiere ...!«

Die Stahltür flog auf. Das zorngerötete Angesicht Ebros erschien in der Öffnung. Er hielt einen zappelnden Menschen am Kragen, der sich schreiend wehrte.

»Herein mit dir, Spitzbub! Ich werde dich lehren, hier zu spionieren!«

Überrascht schaute Nagel zu Ebro hinüber.

»Wer ist das?« fragte Werndt, der eben vom vorderen Bootsraum hereintrat. Unwillen und Drohung lag in seiner Frage.

Nagel schüttelte staunend den Kopf.

»Herr Sunbeam? Hier drinnen? Wie kamen Sie Unglücksmensch denn in das Boot?«

Der kleine Mann zappelte in Ebros Fäusten.

»Durch die Türe des Turms. Ich suchte das goldene Boot schon so lange ... da kam es gefahren ... ich kletterte schleunigst ...«

»Halt! Mabel, was ist das? Du warst doch vorhin auf dem Turm, auf der Plattform. Wie konnte der Mann ungesehen nach unten?«

»Die Neugier der Leute war mir unsympathisch. Da ging ich ins Boot und wartete drüben.«

»Sehr richtig!« bestätigte Sunbeam vergnügt. »Ich sah das und kletterte gleich hinterher, Sir. Ich hab' mich dann hinter dem Sessel verkrochen.«

»Was wollen Sie hier?« fragte Werndt kurz und finster. »Lassen Sie los, Ebro. Der Bursche da läuft uns nicht fort, unter Wasser.«

Der Zeitungsmann rieb sich das rote Genick.

»Eine Hand hat der Mensch! Nichts als Knochen. Of course, not.«

»Antworten Sie!«

»Skelett!« schimpfte Sunbeam noch einmal nach hinten. »Nur ansehen wollt ich's. Das ist mein Beruf. Mister Nagel versprach mir ...«

»Einen Augenblick!« kam ihm der Doktor zu Hilfe. Mit wenigen Sätzen erklärte er alles. Werndts Züge erhellten sich, während er hörte. Bei der Erwähnung der Heldentat Sunbeams streifte sein scharfer, durchbohrender Blick den Reporter. Ein gütiges Lächeln lag um seine Lippen.

»Hm,« meinte er endlich. »Mut haben Sie also? Wissen Sie, daß wir in dreitausend Meter Tiefe jetzt fahren? In einer Tiefe, die sonst noch kein Tauchboot erreichte?«

»Thank you!« nickte Sunbeam und zog schnell den Bleistift. »Three thousand – dreitausend – das ist von Interesse.«

Werndt lächelte heimlich.

»Es könnte der Fall eintreten, daß unser Tauchboot hier unten verunglückt. So ohne Gefahr fährt man hier nicht spazieren.«

Der kleine Mann leckte am Bleistift und grinste.

»Gefahr? So? Sie haben das Boot konstruiert, nicht?«

»Ja.«

»Well. Das genügt mir.« Er schrieb emsig weiter. »Ein Walter Werndt ist mir doch immer noch sicher. Auch gegen Versaufen.«

Mabel lachte laut auf. Selbst in Ebros Gesicht verschoben sich Falten. Werndt zwang sich, die Brauen zusammenzuziehen.

»Mein Boot ist kein Jahrmarktsobjekt, mein Verehrter. Es war allen Menschen bisher ein Geheimnis. Ich könnte Veranlassung haben, erzwungene Mitwisser mundtot zu machen und sie nicht mehr lebend nach oben zu lassen.«

Der andere rieb sich noch immer am Halse. Er schmunzelte fröhlich.

»Dann wäre ich schon vierzehn Tage nachher die Sensation, Sir. Meine zwölf Kinderchen wären heraus aus den Sorgen. Ihr Vater von Walter Werndt selber ermordet. Attraktion. Wonderful. No, Sir, so dumm ist der Sunbeam nun doch nicht. Gefahr gibt's hier keine. Tauchen Sie auf und setzen mich aus – nun, so kann ich erzählen und bin Millionär, nicht? Töten Sie mich, bin ich Sensation und werde als Opfer der Presse gefeiert.«

»Und halte ich Sie hier im Tauchboot gefangen und schleppe Sie mit auf all meinen Fahrten? Auch mit in den Strudel der Meteormasse?«

»Dann ginge mein sehnlichster Wunsch in Erfüllung.«

»Herr Sunbeam, ich müßte wohl eigentlich zürnen ...«

»Nicht tun!« bat das Männchen mit drolligem Aufschlag der zwinkernden Äuglein. »Sie haben wohl auch das Nihilium nicht erst um Erlaubnis gefragt, Herr Werndt, als Sie ihm auf seine Schliche gekommen. Sie machten es chemisch, ich mit meinem Bleistift. Ist unser Beruf, Sir.«

Werndt gab ihm mit herzlichem Lachen die Rechte.

»Dann wollen wir's beide auch möglichst gut machen. Doktor Nagel hat mir von Valparaiso erzählt. Er hat Ihnen eine Mitteilung versprochen. Wir gehen in einigen Stunden nach oben und werden Sie dann auf das Trockene setzen. Ich habe dann gleich einen Auftrag für Sie ...«

Der andere nickte diensteifrig und dankbar.

»Ich habe meine Probefahrten gemacht und möchte nun meine Erfindung des Tauchboots endgültig der Menschheit bekanntgeben. Würden Sie mir diese Arbeit abnehmen, Herr Sunbeam? Den ersten Bericht, ungefähre Beschreibung des neuen Systems, der Lösungen einzelner technischer Fragen. Ich würde Ihnen selbst alles erklären, wenn nötig diktieren ...«

Sunbeam stand da, mit offenem Munde, wie träumend. Die Äugelchen zwinkerten ihm vor Erregung. Dann liefen zwei Tränen ihm über die Wangen.

»Hauen Sie mir bitte eine herunter, verehrtester Meister – ich träume sonst weiter,« bat er fast traurig. »Es kann ja nicht wahr sein.«

Werndt winkte ihm gütig.

»Doch. Kommen Sie, Bester, es gibt viel zu sehen.«

»Seien Sie mir nicht böse, verehrtester Meister!« bat Sunbeam, den Wohnraum des Tauchboots betretend. »Mir ist noch von all diesem Schauen so dumm, als ging' mir ein Mühlrad im Kopfe herum. Ich habe in dieser einen Stunde so viel Großes, Verblüffendes, Neues gesehen ... wenn ich jetzt darüber schreiben muß, gibt es ein Unglück. Darf ich einmal fragen?«

Werndt nahm einen Sessel.

»Bitte fragen Sie nur.«

»Wie kommt es, daß Ihr Boot nicht zerdrückt wird? Alles schwor doch darauf, daß in dieser Tiefe der Druck viel zu groß sei.«

»Ein Irrtum, wie viele. An Irrtümern scheitert so manche Entwicklung. Ein Hohlkörper wird nur dann durch äußeren Druck zusammengepreßt, wenn dieser Druck größer ist als die Widerstandskraft plus dem inneren Drucke. Setzt man dem äußeren Drucke auf irgendeine Weise einen entsprechenden inneren Gegendruck entgegen, so kann auch bei ganz schwacher Wandung der Hohlkörper nicht zerquetscht werden. Senke ich also zum Beispiel eine Stahlflasche ins Wasser, nachdem ich die Luft in ihr auf hundert Atmosphären zusammengepreßt habe, und senke ich dann diese Flasche tausend Meter hinab in das Meer, so drücken von außen und innen je hundert Atmosphären auf die Wandung der Flasche. Der Druck auf diese Wand würde sich genau aufheben, also gleich Null sein.«

Sunbeam schrieb, überlegend.

»Erlauben Sie mal. Das klingt ja sehr einfach und ist auch nichts Neues. Das alte Prinzip macht aber doch noch kein Tauchboot. Wenn ich irgendeinen Hohlkörper mit hochkomprimierten Gasen anfülle, wo bleiben die Menschen dann, die darin fahren. Sie können doch in diesem Gasraum nicht leben.«

»Richtig gefragt,« nickte Werndt. »Darauf kam es auch an. Es galt, einen Schiffsrumpf herzustellen, in dessen Inneren der normale Druck herrscht, dessen Wandung aber nach dem Prinzip gasgefüllter Hohlkörper konstruiert war und so den enormen Wasserdruck von tausend Atmosphären aushalten kann.«

»Und das war zu lösen?«

»Sie haben die Lösung. Meine Rechnung ergab mir, daß hohle Ringrohre sich gegenüber äußerem Druck eigentümlich verhalten. Wobei Sie unter äußerem Druck allerdings eine Pressung verstehen wollen, die nur gegen das Ringzentrum wirkt, und nicht allseitig gegen die Mittellinie des Ringrohrs; wie Wasser auf den Ring drücken würde, wenn man ein einzelnes Ringrohr ins Wasser würfe. Der Rumpf meines ›Krakon‹ ist aus lauter nebeneinanderliegenden Ringrohren gebildet, nahtlos geschweißt, von vierundzwanzig Zentimeter innerer Hohlweite und drei Zentimeter Wandstärke.«

»Einen Augenblick, bitte,« bat Sunbeam. »Sie wählten als Material eine Masse, die man noch nicht kannte.«

»Argauron, ganz richtig.«

»Das neue Metall war wohl Vorbedingung der Lösung?«

»Durchaus nicht. Mein erstes Modell war aus einfachem Weltstahl. Dem ganzen Projekt lagen nur längst bekannte Materiale zugrunde. Man hätte mein Tauchboot ebensogut schon im Jahre 1900 erbauen können. Es würde dem Wasserdruck auch widerstehen.«

»Warum dann Argauron?«

»Des Meteors wegen. Der ›Krakon‹ muß nicht nur in zehntausend Meter hinabtauchen können. Er muß auch der saugenden Wirkung der Vampirkorpuskeln des Nihiliums II größten Widerstand leisten. Mein Argauron tut dies. Es ist eine neue Verbindung aus Gold, Argon und Geokoronium.«

»Ganz fabelhaft, Meister. Daher dieser Glanz, diese goldene Farbe.«

»Mit diesem Metall wurden alle Teile vergoldet, die irgendwie mit dem Wasser des Meeres in Fühlung gelangen. Auch habe ich alle Oberflächenteile des äußeren Rüstwerks auf Hochglanz poliert, da sie dadurch chemische Angriffe besser ertragen.«

»Die Ringrohre sind dann wohl auch aus Argauron?«

»Nein, aus Alminal. Aus gestähltem Aluminium der Weitfirma Stivsen.«

»Wie viele Ringrohre bauten Sie ein?«

»Im ganzen zweihundert. Die größten Rohrringe, die den dicksten Teil bilden, enthalten zehn Meter Durchmesser. Zwölf von diesen bilden den Mittelteil. Daran schließen sich dann alle anderen Ringe, die stets kleiner werden und so dem Schiffsrumpf sein Fischprofil geben. Die Länge des Bootes ist außen siebenundsechzigeinhalb Meter, sein größter Oberhautdurchmesser zwölf Meter, sein Umfang also siebenunddreißigeinhalb Meter.«

»Die Außenhaut schließt sich den Ringen glatt an?«

»Nein, sie überzieht auch den Außenkiel, den Turm und die Büchsen der Schraubenwellen, die Lagerungen der Steuerflächen, in schmiegsamen Formen. Auch birgt sie zwischen sich und den Rohrringmuskeln des ›Krakon‹ die eingezogenen Greifer und Fänge, die Krahnen und Klauen, die Fühler und Rüssel. Die letzten beiden Rohrringe an Kopf- und Schwanzende lassen eine lichte Weite von ein Meter offen.«

»Die wohl mit einer Stahlplatte oder einer Stahlhohlkugel verschlossen ist?«

»Durchaus nicht. Dort sind meine Glasfenster.«

Sunbeam horchte auf.

»Sie sprachen schon einmal davon, auf dem Rundgang. Ich glaubte mich verhört zu haben. Glasfenster? Undenkbar ... Es gibt doch kein Glas, das einen höheren Druck als zweihundert Atmosphären verträgt.«

»Genügt auch.«

»Das ist mir ein Rätsel. Wir fahren doch jetzt schon in dreitausend Metern. Die Glasfenster halten schon dreihundert Atmosphären von außen.«

»Stimmt alles. Erinnern Sie sich aber an meinen Grundsatz von Druck und Gegendruck, bitte. Hier gilt er praktisch. Mein Boot hat zwei Rundfenster an beiden Enden. Dann noch vier Gucklöcher für die Scheinwerfer. Sie sind perioskopisch so eingerichtet, daß sie die Umgebung des Bootes beleuchten. Ich weiß also stets, was um mich her vorgeht. Zum Schluß sechszehn Schlitzfenster, acht für die Kabinen, acht für den Salonraum.«

»Warum keine Rundfenster?«

»Nur Schlitzfenster ließen sich ohne Gefahr zwischen zwei Ringen bauen. Sie sind zwölf Zentimeter breit und achtzig Zentimeter hoch.«

»Well, ist mir verständlich. Nur das mit dem Druck nicht. Sie haben ein neues Glas erfunden?«

»Ich denke nicht daran. Es ist das Normalglas.«

»Wie ist das denn möglich?«

»Darin gipfelt die Tauchbootidee. Ich habe die Fenster als Lamellenfenster konstruiert, mit Zwischenräumen für steigenden Gasdruck.«

Der kleine Mann starrte ihn fassungslos an. Werndt fuhr ruhig fort.

»Jedes Fenster besteht aus acht dicken Glasscheiben, die nach der Seite des Überdrucks vorgewölbt sind. Damit sie nicht als Linsen wirken, ist ihr Krümmungsradius beiderseitig gleich. Jede Scheibe ist stark genug, um zweihundert Atmosphären auszuhalten.«

»Also gehen sie bei dreihundert alle entzwei?«

»Fällt ihnen nicht ein. Zwischen diesen Scheiben sind ja freie Räume. Und zwischen jedes Paar dieser Glaslamellen pumpe ich Luft oder irgendein Gas ein.«

Sunbeam biß verzweifelt und wütend den Bleistift.

»Verstehe ich nicht. Ist mir zu gelehrt, Sir!«

Werndt lächelte duldsam.

»Nur Ruhe, dann geht's schon. Wenn ich jetzt in die Tiefe tauche, brauche ich nur den gesamten Wasserdruck, durch sieben dividiert, in sieben sich steigernden Stufen auf die Lamellenzwischenräume zu verteilen.«

»Well. Also gesetzt den äußersten Fall von siebenmal zweihundert gleich eintausendvierhundert Atmosphären, was einer Meerestiefe von vierzehntausend Metern entspräche –«

»So brauche ich nur – vom Innern des Bootes aus gezählt – zwischen die erste und zweite Glasscheibe zweihundert Atmosphären zu pumpen, was es ja aushält, zwischen die zweite und dritte Lamelle vierhundert –«

»Dann wird es doch springen!«

»Denkfehler, mein Lieber. Dadurch wird doch die zweite Lamelle auch nur mit zweihundert Atmosphären äußerem Überdruck gegen die Fassung gepreßt. Die zweihundert Atmosphären zwischen der ersten und zweiten Lamelle halten doch zweihundert Atmosphären von den vierhundert des zweiten Zwischenraums zwischen zweiter und dritter Lamelle die Wage.«

Sunbeam schwang den Bleistift.

»Ich Esel! Natürlich. Ein Schüler kapiert das. Dann pumpen Sie also zwischen die dritte und vierte Lamelle sechshundert Atmosphären und immer so weiter, stets zweihundert stärker, bis endlich im letzten Raum der Druck der Luft eintausendvierhundert erreicht hat, was gerade genügt, dem Wasserdruck draußen die Stange zu halten.«

»Sehr richtig. So drücken auf jedes der Fenster im äußersten Falle nur zweihundert Atmosphären. Das andere wird stets vom Gegendruck voll aufgehoben. Der äußerste Fall kann aber niemals eintreten, da es eine Meerestiefe unter zehntausend Meter überhaupt gar nicht gibt.«

Der Zeitungsmann blickte mit strahlenden Augen den Ingenieur Werndt an.

»Das ist ja alles so einfach, so kinderleicht! Wirklich unglaublich, daß das alle anderen nicht auch entdeckten!«

»Das Ei des Kolumbus. Selbst ein Mister Sunbeam fand erst noch Bedenken.«

»Recht haben Sie,« nickte der Kleine. »Das Schwerste sieht leicht aus, wenn einer es löste.«

»Die gleiche Idee wie bei den Lamellenfenstern verwende ich auch bei den Ringrohren. Die übrigens mehr als zweihundert Atmosphären aushalten. Natürlich darf ich den Ringrohrkörper des Bootes beim Anfang des Tauchens nicht gleich unter diesen hohen Druck setzen. Der innere Überdruck würde ihn sprengen. Wie bei einem Taucher muß ich meinem Boot seine Luft nach der Tiefe jeweilig zumessen und stets regulieren.«

»Herrgott, sind da tausend Fragen zu lösen! Wie wird denn das möglich. Sie können doch, wenn Sie fahren, nicht stets an der Luftpumpe stehen und das regulieren!«

»Es geht automatisch. Durch mein Pressionssystem. Jeder Rohrring ist innen mit einem starkwandigen, dünnen Rohre versehen, das zusammengesponnen mit dem anderer Ringe, endlich in einem Vorwindkessel endigt. Genau so, als wären Fahrradschläuche durch ihren Ventilansatz mit einer gemeinsamen Pumpe verbunden. Jeder Vorwindkessel, von denen jeder zehn Ringrohrleitungen aufnimmt –«

»Im ganzen also zwanzig.«

»Richtig. Die zwanzig Vorwindkessel sind ihrerseits durch entsprechend starke und hinreichend weite Rohre mit dem Hauptwindkessel verbunden, der sehr groß gewählt wurde, um scharfe Differenzen bei der Explosion des Füllgases zu mildern. Er zieht sich als Rohr von zwei Meter Hohlweite am Boden des Schiffsrumpfes durch dessen Länge.«

»Das gibt doch ein Riesengewicht, Sir! Bei der dicken Wandung.«

»Was mir sehr genehm war, da durch seine Lage als innerer Bootskiel der Schwerpunkt recht tief kam. Der Windkessel steht nun seinerseits in direkter Verbindung mit der Explosionskammer, aus der das Gas kommt. In allen Rohrknien, in den Verbindungen des Hauptwindkessels mit den Vorwindkesseln, in den Zuleitungen von diesen zu den Ringrohren des Schiffsrumpfes, sind Ventile angebracht, die bei innerem Überdruck öffnen. Auch an den Rohrringen sind noch Entlüftungsventile ins freie Wasser hinaus angebracht. Das überschüssige Druckgas kann immer entweichen.«

Der Zeitungsmann kratzte sich langsam die Stirne.

»Wie konnte ein menschliches Hirn das erfinden? Mir kommt dieses Boot wie ein lebender Fisch vor, mit Herzschlag und Atem.«

»Es hat auch ein Herz und hat einen Herzschlag. In dem Augenblick, wo die ins freie Wasser fühlenden Manometer einen äußeren Überdruck von fünf Atmosphären anzeigen, also in fünfzig Metern Tiefe, schnappt ein Hebel automatisch im Maschinenraum. Durch ihn ausgelöst, rieselt eine ganz bestimmte Menge Sprengstoff in den Explosionsraum. Ein Funke schlägt über und es erfolgt eine Explosion von genau bemessener Stärke. Durch ihre Kraft wird das Ventil aufgestoßen, das zum Windkessel öffnet, zugleich wird ein stark gefederter Bremskolben, der zur Stoßlinderung dient, auf den äußersten Punkt zurückgetrieben. Während er zurückkehrt, strömt das hochexpansierte Gas in den großen Windkessel ab. Das alles erfolgt aber fast augenblicklich. Aus dem Hauptkessel dringt das Gas dann sofort durch die zwei Ventile in die zwanzig Vorwindkessel und fließt durch die Zuleitungen rasch, aber schon sehr gleichmäßig in die Ringrohre ein. Die Menge des Explosionsstoffes ist so bemessen, daß im ganzen Rohrringsystem und in den Lamellenfenstern genau fünf Atmosphären mehr erzielt werden. Taucht das Boot wieder tiefer, so wiederholt sich der Vorgang bei je fünfzig Metern. Ich steuere tiefer, und das Herz das ›Krakon‹ pulst sicher und stetig, in regelmäßigen Explosionen, ganz ohne mein Zutun. Und steige ich aufwärts, so sorgen Ventile für stete Entlastung. Jetzt, lieber Herr Sunbeam, sind Sie wohl im Bilde. Die Anordnung von allen inneren Räumen sahen Sie selbst schon. Ich erinnere kurz. Vorne der Steuerraum, neun Meter lang, nach hinten abgeschlossen durch eine stark versteifte Wand aus Alganblech mit doppelter hermetischer Schottentür, die ihn luftdicht abschließt. Hinter ihr der Korridor. Sind alle Türen des Bootes geöffnet, so kann man vom Kopf bis zum Schwanzende sehen. Im übrigen sieht der Steuermann alles durch Prismenrohrleitungen, Turmperiskope. Was er nicht direkt sieht, erscheint auf der Mattscheibe vor seinem Sitze. Im Steuerraum befinden sich alle Hauptapparate und Hebel zum Steuern, die Regulatoren des Herzschlags des ›Krakon‹, die Scheinwerfer mit gewöhnlichem und ultraviolettem Licht, alle Registrierapparate, wie Tourenzähler Manometer, Pulsschlagschreiber, ein System von Zeigern, die den Druck in der Explosionskammer, in den Kesseln, in den Ringrohren angeben und die Druckbelastung jedes Ventils bezeichnen. Die Hebel für die Greifer und Klauen, die Kinoapparate und Schalttafeln. Und alles ist so angeordnet, daß eine Person alles leitet. Durch einen Hebel kann ich bei Überwasserfahrt die Steuerzentrale zum Turmraum verlegen. Bei stiller Fahrt setze ich mich in den Wohnraum. Die Zeiger dort oben berichten mir alles. Und hier an dem Tischbrett ist noch für Gefahren ein Hebel zum Stoppen der ganzen Maschinen.«

Sunbeam fuhr nach oben. »Herrgott, die Maschinen. Jetzt reden wir zwei Stunden von diesem Boote, und immer noch weiß ich nichts von den Maschinen. Wo sind denn die Dinger?«

Werndt lächelte leise.

»Ich wählte vier Strahlstrommaschinen, die aber auch durch Kraftöl zur Entfaltung ihrer achtzigtausend Pferdestärken gebracht werden können. Normalerweise sollen diese Maschinen mittels drahtloser, nachgestrahlter, elektrodynamischer Energie gespeist werden, die das Kraftwerk von Nagasaki liefern wird. Für den Fall, daß die radiodynamische Verbindung mit der Oberwelt durch irgendein Ereignis unterbrochen werden sollte, sind die Explosionsturbinen für Anitrin vorgesehen. Von diesem Kraftöl habe ich Vorrat für sechs volle Monate.«

»Und wo sind die Maschinen?«

»Unter den Wohnräumen, hinter diesem Salon, und unter der Küche. Der Explosionsraum unter dem Boden der Endkammer, hinten. Nun wissen Sie alles. Mehr Technisches dürfen Sie doch wohl nicht bringen. Sonst gähnen die Leser.«

»Und bringt man zu wenig, so schilt die Kritik gleich, daß man alles Technische viel zu kurz streife, daß einem die fachlichen Kenntnisse fehlten. Es sind ja – Kollegen, die uns kritisieren. Da schreibe ich lieber zu viel als zu wenig. Wen's langweilt, der kann es ja gleich überschlagen.«

Werndt lachte.

»Sie haben das Hirn an der richtigen Stelle, verehrter Herr Sunbeam. Doch während wir sprachen, sind wir schnell gestiegen. Der Turm ist geöffnet. Dort strahlt wieder Sonne. Die Erde erwartet Sie und Ihre Meldung!«

* * *


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