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4.

Am 4. Juni traf Adelaide in Saßburg ein.

Der erste Tag bereits ihres Aufenthalts sollte durch eine unliebsame Entdeckung getrübt werden.

Auf dem Spaziergang, den sie kurz vor dem Abendbrot mit ihrer Tochter nach dem herrlichen Körnbachtal unternahm, begegnete ihnen wie ganz von ungefähr Doktor Leopold Maxwaldt.

»Freut mich unendlich!« sagte der Todfeind der Literatur und küßte der Hofrätin mit exquisitester Ritterlichkeit die behandschuhte Rechte.

Er hatte die strenge Dichterin höchstens dreimal gesprochen, tat aber, als gehöre er zu der ältesten Garde ihrer Bekanntschaft.

»Wenn die Damen erlauben,« fuhr er mit vollendeter Galanterie fort, »so schließe ich mich in aller Bescheidenheit an. Sie nehmen ja wohl den Weg über den Rittmeisterbrunnen?«

Adelaide war so über alle Beschreibung verblüfft, daß sie, wie zur Genehmigung, leise ihr Haupt neigte, worauf dann der Doktor kühnlich neben der Mutter seines vergötterten Mädchens einherschritt und so vorzüglich zu plaudern begann, als habe die Rätin ihm nie einen tadelnden Blick wegen seiner Konversationsversuche im Tafelrundenverein zugeworfen.

»Wo logieren die Damen, wenn diese Frage gestattet ist?«

»Im Herzog Karl,« versetzte Helene.

»Das trifft sich ja herrlich! Da logiere ich auch. Just vor zwei Tagen bin ich hier angekommen. Ein entzückender Aufenthalt, dieses Hotel. So mitten im Tannengehölz! Und eine Luft, eine Luft... Ich sage Ihnen, mein gnädiges Fräulein, Sie werden Wunder erleben.«

»Wir sind ja Mamas wegen hier.«

»Nicht möglich! Gnädige Frau sehen so blühend aus, so elastisch! Gewiß nur eine flüchtige Modekrankheit, ein Hauch von Migräne...?«

»Hochgradige Neurasthenie,« bemerkte die Hofrätin streng.

»Wirklich? Das klingt ja außerordentlich volltönig. Vielleicht eine gewisse Erregtheit, wie sie bei geistig schaffenden Damen nicht selten ist: aber Neurasthenie!... Wer hat Sie denn hergeschickt?«

»Mein Hausarzt, der Sanitätsrat Köllner,« versetzte die Dame noch strenger.

»Was versteht denn der Köllner von Neurasthenie! Da hätten sich gnädige Frau an meinen berühmten Chef wenden müssen! Geheimrat Schebelsky würde Ihnen gesagt haben, was ich, sein unbedeutender Schüler, jetzt bloß auf den Eindruck Ihrer Erscheinung hin frei zu behaupten wage, daß Sie nur übermäßig durch irgend einen Gedanken präokkupiert sind, und daß Ihre Nervosität weichen wird, sobald Sie mit diesem Gedanken tabula rasa gemacht haben.«

Die Hofrätin sah ihm erstaunt ins Gesicht. »Hm!« sagte sie bei sich selbst, »dieser Mensch, der in ästhetischen Dingen total mit Blindheit geschlagen ist, scheint als ärztlicher Diagnostiker ein vollendeter Meister!«

Sie fühlte ja selbst: wenn der Fünfzehnte glücklich vorbei wäre, und sie hätt' es hier schwarz auf weiß: Das Kollegium hat Ihre farbenreiche Novelle »Fata Morgana« einstimmig des ersten Preises für würdig befunden – sie fühlte es, daß ihre Nervosität dann im wesentlichen gehoben sein, daß ein neues Leben für sie beginnen würde, seelisch, ethisch und leiblich ...

Der Scharfblick Maxwaldts hatte in der Tat etwas Frappierendes. Daß Helene, die ja alles durchschaut hatte, ihm hier und da einen schätzbaren Wink hatte zukommen lassen – davon hatte Corinna-Adelaide natürlich durchaus keine Ahnung. Sie begann in Maxwaldt den bedeutenden Arzt zu bewundern, der ihr das ernste Geheimnis der Fata-Morgana-Novelle fast aus der Seele grub ...

Trotzdem lag in der Art und Weise des jungen Mannes ein Zug von burschikoser Selbstüberhebung, der sie im tiefsten Innern empörte, und fester als je gelobte sie sich, den Werbeversuchen Doktor Maxwaldts um ihre Helene das schroffste und unerbittlichste Nein entgegenzusetzen.

In diesem Sinne sprach sie sich einige Tage danach brieflich gegen Professor Aloys Schmidthenner aus, der bei der Kunde von der Anwesenheit Doktor Maxwaldts in Saßburg eine dumpfe Beklemmung empfand und die Rhapsodin der noch unvollendeten »Deianeira« daran gemahnte, wie wenig Herr Maxwaldt in literarischer und ästhetischer Hinsicht auf der Höhe seines Jahrhunderts stehe.

Der Brief Adelaidens gab das bereitwillig zu, betonte das schon oben erwähnte Ungebührliche und Studentenhafte, das in gewissen Momenten ihn kennzeichne, und fuhr dann fort:

»Hiervon abgesehen, bin ich genötigt, eine gewisse Artigkeit und Aufmerksamkeit, deren sich Doktor Maxwaldt befleißigt, rühmend anzuerkennen. Früher war er in dieser Beziehung entschieden schnöder und rücksichtsloser. Er trägt mir z. B. auf den Spaziergängen, die wir – meistens fünf oder sechs Köpfe stark – des Nachmittags unternehmen, nicht nur die seidene Jacke und die lederne Handtasche, in welcher ich Blumen, schmackhafte Pilze und ähnliche Merkwürdigkeiten einsammle; nein: er verfolgt sogar mit überraschendem Eifer meinen etwas verwickelten Kurplan. Oft genug unterbricht er das Wechselgespräch unserer Freunde mit der diskret geflüsterten Wendung: ›Gnädige Frau, es ist vier‹, oder: ›Frau Hofrätin, Ihre Nachmittagsbrause‹...«

Professor Schmidthenner las diese Schilderung mit dem peinlichsten Unbehagen. Er stellte sich lebhaft vor, wie eifrig der rücksichtslose Herr Maxwaldt die Nachmittagsbrause benutzen würde, um bei der süßen, blonden Helene seine verwerfliche Maulwurfsarbeit unbeobachtet fortzusetzen. Aber es half nichts. Aloys mußte gute Miene zum bösen Spiel machen, da ihn die Vorlesungen bis gegen Mitte Juli noch in der Hauptstadt festhielten.

Dann aber! –

O, es ahnte ihm, daß die freiere Art der Bewegung auf dem neutralen Gebiete von Saßburg die bisher nur langsam entwickelte Angelegenheit seines Herzens stürmisch fördern und zum gedeihlichen Abschluß bringen, daß sie ihm endlich zum Siege verhelfen würde über den öden ›Mann des Seziermessers‹ – wie sich die Hofrätin früher, als sie noch klarer in ihren Wendungen war und energischer in ihren Antipathien, so meisterhaft ausdrückte.

Die Kurerfolge der Frau von Weißenfels waren gleich Null. Der Gedanke an ihre Novelle verließ sie selbst nicht unter dem Sprudelregen der Brause und auf den Wanderungen durch die stille Einsamkeit der Natur. Bei Nacht saß sie oft stundenlang aufrecht in ihren Kissen, den friedlichen Schlaf ihrer blonden Helene beneidend, deren Antlitz im Schimmer der nächtlichen Kerze heimlich zu lächeln schien. O du glückliche, o du vertrauensselige Jugend, die da nichts weiß von den aufreibenden Kämpfen um den Kranz der Unsterblichkeit!

Die krankhafte Erregung Adelaidens erreichte den Höhegrad in der Nacht vom 15. auf den 16. Juni. Sie hat späterhin selbst eingeräumt, während der kurzen Zeitspanne von halb elf Uhr abends bis drei Uhr morgens anderthalb Schachteln Utan-svafvel-och-fosforhölzer verbraucht zu haben, so häufig machte sie Licht, um ihre Visionen zu scheuchen, und gleich danach die brennende Kerze, als hierzu unfähig, wieder auszublasen.

In glühender Frührotsschöne stieg der Morgen des 16. Juni über den fernen Höhen des Veronikaberges empor.

Schon um halb fünf – zwei Stunden vor Beginn ihrer Kur – stahl sich Adelaide hinaus in das taufrische Tannengehölz und schlug wildklopfenden Herzens den Pfad nach dem Rittmeisterbrunnen ein.

Sie wollte sich sammeln; sie wollte die nötige Haltung gewinnen für den Tag, der ja entscheidend war, mochte die Wage des literarischen Fatums nun links emporschnellen oder rechts.

Adelaide versäumte diesmal die Morgenbrause. Hocherglühenden Angesichtes erschien sie kurz vor sieben beim Kaffee. Fräulein Helene war just in reizendster Morgentoilette von ihrem Lieblingsspaziergange, dem Weg nach der Fannyquelle, nach Hause gekehrt, ein Sträußchen am Busen, das ihr ein ungewöhnlich festliches Ansehen verlieh. Oder hatte nur Frau Weißenfels diese Empfindung, – sie, die heute ja alles wie unter dem Scheine ambrosischer Lichter gewahrte?

Sie frühstückte hastig, aber mit langen Pausen. Kein Bissen schien ihr zu munden; dennoch beendete sie gegen halb acht Uhr schon ihr viertes Hörnchen.

Nun trat sie ans Fenster.

Da unten zwischen den Obstbäumen wurde ein uniformierter Mensch sichtbar: der alte, breitlächelnde Briefträger, der hier gleichzeitig als Telegraphenbote in Pflicht stand.

Adelaide erbleichte, um gleich darauf mit der Schämigkeit eines Backfischchens rot zu werden.

»Was hast du, Mama?« fragte Helene freundlich.

Adelaide winkte ihr mit erzwungener Gleichmütigkeit ab und beruhigte sich nach und nach wirklich. Es war ja Torheit, schon um halb acht ein Telegramm zu erwarten!

Fräulein Keßler stand erst um acht Uhr auf. Bis die sich anzog und nach dem Amte lief, konnte es neun werden!

Adelaide fühlte sich etwas beschämt. Sie butterte in tiefster Zerstreutheit ihr fünftes Hörnchen und ließ sich von ihrer Tochter nochmals die Tasse füllen.

Auch die zweite Nummer der Kur, die Einwickelung mit darauf folgender Abreibung, wurde versäumt.

Je höher die Sonne stieg, um so chaotischer wogte es in dem Busen der Dichterin.

Es schlug zehn, halb elf, elf!

Adelaide hatte sich schon zum dritten Male den Inhalt ihrer Novelle Szene für Szene vergegenwärtigt.

Die Depesche mußte ja eintreffen!

Es war völlig undenkbar, daß eine so glänzende Arbeit nicht wenigstens mit dem zweiten oder doch allerschlimmsten Falls mit dem dritten Preise gekrönt wurde!

Dennoch, der elende Briefknecht mit dem dienstwidrig breiten Gesicht kam nicht und kam nicht.

Hatte am Ende die Keßler, das bornierte, tückische Frauenzimmer, die ihr großmütig anvertrauten fünfzig Pfennige dreist unterschlagen, sie in Biskuittorte oder in Mohrenköpfen verschwelgt, um sich nachher mit einer Zehnpfennigmarke vor Gott und ihrem Gewissen zu rechtfertigen?

Ja, so mußte es sein. Während hier Adelaide vor Aufregung schier verging, setzte sich jene Verworfene heut nachmittag ganz gemütlich an ihren Schreibtisch und übermittelte brieflich, was sie doch auf den Flügeln des elektrischen Funkens hätte vermelden sollen! O, diese Schlichten, Bescheidenen! Das waren die echten, geborenen Verräter! Wie hatte sie nur sekundenlang glauben können, ein so untergeordnetes Individuum werde die delikate Mission mit gebührender Pünktlichkeit durchführen!

Von dem Dachfirst des »Herzog Karl« tönte die Mittagsglocke.

Noch immer kein Telegramm!

Adelaide war tatsächlich unfähig, auch das Geringste über die Lippen zu bringen, wobei die fünf Hörnchen, die sie in ihrem Kummer hinabgefrühstückt, wohl auch ihren Anteil hatten. Sie schützte Migräne vor und zog sich im Schritt einer tragisch niedergeschmetterten Heroine langsam in ihr Zimmer zurück. Ihrer Tochter, die sich gleichfalls erheben wollte, winkte sie ab.

»Laß nur!« sagte sie bebend vor heimlicher Alteration. »Ich bedarf nur der Ruhe.«

Helene setzte sich wieder. Doktor Maxwaldt wußte das junge Mädchen über den Zustand ihrer Mama rasch zu trösten. Er entwickelte überhaupt eine Liebenswürdigkeit, eine Frische, die den gesamten Kreis, dessen Mittelpunkt er hier bildete, zur Bewunderung hinriß und den Professor Aloys Schmidthenner unbedingt zur Verzweiflung gebracht hätte.

Da – man war just beim Dessert – trat die Hofrätin wieder ein.

Sie trug den Kopf sieghaft im Nacken wie weiland die große Regentin, als die begeisterten Ungarn riefen: »Moriamur pro rege nostro Maria Theresia!«

In der Linken hielt sie ein Telegramm.

Wohl drei Dutzend Mal hatte sie die wenigen Zeilen gierigen Blicks überlesen. Kein Zweifel mehr: das Datum war diesmal gerecht gewesen! Da stand es in unzweideutigen Lettern. Adelaide hatte der hingebungsvollen Hausgenossin, der liebenswürdig bescheidenen Lehrerin unrecht getan!

Das Telegramm lautete:

»Hofrätin Weißenfels, Hotel Herzog Karl, Saßburg. Weltall Wertsendung neunhundert Mark eingetroffen.

Marie Keßler.«

Schon das Erscheinen der imposanten Gestalt in der fürstlich historischen Attitüde hatte Aussehen erregt.

Niemand wunderte sich daher, als die Rätin nach ihrem Platze schritt, das Messer wider das halb noch gefüllte Glas schlug und mit bebender Stimme folgende Ansprache hielt:

»Hochgeehrte und liebwerte Versammlung! Ich wende mich an Sie alle, nicht nur an den engeren Kreis schätzbarer Freunde, die sich während der kurzen Zeit meines Verweilens auf diesem gesegneten Fleckchen Erde mit besonderer Sympathie an mich angeschlossen! Meine Damen und Herren! Es ist mir unter dem heutigen Tag eine seltene, ich darf wohl behaupten: phänomenale Auszeichnung widerfahren. Das Preisrichteramt der weithin berühmten Zeitschrift ›Das Weltall‹ – ich fordere Sie in Parenthese zum Abonnement auf – hat mich unter zahllosen Konkurrenten für die beste Kurzgeschichte ( short-story) mit dem ersten Preise gekrönt.«

Ein staunendes Ah! ging durch den Speisesaal.

Adelaide gönnte dieser »spontanen Kundgebung« einige Augenblicke zur vollen Entladung. Dann fuhr sie mit immer steigendem Enthusiasmus fort:

»Meine Damen und Herren! Ein solches Ereignis gehört zu den Gipfelpunkten im Leben einer modernen Schriftstellerin, zu den Abschnitten, von denen man eine neue Entwicklungsperiode datiert. Sie gestatten daher, und deuten es mir, wie ich hoffe, nicht etwa als Aufdringlichkeit, wenn ich hiermit die ganze Gesellschaft des ›Herzog Karl‹ für heute abend zu einem fröhlichen Waldfest einlade. Ich werde Sorge tragen, daß die Arrangements den Forderungen des außergewöhnlichen Anlasses wie denen meiner liebenswürdigen Gäste einigermaßen entsprechen.«

Die Wirkung dieses nur so hingeschleuderten Ausgangs war geradezu überraschend. Ein Waldfest – Lampions, Musik, vielleicht gar ein lustiger Tanz auf der nahegelegenen Wolfsplatte – das dünkte der Jugend, die hier in großer Anzahl vertreten war, außerordentlich reizvoll. Das Murmeln des Beifalls verwandelte sich alsbald in stürmisches Bravo. Einige tonangebende Herren schritten auf die Schriftstellerin zu und beglückwünschten sie. Die jungen Mädchen klatschten seelenvergnügt in die Hände. Etliche Mütter, die sich von allen derartigen Unternehmungen günstige Chancen für ihre heiratsfähigen Töchter versprachen, nickten sich lebhaft zu, als wollten sie andeuten: »Dieser Triumph der Frau Hofrätin wird vielleicht auch für uns zum Triumph – und dann segne sie Gott!«

Schließlich erhob Doktor Maxwaldt »den vollen Becher«, wie er sich ausdrückte, schwang ihn mit dionysischer Grazie und forderte die freudig bewegte Gesellschaft auf, die verehrte Frau Hofrätin Adelaide von Weißenfels, die preisgekrönte Poetin des »Weltalls« – auch er empfehle dringend das Abonnement – hochleben zu lassen, und abermals hoch, und zum drittenmal hoch ...!

Adelaide dankte gerührt. Ein Hauch der Brüderlichkeit, der Menschenliebe, der freudigsten Götterlust ging wie verklärend durch das ganze Hotel.

Sofort – noch ehe die Tischgesellschaft den Saal verließ – bildete sich ein Festkomitee, bestehend aus einem Erfurter Fabrikanten, der sich schon früher im »Herzog Karl« durch erbauliche Leistungen als Vergnügungskommissär ausgezeichnet hatte, aus Doktor Maxwaldt und einem preußischen Referendar, namens Heinicke.

Draußen auf der Terrasse des Gasthofs stellte sich dies Komitee offiziell der großherzigen Festgeberin zur Verfügung.

Bei einer Tasse dampfenden Mokkas – Adelaide machte voll unbeschreiblicher Anmut die Kaffeehonneurs – berieten hier die drei Herren mit der glückstrahlenden Siegerin das Programm.

Nach Verlauf einer Stunde war die Sitzung zu Ende. Der Entwurf schien selbst den verwöhnten Heinicke befriedigt zu haben.

Der talentvolle Fabrikant fuhr nach Erfurt hinüber. Gegen halb sechs traf er mit einer förmlichen Wagenladung von buntfarbigen Glas- und Papierlampen und einer großartig bemessenen Quantität von Feuerwerkskörpern ein. Ein Feuerwerk nämlich auf der kahlen Klippe des Ödberges, der – nur wenige hundert Meter vom Gasthof entfernt – einsam aus den Wiesengründen emporragte, sollte das Fest beschließen.

Der preußische Referendar hatte das Arrangement des Tanzplatzes übernommen. Ein großartiges Büfett war improvisiert worden. Eiserne Bänke und Stühle aus allen Gegenden des Hotelgartens schmückten die schöne, durch mehrere Badewärter eigens festgestampfte Rotunde.

Doktor Maxwaldt schließlich war zu Fuße nach Föhrenau hinübergegangen, um die Musik zu bestellen und in dem dortigen Galanteriewarengeschäft die entsprechende Auswahl zu treffen für eine lustige, durch allerlei reizvolle Anspielungen zu würzende Tombola.

Daß Adelaide unmittelbar vor Beginn des Feuerwerks ein kurzes Gedicht »Excelsior« vortragen wollte, – eine sinnige Interpretation der himmelanstrebenden Glutraketen – das war ihr Privatgeheimnis. Einstweilen schwebte sie mit sylphidenhafter Gewandtheit durch die Räume des Gasthauses, bald mit dem Wirte sprechend, bald mit den Kellnern, oft auch nur in ihrer süßen Erregung die Sessel des Lesezimmers zurecht schiebend oder eine Gardine drapierend. Auch die Wolfsplatte erklomm sie zwei- oder dreimal, um sich vom Fortschritt der Arbeiten persönlich zu überzeugen Helene saß unterdes auf der Veranda des Wohnzimmers. Sie führte, wie soviele junge Mädchen, ein Tagebuch, freilich in schlichter Prosa, nicht, wie ihre Mama, in überschwenglichen Rhythmen.

Während der rastlosen Tätigkeit des Festkomitees trug sie das staunenswerte Begebnis von dem Sieg ihrer Mutter ein und fügte – im Gegensatz zu früheren, durch Doktor Maxwaldt beeinflußten kurzen Betrachtungen – die Bemerkung hinzu:

»Die liebe, gute Mama! Sie muß dennoch Talent haben!«


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