Alexander Dumas
Ange Pitou. Band 1
Alexander Dumas

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Was in Paris vorging.

Von Dammartine nach Paris sind es noch acht Meilen. Die vier ersten legte man ziemlich leicht zurück; doch von Bourget an wurden die Beine von Margot, obgleich durch die langen Beine von Pitou angetrieben, am Ende steif.

Als man nach La Villette kam, glaubte Billot in der Nähe von Paris eine große Flamme zu erschauen.

Er machte Pitou auf den rötlichen Schein aufmerksam, der am Horizont aufstieg.

Sie sehen also nicht, sagte Pitou, daß das Truppen sind, die biwakieren und Feuer angezündet haben?

In der That, indem er aufmerksam zu seiner Rechten schaute, sah der Vater Billot die Ebene von Saint-Denis besät mit schwarzen Abteilungen, die schweigsam, Infanterie und Kavallerie, in der Finsternis marschierten.

Ihre Waffen glänzten zuweilen in den bleichen Strahlen der Sterne.

Pitou, der durch seine nächtlichen Wanderungen in der Dunkelheit zu sehen gewöhnt war, zeigte sogar seinem Herrn mitten auf dem feuchten Felde Kanonen, die bis zur Hälfte der Räder im Kot versunken waren.

Ho! ho! sagte Billot, es giebt also neues dort? Beeilen wir uns, Junge, beeilen wir uns.

Ja, ja, es giebt Feuer dort, erwiderte Pitou, der sich auf dem Kreuze von Margot erhoben hatte. Sehen sie, sehen Sie die Funken!

Margot blieb stehen. Billot sprang von ihrem Rücken auf das Pflaster und trat zu einer Gruppe blau und gelber Soldaten, die unter den Bäumen an der Straße biwakierten.

Kameraden, fragte er sie, könnt Ihr mir wohl sagen, was es neues in Paris giebt?

Doch die Soldaten beschränkten sich darauf, daß sie ihm durch einige Flüche in deutscher Sprache antworteten.

Was Teufel sagen sie? fragte Billot Pitou.

Pitou antwortete mit gewaltigem Zittern: Lieber Herr Billot, ich kann Sie bloß versichern, daß es nicht lateinisch ist, was sie reden.

Billot dachte nach und schaute.

Ich Dummkopf, der ich bin, daß ich mich an Kaiserliche wende, rief er.

Und in seiner Neugierde blieb er unbeweglich mitten auf der Straße.

Ein Offizier kam auf ihn zu.

Ziehen Sie Ihres Weges, sagte er, und zwar geschwinde.

Verzeihen Sie, Kapitän, erwiderte Billot, ich gehe nach Paris.

Nun?

Und da ich Sie quer auf dem Wege sehe, so befürchte ich, daß man nicht bis zu den Barrieren passiert.

Man passiert.

Billot stieg wieder zu Pferde und passierte wirklich; aber nur, um unter die Husaren von Bercheny zu geraten, die La Villette versperrten.

Diesmal hatte er es mit Landsleuten zu thun, und er fragte daher mit besserem Erfolg.

Mein Herr, sagte er, was giebt es denn neues in Paris?

Eure wütenden Pariser, antwortete ein Husar, wollen ihren Necker haben, und sie schießen auf uns, als ob das uns anginge.

Necker haben! rief Billot, Sie haben ihn also verloren?

Gewiß, da ihn der König abgesetzt hat.

Der König hat Herrn Necker abgesetzt? sprach Billot mit dem Erstaunen eines Adepten, der über Ruchlosigkeit schreit; der König hat diesen großen Mann abgesetzt?

Oh, mein Gott, ja, mein Braver; dieser große Mann ist sogar schon unterwegs nach Brüssel.

Wohl! dann werden wir lachen, rief Billot mit einer furchtbaren Stimme, ohne sich um die Gefahr zu bekümmern, die er dadurch lief, daß er mitten unter zwölf- bis fünfzehnhundert royalistischen Säbeln sich als Aufrührer gebärdete.

Und er bestieg abermals Margots Rücken und trieb sie mit grausamen Fersenstößen bis zur Barriere.

Während er immer weiter ritt, sah er den Brand um sich greifen und sich röten; eine lange Feuersäule stieg von der Barriere zum Himmel auf. Die Barriere selbst brannte.

Eine brüllende, wütende Menge, vermischt mit Weibern, die ihrer Gewohnheit gemäß lauter drohten und schrieen als die Männer, schürte die Flamme mit Trümmern von Zimmerwerk, Hausgeräte und Effekten des Octroieinnehmers.

Auf der Straße schauten die ungarischen und deutschen Regimenter, das Gewehr bei Fuß, der Verwüstung zu und verzogen keine Miene.

Billot hielt nicht bei diesem Flammenwall an. Er trieb Margot durch den Brand. Margot setzte mutig über die weißglühende Barriere; doch jenseits der Barriere mußte Billot vor einer dichtgedrängten Volksmenge anhalten, die aus dem Mittelpunkte der Stadt in die Vorstädte zurückströmte, wobei die einen sangen, die andern: Zu den Waffen! riefen.

Billot hatte das Aussehen von dem, was er war, nämlich von einem guten Pächter, der in seinen Geschäften nach Paris kommt. Er schrie, vielleicht ein wenig zu laut: Platz! Platz! Doch Pitou wiederholte so artig hinter ihm: Platz, wenn's beliebt! Platz! daß der eine den andern verbesserte. Niemand hatte ein Interesse dabei, Billot zu verhindern, zu seinen Geschäften zu gehen: man ließ ihn vorüber.

Margot hatte ihre Kräfte wiedergefunden! das Feuer hatte ihr die Haare versengt: all dieses ungewöhnliche Geschrei ängstigte sie. Billot war nun genötigt, ihre letzte Anstrengung zu zügeln, denn er befürchtete, die zahlreichen, vor den Thoren zusammengescharten Neugierigen niederzureiten.

Billot rückte immerhin vor, indem er Margot, bald rechts, bald wieder links lenkte, bis zum Boulevard.

Es defilierte eben ein Zug, der von der Bastille kam und nach dem Garde-Meubles marschierte. Dieser Zug versperrte den Boulevard und folgte einer Bahre, auf der zwei Büsten getragen wurden: die eine durch einen Flor verschleiert, die andere mit Blumen bekränzt.

Die durch einen Flor verschleierte Büste war die Büste von Necker, dem nicht in Ungnade gefallenen, aber entlassenen Minister; die andere war die Büste des Herzogs von Orleans, der bei Hofe für den Finanzmann von Genf offen Partei genommen hatte.

Billot erkundigte sich, was diese Prozession bedeute. Man sagte ihm, es sei eine Herrn Necker und seinem Verteidiger, dem Herrn Herzog von Orleans, vom Volke dargebrachte Huldigung.

Billot war in einer Gegend geboren, wo man den Namen des Herzogs von Orleans seit anderhalb Jahrhunderten verehrte. Billot gehörte zur philosophischen Sekte und betrachtete folglich Necker nicht nur als einen großen Minister, sondern auch als einen Apostel der Menschheit. Das war mehr, als es brauchte, um Billot zu begeistern. Er sprang von seinem Pferde, ohne genau zu wissen, was er that, und schrie: Es lebe der Herzog von Orleans! es lebe Necker! und mischte sich unter die Menge.

Hat man sich einmal unter die Menge gemischt, so verschwindet die individuelle Freiheit. Billot war es übrigens um so leichter, sich fortreißen zu lassen, als er vielmehr an der Spitze, als an dem Schweife der Bewegung ging.

Der Zug rief aus vollem Halse: Es lebe Necker! Keine fremden Truppen mehr! Nieder mit den fremden Truppen!

Billot vermischte seine mächtige Stimme mit allen diesen Stimmen,

Ein Vorzug, welcher es auch sein mag, wird immer vom Volke geschätzt. Der Pariser der Vorstädte mit der schwächlichen, heiseren, durch die Entkräftung geschwächten, oder durch den Wein zerfressenen Stimme würdigte die frische, reine, klangreiche Stimme von Billot und machte ihm Platz, so daß Billot, ohne zu sehr gepufft, mit den Ellbogen gestoßen, des Atems beraubt zu werden, bis zu der Bahre gelangte.

Nach Verlauf von zehn Minuten trat ihm einer von den Trägern, dessen Enthusiasmus seine Kräfte überstieg, seinen Platz ab.

Billot hatte, wie man sieht, rasch seinen Weg gemacht.

Am Tage vorher noch einfacher Verbreiter der Broschüre des Doktors Gilbert, war er am andern Abend eines der Werkzeuge des Triumphes von Necker und vom Herzog von Orleans.

Doch kaum zu diesem Posten gelangt, durchzuckte ein Gedanke seinen Geist. Was war aus Pitou, was war aus Margot geworden?

Während er seine Bahre trug, wandte Billot seinen Kopf um und sah beim Scheine der Fackeln, die den Zug begleiteten und erhellten, beim Schimmer der Lämpchen, die alle diese Fenster beleuchteten, mitten im Zuge eine Art von wandernder Erhöhung, gebildet von fünf bis sechs gestikulierenden und schreienden Menschen.

Unter diesen Gestikulationen und unter diesem Geschrei war die Stimme von Pitou leicht zu unterscheiden, ließen sich seine langen Arme leicht erkennen.

Pitou that, was er konnte, um Margot zu verteidigen, aber trotz seiner Anstrengung war Margot gleichsam im Sturme genommen worden. Margot trug nicht mehr Pitou und Billot, schon eine ehrenwerte Last für das arme Tier.

Margot trug alles, was auf ihrem Rücken, auf ihrem Kreuz, auf ihrem Hals und auf ihrem Widerrist Platz hatte finden können.

Margot glich in der Nacht, die durch die Phantasie alle Gegenstände vergrößert, einem mit Schützen, die auf eine Tigerjagd ausziehen, beladenen Elephanten.

Auf dem breiten Rückgrat von Margot hockten fünf bis sechs Besessene und schrieen: Es lebe Necker! es lebe der Herzog von Orleans! nieder mit den Fremden! Worauf Pitou erwiderte: Ihr werdet Margot erdrücken! Die Trunkenheit war allgemein. Billot halte einen Augenblick den Gedanken, Pitou und Margot Hilfe zu bringen; doch hielt ihn die Furcht wieder davon ab, er könnte, wenn er nur eine Minute auf die von ihm eroberte Ehre, eine von den Stangen der Bahre zu tragen, verzichtete, den Platz an seiner Stange verlieren. Dann dachte er, daß durch den mit dem Vater Lefranc abgeschlossenen Tausch von Cadet gegen Margot, Margot ihm gehörte, und daß, sollte Margot Unglück widerfahren, dies nur eine Sache von drei- bis vierhundert Livres wäre, und daß er, Billot, reich genug sei, um dem Vaterland drei- bis vierhundert Livres zum Opfer zu bringen.

Mittlerweile marschierte der Zug immer weiter; er hatte eine schräge Richtung angenommen und war von der Rue Montmartre bis zur Place des Victoires hinabgegangen. Als man zum Palais Royal kam, fand man eine große Zusammenscharung, die den Weg völlig versperrte. Ein Haufen Menschen mit grünen Blättern am Hut schrie: Zu den Waffen!

Man mußte sich erst erkundigen, waren die Menschen, welche die Rue Vivienne versperrten, Freunde oder Feinde? Grün war die Farbe des Grafen d'Artois. Warum die grünen Kokarden?

Nach einer kurzen Verhandlung erklärte sich alles.

Als man die Entlassung Neckers erfuhr, war ein junger Mann aus dem Kaffee Foy herausgetreten, auf einen Tisch gestiegen und hatte, eine Pistole zeigend, gerufen: Zu den Waffen!

Bei diesem Rufe hatten sich alle Spaziergänger des Palais um ihn versammelt und geschrieen: Zu den Waffen.

Alle fremden Regimenter waren, wie gesagt, um Paris zusammengeschart. Man hatte glauben sollen, es wäre eine österreichische Invasion; die Namen dieser Regimenter klangen entsetzlich für französische Ohren. Sie hießen: Reynac, Salis Samade, Diesbach, Esterhazy, RömerWir kopieren diese Namen genau nach dem Original, ohne entfernt für die Richtigkeit zu bürgen, D. Uebers.; man brauchte sie nur zu nennen, um der Menge begreiflich zu machen, man spreche feindliche Namen aus. Der junge Mann nannte sie und verkündigte, Schweizer seien auf den Champs-Elysées mit vier Kanonen gelagert und müssen an demselben Abend im Gefolge der Dragoner des Prinzen von Lambesq in Paris einziehen. Er schlug eine neue Kokarde vor, die nicht die ihrige wäre, riß ein Blatt von einem Kastanienbaume und steckte es auf seinen Hut. In demselben Augenblick ahmten ihm alle Anwesenden nach, und in zehn Minuten hatten dreitausend Personen die Bäume des Palais Royal geplündert.

Am Morgen war der Name des jungen Mannes unbekannt, am Abend war er in aller Mund.

Der Name des jungen Mannes war Camille Desmoulins.

Man begrüßte sich, man schloß Brüderschaft, man umarmte sich. Dann marschierte der Zug weiter.

Während des kurzen Haltes, den man gemacht, hatten die Neugierigen, die nichts sehen konnten, selbst wenn sie sich auf den Fußspitzen erhoben, Margot mit einer neuen Last an seinem Zaum, an seinem Sattel, an seinem Schwanzriemen, an seinen Steigbügeln so sehr überbürdet, daß das arme Tier in dem Augenblick, wo es sich wieder in Marsch setzen sollte, buchstäblich unter dem übermäßigen Gewicht zusammensank.

An der Ecke der Rue Richelieu schaute Billot zurück; Margot war verschwunden.

Er stieß, dem Andenken des unglücklichen Tieres gewidmet, einen Seufzer aus. Dann raffte er die Kräfte seiner Stimme zusammen und rief dreimal Pitou, wie es die Römer bei den Leichenbegängnissen ihrer Verwandten thaten; es war ihm, als hörte er aus dem Schoße der Menge eine Stimme hervordringen, die auf die seinige antwortete. Doch diese Stimme ging in dem verworrenen Geschrei verloren, das halb in Drohungen, halb in Beifallsrufen zum Himmel emporstieg.

Der Zug marschierte weiter.

Alle Läden waren geschlossen; doch alle Fenster geöffnet, und aus allen Fenstern kamen Ermutigungen und fielen voll Berauschung auf die Umhergehenden.

So erreichte man die Place Vendôme. Doch hier wurde der Zug durch ein unvorhergesehenes Hindernis aufgehalten.

Jenen Baumstämmen ähnlich, die, von einem ausgetretenen Flusse fortgewälzt, auf einen Brückenpfeiler stoßen und gegen die Trümmer, die ihnen folgen, zurückspringen, fand das Volksheer eine Abteilung von Royal-Allemand auf der Place Vendôme.

Die fremden Soldaten waren Dragoner, die, als sie die durch die Straße Saint-Honoré steigende Volksmasse sahen, die nun gegen die Place Vendôme auszuströmen anfing, ihren Pferden, die durch einen Halt von fünf Stunden ungeduldig geworden, die Zügel schießen ließen und gegen das Volk ansprengten.

Die Träger der Bahre bekamen den ersten Stoß und wurden unter der Last niedergeworfen. Ein Savoyard, der vor Billot ging, stand zuerst wieder auf, ergriff das Bildnis des Herzogs von Orleans, befestigte es auf dem Ende eines Stockes, hob es über seinen Kopf empor und schrie: Es lebe der Herzog von Orleans! den er nie gesehen, oder: Es lebe Necker! den er nicht kannte.

Billot wollte dasselbe mit der Büste von Necker thun, doch war man ihm zuvorgekommen. Ein junger Mann von vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, elegant genug gekleidet, um den Namen eines MuscadinIn jener Zeit Benennung der Stutzer, deren Lieblingsparfüm Bisam (muse) war zu verdienen, war der Büste mit den Augen gefolgt, was für ihn viel leichter, als für Billot war, der sie trug, und hatte sich auf dieselbe gestürzt, sobald sie den Boden berührte.

Der Pächter suchte daher vergebens auf der Erde; die Büste von Necker steckte schon an der Spitze einer Art von Pike und versammelte, neben derjenigen des Herzogs von Orleans getragen, einen großen Teil des Zuges um sich.

Plötzlich beleuchtet ein Feuerschein den Platz. In demselben Augenblick vernimmt man ein Gekrache, Kugeln pfeifen; etwas Schweres schlagt Billot vor die Stirne; er fällt; im ersten Augenblick hält sich Billot für tödlich getroffen.

Doch da ihn das Bewußtsein nicht verlassen hat, da ihm, abgesehen von einem heftigen Schmerz am Kopfe, durchaus nichts wehe thut, so begreift Billot, daß er höchstens verwundet ist; fährt mit der Hand an die Stirne, um sich der Bedeutung seiner Wunde zu versichern, und bemerkt zugleich, daß er nur eine Quetschung am Kopfe hat, und daß seine Hände von Blut gerötet sind.

Dem jungen Manne mit den schönen Kleidern, der Billot voranging, hatte eine Kugel die Brust in der Mitte durchbohrt. Er war tot. Dieses Blut, es war das seinige. Der Schlag, den Billot empfunden hatte, war die Büste von Necker, die ihm, ihre Stütze verlierend, auf den Kopf gefallen war. Billot stößt einen Schrei aus, halb vor Wut, halb vor Schrecken.

Er tritt von dem jungen Manne zurück, der sich in den Konvulsionen des Todeskampfes zerarbeitet. Diejenigen, welche ihn umgeben, treten, wie er, zurück, und von der Menge wiederholt, verlängert sich der Schrei, den er ausgestoßen, wie ein Leichenecho in den letzten Gruppen der Rue Saint-Honoré.

Dieser Schrei ist ein neuer Aufruhr; man vernimmt ein zweites Krachen, und alsbald bezeichnen tiefe, in die Masse gegrabene Löcher den Durchzug des Geschosses.

Die Büste, deren ganzes Gesicht mit Blut befleckt ist, aufraffen, sie über seinen Kopf erheben, mit seiner männlichen Stimme Einsprache thun, auf die Gefahr hin, sich töten zu lassen gleich dem schönen jungen Mann, dessen Körper zu seinen Füßen liegt, daß ist es, was die Entrüstung Billot eingießt, und was er im ersten Augenblicke seines Enthusiasmus thut.

Doch bald legt sich eine breite, kräftige Hand auf die Schulter des Pächters und drückt dergestalt darauf, daß er genötigt ist, sich unter dem Gewichte zu biegen. Der Pächter will sich dem Druck entziehen, eine andere Hand, nicht minder schwer als die erste, fällt auf seine andere Schulter. Er dreht sich entrüstet um, um zu schauen, mit was für einem Gegner er es zu thun habe.

Pitou? ruft er.

Ja, ja, antwortet Pitou, bücken Sie sich ein wenig und Sie werden sehen.

Und er verdoppelt seine Anstrengung, bis es ihm gelingt, den widerspenstigen Pächter neben sich niederzudrücken.

Kaum hat er ihm das Gesicht gegen die Erde gedrückt, da ertönt eine zweite Salve. Der Savoyard, der die Büste des Herzogs von Orleans trägt, bückt sich auch, von einer Kugel in den Schenkel getroffen.

Dann hört man das Aufschlagen der Hufeisen auf dem Pflaster. Die Dragoner greifen zum zweiten Mal an; ein Pferd, mit zerzauster Mähne und wütend, rennt über den unglücklichen Savoyarden, und er fühlt die kalte Spitze einer Lanze in seine Brust eindringen. Er fällt auf Billot und Pitou.

Der Sturm zieht, Schrecken und Tod verbreitend, weiter und weiter bis in die Tiefe der Straße! Die Leichname allein bleiben auf dem Pflaster. Alles flieht durch die anliegenden Gassen. Die Fenster schließen sich. Eine Todesstille folgt auf die Rufe der Begeisterung und auf das Geschrei des Zorns.

Billot wartete einen Augenblick, immer noch durch den klugen Pitou niedergehalten. Als er dann fühlte, daß die Gefahr sich mit dem Lärmen entfernte, erhob er sich auf ein Knie, während Pitou, nach Art der Hasen im Lager, nicht den Kopf aufzurichten, sondern das Ohr zu spitzen anfing.

Nun, Herr Billot, fügte Pitou, ich glaube, Sie haben wahr gesprochen, wir sind im rechten Augenblick angekommen.

Auf, hilf mir!

Wozu? zu entfliehen?

Nein; der junge Muscadin ist tot, doch der arme Savoyard ist, wie ich denke, nur ohnmächtig. Hilf mir ihn auf meinen Rücken laden, wir können ihn nicht hier lassen, daß ihm die verdammten Deutschen den Rest geben.

Billot sprach eine Sprache, die Pitou gerade zum Herzen ging. Er fand nichts zu antworten und konnte nur gehorchen. Darum nahm er den Körper des ohnmächtigen, blutenden Savoyarden, lud ihn, wie er es mit einem Sacke gethan hätte, auf die Schulter des kräftigen Pächters, und dieser schlug, als er die Rue Saint-Honoré frei und scheinbar verlassen sah, mit Pitou den Weg nach dem Palais-Royal ein.

 


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