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Marien Theresiens Geburt und Taufe.

Am 13. Mai 1717 lud vollstimmiges Geläute die Bevölkerung Wiens zum feierlichen Gottesdienst im St. Stephansdom, und beim Schalle von Trompeten und Pauken stimmte dort der Bischof von Wien, Graf Siegmund von Kollonitsch, Auf Karls VI. Wunsch wurde später, (1722) das Bisthum Wien durch Papst Innocenz XIII. zum Erzbisthum erhoben. Kollonitsch erhielt einige Jahre darnach den Kardinalshut. umgeben von dem Domkapitel, von der bischöflichen Kur und dem Stadtrath Wiens, den ambrosianischen Lobgesang: »Herr Gott, dich loben wir«, an. Die sämmtlichen Glocken des Doms, darunter jene Riesenglocke in der Thurmpyramide, welche erst 6 Jahre vorher durch Johann Achamer aus erobertem Türkengeschütz gegossen worden war, begleiteten den Lobgesang, diesen feierlichen Ausdruck frommen Dankes dafür, daß die Kaiserin Elisabeth Christina am Morgen jenes Tages, wenige Minuten nach halb 8 Uhr, ihrem Gemahl Karl VI. eine Tochter, den habsburgischen Stammlanden eine Erbin geboren hatte. Je größer im vorhergegangenen Jahre 1716 die Bestürzung und Trauer des Hofes und Volkes über das rasche Ableben des noch nicht halbjährigen männlichen Erben, des Erzherzogs Leopold, gewesen, um so lebhafter war jetzt die Freude über die Geburt der Prinzessin, und wohl nur ein Herz, das des Vaters, vermochte die Freude nicht ganz ungetrübt zu empfinden, weil die Geburt einer Tochter, statt eines ersehnten männlichen Erben, schweren Besorgnissen über die Zukunft des Erzhauses neuerdings Raum gab. Wie frisch war noch die Erinnerung an das Erlöschen der spanischen Linie Habsburgs, auch in einem Karl (1700)!

Auf Befehl des Kaisers fand die Taufe der neugebornen Erzherzogin noch am Abend desselben Tages in der Burg und zwar mit höchster Pracht statt. Die Schilderung dieser religiösen Feierlichkeit charakterisirt die damalige Sitte des Wiener Hofes.

Zu der feierlichen Handlung war die Ritterstube der Burg mit den kostbarsten, von Gold, Silber und Seide gewirkten Tapezereien behangen und durch eine Menge reicher Hänge- und Wandleuchter erhellt; neben der Thüre, die aus der Trabantenstube in den Saal führte, erhob sich, unter einem Baldachin von Goldstuck, der Altar, auf welchem vor einem großen silbernen Kruzifix die beiden Taufbecken standen, ein größeres und ein kleineres, beide von Gold und mit Edelsteinen reich besetzt. In das Taufwasser hatte man fünf Tropfen Jordanswasser gegossen. Auch an Reliquien fehlte es nicht; da war unter andern heiliges Blut, ein Dorn aus der Krone, die der Heiland getragen, und einer von jenen Nägeln, womit er an's Kreuz geheftet worden. Sämmtliche Heilthümer holte der Almosenier und Hofkaplan, feierlich von zwei Trabanten begleitet, aus dem Schlafzimmer der Kaiserin. Neben dem Altar stand ein reichbehangener Tisch mit einem Kruzifix und einem Kissen von Purpursammt; dem zunächst waren die prachtvollen Betstühle für den Kaiser, die verwittweten Kaiserinnen und die Erzherzoginnen hingestellt, andere für den päpstlichen Nuntius, für den Gesandten der Republik Venedig und für den Prinzen von Portugal bereit. Die kaiserliche Hofmusik hatte ihren Platz auf einem Balkon, der über der Thüre erbaut war, durch welche die Zeugen der heiligen Handlung eintreten sollten.

Nach 8 Uhr wurden die Pforten geöffnet, Trompeten und Pauken erschollen, und im höchsten Glanze wie in voller spanischer Grandezza schritten zuerst alle Kavaliere und die niederösterreichischen Stände, die kaiserlichen geheimen Räthe und Kämmerer in den von blendendem Kerzenschimmer erhellten Saal. Dann erschienen der päpstliche Nuntius und der Gesandte Venedigs. Hierauf Kaiser Karl VI. im spanischen Mantelkleide, das von Gold und Silber starrte, mit einer rothen Feder auf dem aufgekrämpten Hut. In schwarzer, von Diamanten blitzender und reich mit Perlen geschmückter Kleidung folgten nun die Wittwen der verstorbenen Kaiser Leopolds I. und Josephs I., Eleonore und Wilhelmine Amalie. Hinter ihnen schritt die kaiserliche Frau Aya, die Reichsgräfin von Thurn und Valsassina. Ihr folgte der Fürst Anton Lichtenstein, Obersthofmeister, Ritter des goldnen Vließes und Grand von Spanien, welcher auf einem weißatlassenen Kissen das Fürstenkind trug, begleitet von zwei anderen Rittern des goldnen Vließes, den Grafen Cifuentes und Oropesa. Jetzt erst erschienen die Erzherzoginnen, die hinterlassenen Töchter Leopolds I. und Josephs I., paarweise, in goldstückner, von Edelsteinen funkelnder Kleidung. Ihnen folgte die Obersthofmeisterin der regierenden Kaiserin, die verwittwete Fürstin Auersperg, und die Obersthofmeisterinnen der verwittweten Kaiserinnen, die Freifrau von Fünfkirchen und die Gräfin Caraffa. Ihnen schlossen sich zahlreiche Hofdamen, Frauen der ersten Beamten u. s. w., alle im höchsten Staat prangend, an. Nachdem sich nun die kaiserliche Familie, der Nuntius und der venezianische Gesandte nach den Betstühlen begeben, legte Fürst Lichtenstein das Kind auf das rothsammtene Kissen, wo die kaiserliche Aya dessen kostbaren Anzug insoweit aufband, als dieß wegen der Taufceremonien nöthig war; worauf sie es wieder auf die Arme nahm. Inzwischen hatte Kollonitsch, Bischof von Wien und Fürst des heil. römischen Reiches, im blauen Vespermantel die sogenannten gewöhnlichen Kirchenceremonien »ausser des Altars« (der Altar vertrat symbolisch die Kirche) vorgenommen; vier hohe Prälaten mit Inful und Vespermantel assistirten; außerdem waren auch der Hof und Burgpfarrer, so wie der Ceremoniarius der Kaiserin-Wittwe Amalie anwesend und drei Hofkaplane ministrirten. So wurde der weltliche Punkt des Hofes durch die glänzende Versammlung der Geistlichen ergänzt. Nachdem der Bischof die Ceremonien »außer des Altars« verrichtet, legte er den blauen Vespermantel ab und einen weißen mit Silber gestickten an; die Wittwe Leopolds I., die Kaiserin Eleonore, empfing ihre Enkelin aus den Händen der Aya, und zu ihr traten Wilhelmine Amalie und der Nuntius Spinola im Namen des Papstes Clemens XI., als Pathen. So nebeneinander stehend legten sie die Finger auf die Prinzessin, während der Bischof von Wien dieselbe taufte und ihr die Namen »Maria, Theresia, Walburga, Amalia, Christina« gab. Bezeichnend für die Religiosität des kaiserlichen Hofes ist unter Anderm die Art der Beschenkung der jungen Prinzessin durch die beiden verwittweten Kaiserinnen nach vollendetem Taufakt; Eleonore schenkte ihrer Enkelin Reliquien der heiligen Theresia, Wilhelmine Amalie Reliquien des heiligen Ignatius von Loyola, in kostbarster Demantfassung. Der Bischof aber stimmte jetzt das Tedeum an, welches unterm Schall von Trompeten und Pauken abgesungen wurde, als wäre der Kaiser, der ernste Mann dort im Betstuhl, als Sieger aus der Feldschlacht gekehrt. Fromm betete Karl VI. das Schlußgebet mit, welches nun folgte, und empfing, in Demuth den Segen, welchen der Bischof hierauf allen Anwesenden spendete. Nach derselben strengen Richtschnur des Ceremoniels, welcher an diesem Hofe der Kaiser nicht minder als jeder Andere unterworfen war, verließ nun der Zug unter Trompeten- und Paukenschall den Saal. Die Etikette verlangte, daß die Aya die Erzherzogin dem Obersthofmeister wieder übergab, daß Dieser, begleitet von den Grafen Cifuentes und Oropesa, sie wieder in das Vorgemach brachte, und daß die Aya sie ihm dort wieder abnahm, um sie in's Schlafgemach der regierenden Kaiserin zu tragen.

Nicht minder bezeichnend wie jene Reliquienschenkung war die Art, wie die Kaiserin Wittwe Wilhelmine Amalie das Gedächtniß des Geburts- und Tauftages ihrer Nichte zu erhalten beschloß. Sie legte am Vormittag auf dem Rennweg (einer Vorstadt Wiens) den Grundstein zu einem Kloster, welches sie, ein Gelübde zu lösen, für Nonnen nach der Regel S. Augustins und der Stiftung des heil. Franz von Sales (daher ihr Name: »Salesianerinnen«) erbaute, unter deren Verpflichtungen – neben den gewöhnlichen Klostergelübden – sich auch die besondere befand: junge adelige Damen standesgemäß zu erziehen. Kloster und Kirche der Salesianerinnen, im neuitalienischen Geschmack erbaut und mit Gemälden Pellegrini's und Altamonte's verziert, stehen noch heute in Wien. Wilhelmine Amalie pflegte nach Vollendung des Baues in dem Kloster zu residiren, und verließ es nur, wenn besonders festliche Gelegenheiten ihre Anwesenheit an Hof unumgänglich erforderten.

Eine Nachfeier anderer Art hielt drei Monate später Prinz Eugen, »der tapfere Ritter« durch ganz Europa wohlbekannt. Er schlug die Türken am 16. August, und am 18. fiel Belgrad. Bald darauf ergaben sich Semendria, Sabacs und Orsowa, – ein bedeutsames Pathengeschenk für die junge Erzherzogin, welche einst Königin von Ungarn werden sollte! – Die Walachei war besetzt, ihr Hospodar und der der Moldau wollten dem Kaiser Tribut bezahlen! Im folgenden Jahre drückte der Passarowitzer Friede (vom 21. Juli 1718), welcher, dem Kaiser den Besitz des Temeswarer Banats, Bosniens bis zur Unna, der kleinen Walachei und Serbiens bis an Timok und Drina mit Belgrad sicherte, das Siegel auf dies Pathengeschenk, das der größte Held seiner Zeit der Erbin Karls VI. brachte.

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