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Marien Theresiens Ältern.

Karl VI. (geboren am 1. October 1685) war ein Fürst von manchen trefflichen Eigenschaften des Geistes und Herzens. Ritterlichen Sinn und persönlichen Muth hatte er an den Tag gelegt, als er, ein achtzehnjähriger Jüngling, nach Spanien zog, um sein Recht auf dies herrliche Reich mit den Waffen in der Hand zu behaupten. Er war fromm, wie mancher Zug in seinem Leben und manche Stiftung, wie noch heute die prachtvolle Karlskirche in Wien bezeugt, die er, ein während der Pest geleistetes Gelübde zu erfüllen, erbaute. Seine treue Anhänglichkeit an die katholische Religion erhielt aber anderseits ihre schönste Folie in der Achtung, welche er dem Recht der freien Ausübung eines fremden Kultus (wie z. B. in Ungarn und Siebenbürgen) zollte, in seiner eifrigen Betheiligung an den Verhandlungen auf dem Reichstag zu Regensburg, welche den wechselseitige religiöse Duldung betreffenden Reichstagsschluß von 1721 zur Folge hatten. Künste und Wissenschaften zu pflegen und zu fördern, war ein Bedürfniß für den Monarchen, welcher die Sprachen aller von ihm beherrschten Volksstämme und die Weltsprache von Versailles redete, – die deutsche wurde allerdings auch an seinem Hofe gering geachtet! – welcher täglich einige Stunden in seinem Bibliothekzimmer zubrachte und auch auf Reisen und Feldzügen eine kleine auserwählte Büchersammlung und ein Kästchen der seltensten Münzen mit sich führte, welcher selbst dichtete, zeichnete, mehrere Instrumente spielte und Musikstücke komponirte. Denkmale von Karls Kunstliebe sind nicht blos jene Prachtbauten zu Wien, wie die Hofbibliothek, die Reichskanzlei, die Reitschule, das Zeughaus u. s. w., sondern auch die Restauration der in Verfall gerathenen Akademie der Künste, die reiche Vermehrung der Gemälde- und Münzsammlungen. Wahrhaft kaiserlich war nicht sowohl der Ankauf der seltensten Handschriften für die Hofbibliothek und deren Vermehrung durch kostbare Sammlungen von Druckschriften, als vielmehr die Liberalität, womit Karl VL, kleinliche Rücksichten und Bedenken hintansetzend, jedem Berufenen die Archive öffnete, und die Freigebigkeit, womit er jede Forschung unterstützte (es war die Zeit der frischen Quellenforschungsluft, in welcher ein Gottfried Bessel, die Brüder Petz in Mölk, ein Hergott in St. Blassen wirkten), womit er bedeutenden Gelehrten Gnadengehalte aussetzte. Den Künstler in der Steinschneidekunst, Becker erhob er in den Adelstand) für ihn baute ein Fischer von Erlach; ihn umgaben ein Gentilotti, Garelli, Marinoni; mit einem Leibnitz wechselte er Briefe, und es handelte sich dabei um nichts Geringeres als um die Errichtung einer österreichischen Akademie der Wissenschaften. Bei seinem großen Drange, selbstthätig zu herrschen, Alles mit eignen Augen zu sehen, mit eignem Geist zu prüfen und zu ordnen, wurde für Pflege der Gerechtigkeit, für öffentliche Sicherheit und Sittlichkeit, für Humanität nicht wenig geleistet. Von großer Wichtigkeit war dem Kaiser die Beförderung der Handelsinteressen in seinen Staaten. Er sah ein, daß die verschiedenartigen Bestandtheile derselben eben durch den Handel zu einem großartigen Ganzen verbunden werden könnten, und er traf zur Begünstigung desselben sehr zweckmäßige Anstalten in Bezug auf Straßenbau und Schifffahrt; so waren ferner die Errichtung einer Handelskompagnie zu Ostende, welche er endlich der Eifersucht der Seemächte widerstrebenden Herzens opfern mußte, und die einer orientalischen Handelskompagnie zu Wien Gegenstände seiner eifrigsten Bemühungen. – Bei so vielen trefflichen Eigenschaften fehlte nun aber Karl VI. jene durchgreifende Energie, welche nicht blos offenem Mißgeschick entgegentreten, sondern auch die geheimen Machinationen feindseliger Politik vereiteln kann; die Besorgniß um das Schicksal seines Hauses ließ ihn nach zu vielen Seiten hin abmessen und erwägen, Zugeständnisse-machen und hoffen, wo allein durch ein imposantes Entfalten des Selbstvertrauens gewonnen werden konnte. So gerieth er allmälig in eine solche Menge von Verwickelungen, deren eine sich an das Ende der andern knüpfte, daß er, wie unermüdlich er auch sein Ziel im Auge hielt, zuletzt doch ermattete, seiner Stellung vergab und nichts gewann als eine Hoffnung, welche er, bei seinem richtigen Blick in Menschen und Verhältnisse, doch für eine Täuschung hätte halten müssen, wäre er nicht zu leicht geneigt gewesen, bei anderen Fürsten eine gleiche Redlichkeit vorauszusetzen, wie sie ihm selbst eigen war. Den Unterthanen gegenüber bewies er eine so große Leutseligkeit, als er am Hofe mit Strenge für Aufrechthaltung der spanischen Etikette sorgte, welche unzertrennlich schien von dem Begriff der Majestät und der Stellung des Kaisers vor allen übrigen Potentaten. Eine eigenthümliche Mischung von angeborner Gutmüthigkeit mit anerzogner und ernstbehaupteter Gravität sprach sich in seinem Aeußern aus. Der habsburgische Typus war in den Zügen seines edelgeformten Gesichts nicht zu verkennen, aber eben so wenig der Schatten spanischen Ernstes, ein Anflug jener Melancholie, welche Karl V. von seiner unglücklichen Mutter Johanna überkommen und welche ihn nach Sankt Just geführt hatte; wenn in Karls VI. Zügen diese Melancholie durch einen Anstrich von Phlegma wertiger gemildert als verdeckt war, so zeigt sie sich um so unverkennbarer als Grundrichtung in seinem Leben, vorwaltend in allen jenen tausend Sorgen und Mühen um Die pragmatische Sanktion. Musterhaft und in jener Zeit, welche die Sittenlosigkeit so gern zum angebornen Vorrecht der Großen stempelte, im schönsten Lichte hervorstrahlend, war die sittliche Reinheit von Karls VI. Privatleben. Das eheliche Verhältniß dieses Monarchen und seiner Gemahlin war nicht blos untadelhaft und über jeden Verdacht – erhaben, sondern auch hauptsächlich durch die Innigkeit wechselseitiger Achtung ein vorzugsweise sittliches. Karls VI. Gemahlin Elisabeth Christina war aber auch einer solchen Achtung im hohen Grade Werth.

Elisabeth Christina, geboren am 28. August 1691, war die Tochter des Herzogs Ludwig Rudolf von Braunschweig-Lüneburg, eine Dame von hoher imposanter Gestalt, welche durch die ausgesuchte Pracht eines von Demanten schimmernden Anzuges noch mehr gehoben wurde, mit einem gewinnenden Ausdruck von Liebenswürdigkeit in den schönen und edlen Zügen. Einem solchen Aeußeren entsprachen glänzende Eigenschaften des Geistes und Gemüthes, Scharfblick, Menschenkenntniß, Entschlossenheit und Seelenadel, der Zauber geistreicher Unterhaltung, – alle Vorzüge, welche die Herzen eines Volkes für seine Königin begeistern müssen. Zur Gemahlin eines katholischen Prinzen bestimmt, der 1?en Thron einer so strengkatholischen Monarchie wie Spanien besteigen sollte, trat die junge Fürstin zu Bamberg am 1. Mai 1707 vom evangelischen Glauben zum katholischen über; am 23. April des folgenden Jahres wurde sie dann zu Hietzing bei Wien dem bereits in Barcelona befindlichen Erzherzog Karl durch Procuration vermählt. Sie folgte nun dem ritterlichen Gemahl auf den Schauplatz seiner Thaten, nach Spanien, wo das Beilager zu Barcelona am 1. August 1708 vollzogen wurde. Bald fand die junge Königin von Spanien Gelegenheit, die Selbstständigkeit ihres Charakters in schwieriger Lage zu erproben. Noch währte der Kampf Habsburgs mit Bourbon um die spanische Krone, als der deutsche Kaiserthron durch den plötzlichen Tod Josephs I. (1711) erledigt ward. Sein Bruder Karl sah sich nun genöthigt, mitten aus dem spanischen Kampf ohne Säumen nach Deutschland zu eilen, um als einziger männlicher Erbe des habsburgischen Hauses die Huldigung der Erbstaaten anzunehmen und nicht zu fehlen, wenn die Wahl der Kurfürsten die Kaiserkrone auf sein Haupt setzen würde. Allen eifrigen Versuchen Frankreichs und Kursachsens zum Trotz, fiel die Kaiserwahl an demselben Tage, an welchem Karl auf der Seefahrt die Höhe von Vado. erreichte, zu seinen Gunsten aus. Nicht ohne Bestürzung hatte Catalonien den Fürsten scheiden sehen, für dessen Recht es mannhaft einstand, und wohl rechtfertigte die Folgezeit die bange Vorahnung, welche damals manches treue Herz erfüllte, daß der König seinem Reiche für immer Lebewohl gesagt habe. Statt seiner blieb die schöne, liebenswürdige, entschlossene Königin als Regentin in Catalonien zurück, ihr zur Seite Fürst Anton Lichtenstein, der die Erziehung des Kaisers geleitet hatte, und Graf Guido von Stahremberg, – zu ihrer Vertheidigung gegen die Macht der Bourbons das ganze ritterliche Volk von Catalonien, Mann für Mann, in schöner Begeisterung und glorreicher Ausdauer. Inmitten dieses Volkes, im Vertrauen auf dasselbe und auf die eigene Kraft, blieb Elisabeth Christina noch in Barcelona, als die Sache ihres Gemahls in Spanien bereits so gut wie verloren war. Der Königin Gegenwart – die englischen Unterhändler wußten es wohl – reichte hin, fast eben so wie Stahrembergs Truppen, den Widerstand der muthigen Catalonier gegen den fremden Herrscher aus dem Hause Bourbon zu erhalten, gegen Philipp V., dem die europäische Politik durch die Friedensschlüsse den Besitz der spanischen Krone garantirt hatte. Als Elisabeth Christina Catalonien verließ, war ihr Scheiden ein Verzichten; aber treu und hoffnungskräftig kämpfte das Volk für ihre Rechte mit Erbitterung gegen Philipp V., dem es in Barcelona feierlich den Krieg erklärte, noch fort, bis es endlich der Uebermacht erliegen mußte. Furchtbar büßte Barcelona, als es 1714 erstürmt ward, den Widerstand, und ganz Catalonien durch den Verlust seiner alten Freiheiten und Rechte die Treue für Karl und die schöne Königin.

Dies sind in kurzen Umrissen die Züge der Aeltern Marien Theresiens.

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