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11. Schluß.

Max hatte die Nacht auf einem Dorfe Rast gemacht und erfuhr beim ersten Erwachen den stattgehabten Unglücksfall. Voll Besorgnis kehrte er auf diese Nachricht wieder zurück, um, wenn auch nicht mehr zu helfen, so doch die Überzeugung zu holen, daß keinem seiner Angehörigen ein Schaden dabei zugestoßen sei. Der Student dachte nicht mehr an die erlittene Behandlung; eine bange, teilnehmende Angst beflügelte seine Schritte. Auf der Brandstätte traf er seinen Onkel, der von dem benachbarten Gute, auf welchem er Zuflucht gesucht, am frühen Morgen zurückgekehrt war, um die Wegräumung des Schuttes anzuordnen. Lolo hatte er dort zurückgelassen. Der Gutsherr empfing seinen Neffen durch die Stimmung, in welche ihn das Ereignis versetzt hatte, noch unfreundlicher und zurückstoßender und beantwortete die bewegte Frage nach seiner Tochter barsch, daß sein Neffe sich nach ihr nicht zu erkundigen habe. Max kehrte sich schweigend von ihm ab. Einen Tag lang blieb er noch im Wirtshaus des Dorfes und besuchte am Nachmittag die Hütte der alten Blödsinnigen, wo er die Leiche der geopferten Anne lange mit schweigendem und düsterem Ernst betrachtete. Am folgenden Morgen trat er den Rückweg an. Der Gutsherr hatte sich wieder zu seinen benachbarten Standesgenossen begeben, und Max wollte daher um so weniger den Umweg über das Gut machen, wo Lolo sich aufhielt, als er die Besitzer nur oberflächlich kannte und namentlich dem Junker seit der letzten Anwesenheit im stillen nicht recht gewogen war. Zudem sagte er sich in bitterer Erinnerung an den letzten Abschied, daß es doch wohl fruchtlos wäre, seine Verlorene aufzusuchen. So wanderte er traurig und einsam von neuem hinaus, in seinem Herzen nichts mehr von all dem reiben Glück als den Traum einiger kurzer, schöner Tage. –

Herr Stempel baute das Herrenhaus bald wieder in der alten Pracht und Üppigkeit auf und hat jetzt seinen Handel weiter als je ausgedehnt. Lolo hat einige Jahre später den Junker des benachbarten Ritterguts geheiratet, der an jenem Pfingstfest sich so angelegentlich um sie bemühte. Wie man sagt, hatte Herr Stempel ein großes Kapital zum Aufbau und zur Herrichtung des Hauses von dem Vater des Junkers erhalten. –

Anne liegt an der Kirchhofsmauer an jener Stelle begraben, wo die Zweige einer hohen Linde über die Mauer ragen und ihren Schatten auf den Hügel werfen. Der einfache, graue Stein ohne Inschrift, der dort steht, verrät nicht, welch ein treues Herz darunter gebrochen. Es besucht niemand ihr Grab, es spricht niemand mehr von ihr; nur die kleinen Vögel singen allmorgens über ihr in den Zweigen, und die Linde wirft ihre Blüten auf sie herab. So ging es an ihr in Erfüllung:

»Sie gruben sie ein in tiefem Grunde,
Das treueste Herz in weiter Runde.
Sie gruben sie ein ohne Sang und Klang,
Nur die Bäume rauschten den Grabgesang,
Und um sie wird niemand traurig sein
Als nur die kleinen Waldvögelein.«


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