Hans Dominik
Flug in den Weltraum
Hans Dominik

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»Da bin ich, Herr Professor! Gut anderthalb Kilo des Strahlstoffes habe ich zusammengebracht.«

Jones sagte es mit unverhohlener Freude über den Erfolg seiner Reise und stellte eine schwere Bleibüchse vor Professor O'Neils auf den Tisch.

»Gut, mein Lieber, da hat sich Ihre Reise wenigstens etwas gelohnt«, sagte O'Neils, während er den Deckel der Dose abhob. »Wir werden den Stoff untersuchen.«

Betroffen schaute Jones auf. Er hatte lebhaftere Worte der Anerkennung für das von ihm Erreichte erwartet, und das Gefühl der Ernüchterung verstärkte sich noch in ihm, als O'Neils ruhig weitersprach. »Ich fürchte allerdings, daß wir nicht viel Neues entdecken werden. Die Strahlung unserer alten Probe hat inzwischen derart nachgelassen, daß sie immer weniger meßbar bleibt. Wenn alle Stücke von demselben Meteor stammen, so dürfen wir von dem neuen Material auch kaum etwas anderes erwarten.«

Jones hatte die Empfindung, als ob er einen Kübel kalten Wassers über den Kopf bekäme. War das der Dank für seine Bemühungen, für die Reise nach Kalifornien, die er im Interesse der Wissenschaft auf eigene Kosten unternommen hatte? Noch ehe er etwas zu sagen vermochte, sprach Professor O'Neils schon weiter. »Ein Elektroskop wird durch den älteren Stoff überhaupt nicht mehr beeinflußt. Es sollte mich wundern, wenn es hier anders wäre. Wir können gleich einen Versuch machen.«

Er ging zu einem Schrank, nahm ein Goldblatt-Elektroskop heraus und stellte es auf den Tisch, griff dann nach einer Schellackstange, rieb sie an seinem Rockärmel und berührte den Kopf des Elektroskopes damit. Nur einen kurzen Moment zuckten die Blättchen in dem Elektroskop, doch sie spreizten sich nicht auseinander.

O'Neils stutzte. Ein zweites und drittes Mal wiederholte er den Versuch, doch stets mit dem gleichen negativen Ergebnis. »Heaven! Was ist das?« Er nahm das Elektroskop, das unmittelbar neben der geöffneten Bleibüchse stand, brachte es in die entfernteste Ecke des Zimmers und versuchte es zum vierten Mal. Diesmal schlugen die Goldplättchen zwar auseinander, doch sie beharrten nicht lange in dieser Stellung. Nach wenigen Sekunden waren sie bereits wieder zusammengefallen.

Professor O'Neils stand vor einem unerwarteten Phänomen, und sein Forschungseifer wurde rege. Für die nächsten Minuten vergaß er die Gegenwart Jones' und alles andere um sich her. Er lief zu der Bleibüchse und legte den Deckel wieder auf. Er riß alle Fenster auf, um die möglicherweise durch eine Strahlung ionisierte Luft des Zimmers durch Frischluft zu ersetzen. Er begann danach wieder mit dem Elektroskop zu arbeiten, und diesmal beharrten die auseinandergespreizten Blätter in ihrer Lage. Er stellte das Elektroskop dicht neben die Bleibüchse, und die Goldblättchen blieben auseinandergespreizt. Er hob den Deckel von der Büchse ab, und sofort fielen die Blätter zusammen. O'Neils hatte gefunden, was er suchte, und kam wieder zu sich. Er warf sich in einen Sessel, blickte Jones an und sprach zu ihm. »Ihre Meteoritentheorie hat einen schweren Stoß bekommen. Der neue Stoff strahlt tausendmal stärker als die alte Probe. Es ist unwahrscheinlich, daß beide den gleichen Ursprung haben.«

Robert Jones versuchte etwas zu erwidern und seine Hypothese zu verteidigen, aber O'Neils wies jeden seiner Einwände unter Berufung auf die eben gemachten Messungen zurück.

»Ich hätte vielleicht lieber nicht nach Kalifornien fahren sollen«, meinte Jones schließlich und brachte dadurch O'Neils erst recht in Harnisch. »Wollen Sie Tatsachen aus dem Wege gehen, weil sie Ihnen unbequem sind?« fuhr dieser ihn an. »Sehr gut war es, ganz vorzüglich war es, daß Sie diese Reise unternommen haben. Was kommt es darauf an, wenn ein paar Theorien oder Hypothesen zusammenkrachen? Die Hauptsache ist, daß wir die Wahrheit ergründen.«

Ebenso schnell, wie Professor O'Neils in Feuer geraten war, beruhigte er sich wieder. »Kommen Sie, Jones«, sagte er in verändertem Ton, »wir wollen das neue Material chemisch untersuchen.«

Der halbe Tag verstrich darüber. Zu dritt waren sie an der Arbeit, reduzierten, chlorisierten und oxydierten, setzten Lösungen an, titrierten und verdampften, bis das Ergebnis mit Sicherheit vorlag.

»Der ersten Probe ähnlich, aber durchaus nicht das gleiche«, faßte O'Neils das Resultat der Analyse in wenige Worte zusammen. »Es ist ebenfalls radioaktives Blei und Kohlenwasserstoff, aber in einem anderen Mengenverhältnis.«

»Könnte es nicht doch von demselben Meteor stammen wie das andere?« versuchte Jones seine alte Theorie zu verteidigen.

»Der Gehalt an einem paraffinähnlichen Kohlenwasserstoff ist rund doppelt so hoch wie bei dem älteren Material«, warf O'Neils ein.

»Man hat schon öfter beobachtet, daß die prozentuale Zusammensetzung eines Meteors von Stelle zu Stelle stark wechselt«, meinte Jones dagegen.

Bisher hatte Watson dem Disput der beiden anderen schweigend zugehört. Jetzt nahm er das Wort. »Haben sich die Herren bereits eine Erklärung dafür gemacht, wie Paraffin in ein Meteor hineinkommt?«

O'Neils antwortete mit einer abweisenden Bewegung. »Ich habe diese Meteoritentheorie niemals vertreten.«

Jones suchte nach Worten und redete viel, ohne doch überzeugend wirken zu können. Er kam vom Hundertsten ins Tausendste, bis Watson ihm mit einer Bemerkung dazwischenfuhr. »Ich glaube nicht an deine Meteoritentheorie, Robert! Paraffin ist ein organischer Stoff. Organischer Stoff fliegt nicht im Weltraum umher. Das Material hier«, er wies auf die vor ihm stehenden Analysen, »ist irdischer Herkunft und . . . hörst du, Robert, wenn mich nicht alles täuscht, stammt es aus einem Laboratorium, wo es zusammengemischt wurde.«

Jones wollte aufbrausen, Professor O'Neils hielt ihn zurück. Nüchterne Kritik, fast Abweisung klang aus seinen Worten, als er zu Watson sprach.

»Wieder eine neue Hypothese, fast noch abenteuerlicher als die Ihres Freundes Jones. Beweise dafür müßten erst erbracht werden. Können Sie eine Erklärung für die verschiedene Zusammensetzung der beiden Proben geben, die wir in Händen haben?«

»Selbstverständlich, Professor O'Neils, die beiden Proben stammen von zwei verschiedenen Versuchen . . . derselben Versuchsreihe natürlich, bei der man die Paraffinbeimengung von Versuch zu Versuch verändert hat.«

»Nicht übel, mein lieber Watson.« O'Neils wiegte den Kopf nachdenklich hin und her. »Ihre Hypothese könnte in der Tat etwas für sich haben, wenn nicht . . . wenn Sie, ja wenn Sie auch dafür noch eine Erklärung hätten, wie diese Stoffe in unsere Atmosphäre gelangt sind, sich über die ganze Erde hin in der Luft herumtreiben und hier bei uns niederfallen.«

»Erinnern Sie sich noch an unsere erste Besprechung, Herr Professor, als wir Ihnen die erste Probe brachten? Damals gaben Sie selbst der Vermutung Ausdruck, daß das Stück durch eine Explosion in die Höhe geschleudert worden sein könnte.«

O'Neils stutzte. Er entsann sich. Ja, das hatte er damals freilich gesagt; hatte sogar Nachforschungen angestellt und bald herausgefunden, daß in der Nähe von Washington keinerlei Explosionen stattgefunden hatten.

»Eine Explosion, die ihre Sprengstücke über den halben Erdball verstreut?« Professor O'Neils begann sich wieder zu ereifern. »Wir sind Wissenschaftler und keine Phantasten, Watson! Wenn Sie mir keine bessere Erklärung geben, muß ich Ihre Theorie ebenso verwerfen wie die Ihres Freundes Jones.«

Watson kannte seinen Chef zur Genüge, um zu wissen, daß ein weiterer Widerspruch ihn nur noch mehr gereizt hätte.

»Ich möchte etwas anderes vorschlagen«, lenkte er deshalb ein. »Wir haben in unserem Institut auch schon radioaktives Blei hergestellt. Wenn man es in Staubform brächte und mit Kohlenwasserstoff vermengte, könnte man vielleicht eine ähnliche Substanz erzeugen wie diese hier. Man müßte eine Versuchsreihe ansetzen, die Beimengung von Fall zu Fall verändern . . .«

Bei jedem der letzten Worte, die Watson sprach, hatte O'Neils zustimmend genickt. Jetzt unterbrach er ihn lebhaft.

»Das ist ein Vorschlag, der sich hören läßt. Woher der fremde Stoff stammt, soll uns jetzt nicht weiter kümmern. Selber herstellen wollen wir ihn, das ist das einzig Richtige.«

Das Material für das beabsichtigte Experiment war im Institut vorhanden. Von früheren Arbeiten her lag im Laboratorium noch ein Kilogramm radioaktives Blei, und Paraffin der verschiedensten Sorten war in den Büchsen der Chemikaliensammlung enthalten. Das Ziel hatte Professor O'Neils mit klaren Worten angegeben, nur der Weg zu seiner Erreichung war noch strittig. Tage hindurch berieten sie darüber hin und her, ohne zu einem Entschluß zu kommen, während sie inzwischen bereits alles für die Versuche vorbereiteten. Da stand auf dem Laboratoriumstisch eine schwere Platinschale, in welcher der radioaktive Bleistaub flimmerte und schimmerte. Dicht daneben eine andere, die mit geflecktem Paraffin gefüllt war. Für den Fall, daß man doch mit geschmolzenem Paraffin arbeiten wollte, war auch bereits ein Wasserbad auf dem Tisch aufgebaut und schon so weit betriebsfertig, daß man nur noch die elektrische Beheizung des Wasserbehälters einzuschalten brauchte. Nur noch der letzte Entschluß fehlte, dann konnte das Experiment vonstatten gehen. Wieder war darüber ein Abend hereingebrochen, und O'Neils und seine Gefährten rüsteten sich, ihre Arbeitsstelle zu verlassen. Noch einmal schaute Professor O'Neils nach dem Tisch; dann wanderten seine Blicke über die lange Reihe der Wandschränke, die mit wertvollem chemischem Gerät gefüllt waren, und blieben schließlich an den Fenstern haften. Nachdenklich, zuerst mehr zu sich selbst als zu den anderen, sprach er: »Wir sind hier im Erdgeschoß zuwenig gesichert. Wenn jemand Lust auf unsere Platintiegel bekäme, könnte er leicht einsteigen. Vor die Fenster müssen kräftige Stahlgitter kommen. Ich wollte es schon längst veranlassen, habe es im Drange der Geschäfte immer wieder vergessen. Erinnern Sie mich morgen daran, Watson, daß ich das in die Wege leite . . . und morgen müssen wir auch zu einem Entschluß kommen. So oder so muß morgen ein Versuch gemacht werden!«

Als letzter verließ er hinter den andern den Raum und ließ die Tür ins Schloß fallen. Vor dem Carnegie Building trennten sich ihre Wege; Professor O'Neils ging nach der einen Seite, Watson und Jones nahmen die entgegengesetzte Richtung.

»So oder so – hat O'Neils gesagt«, nahm Jones das alte Thema wieder auf. »Um die Wahrheit zu sagen, Henry, mir graut vor diesem Versuch. Was könnte geschehen, wenn er von zwei Wegen den falschen wählt?«

Watson lachte. »Mach dir keine unnützen Sorgen, Robert. O'Neils ist ein vorsichtiger Mann. Er wird höchstens mit Milligrammen arbeiten. Da ist auch im schlimmsten Fall kaum etwas zu befürchten.« Während er weitersprach, übertrug sich seine Sorglosigkeit allmählich auch auf Jones.

»Alles Gute denn auf morgen, Henry«, sagte er beim Abschied, als sich bei der nächsten Querstraße ihre Wege trennten.

* * *

Professor O'Neils lag in festem Schlaf, als sich um die zweite Morgenstunde das Telefon neben seinem Bett meldete. Geraume Zeit mußte die Glocke schellen, bevor er aus dem Tiefschlaf zu sich kam und nach dem Hörer griff, aber dann war er in einer Sekunde blitzmunter.

»Das Institut brennt!« Die drei Worte ließen ihn mit einem Satz aus dem Bett springen. In fliegender Hast kleidete er sich an, stürmte aus seinem Haus und machte sich, mehr laufend als gehend, auf den Weg. Nicht lange, und der gerötete Himmel zeigte ihm, daß er sich seinem Ziele näherte. Noch ein paar Minuten, und er stieß auf die Kette der Feuerwehrleute und Polizisten, die die Brandstelle absperrten. Man wollte ihn aufhalten, er wies sich aus, und man ließ ihn passieren. Zwischen Schlauchleitungen und Gerätewagen drang er weiter vor, aber nicht mehr allzu weit, denn eine unerträgliche Hitze strahlte das Feuer aus. In eine lodernde Riesenfackel war das Monumentalgebäude des Instituts verwandelt. Schon stürzte der eiserne Dachstuhl in dem Flammenmeer zusammen, weithin eine mächtige Funkengarbe verstreuend.

Wirkungslos schienen die Wassermassen zu bleiben, welche von allen Seiten aus hundert Rohren in die Glut geworfen wurden. Schon jetzt war es klar, daß das Gebäude nicht zu retten war. Die Feuerwehr mußte sich darauf beschränken, die umliegenden Häuser zu schützen, während das Institut bis auf die Grundmauern ausbrannte.

Drei Tage hatte die Feuerwehr mit den Aufräumungsarbeiten zu tun. Schuttmassen waren fortzuschaffen, verkohlte Balken und Bohlen fortzuräumen, Mauern, die einzustürzen drohten, niederzureißen. Am vierten Tage war es soweit, daß Professor O'Neils die Stelle, die einst sein Laboratorium war, wieder betreten konnte. Die gewölbte Betondecke, die den Raum vom Keller trennte, hatte dem Feuer standgehalten und war nicht eingestürzt. Zusammen mit Watson und Jones machte sich der Professor daran, die Schuttreste, die noch auf ihr lagerten, zu durchsuchen, von der Hoffnung getrieben, daß die wertvollen Platingeräte seines Laboratoriums die Hitze des Brandes vielleicht unbeschädigt überstanden haben könnten. Was er suchte, fand er nicht. Dafür stieß er aber in der Mitte des Raumes auf eine zusammengeschmolzene Metallmasse, die dem hohen Gewicht nach wahrscheinlich reines Platin war.

»Hier stand ungefähr der Tisch, auf dem wir unsern Versuch vorbereitet hatten«, meinte Watson. »Das Platin wird von den beiden Platinschalen stammen.«

Jones widersprach. »Nein, Henry, dafür wiegt es viel zu schwer. Das ist ein mehrfaches von dem Gewicht der beiden Schalen. Wie kommt das hier in die Mitte des Zimmers?«

Währenddessen durchstöberte O'Neils den Schutt an den Wänden, suchte und suchte, bis er seine Bemühungen schließlich als fruchtlos aufgab.

»Es ist wie verhext!« rief er seinen Leuten zu. »Geschmolzenes Glas, Messing und Eisenreste liegen hier, wo die Schränke gestanden haben; keine Spur von den Edelmetallen, von dem Platin und Iridium ist hier zu finden.«

Er stäubte sich ein paar Aschenspuren von seiner Kleidung ab, wandte sich Watson und Jones zu und wunderte sich, als er sah, wie sie die Köpfe zusammensteckten und miteinander flüsterten. »Haben Sie etwas Neues gefunden?« fragte er, näher herantretend, und schwieg betroffen. Weiße Trümmer hoben sich an der Stelle, auf die Jones und Watson hinstarrten, von dem schwärzlichen Brandschutt ab. Einen hellen, länglichen Fleck bildete das Ganze auf dem dunklen Untergrund. Professor O'Neils berührte es mit dem eisernen Stab, mit dem er den Schutt vor der Wand untersucht hatte, da fielen Teile des fremdartigen Gebildes in sich zusammen, schneeweiße Asche wirbelte auf. O'Neils bückte sich, griff vorsichtig mit den Fingern hinein und hob etwas auf, das ihm federleicht in der Hand lag.

»Kalk? Kalzinierte Knochen?« murmelte er vor sich hin, während er das Stückchen näher an seine Augen brachte. »Ein Fingerknochen . . . der Knochen von einer menschlichen Hand könnte es sein . . .« Zu den andern gewandt sprach er weiter: »Ein Mensch hat bei dem Brand den Tod gefunden. Wer kann es sein? Der Wächter? Nein! Der konnte sich ja noch retten. Ist mit leichten Brandwunden davongekommen . . . Wer aber kann es gewesen sein?«

Ein neues Rätsel, eine neue Frage, die der Brand im Carnegie Building den mit der Untersuchung betrauten Behörden aufgab. Der Mann, der allein auf alle diese Fragen eine bündige Antwort hätte geben können, weilte nicht mehr unter den Lebenden.

Zu früher Morgenstunde war er in das Laboratorium O'Neils' eingedrungen und hatte sich im Schein der Blendlaterne über den Inhalt der Wandschränke hergemacht. In Eile stopfte er alles Gerät, das ihm wertvoll erschien, in einen Sack und wollte den Raum schon wieder verlassen, als er die beiden Platinschalen auf dem Tisch erblickte. Er griff danach und warf sie zu den übrigen im Sack. Erst dabei bemerkte er, daß sie mit irgendwelchen Pulvern gefüllt waren, stutzte und wollte einen Fluch ausstoßen.

Er kam nicht mehr dazu. Mit einem Schrei ließ er den Sack fahren, dessen Stoff schon in seiner Hand hell aufflammte, stand einen Augenblick starr. Schon selber brennend, wollte er sich zur Flucht wenden, kam aber nicht mehr dazu. Er stürzte zu Boden und verging in dem Flammenmeer, das bald den ganzen Raum erfüllte.

* * *

Die Besprechungen im Laboratorium von Dr. Thiessen verliefen reibungslos, denn die vier Beteiligten waren bereits ganz unabhängig zu dem gleichen Endergebnis gekommen. Bei den bekannten Eigenschaften des Strahlstoffes gab es nur die eine Möglichkeit, den Rotor der Turbine als ein vierflügeliges Rad zu gestalten.

»Herrgott ja! Es ist die einzige Möglichkeit, aber die Sache gefällt mir noch nicht«, rief Chefingenieur Grabbe mißmutig und warf den Bleistift auf die vor ihm liegende Zeichnung. »Das Ding sieht so primitiv aus wie ein Rad der alten Wassermühlen von Anno dazumal, aber nicht wie eine Turbine.«

»Sie denken an die vielen Lauf- und Leiträder unserer Dampfturbinen«, äußerte sich Dr. Thiessen dazu. »Ich verstehe, daß Sie gern etwas Ähnliches haben möchten, aber hier haben wir es mit einer ganz anderen Antriebskraft zu tun. Wir müssen ja nicht mit Heißdampf oder Wasserkraft, sondern mit unserem Strahlstoff arbeiten. Die Tatsache, daß wir alle zu der gleichen Lösung gekommen sind, spricht doch dafür, daß wir uns auf dem richtigen Weg befinden.«

»Jedenfalls auf einem gangbaren Weg«, gab Grabbe widerstrebend zu. »Die erste Turbine wollen wir nach den Plänen hier bauen. Es wird immerhin ein Anfang sein, und wir wollen hoffen, daß sich an den Anfang eine glückliche Weiterentwicklung schließen wird.

Durch die Worte des Chefingenieurs war die Angelegenheit entschieden, und viele Hände begannen sich zu regen, um seinen Entschluß in die Tat umzusetzen. In feuerfeste Formen strömte glutflüssiges Eisen; unter den Backen einer Schmiedepresse wurde rotwarmer Edelstahl gedrückt und geknetet, bis er die auf den Zeichnungen für die Turbine vorgesehenen Formen annahm. Auf Werkzeugmaschinen erhielten die rohen Guß- und Schmiedeteile ihre weitere Bearbeitung, und alle diese Einzelteile formten sich dann in dem Laboratorium von Dr. Thiessen zusammen. »Wenn man's recht erwägt«, meinte Hegemüller, der die Einzelteile kritisch betrachtete, »dann ist's im großen nichts anderes als das Ding, das sich bei Hidetawa auf dem Schreibtisch dreht. Vier Flügel auf einer Achse, die von dem Strahlstoff in Bewegung gesetzt wird.«

»Sehr richtig bemerkt, Kollege.« Thiessen lachte und schlug Hegemüller kräftig auf die Schultern. »Etwas größer wird das Ding hier bei uns.« Er deutete, während er es sagte, auf das gut fünf Meter im Durchmesser haltende Flügelrad. »Und da, mein lieber Freund, da beginnt die Schwierigkeit. Hidetawa hat den Strahlstoff einfach auf die Flügel seiner winzigen Lichtmühle aufgespritzt. Wir werden hier eine andere Befestigungsweise wählen müssen, sonst könnte uns die ganze Geschichte bei einer gewissen Tourenzahl um die Ohren fliegen.«

»Aufschrauben, Herr Thiessen! Aufnieten! In Nuten eingießen!« Ein Dutzend verschiedener technischer Möglichkeiten sprudelte Hegemüller heraus.

»Halt, Freund Hegemüller! Nicht so hitzig. Zügeln Sie Ihre Phantasie!« unterbrach Dr. Thiessen den Redefluß seines Assistenten. »Setzen Sie sich an Ihren Tisch und berechnen Sie mir eine zuverlässige Befestigung. Dann wollen wir weiter über die Sache reden.«

»Gut, Herr Thiessen, soll geschehen«, sagte Hegemüller und machte sich an die ihm aufgetragene Arbeit. Dr. Thiessen begab sich in den Sicherheitsraum, um die Menge des inzwischen fertiggestellten und dort aufbewahrten Strahlstoffes zu überprüfen.

So wie sie aus den neuen Röhren gekommen waren, lagen die gewichtigen Metallkugeln aufgestapelt. Wie Thiessen es schnell überschlug, genügend Stoff, um die Schaufeln des Turbinenrades mit einer fingerstarken Schicht zu belegen. Er wollte den Raum wieder verlassen, als ihm etwas auffiel. An einer Kugel fehlte ein Stück. Wie man etwa von einem Apfel mit einem Messer etwas abschneidet, so war hier von der Kugel ein Segment abgetrennt. Nach der Beschaffenheit der Schnittfläche zu schließen, mußte es mit einer Metallsäge geschehen sein. Dr. Thiessen stutzte. Gedanken an Spionage, Sabotage und ähnliches gingen ihm blitzschnell durch den Kopf, um ebenso schnell wieder verworfen zu werden. Es war ja ausgeschlossen, daß ein Unbefugter in den Sicherheitsraum eindringen konnte. Aber wer hatte sich dann an dem Strahlstoff vergriffen? Wer hatte ein Stück davon an sich genommen, dessen Gewicht Thiessen auf mehrere Kilogramm schätzte?

Nur jemand, der einen Schlüssel zu dem komplizierten Schloß der Panzertür besaß, konnte es sein. Stiegel? Hegemüller? Ein Verdacht keimte in Thiessen auf. Dem quecksilbrigen, stets neuen Ideen und Möglichkeiten nachjagenden Hegemüller war es viel eher zuzutrauen als dem ruhigen, in sich gekehrten Stiegel. Dr. Thiessen entschloß sich, auf den Busch zu klopfen.

»Sagen Sie mal, Kollege, wofür haben Sie den Strahlstoff gebraucht?« fragte er Hegemüller kurzerhand. Dr. Hegemüller fuhr aus seinen Berechnungen empor. Thiessens Frage kam ihm völlig unerwartet.

»Welchen Strahlstoff, Herr Thiessen?«

Die Verlegenheit war Hegemüller anzusehen, aber Thiessen ließ sich durch diese Gegenfrage nicht irremachen.

»Das Segment meine ich, Kollege, das Sie von einer Strahlkugel im Sicherheitsraum abgeschnitten haben.«

»Ach so, das meinen Sie . . . ja, ich brauche den Stoff für eine Untersuchung.«

»Hm, für eine Untersuchung, Kollege? Gleich ein paar Kilogramm? Scheint mir etwas reichlich zu sein. Darf man wissen, was Sie untersuchen wollten?«

Hegemüller druckste noch eine Weile, bis er sich entschloß, mit der Sprache herauszukommen. »Ich will es Ihnen sagen, Herr Thiessen, aber Sie dürfen mich nicht auslachen. Ich versuche, die Strahlung zu speichern.«

»Die Strahlung speichern?! Sie sprachen schon einmal davon, Herr Hegemüller, und ich habe Ihnen damals schon gesagt, daß Sie keinen Hirngespinsten nachjagen sollen. Wir brauchen unsere Zeit für bessere Dinge.«

»Es geht aber doch, Herr Doktor«, trumpfte Hegemüller auf.

»Bilden Sie sich keine Schwachheiten ein, Kollege.« Thiessen machte eine Bewegung, als ob er die Bemerkung Hegemüllers wegwischen wollte.

»Nein, es geht!« beharrte der bei seiner Meinung. »Sie haben das Fehlen des Strahlstoffes leider etwas zu früh entdeckt. In ein paar Tagen wäre ich von selber zu Ihnen gekommen, um Ihnen meine Ergebnisse zu zeigen.«

»Ihre Ergebnisse? Ja, Mann, bilden Sie sich denn wirklich ein, daß es ein Mittel gibt, den Zerfall unseres Strahlstoffes nach Belieben aufzuhalten?«

»Es gibt ein Mittel, Herr Thiessen, und sogar ein sehr einfaches. Man braucht die Strahlung nur zu paralysieren, dann kommt der Prozeß zur Ruhe. Die Atomzersetzung hört auf.«

Dr. Thiessen blickte nachdenklich zu Boden. Langsam, zweifelnd kamen die Worte aus seinem Mund. »Eine ganz schöne Theorie, Kollege. Aber . . . wie steht es mit der Praxis?«

»Ich hätte gern noch ein paar Tage gewartet, Herr Thiessen, meine Versuche sind noch nicht ganz abgeschlossen, doch wenn Sie es wünschen, will ich Ihnen heute schon zeigen, was ich gefunden habe.«

Erwartungsvoll folgte Dr. Thiessen Hegemüller zu einem Schrank, und Enttäuschung malte sich in seinen Zügen, als ihm der Assistent seine Versuchsanordnungen zeigte.

»Auf diese simple Manier wollen Sie es schaffen?« meinte er wegwerfend.

»Das Einfachste ist meist das Beste, Herr Thiessen. Und einfach ist meine Methode. Das will ich Ihnen gern zugeben. Sehen Sie hier . . .« Er nahm ein in kräftige Schraubzwingen eingespanntes Metall aus dem Schrank. »Ich habe einfach eine ebene Platte unseres Strahlstoffes zwischen zwei Platten aus inaktivem Blei unter möglichst starkem Druck eingespannt, das Ganze sich selber überlassen und nur alle vierundzwanzig Stunden die Strahlung gemessen.«

»Und was haben Sie gefunden, Herr Kollege?«

»Es ist so, wie ich es erwartete, Herr Thiessen. Nach kurzer Zeit kommt das System ins Gleichgewicht und damit zur Ruhe.«

Hegemüller holte ein Protokollbuch, in das er seine Meßergebnisse eingetragen hatte, und mit wachsendem Interesse studierte Thiessen die langen Zahlenreihen.

»Nicht übel, mein lieber Hegemüller«, meinte er zum Schluß anerkennend. »Nur wird es sich praktisch schwer anwenden lassen. Sie haben Ihre Metallplatten hier unter einem Mordsdruck zusammengepreßt. Wie soll man das aber bei Strahlmaschinen im Betrieb machen? Ich sehe keine Möglichkeit dafür.«

»Aber, verehrter Herr Doktor Thiessen, das wird sich später alles finden«, kämpfte Hegemüller gegen die Zweifelsucht Thiessens an. »Mir ging es darum, erst überhaupt mal einen Weg zu suchen, und den habe ich gefunden. Ob er bequem oder unbequem ist, ob es noch andere, bessere Wege nach dem gleichen Ziel gibt, das halte ich vorläufig wenigstens für Fragen zweiter Ordnung.«

»Fragen aber, Kollege, die gelöst werden müssen, wenn Ihre Entdeckung fruchtbar werden soll. Für die nächsten Tage nimmt uns alle der Zusammenbau der Strahlturbine in Anspruch. Wenn die neue Maschine erst läuft, werden wir weiter über die Sache reden.«

Drei Tage harter Arbeit kamen und gingen, dann konnte Dr. Thiessen den Sperrhebel der Turbine lösen. Erst langsam, dann schnell und immer schneller drehte sich das große Flügelrad, und zusammen mit ihm rotierte auch der Anker der mit der Strahlturbine gekuppelten Dynamomaschine. Elektrischen Strom lieferte die Maschine, der sich in zehntausend Lampen ergoß und sie hell aufleuchten ließ. Zu nutzbringender Arbeit war durch die neue Konstruktion der in den Atomen des Strahlstoffes vor sich gehende Zerfall gezwungen, nach menschlichem Willen mußte atomare Energie leuchten oder wärmen, mußte überall dort dienstbar sein, wohin sie durch den Draht geschickt wurde.

Lange standen Professor Lüdinghausen und Chefingenieur Grabbe vor der neuen Strahlturbine, sahen zu, wie Thiessen damit manövrierte, sie bald stärker, bald schwächer belastete, und steckten dann die Köpfe zusammen. Über die Frage, ob man schon Patente anmelden sollte, und über die Art dieser Patente flogen Rede und Gegenrede zwischen ihnen hin und her, ohne daß sie zu einem Entschluß zu kommen vermochten.

»Es ist vielleicht noch zu früh«, meinte Lüdinghausen. »Aber wenn uns irgendein anderer zuvorkäme«, warf Grabbe ein, der in diesem Augenblick an Hidetawa und seine Lichtmühle dachte. »Wir wollen Doktor Thiessen hören«, entschied Lüdinghausen und winkte ihn heran. Zu dritt verließen sie die Halle und gingen nach dem Direktionsgebäude hinüber.

»Der hohe Rat zieht sich zu einem Konsilium zurück.« Hegemüller, der ihnen durch ein Fenster nachschaute, sagte es zu Dr. Stiegel. »Ich glaube, die Herren werden über die Patentfrage sprechen«, meinte der.

»Dann wird es voraussichtlich eine lange Sitzung werden. Ich schlage vor, Kollege Stiegel, wir benutzen die Zeit und gehen frühstücken. Kommen Sie mit ins Kasino?«

Eine halbe Stunde mochte vergangen sein, als Dr. Stiegel auf die Uhr blickte und Hegemüller ermahnte: »Es wird Zeit, wieder an unsere Arbeit zu gehen.«

»Ach was, wir haben noch Zeit«, lehnte der die Aufforderung ab. »Für die nächste Stunde sitzt Thiessen noch bei der Direktion.«

Hegemüller schickte sich eben an, eine Zigarette anzuzünden, als das Telefon neben dem Tisch klingelte. Er griff nach dem Apparat, hörte einen Moment, deckte ihn dann mit der Hand ab und flüsterte zu Stiegel:

»Den Teufel auch! Lüdinghausen will mich sprechen. Woher weiß der schon wieder, daß wir hier im Kasino sitzen?«

Bevor Dr. Stiegel etwas antworten konnte, sprach Hegemüller schon wieder in den Apparat.

»Jawohl, Herr Professor, ich komme sofort.«

Was kann der Alte von mir wollen? ging's Hegemüller durch den Kopf, während er den Hörer wieder auf die Gabel legte.

Einen ähnlichen Gedanken mochte auch Stiegel hegen, der dem Davoneilenden noch nachrief: »Na, was wird's geben? Einen Lobstrich oder einen Tadelstrich?«

Hegemüller hörte die letzten Worte nicht mehr, doch Stiegel spann den Gedankengang für sich allein weiter, indem er Vergleiche zwischen sich und Hegemüller anstellte. Er selbst, das Zeugnis durfte er sich mit gutem Recht ausstellen, fleißig und gewissenhaft, stets bemüht, sich an die Vorschriften zu halten und unerwünschte Zwischenfälle zu vermeiden, die sich bei der Art ihrer Arbeiten nur allzu leicht einstellen konnten. Der andere ein Quirlkopf, stets neuen Ideen nachjagend, draufgängerisch.

Öfter als einmal hatte der bei seinen Versuchen ganz gehörig Scherben gemacht. Dr. Stiegel entsann sich eines Falles vor Jahresfrist, wo die Stellung seines Kollegen im Institut nach einem solchen Vorfall fast unhaltbar geworden zu sein schien. Aber immer wieder war er mit einem blauen Auge davongekommen. Mit einer unbegreiflichen Nachsicht war Professor Lüdinghausen über die Dinge hinweggegangen, für die, nach seiner, Stiegels Meinung, zum mindesten ein scharfer Verweis, wenn nicht die Entlassung am Platze gewesen wäre. War jetzt die Geduld des Professors vielleicht doch zu Ende? Würde er Hegemüller in eine andere Abteilung stecken, in der er weniger Gelegenheit hatte, Unheil anzurichten? Nach einigen Äußerungen Thiessens schien es Dr. Stiegel nicht ausgeschlossen zu sein. Während er die Möglichkeit in Betracht zog, bedauerte er sie auch schon, denn es kam ihm zum Bewußtsein, daß er doch Jahre angenehmer Zusammenarbeit mit Hegemüller verbracht hatte.

»Nehmen Sie Platz, Herr Doktor.« Professor Lüdinghausen wies auf einen vierten leeren Stuhl am Tisch und musterte Hegemüller mit einem langen, prüfenden Blick.

Was will der Alte von mir? wiederholte Hegemüller in Gedanken die Frage, die er vorher im Kasino laut geäußert hatte. Dabei liefen seine Augen schnell über den Tisch und die an ihm Sitzenden. Er sah, daß die Schreibblöcke vor Thiessen und Grabbe kreuz und quer mit Bleistiftstrichen bedeckt waren, aus denen ein Kundiger vielleicht irgendeine Konstruktion enträtseln konnte. Er blickte in die Gesichter und glaubte die Zeichen einer Erregung darin zu entdecken. Gespannt wartete er auf die weiteren Worte Lüdinghausens.

»Herr Doktor Thiessen hat uns berichtet«, begann der Professor, »daß Sie sich mit einem Problem beschäftigen, dessen baldige Lösung auf das äußerste erwünscht ist.«

»Eine Lösung habe ich bereits gefunden, Herr Professor.«

»Wissen wir, Herr Doktor Hegemüller. Ihre Lösung ist theoretisch interessant; ob sie sich auch praktisch anwenden läßt, darüber sind wir noch im Zweifel.«

Hegemüller zuckte die Achseln. »Ich sagte schon zu Herrn Doktor Thiessen, daß es erst ein Anfang ist, Herr Professor. Selbstverständlich wird man hart und verbissen arbeiten müssen . . .«

»Hart und verbissen; sehr richtig, Herr Doktor Hegemüller. Trauen Sie sich die Arbeit zu?«

»Gewiß, Herr Professor, aber es wird Zeit kosten. Die andern Aufgaben im Laboratorium nehmen mich stark in Anspruch.«

»Davon wollen wir Sie befreien, Herr Hegemüller. Wir sind zu dem Entschluß gekommen, Ihnen ein besonderes Laboratorium zu geben, in dem Sie Ihre Arbeitskraft ausschließlich dem Problem der Strahlungsspeicherung widmen sollen. Herr Doktor Thiessen entbehrt Sie nur ungern, aber er stimmt mit mir darin überein, daß diese Regelung für die Sache selbst die beste ist.«

Je weiter Lüdinghausen sprach, um so wilder wirbelten die Gedanken Hegemüllers durcheinander. Wenn er sich auch mit unbefangener Miene von seinem Kollegen Stiegel im Kasino getrennt hatte, um dem Ruf Lüdinghausens zu folgen, so war er innerlich doch nicht ganz so ruhig gewesen. Auf dem Weg über die Treppen hatte er noch einmal in Eile sein Sündenregister überschlagen und dabei gefunden, daß sein Gewissen zum mindesten nicht so rein war wie etwa das seines Kollegen Stiegel.

Es hätte ihn nicht wundergenommen, wenn Professor Lüdinghausen ihm eine kleine Standrede über allerhand Eigenmächtigkeiten gehalten und ihn zu größerer Zurückhaltung ermahnt hätte, und nun kam es ganz anders. Anerkennung für das, was er getan hatte, klang aus den Worten Lüdinghausens. Ein eigenes Laboratorium würde ihm zur Verfügung gestellt werden, einen Stab von Mitarbeitern würde er sich zusammenstellen dürfen. Frei von allen andern Verpflichtungen, würde er sich ganz der einen großen Aufgabe widmen dürfen, auf deren Lösung er seit Wochen brannte.

Dr. Hegemüller hätte im Umschwang der Freude laut aufjubeln mögen, doch die nächsten Worte Lüdinghausens stimmten ihn wieder ernst. Von den Pflichten sprach der Professor jetzt, die das neue Amt ihm, Hegemüller, auferlege, und von dem, was die Werkleitung von ihm erwarte.

»Ich danke Ihnen, Herr Professor«, antwortete er, als Lüdinghausen geendet hatte. »Ich verspreche Ihnen, mein möglichstes zu tun. Alles, was an mir liegt, soll geschehen, um den Erfolg zu erzwingen.«

Lüdinghausen streckte ihm die Rechte hin, und Hegemüller schlug kräftig ein. »Ich nehme Ihr Versprechen an, Herr Doktor«, sagte der Professor. »Als Arbeitsstelle bekommen Sie die neue Halle neben der Abteilung Thiessen. Alles Weitere wird Ihnen Herr Grabbe mitteilen.«

Wie im Traum stieg Hegemüller die Treppen wieder hinab. Während er langsam Stufe für Stufe nahm, schmiedete er im Geiste schon Pläne, wie er sein Laboratorium einrichten, welche Arbeiten er zuerst in Angriff nehmen würde.

* * *


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