Hedwig Dohm
Die wissenschaftliche Emancipation der Frau
Hedwig Dohm

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An die Darlegung seiner Gründe gegen das medicinische Studium der Frauen knüpft Herr von Bischof noch einige culturhistorische Betrachtungen.

»Auf die Dauer,« sagt er, »siegt zuletzt immer der Stärkere und beweist sich dadurch als der Stärkere. Der Sieg, den das männliche Geschlecht überall, unter allen Umständen und in allen Beziehungen, wo es sich um Wissenschaft und Fortschritt handelt, zuletzt über das weibliche davongetragen, beweist die schwächere, natürliche Anlage des letzteren ... Eine dauernde Unterdrückung eines Theils bei natürlicher Gleichartigkeit der Kräfte ist nicht möglich. Die Unterdrückung müßte auch irgendwie einmal angefangen haben, und man sieht gar nicht ein, weshalb sie grade den weiblichen Theil überall getroffen haben sollte.«

Die Unterdrückung hätte nur die Weiber getroffen? Welch ein ungeheurer Irrthum! Sie vergessen die Sklaverei und die Leibeigenschaft! Die Unterdrückung hat nicht nur getroffen, sondern sie trifft auch heut noch einen Theil des männlichen Geschlechtes. In Asien lebt noch heut, wie seit Jahrtausenden schon, das niedere Volk in einem Zustand absoluter Sklaverei. Haben Sie nie von den Gesetzesbestimmungen dieses Volkes gehört, die noch heut zu Recht bestehen? Darf ich mir erlauben, Ihnen einige dieser dämonisch spaßhaften Bestimmungen in Erinnerung zu bringen: »Wenn ein Sudra (Mann aus dem Volke, heißt es in dem indischen Gesetzbuch des Menu) sich herausnahm, denselben Sitz einzunehmen, wie seine Oberen, so sollte er entweder verbrannt werden, oder der König sollte ihm einen Schlitz in den Hintern machen lassen. Wenn er aus Lernbegierde auch nur ein heiliges Buch vorlesen hörte, so sollte siedendes Oel in seine Ohren gegossen werden; wenn er es aber gar auswendig lernte, so sollte er getödtet werden.«

Begreifen Sie nun, Herr Professor, daß die Unterdrückung, die Männer erduldet haben und erdulden, kein Hirngespinst ist, sondern furchtbare Wirklichkeit? Liest bei uns eine Frau wissenschaftliche Bücher, so schütteln sich höchstens ein Paar Professoren vor Lachen, was dem menschlichen Ohr sicher weniger Schmerz bereitet, als wenn man es in Oel siedet.

Sollten Sie noch nicht überzeugt sein, so hören Sie einige weiteren Stellen: »Wurde ein Sudra ermordet, so war die Strafe die nämliche, wie für die Tödtung eines Hundes, einer Katze oder einer Krähe.« Ja, das Gesetz verordnete, daß der bloße Name eines Arbeiters verächtlich sein solle, damit die ihm gebührende Stellung unmittelbar anerkannt sei.

Wenn Jemand aus der arbeitenden Klasse sein gewöhnliches Gewerbe änderte, oder es bekannt werden ließ, daß er sich um Politik kümmerte, so wurde er schwer bestraft. Wenn sie ihre Arbeit versäumten, wurden sie gepeitscht; dies war auch die gewöhnliche Strafe des Hausgesindes und sogar der Frauen.

Wir hätten indessen nicht bis nach Asien zu wandern brauchen, um Belege für die Unterdrückung der Männer zu gewinnen. Der Historiker Giraud in seinem »Précis de l’ancien droit« sagt: »Jusqu’ à la révolution (1789) une division fondamentale partageait les personnes libres et les personnes sujettes à condition servile«: und Cassagnac in seiner »Cause de la révolution«

»Chose surprenante, il-y-avait encore au 4. Août 1789 15,000 serfs de corps (Leibeigene) en France.« 

In Deutschland kam zur Zeit des Wiener Congresses das freche Wort in die Mode : »Der Mensch fängt erst beim Baron an«.

Und was bezweckt die große Bewegung der Sozialisten in unseren Tagen? Die Befreiung der Lohnsklaven. »Eine dauernde Unterdrückung ist nicht denkbar« – sagten Sie, Herr von Bischof.

Gewiß nicht, und die Unterdrückung wird auch nicht dauernd sein. Ein Paar Jahrtausende sind in der Entwickelung der Welt nur eine kurze Spanne Zeit.

»Die Unterdrückung müßte auch irgend einmal angefangen haben!«

Und wer sagt Ihnen, daß sie nicht in der That einmal einen Anfang genommen hat?

Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden sogar in grauer Vorzeit die ersten Versuche, die Frau zu unterdrücken, mit aller Kraft und Energie zurückgewiesen.

Durch das ganze Alterthum ziehen sich die Sagen von den Amazonen. Es giebt kaum ein Land, das nicht dergleichen Mythen nachzuweisen hätte. Selbst bei den Chinesen finden wir Amazonensagen. Was lehren uns Männer der Wissenschaft aus solchen Sagen zu schließen?

Daß ihnen eine dunkle historische Wahrheit zu Grunde liege.

Nach der Analogie anderer Sagenauffassungen wären wir also wohl berechtigt, an einen Kampf der Geschlechter zu glauben, der einmal stattgefunden, und in welchem schließlich die Frauen besiegt wurden.

Theseus und Herkules, heißt es in der mythischen Dichtung, besiegten die berühmten Amazonen, Hippolyta und Menalippe, nach großen Schwierigkeiten und mit Aufwand aller ihrer Kräfte. Herkules, berichtet die Sage weiter, hielt es für seine Pflicht, die Männer von der Weiberherrschaft zu befreien. Herkules aber ist das Symbol der brutalen Kraft.

Die Deutung des Mythus ergiebt sich von selbst.

In der Frauenfrage, wie in allen großen socialen Fragen, gilt es nicht, festzustellen, was war und was ist, sondern was sein wird.


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