Max Dauthendey
Der Venusinen-Reim
Max Dauthendey

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Zwölfter Reim

Venusine thront im Himmel, wo sie Jüngstes Gericht hält und den Liebesdichter Dauthendey an ihre rechte Seite setzt

Brennend brannte Sonne
Auf die Weinbergmauern,
Selbst die Steine konnten
Einem schwitzend dauern.

In dem juliblauen
Himmel standen Wolken
Weißgedeckt zu schauen,

Weißgedeckt wie Tische,
Die auf Gäste warten.
Dauthendey, der Dichter,
Sah's von seinem Garten.

Nahm vom Stall den Schimmel,
Den er täglich reitet,
Sprengte in den Himmel.

Sah der Erde Väter
An den Tischen schmausen,
Aßen, tranken, lachten
Ohne lange Pausen.

Biblische Gesichter
Grüßten ihn gar höflich,
Ihn, der Liebe Dichter.

Venusine selber,
Frei von Kleid und Schleppe,
Rannte ihm entgegen
An der blauen Treppe.

Fiel ihm in die Arme,
Lacht mit vollen Backen
Frei von Trän' und Harme.

Ȇber Deinem Garten
Deckten wir die Tische.
Alle Speisen warten,
Suppe, Omelett', Fische,

Kaviar und Kapaunen.
Und die Musikanten
Rufen mit Posaunen.

Siehst Du Adam, Moses,
Abraham und Aron?
Siehst Du Homer, Dante,
Goethe und auch Charon?

Heut ist »Jüngst's Gerichte«.
Deshalb kommt man nämlich, –
Flott wird die Geschichte.

Seit der Teufel neulich
Schnell aus Lieb gestorben,
Hat er samt der Hölle
S' Himmelreich erworben.

Himmlisches Gelichter,
Platz«, ruft Venusine,
»Platz für meinen Dichter!«

Dauthendey muß sitzen
Ihr zur rechten Seite,
Er, der schon sein Lebtag
Um die Venus freite.

Teufel sitzt zur Linken.
Venus, Teufel, Dichter
Dutzen sich und trinken.

Venusine drückte
Unterm Tisch die Zehen
Beiden von den Gästen –
Liebe mußt' entstehen.

Lange konnt's nicht dauern,
Ward die Luft zu enge
Selbst in Himmelsmauern.

Teufel eifersüchtig
Ließ sich gar nichts merken.
Dauthendey, erstickend,
Mußt' am Wein sich stärken.

Die vom Testamente,
Von dem alt und neuen,
Sagten: »Prost Entente!«

Venusin verlegen
Küßte ihren Dichter.
Teufel lachte vorne,
Hinten schnitt er G'sichter.

»Bin ich nicht gestorben
Jüngst erst Dir zu Liebe
Und jetzt unverdorben?«

Also fragte leise
Teufel Venusine.
Diese aber teuflisch
Lacht mit Himmelsmiene:

»Unter uns gesprochen
Hast Du einst nach Schwefel
Besser mir gerochen.

Teufel, warst mir lieber,
Wie Du noch am Leben
Wilder als ein Wilder,
Die nicht Gnade geben.

Heute hier im Himmel
Lieb ich mehr den Dichter,
Mehr selbst seinen Schimmel.«

Zornig ward der Teufel
Über alle Maßen.
Wollte gerne wettern,
Aber selbst das Hassen,

Das ihm gut gestanden
Unten in der Hölle,
Kam ihm jetzt abhanden.

Gütig war der Böse
Gar nicht zu erkennen,
Ängstlich von der Tafel
Tat er weiterrennen,

Ängstlich aus dem Saale
Fort von allen Guten,
Fort vom Liebesmahle.

An der blauen Treppe
Stand des Dichters Schimmel.
Diesen stiehlt der Teufel,
Reitet aus dem Himmel.

Seine Wege münden
Wieder auf die Erde,
Will dort Höllen gründen.

Und dort wird er Zensor,
Der den Dichter bindet,
Kritikus daneben,
Der die Haut ihm schindet.

Bis er davon müde,
In dem Reichstag sitzet
Und plaidiert fürs Prüde.

Aber alle Leiden,
Die der Teufel dichtet,
Nicht dem Menschen schaden,
Der zur Venus flüchtet.

Venus wird erlösen
Alle ihre Dichter
Von den Prüden, Bösen.

Venus hat den Vorsitz
An den Himmelstischen,
Tut auch ihrem Liebling
Selbst den Mund abwischen.

Gar nichts muß er müssen,
Läßt den Teufel fluchen,
Darf die Venus küssen.

Kommt man in den Himmel,
Fragt Dich ins Gesichte
Venusin, als Richter
Von dem Weltgerichte:

»Tat Dein Blut auch lieben
Echt und ohne Logik?
Dann wird dageblieben.

Hast Du's nicht gelernet,
Dann nochmals auf Erden
Mußt zum echten lieben
Du geboren werden.

Dann zurück zur Erde,
Lerne Feuer fangen,
Wie die Dichterpferde!

Feurig ohn' Gedanke
Nimm Unmöglichkeiten!
Herzen sattelfester
Als Gehirne reiten.

Nicht mit Kritik-Miene
Schau aufs Ideale,
Sonst flieht Venusine.«

Lebt jetzt wohl ihr Menschen,
Die ihr dies gelesen!
Ist euch manches fettig
Und zu fett gewesen,

Schleckt euch eure Hände.
Von dem Venusreime
Ist jetzt dies das Ende.


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