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Dreizehntes Kapitel

Cethegus sprang auf vom Lager, warf den Brief nieder und machte einen hastigen Gang durch das Zelt.

«Schwächling Prokop! Und Schwächling Cethegus –: sich um eine dir verlorene Seele mehr zu ereifern! Hast du nicht Julius verloren, lang bevor du ihn getötet? Und lebst und ringst doch fort! Und dieser Narses, den sie alle fürchten, als sei er Gott Vater und der Teufel in einer Person: – soll er denn wirklich so gefährlich sein? Unmöglich! Er hat ja mir und den Meinigen blindlings Rom anvertraut! Nicht sein Verdienst, daß ich nicht in diesem Augenblick, unerreichbar seinen Händen, vom Kapitol herab Rom beherrsche und ihm Trotz biete. Bah: ich lerne es nicht mehr, mich zu fürchten auf meine alten Tage. Ich vertraue meinem Stern! Ist das Tollkühnheit? Ist's ruhigste Klugheit? Ich weiß es nicht. Aber mir ist: die gleiche Zuversicht hat Cäsar von Sieg zu Sieg geführt. Indes: hier habe ich kaum noch mehr zu erfahren aus den Badegesprächen des Narses, als ich aus diesem wortreichen Brief erfuhr.»

Und er zerriß die Papyrusrollen in kleine Stückchen.

«Ich breche auf, noch heute, auch wenn Syphax nichts weiter erlauscht in diesem Augenblick –: denn jetzt ist ja wohl die Badestunde.»

Da ward von den Isauriern Johannes der Archon gemeldet und, auf des Cethegus Wink, hereingeführt.

«Präfekt von Rom», sprach ihn dieser an, «ich habe dir ein altes Unrecht noch abzubitten. Der Schmerz um meinen Bruder Perseus hat mich damals argwöhnisch gemacht.»

«Laß das ruhn», sprach Cethegus, «es ist vergessen.»

«Aber unvergessen», fuhr jener fort, «ist mir deine heldenkühne Tapferkeit. Diese zu ehren und zu nützen zugleich komme ich mit einem Vorschlag zu dir. Ich und meine Kameraden, an Belisars frisches Drauflosgehen gewohnt, – wir finden diese vorsichtige Weise des großen Narses äußerst langweilig. Liegen wir nun doch bald zwei Monate vor jenem Paß, verlieren Leute und gewinnen wahrlich keinen Ruhm dabei. Aushungern will der Oberfeldherr die Barbaren! Wer weiß, wie lange das noch währt. Und dann wird es ein hübsches Gemetzel, wann sie endlich vorbrechen, von der Verzweiflung getrieben, jeden Tropfen Bluts teuer verkaufend. Es ist nun klar, wenn wir nun die Mündung des verfluchten Engpasses hätten... –»

«Ja, wenn!» lächelte Cethegus. «Er ist nicht schlecht gehütet von diesem Teja.»

«Eben deshalb muß er fallen. Er, der König, hält offenbar den ganzen Bündel lockerer Speere noch allein zusammen. Darum habe ich mit einer Schar – mehr als ein Dutzend etwa – der besten Klingen im Lager einen Bund geschlossen. Wir wollen – es kann ja immer nur einer zum Nahekampf heran, so schmal ist der Felsensteig – sooft den König die Wache trifft, einer nach dem andern – das Los entscheidet den Vortritt – den König bestehen. Die andern halten sich so nahe als möglich hinter dem Vorkämpfer, retten den Verwundeten, oder treten an des Gefallenen Stelle oder dringen mit dem Sieger nach des Goten Erlegung in den Paß. Außer mir sind dabei die Langobarden Alboin, Gisulf und Autharis, die Heruler Rodulf und Suartua, Ardarich der Gepide, Gundebad der Burgunde, Clothachar und Bertchramm, die Franken, Vadomar und Epurulf, die Alamannen, Garizo, der lange Bajuvare, Kabades der Perser, Althlas der Armenier, Taulantius der Illyrier.

Wir möchten auch gern dein gefürchtet Schwert dabei haben. Du hassest diesen schwarzlockigen Helden. Willst du, Cethegus, mit im Bunde sein?»

«Gern», sprach dieser, «solang' ich noch hier bin.

Aber ich werde das Lager hier bald mit dem Kapitol vertauschen.»

Ein seltsames, spöttisches Lächeln flog über des Archonten Antlitz, das Cethegus nicht entging. Aber er deutete es nicht richtig. «An meinem Mut kannst du, nach deinen eignen Worten, nicht wohl zweifeln», sagte er. «Aber es gibt für mich noch Wichtigeres, als hier die letzten glimmenden Kohlen des Gotenkrieges auszutreten. Die verwaiste Stadt verlangt ihren Präfekten. Mich ruft das Kapitol.»

«Das Kapitol!» – – wiederholte Johannes. «Ich dächte, Cethegus, ein frischer, schöner Heldentod ist auch was wert.»

«Ja, nachdem des Lebens Ziele erreicht sind.»

«Keiner aber von uns weiß, o Cethegus, wie nah ihm dieses Ziel gerückt ist. – Aber noch eins.

Es kommt mir vor, als ob sich bei den Barbaren etwas vorbereite auf ihrem verfluchten Feuerberg. Von dem Hügel auf meiner Lagerseite kann man ein klein wenig durch eine Spalte über die Lavaspitzen gucken. Dein geübtes Auge möchte ich dahin richten. Sie sollen uns doch mit ihrem Hervorbrechen wenigstens nicht überraschen. Folge mir dorthin. Aber schweige von jenem Bund vor Narses: – er liebt das nicht –. Ich wählte die Stunde seines Bades zu diesem Besuch bei dir.»

«Ich folge», sagte Cethegus, vollendete seine Bewaffnung und ging, nachdem er vergeblich bei der isaurischen Schildwache nach Syphax gefragt, mit Johannes quer durch sein eignes, dann durch des Narses Mittellager und bog endlich in das äußerste rechte, das Lager des Johannes ein.

Auf der Krone des von diesem erwähnten Hügels standen bereits mehrere Heerführer, die eifrig über eine kleine Senkung der Lavawälle hinweg in den hier sichtbaren schmalen Teil der gotischen Lagerungen spähten.

Nachdem Cethegus einige Zeit hinübergeblickt, rief er: «Kein Zweifel! Sie räumen diesen Teil, den östlichsten, ihres Lagers: sie fahren die ineinandergeschobenen Wagen auseinander und ziehen sie weiter nach rechts, nach Westen: das deutet auf Zusammendrängung, vielleicht auf ein Hervorbrechen.»

«Was meinst du», – fragte da rasch den Johannes ein junger, offenbar eben erst aus Byzanz angelangter Heerführer, den Cethegus nicht kannte «was meinst du? Könnten die neuen Ballisten nicht von jener Felsennase aus die Barbaren erreichen? Weißt du, des Martinus letzte Erfindung, – die mein Bruder nach Rom schaffen mußte?»

« Nach Rom?» rief Cethegus und warf einen blitzenden Blick auf den Frager und auf Johannes.

Heiße und kalte Schrecken jagten urplötzlich ihm durch Herz und Mark –: erschütternder, als da er die Nachricht von Belisars Landung, von Totilas Erhebung, von Totilas Abschwenkung nach Rom bei Pons padi, von Totilas Eindringen auf dem Tiber, von Narses' Ankunft in Italien erfahren. Ihm war, als kralle sich eine zerdrückende Hand ihm um Herz und Hirn. Scharf erkannte er, daß Johannes mit einem grimmigen Furchen der Brauen dem jungen Frager Schweigen gewinkt.

« Nach Rom?» wiederholte Cethegus tonlos, bald den Fremden, bald Johannes mit seinem Auge durchbohrend.

«Nun ja, freilich nach Rom!» rief endlich Johannes. «Zenon, dieser Mann ist Cethegus, der Präfekt von Rom.» Der junge Byzantiner neigte sich mit dem Ausdruck, mit welchem man etwa ein vielgenanntes Ungetüm zum erstenmal vor sich sieht. «Cethegus, Zenon hier, der Archon, der bisher am Euphrates gefochten, ist erst gestern abend mit persischen Bogenschützen aus Byzanz angekommen.»

«Und sein Bruder?» fragte Cethegus, « ist nach Rom!»

«Mein Bruder Megas», antwortete, nun gefaßt, der Byzantiner, «hat den Auftrag, dem Präfekten von Rom» – und hier neigte er abermals das Haupt – «die neu erfundenen Doppelballisten für die Wälle Roms zur Verfügung zu stellen. Er hat sich lange vor mir eingeschifft: – so glaubt' ich ihn schon vor mir eingetroffen und mit dir nach Rom abgezogen. Aber seine Fracht ist schwer.

Und ich freue mich, den gewaltigsten Mann des Abendlandes, den glorreichen Verteidiger des Hadrianusgrabes von Angesicht kennen zu lernen.»

Aber Cethegus warf noch Johannes einen scharfen Blick zu und wandte sich dann, mit kurzem Abschiedsgruß an alle Versammelten, zum Gehen. Nach einigen Schritten sah er sich rasch, plötzlich sich wendend, um und bemerkte, wie Johannes mit beiden Fäusten drohend auf den geschwätzigen jungen Archonten vom Euphrat hineinschalt.

Ein kalter Schauer rüttelte den Präfekten. Er wollte auf dem kürzesten Wege nach seinem Zelt zurückgehn und unverzüglich, ohne Syphax und dessen Entdeckungen abzuwarten, zu Pferde steigen und, sonder Abschied, nach Rom eilen. Um jenen kürzesten Weg zu erreichen, wollte er aus des Johannes Lager heraustreten und auf der Sehne des großen Lagerbogens seine eignen Zelte gewinnen.

Vor ihm ritten einige persische Schützen aus dem Lager: auch Bauern, die Wein verkauft hatten, ließen die Wachen unbehindert hindurch. Es waren Langobarden, denen, wie überall, auch in diesem Lagerteil Narses die Lagerausgänge übertragen. Sie hielten ihn an mit gefällten Speeren, als er den Landleuten folgen wollte. Er griff zornig in die Lanzen, rasch sie teilend.

Da stieß der eine der Langobarden ins Horn: die andern schlossen sich wieder fest vor Cethegus. «Befehl des Narses!» sprach Autharis, der Führer. «Und jene?» fragte der Präfekt, auf die Bauern und die Perser deutend. «Sind nicht du», sprach der Langobarde.

Eine Schar Lagerwachen war noch herbeigeeilt auf jenen Hornruf. Sie spannten die Bogen. Cethegus wandte ihnen schweigend den Rücken und ging auf dem gleichen Wege, der ihn hergeführt, zurück nach seinem Zelt.

Vielleicht war es nur sein plötzlich erregtes Mißtrauen, das ihm vorspiegelte, alle Byzantiner und Langobarden, durch die er dahin schritt, wichen ihm mit halb spöttischen, halb mitleidigen Blicken aus.

Vor seinem Zelt befragte er die isaurische Schildwache: «Syphax zurück?» – «Ja, Herr, längst. Er harrt deiner sehnlich im Zelt. Er ist verwundet.» Rasch schlug Cethegus die Vorhänge zurück und trat ein.

Da flog ihm Syphax, bleich unter seiner Bronzehaut, entgegen, umklammerte seine Knie und flüsterte mit leidenschaftlicher, verzweifelter Erregung:

«O mein Herr, mein großer Löwe! Du bist umgarnt – verloren – nichts kann dich mehr retten.»

«Mäßige dich, Sklave!» gebot Cethegus. «Du blutest... –» – «Es ist nichts! Sie wollten mich nicht in dein Lager zurücklassen – sie fingen in scheinbarem Scherz Streit mit mir an, aber ihre Messerstiche waren bitterer Ernst... –» – «Wer? Wessen Messerstiche?» – «Der Langobarden, Herr, die seit einer halben Stunde alle Ausgänge deines Lagers doppelt besetzt haben.» – «Ich werde Narses um den Grund fragen», drohte Cethegus. – «Der Grund, das heißt der Vorwand – er sandte Kabades, dir das zu melden – ist ein Ausfall der Goten. – Aber, o mein Löwe – mein Adler – mein Palmbaum – mein Brunnquell – mein Morgenstern – du bist verloren!» Und wieder warf sich der Numider auf das Antlitz vor seinen Herrn und bedeckte dessen Füße mit glühenden Tränen und Küssen.

«Erzähle – der Ordnung nach», sprach Cethegus, sich an den Mittelpfahl des Zeltes lehnend, mit auf den Rücken gekreuzten Armen und hoch das Haupt emporgerichtet: nicht auf Syphax' verzweifeltes Antlitz, in die leere Ferne schien er zu schauen.

«O Herr – ich werd's nicht können in klarer Folge. – Also – ich erreichte das Schilfversteck – ich brauchte kaum zu tauchen – mich barg das Geröhricht – das Badezelt ist von dünnem Holz und von Leinwand neu errichtet, nach den letzten Stürmen – Narses kam in seinem kleinen Boot, Alboin, Basiliskos und noch drei Männer als Langobarden verkleidet – aber ich erkannte Scävola, Alinus...» – «Ungefährlich», unterbrach Cethegus. – «Und – Anicius!» – «Irrst du dich nicht?» fuhr Cethegus auf. – «Herr, ich kenne das Auge und die Stimme! Aus dem Gespräch – ich verstand nicht alle Worte, – aber den Sinn ganz klar» – «Ei, hättest du mir doch die Worte sagen können!» – «Sie sprachen griechisch, Herr: ich verstehe das doch nicht so gut, wie deine Sprache, und die Wellen machten Geräusch, und der Wind war nicht günstig.» – «Nun, was sagten sie?» – «Die drei sind erst gestern abend aus Byzanz eingetroffen: sie forderten sofort deinen Kopf.

Narses aber sprach: ‹Nicht Mord: Richterspruch, nach voll durchgeführtem Prozeß: und Richterstrafe.›

‹Wann endlich?› drängte Anicius. ‹Sobald es an der Zeit.› – ‹Und Rom?› fragte Basiliskos. ‹Rom sieht er niemals wieder.›»

«Halt», rief Cethegus, «halt inne! Einen Augenblick! Klar muß ich hierin sein.» Er schrieb ein paar Zeilen auf ein Wachstäfelchen. «Ist Narses zurück aus dem Bade?» – «Längst.» – «Gut.» Er gab einem der vor dem Zelte wachenden Isaurier die Wachstafel. «Augenblicklich bringst du Antwort. – Fahre fort!» Aber Cethegus vermochte nicht mehr still zu stehen, hastig ging er im Zelte auf und nieder.

«O Herr, in Rom muß ein Ungeheures geschehen sein: – ich konnte nicht genau verstehen, was. Anicius stellte eine Frage: darin nannte er deine Isaurier. ‹Den Führer Sandil bin ich losgeworden›, sagte Narses. ‹Und der Rest ist ja in Rom gut aufgehoben durch Aulus und die Brüder Macer, meine Lockvögel›, fügte er lachend bei.» – «Nannte er diese Namen?» forschte Cethegus ernst, «braucht' er dies Wort?» – «Ja, Herr. Dann sprach Alboin: ‹Gut ist's, daß die jungen Tribunen fort: es hätte scharf Gefecht gekostet.› Und Narses schloß: ‹Alle Isaurier mußten fort. Sollten wir eine blutige Schlacht im eignen Lager schlagen und König Teja plötzlich dazwischenfahren?› – O Herr, ich fürchte, sie haben deine Treuesten von dir hinweggelockt.»

«Ich glaub' es auch», sprach Cethegus finster. «Aber was sprachen sie von Rom?» – «Alboin fragte nach einem Führer, dessen Namen ich nie gehört.» – «Megas?» rief Cethegus.

«Ja, Megas! so hieß er – woher weißt du... –!»

«Gleichviel! Fahre fort! Was ist' mit diesem Megas?»

«Alboin fragte, wie lange wohl schon Megas in Rom sei? – ‹Jedenfalls›, antwortete Narses, ‹frühe genug für die römischen Tribunen und die Isaurier.›»

Da stöhnte Cethegus laut und schmerzlich aus tiefster Brust.

«‹Aber die Bürger Roms?› forschte Scävola, ‹sie vergötterten diesen Tyrannen und seine jungen Ritter!› – ‹Ja ehemals: jetzt aber hassen und fürchten sie nichts so sehr als den Mann, der sie mit Gewalt wieder zu Römern, zu Helden machen wollte.› – ‹Aber wenn sie ihn doch wieder aufnehmen wollten? Allbezwingend ist seines Namens Gewalt!› fragte furchtsam Albinus.

‹Fünfundzwanzigtausend Armenier im Kapitol und im Grabmal Hadrians halten die Römer noch strenger gebunden... –›»

Da schlug sich Cethegus die linke Hand grimmig vor die Stirn.

«‹Noch strenger gebunden als Papst Pelagius und ihr Vertrag und Eid.› – ‹Ihr Vertrag und Eid?› forschte Scävola. ‹Ja, ihr Vertrag und Eid! Sie haben geschworen: ihre Stadt nur dem Präfekten von Rom zu öffnen.› ‹Nun und?› rief Anicius. – ‹Nun und: sie wissen und wußten damals schon: daß seit drei Monaten der Präfekt von Rom heißt – Narses! Mir, nicht ihm haben sie geschworen!›» Da warf sich Cethegus schweigend auf das Lager und verhüllte sein Haupt in seinem purpurgesäumten Mantel. Keine laute Klage entrang sich mehr der gewaltigen Brust.

«O mein teurer Herr – er wird dich töten! – Aber ich bin noch nicht zu Ende – du mußt alles wissen – auf daß dich Verzweiflung zum Äußersten kräftigt: wie der umstellte Löwe mehr als Löwenkraft gewinnt.»

Cethegus erhob sich wieder. «Vollende», sprach er. «Was ich noch zu hören habe, ist gleichgültig: es kann nur mich, nicht mehr Rom angehn.»

«Aber dich geht es furchtbar an! – ‹Gestern›, fuhr Narses fort – nach einigen Reden, die das Wellengeräusch mir entzog, ‹gleichzeitig mit der langerwarteten Nachricht... – aus Rom... –›» – «Welche Nachricht?» fragte Cethegus.

«Das sagte er nicht. – ‹Gleichzeitig brachte Zenon mir die Weisung, das versiegelte Schreiben des Kaisers zu öffnen: denn mit Recht nimmt dieser nach meinem letzten Bericht an, daß den Untergang der Goten jeder Tag heraufführen kann. Ich öffnete und› – o Herr – es ist schrecklich... –»

«Rede!»

«‹Des großen Justinians ganze Kleinheit spricht daraus›, sprach Narses. ‹Er würde ihm, glaub' ich, viel leichter verzeihn, daß er den Kaiser der Gerechtigkeit fast dahin verleitet, den allgetreuen Belisar zu blenden, als Justinianus ihm verzeiht, mit Theodora im Bunde, als Verführer Theodoras! – ein furchtbarer Anachron...› mehr verstand ich nicht –» «Anachronismus!» sagte Cethegus, ruhig verbessernd.

– «‹Den Kaiser hintergangen, überlistet zu haben. Das Los, das er Belisar um ein Haar bereitet hätte, soll ihn selbst treffen... – Blendung.›»

«Wirklich?» lächelte Cethegus. Doch er griff an den Dolch.

«‹Und jene Strafe, die er, gotteslästerlich Christi Tod entweihend und Kaiser Constantins Gesetz verletzend, in seinem Rom wieder eingeführt... –› – Was kann er damit meinen?» forschte Syphax bang.

«Kreuzigung!» antwortete Cethegus, den Dolch wieder bergend. «O Herr!» – «Gemach, noch hang' ich nicht in der Luft: noch schreite ich fest auf der heldennährenden Erde. Vollende.»

«‹Ich aber bin›, fuhr Narses fort, ‹der Feldherr und nicht der Folterknecht Justinians: und er wird sich wohl begnügen müssen, wenn ich des tapfern Mannes Haupt nach Byzanz schicke.› Aber o nur das nicht – nur das nicht, Herr! wenn wir sterben müssen.»

«Wir?» lächelte Cethegus, wieder ganz gesammelt. «Du hast nicht mit Theodora den großen Kaiser der Romäer überlistet. Dir droht nicht Gefahr.» Aber Syphax fuhr fort:

«Weißt du's denn nicht? O zweifle nur daran nicht: – ganz Afrika weiß es – fehlt der Leiche das Haupt, muß die Seele als unrein niedres Gewürm ohne Kopf äonenlang durch Schlamm und Kot schleichen. O nur nicht dein Haupt vom Rumpfe getrennt!»

«Noch ruht es fest auf diesem Nacken, wie auf dem Atlas das Himmelsgewölbe. Still – man kommt.»

Der Isaurier, den er an Narses gesendet, brachte die versiegelte Antwort: «An Cethegus Cäsarius Narses, Magister militum. Deinem Wunsch, nach Rom aufzubrechen, steht auch heute nichts im Wege.» – «Ich begreife jetzt», sprach Cethegus.

«Die Lagerwachen haben Befehl, dich abreiten zu lassen. Doch geb' ich dir, falls du auf der Abreise beharrst, tausend Langobarden, unter Alboin, zur Bedeckung mit.

Die Straßen sind unsicher durch versprengte Goten.

Da, allem Anschein nach, heute noch oder morgen ein Durchbruchversuch der Goten droht und wiederholt tollkühnes Verlassen der Lager den Verlust von Führern und Truppen herbeigeführt hat, ist niemand mehr ohne meine Erlaubnis das Lager zu überschreiten verstattet und haben alle Wachen, auch die Zeltwachen, meine verlässigen Langobarden bezogen.»

Rasch sprang Cethegus gegen die Türe seines Zeltes und riß sie auf: seine vier Isaurier wurden abgeführt, zwanzig Langobarden unter Autharis zogen vor seinem Zelte auf. «Ich dachte noch an Flucht für heute nacht», sprach er zu Syphax. «Sie ist abgeschnitten. Und es ist besser so, würdiger.

Lieber den Gotenspeer in die Brust als den Griechenpfeil in den Nacken. Aber Narses ist noch nicht zu Ende: ‹In meinem Zelt magst du vernehmen, welche Maßregeln ich gegen das durch den Ausfall der Barbaren drohende, vielleicht sehr große Blutbad getroffen. Noch aber habe ich eine dir schmerzliche Mitteilung zu machen. Gestern abend über See von Rom einlaufende Nachrichten melden, daß der größte Teil der Isaurier in Rom und deine Tribunen... ›»

«Ha, mein Licinius, Piso, Julianus!» schrie der Präfekt, aus seiner eisigen, todesverachtenden Ruhe durch heißen Schmerz emporgeschreckt: ‹Getötet worden sind. Sie weigerten, friedlich eingelassen› – ha, schändlich hineingelockt! – ‹dem Kaiser den Gehorsamseid: sie wollten, gegen den Vertrag, Gewalt brauchen, Lucius Licinius wollte das Kapitol mit Sturm nehmen, Salvius Julianus das Grabmal Hadrians – Piso die Porta latina – sie fielen, jeder vor seinem Angriffsziel: – der Rest der Söldner ist gefangen.›

«Mein zweiter Julius folgt dem ersten nach!» sprach Cethegus. «Nun, ich brauche keinen Erben mehr: – denn Rom wird nicht mein Eigentum und Nachlaß.

Es ist vorbei. – –

Der große Kampf um Rom ist aus.

Und die dumpfe Überzahl, die kleine Pfiffigkeit hat gesiegt, wie über der Goten Schwerter, so über des Cethegus Geist. O Römer – Römer, ‹ auch ihr, meine Söhne?› Ja, meine Bruti seid ihr! –

Syphax, du bist frei. Ich gehe in den Tod –: geh du frei zurück in deine freie Wüste.»

«O Herr», rief Syphax, laut aufschluchzend und sich auf den Knien vor ihm hinwälzend – «stoß mich nicht von dir: ich bin nicht minder treu als Aspa ihrer Herrin war: – laß mich mit dir sterben.» – «Es sei», sagte Cethegus ruhig, die Hand auf des Mauren Haupt legend «Ich hab' dich lieb gehabt – mein Panther –: spring denn mit mir in den Tod. Reiche mir Helm, Schild, Schwert und Speer.» – «Wohin?» – «Erst zu Narses.» – «Und dann?» – «Auf den Vesuvius!»


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