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Achtes Capitel.

Jedoch am Tage darauf legte sich der Franzose, der Franciscaner, – nein! Das war ja der Cistercienser! Sie kommen mir immer durcheinander, weil ich später beider – nun, Ihr werdet's schon noch hören. Also der legte sich auf die heiße, staubweiße, wälsche Heerstraße nieder und sagte, er könne nicht mehr weiter: denn er müsse jetzt sterben. Und richtig, er hielt sein Wort: gleich darauf war er todt. Wir beide konnten ihn – mit den bloßen Händen – nicht begraben. So bestreuten wir ihn mit Staub, Sand und Erde, beteten ein Vaterunser neben ihm und, da mein Gewand ganz zerschlissen, nahm ich des Todten grauen Kappenmantel. Der war mir aber viel zu kurz: denn der Picarde war gar zierlich klein gewesen. Und zwei Tage darauf, – wir stiegen eben im wüsten Gebirg – da fiel der Cistercienser – nein, der Franciscaner! – um und rührte sich nicht mehr. Ich blieb lange bei ihm und rieb ihm die Hände: – aber er lag steif und unbeweglich. Da zog ich ihm das braune Untergewand ab, – ich brauchte es dringend, des Anstands wegen, wann ich durch Dörfer kam, um der Weiber willen, – und er, – er brauchte es ja nicht mehr. Auch noch seinen Pilgerstab nahm ich, den der Bischof von Mailand selbst geweiht hatte, sein Scapulier und seinen Dachsfell-Ranzen. Und griff hinein und fand ein Par Briefe, die den Bruder Sebastian aus Bergamo an ein Par andere Franciscaner-Klöster in Wälschland empfahlen.

Und wie ich nun so einsam weiter zog, fiel mir ein, daß alle Leute, die wir getroffen, Eingeborne und Pilger und Reisende, die beiden Mönche viel ehrerbietiger angesehen und besser behandelt hatten als mich, den Laien. Und da sagte ich zu dem Böppele: ich könnte recht wohl auch ein Mönch sein! Gepredigt hatte ich ja schon! Die drei Gelübde: Armuth, Keuschheit und Gehorsam hatt' ich alle diese Tage zu erfüllen nur allzuviel Gelegenheit gehabt. Also! Warum soll der Böppele nicht ein Mönch sein? In dem Ranzen stak auch eine Haarscheere, mit der der arme Sebastian seine Tonsur in Stand zu halten gepflegt hatte. An einem klaren Bache, der mir als Spiegel diente, schnitt ich mir eine recht zierliche Tonsur, und wirklich – viel leichter als bisher, zumal mit besserer Beköstigung durch die Weiblein, fuhr ich nun durch den Rest von Wälschland und kam glücklich nach Brindisium: von dort aus, meinte ich, sei nun Alles gewonnen.

Denn nicht nur die Kreuzpfaffen, die ungethüm tobenden Bettel-Mönche, welche zu der heiligen Reise im Namen des heiligen Vaters treiben – sie selber aber bleiben klüglich im Abendlande, diese Elenden! und fressen des Bauers Käse: »Käseritter« nennt man sie deßhalb oder »Käsefahrer«! – auch der Cardinal Konrad, von den Uracher Grafen entstammt, ja, ich meine alleweil: in des Kaisers Namen, auch der Herr Hochmeister Hermann, – kurz, die Alle hatten uns frommen Wallern kaiserliche Überfahrt und kaiserliche Verpflegung von Brindisium aus verheißen. O du blutiger Sebastian! Die Überfahrt war freilich »kaiserlich«. »Abundantia,« zu deutsch: Überfluß, hieß das schwere mächtige Meerschiff. Aber nur der Name daran war »abundant«: freilich: reiner Überfluß, denn die Leibeszehrung war gar nicht »kaiserlich«! – Möchte dem schönen, hohen Herrn Kaiser – ich lasse mich todtschlagen für ihn, wenn's gerade ganz nothwendig so sein muß! – möcht' ihm nicht wünschen, daß er nur einen halben Tag so »kaiserlich« leben müßte, wie wir Befreier Christi viele Wochen lang: wir, die der Herr Kaiser selbst zu seiner Tafel geladen. Die Wälschen – Savoyarden waren es, arge Hungerleider! – zehrten den ganzen Tag von zwei steinhart getrockneten Fischlein und einer fingernageldicken Rinde Ziegenkäse – und meinten, das müsse für einen »Suabo« auch reichen: diese Thoren! Wir waren zusammengepfercht auf dieser »Usseria«, – so heißt eine solche Arche Noah! – wohl fünfhundert Stück, lauter künftige Heilige, so eng, wie die Räucherfische im Fäßlein von Buchhorn am Bodensee. – Und Getränk! Die Deutschen und die Engelländer wurden so durstig, daß meine Frommheit darunter litt. Denn, wenn sie mitten im Psalliren – es ward recht viel psalliret auf der Usseria! – fluchend oder betend sagten: »Jetzt gäb' ich alle meine Reisepfennige um einen Trunk schlechtesten Weins,« – dann mußte ich immer, zwischen dem Singen und Beten durch, rechnen, wie viele Irnen »schlechtesten Weins« in meinem Vorderkeller zu Boblingen lagen, in dem schimmligen Faß, vorn links: und wie viel mir das hier auf Deck eintragen würde.

Endlich fand auch diese fromme Kasteiung ihren Schluß. Wir landeten bei Akkon und zogen in das Lager des Kaisers vor Joppe.

Da hätten mir nun aber die Mönchsgewande bald – zum erstenmale! – geschadet. Wie ich an die Vorstadt des Lagers komme, wo die Handwerker und Händler in Buden und Baracken lagerten, und ihre Wagen zusammengeschoben hatten, und an die Wachen der äußersten Contubernien – es waren des Kaisers Saracenen: aber auch Deutsche darunter, – schreit sofort Einer: »Was? Ein Mönch? Ein Pfaff! Verprügelt ihn!« Und wie geschrieen, so gethan. Ich hatte ein par Püffe und Hiebe, ehe ich nur fragen konnte: warum. »Warum?« fragte ich nun aber doch, nachträglich.

»Wie? Du fragst noch?« hieß es da. »Bist du nicht ein Mönch? Trägst gewiß auch des Papstes Bannfluch gegen unsern Herrn in dem Ranzen und willst in seinem eigenen Lager gegen den Herrn Kaiser predigen?«

Über das Predigen konnte ich sie nun beruhigen. Und da ich ihnen sagte, daß der Kaiser gebannt sei, das sei mir sowohl unbekannt als gleichgiltig, und den heiligen Vater möge meinetwegen der üble Höllenwirth holen, und mein Herr Kaiser kenne mich und ich meinen lieben Herrn Kaiser, und da ich schrie: »Heilo unserm verfluchten Kaiser!«, da wurden sie gar freundlich. Die Deutschen gaben mir gleich was zu trinken. Und später auch zu essen und drängten sich, mir zu beichten, Einer nach dem Andern. Was ich da alles für Geschichten zu hören bekam, – das ist gar nicht zu glauben! – Damals hab' ich von Sünden und Lastern erfahren, von denen man im Reich und sogar in Wälschland nichts weiß. Ich war aber nicht hartherzig: denn wie heißt es in den Sprüchen Salomonis: »Du sollst leben und leben lassen!«

»Den Text hab' ich aber nie in der Kirche gehört,« sprach das Trinelein ernsthaft.

»Nicht? Nun dann heißt es daselbst: Allzuscharf macht schartig. Auch nicht? Nun, dann ist es auch gleich. Kurz, ich absolvirte sie alle miteinander.«

»Ihr seid ja aber gar nicht zum Priester geweiht gewesen!« wandte der Bauer ein.

»Ei, ich hatte aber die beiden geweihten Priester beerbt. Und mit ihren Röcken auch wohl ihre Weihe überkommen. Und die Deutschen führten mich vor den Kaiser in dessen großen runden Pavilun – von weitem kannte ich es, an dem Adler, der vorn auf die Zelthaube gemalt war – und sagten, es sei doch recht gut, wieder einmal einen Priester im Lager zu haben: – denn meine Amtsbrüder, die echten Pfaffen, hatten alle die Zelte verlassen, seit der Bann des Papstes ruchbar geworden: – der da vor der Schlacht predigen, die Todten bestatten und auch Trauungen schließen könne. Denn gar viele Weiber waren im frommen Heer, welche manchmal plötzlich darauf bestanden, daß Einer sie heirathe. Der Herr Kaiser nun, – Frau Sonne segne sein schönes Haupt! – der lachte ein wenig, da er mich sah, drohte mit dem Finger und sprach: »Ei, ei, Böppele!« – denkt euch, meinen Namen hatte er behalten seit Genua! – wo er einmal bei mir – mit mir – in einer Capelle – zusammentraf, – »bist du geistlich worden?«

»Sehet selbst,« gab ich unverzagt zur Antwort, »und saget, ob das nicht eine Tonsur ist, weiser Herr Kaiser,« und – wies ihm mein Haupt.

»Nun,« fuhr er fort, »von dem besten Jahrgang Geistlicher bist du wohl nicht. Aber –«

»Aber,« fiel ich ein, »wann der Teufel hungert, frißt er Sandflöh': und ein gebannter Kaiser muß seine Lagerpfaffen nehmen, wie er sie findet.«

Da lachte der liebe Herr und sprach: »Der heilige Vater muß auch das verantworten. Mir aber macht es Scherz: geh hin und weide deine Lämmer.«

»Jawohl, Lämmer! Sind rechte Böcke,« erwiderte ich, »Eure frommen Streiter. Die geistliche Zucht meiner Vorgänger hat ihnen nicht viel gefrommt. Ist eine rechte Heidenwirthschaft in Eurem Heer!« und hüpfte rasch zur Zeltthür hinaus.


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