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Sechstes Capitel.

»Alles Heil euch tapfern Männern mit dem schwarzen Kreuz auf weißem Mantel!« rief Friedmuth begeistert. »Groß ist euer Ruhm bei Christen und bei Heiden. Ich habe euch oft an der Arbeit gesehen: am Bette der Pestkranken in euerem Hause zu Akkon oder auf glühendem Wüstenweg als Begleiter der Pilger, im Kampf mit zehnfacher Überzahl!« –

»Aber doch erst, seit Herr Hermann sie leitet, kommen die deutschen Herren zum längst verdienten Ansehen: hat sie doch der Papst erst seit Kurzem gleichgestellt den Templern und den Hospitalitern.«

»Ja, seit wann? und warum?« rühmte der Fragsburger mit blitzenden Augen, auf des Hochmeisters Schild deutend, der an der Zeltstange lehnte. »Weil vor Damiette dieser weise Mann des Rathes, dieser vorbedächtige Herr Hermann, so gewaltige Schwert-Streiche geschwungen hat, den neidischen Templern zur Seite, daß Papst und Kaiser ihm in das schwarze Kreuz seines Hochmeisterschildes – hier! – das Goldkreuz von Jerusalem gesetzt haben. Das darf kein Andrer führen.«

»Und damals war es doch, – jetzt sind's neun Jahre,« – fragte Herr Walther, »daß der hochmüthige Franzose – wie hieß er? Héron?«

»Es war,« antwortete Friedmuth rasch und stolz, »der Connétable Héron de Taillefer-Bréholle.«

»Nicht wahr, der ritt an Euch heran, senkte seine Lanze und sprach: Beim Glanze Gottes, nun will ich an der Loire melden, daß die Deutschen fast so viel besser das Schwert als wir die Lanze führen.«

»Ja,« sagte der Herr von Salza ruhig. »Ich lud ihn darauf gar sehr höflich zum Lanzenrennen in dem eroberten Damiette und stach ihn beim dritten Anrennen vom Gaul.«

»Und Gott hat euch wunderbar gesegnet von Anbeginn,« sprach Friedmuth. »Was ist doch der Orden gewachsen seit, vor einem Menschenalter, ein par wackere Bürger von Lübeck und Bremen im Lager vor Akkon aus einem alten zerschlissenen Segel ein Zelt errichteten – das war das erste ›deutsche Haus‹: ohne Balken und Dach! – für kranke deutsche Pilger. Denn Templer und Hospitaliter wollten nur Franzosen und Wälsche pflegen und schützen.«

»Ja, die Templer! Meine Ritter haben ein Sprichwort: »Dem wahren Kreuz hat das rothe mehr denn der Halbmond geschadet.« Wie mußte ich doch streiten wider die Herren vom Tempel, des Papst Innocenz Schos-Söhne! Nicht einmal den weißen Mantel wollten sie uns tragen lassen! Der Papst entschied zuletzt: mindestens aus schlechterem Stoff als der Templer muß unser Mantel sein.«

»Das bringt euch keine Schande!« sprach Friedmuth. »Freuden und Prunk versagt euch euer Gelübde: ihr dürft ja gar, ihr Brüder vom deutschen Hause Sanct Marien, an Sattel und Zaum, an Helm und Schild, nicht Gold, Silber oder weltliche Farbe führen.«

»Papst Innocenz war uns wenig hold,« fuhr der Hochmeister fort. »Aber Honorius und jetzt Gregor hab' ich allerlei Privilegien abgerungen. Die Staufer jedoch haben uns von jeher hoch geehrt: Herr Heinrich, Herr Philipp, und nun gar der gewaltige Friedrich. Ich schlug sogar ein Vorrecht aus, das er uns bot,« lächelte Hermann.

»Welches?«

»Daß jeder, der bei uns eintrat, seiner Geldschulden sollte ledig sein. Ich scheute den großen Zulauf.«

»Dagegen gebot er aber,« – meinte Friedmuth, – »so sehr liebt er dich! – daß der Deutschmeister, so oft er zu Hofe kommt, er mit sechs Berittnen, des Kaisers Ehrengast sein solle.«

»Gewaltiges habt ihr hier in Krieg und Frieden geleistet« bestätigte Walther. »Und doch ist all das, fürcht' auch ich, wie Ihr gesagt, Weizen in der Wüste. Heimat schafft ihr den Deutschen nie in diesem Land. Und je mehr Zeit und Kraft und Blut wir hier vergeuden« –

»Desto mehr,« fiel Hermann von Salza ein, »entziehen wir unsern Nord- und Ost-Marken daheim, wo der Wenden und andrer Slaven von mancherlei Namen wegen unsre Bauern, bis zur Elbe hin, nicht mehr anders pflügen können, als im Brustharnisch und den Speer angeriemt. Ich meine, wir hätten an der Elbe, ja über die Elbe hin, bis an den Wysselstrom, viel dringendere Arbeit als hier, zwischen Jordan und Meer.«

»Wie meinst du das?« fragte Friedmuth, ernst und eifrig. »Über die Elbe hin – an die Wyssula? Von diesem Lande möcht' ich wohl mehr erkunden! Ein Pilger von dorther, auf dem Weg nach Rom, kehrte einst bei uns ein. Er trug einen weißen Rock von Schaffellen, die Wolle nach innen, Schuhe von Holz und, bis über die nackten Knie' empor, Riemenwerk; vier kurze Holzkeulen staken in seinem Gurt. Sein Bischof hatte ihm eine Romfahrt als Buße auferlegt, weil er viele Christen erschlagen hatte: ein heidnischer Pruzze, ein Häuptling, war er gewesen: jetzt war er getauft. Aber zufällig donnerte es gerade, als er bei uns war: da rief er immerfort, »Perkud, Perkun!« und schlug dann ein Kreuz und weinte sehr, daß er den alten Donnergott nicht vergessen könne. Eine Kröte, die des Weges sprang, fing er: fast weinend, küßte er sie dreimal und ließ sie dann frei. Auf meine Frage sprach er, »um Verzeihung bat Warputus die Göttin, daß der Philipp ihr nicht mehr Schnecken opfern darf und sie anbeten: Vater Christian«: – wer mag das sein?«

»Das ist Herr Christian, einst Mönch von Oliva, jetzt Bischof von Pruzzenland,« nickte der Hochmeister

»Christian hat es Philipp verboten,« fuhr er fort, »aber Warputus hat die Krötengöttin heute noch viel lieber, als den Vater Christian.« Ich verstand das nicht: da sprach er: »Warputus hieß ich, da ich froh war und der Hölle eigen: jetzt heiß' ich Philipp, bin des Himmels eigen und sehr traurig.« Dann schenkte er uns gelbe, undurchsichtige Glaskugeln: die warf er auf den Herd, das gab einen Rauch, köstlicher als der Weihrauch in dem Dom zu Brixen. Denn gar gutmüthig war er: nur ein wenig einfältig! So konnte er die Tage nur zählen, indem er jeden Abend einen Knoten in seinen Gürtelstrick knüpfte. Was war das wohl für Glas?«

»Bernstein,« sprach Herr Walther. »Ein wundersam Gewächs: Goldstein der See. Wo das die Wogen ausspülen, da soll die Welt zu Ende gehn.«

»Noch nicht ganz,« lächelte Herr Hermann.

»Denkt euch nur,« fuhr Friedmuth fort, »er wollte uns glauben machen, in seiner Heimat gebe es Berge, die, wandernd, in Jahrzehnten Hütten und Wälder bedecken und nach langer, langer Zeit anderswohin wandern.«

»Das ist doch gewiß nicht wahr?« meinte Walther.

»Ja, es ist wahr,« sprach der Hochmeister. »Aber sie sind von lauter Sand, diese Berge oder Hügel. Dünen heißen sie.«

»Recht elend mag's dort wohl zu leben sein. Denn –«

»Da können gar keine Menschen leben!« sprach Herr Walther sehr ernsthaft. »Höchstens Pruzzen und Samaiten: die sind's gewohnt.«

»Denn,« fuhr Friedmuth fort, »der beste Wein mundete ihm wenig, den wir ihm boten. Aber als er an dem Roßstall vorbeikam, blieb er plötzlich stehen, schnupperte in die Luft, stieß einen wilden Schrei aus, rannte hinein, schob das Fohlen weg, das an der Stute trank, und sog, vor Wonne schnalzend, deren Milch. Er fragte – zu Frau Wulfheids großem Zorn – nach meinen andern Weibern: ich sei ja ein reicher Fürst im Vergleich mit ihm: aber er habe doch daheim sieben Frauen gehabt und auch nach der Taufe nur vier verkauft: – die mehr ältlichen. Mit Frau Wulfheid verdarb er's gleich zu Anfang, weil sie ihm nicht die schmutzigen Füße waschen wollte: er meinte, das komme der Wirthin zu. Er wunderte sich sehr, als wir vom Tisch aufstanden: bei uns daheim, sprach er, trinken Gast und Wirth bei jedem Gelag den Honigmeth, bis beide auf der Schilfstreu liegen. Und da wir einmal an die Etsch hinunterstiegen, zu fischen, – er fragte immer nach Fischen, obwohl nicht Fastenzeit war, und aß sie fast lieber roh, noch zappelnd, als in Frau Wulfheids bester Brühe – da flog eine Krähe vor uns auf. Der Gast griff einen Stein, und traf die Krähe im Fluge: sie fiel, er sprang hinzu und – sie war noch nicht todt! – biß ihr den Kopf mit den Zähnen ein. Ich staunte. Er aber sprach: O fremder Vater: in unserem Land sind viele Krähen und wenige Messer. Man muß der Messer schonen. Unsere stolzen Nachbarn, die Polaben, nennen uns wohl die Krähenbeißer: – aber die haben viele Messer und essen Brot, nicht wie wir, Krähen und Fische. Und er bat gar flehentlich, daß ihm Frau Wulfheid die Krähe zum Abendimbiß braten ließ, schob das Haselhuhn zurück, aß die Krähe und weinte darüber vor Heimweh. Denn, sagte er, schön ist's nur bei uns. Diese Berge verdrücken mir den Athem.«

»Ja!« meinte der Herr von Salza, sehr langsam sprechend, »dort ist's wohl noch gar wild und öd und arm. »Aber gerade dies Bernsteinland, dies Dünenland, – das sollten wir haben.«

»Doch nicht wegen der Krähen?« lachte Herr Walther.

»Nein! Aber seht, es ist keine Ruhe mit diesen Wenden und andern Heiden, bis wir sie nicht nur von vorn abwehren, bis wir sie auch vom Rücken fassen können. Wie die Grenzen jetzt dort laufen, ist gar nicht auszusorgen! Seht,« und er schob den Mantel zurück, auf dem sie lagen, und zeichnete mit der Spitze der Scheide seines mächtigen Schwertes, die er ergriff, in den Sand der Wüste vor sich hin: »so lang gestreckt und offen läuft unsere Ostmark von Mittag gen Mitternacht. Nun liegt aber jenes Heidenland der Preußen den Polaben im Nordosten. Seht ihr, so!«

»Das leuchtet mir ein!« fiel Friedmuth sehr eifrig ein. »Und all' die Tausende und Zehntausende, welche Jahr für Jahr ein wirrer Drang nach heiligen oder unheiligen Abenteuern aus unsern Marken über See führt und die, – sie blühen nun oder sie verdorren, – für's Reich verloren sind, die blieben uns erhalten. Und man könnte sie schön langsam zurückdrängen gen Aufgang, diese dumpfen Wenden. Sie starren von Schmutz. Ich kenne sie! In Kärnthen hab' ich gegen sie gefochten.«

»Da würd' es wohl noch langer Arbeit brauchen mit Pflug und Schwert,« meinte Walther.

»Aber es wäre doch Arbeit, die haftete, nicht, wie hier, verwehte,« erwiderte Hermann. »Noch anderes kommt hinzu, – ein Großes! – was ich jetzt noch nicht enthüllen darf. Doch ist's im Werk. Und ihr beiden sollt davon vernehmen: – vor Anderen.«

»Und ob unser Einer auch wohl nur schwer dort leben kann in so rauhem Norden, – ich meine, es athmet sich doch noch gesünder, als in diesem giftigen Wüstenschmack!« rief Friedmuth.

»Und wenn die Zeit dazu gereift, dann, Freund Walther, – ich werd' Euch mahnen zu rechter Stunde! – dann sollt ihr mir durch eure Weisen eure Deutschen ebenso zur Kreuzfahrt nach Pruzzenland begeistern, wie Ihr sie nach Palästina gerufen habt.«


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