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Einige Zeit nach den im vorigen Kapitel erwähnten Begebenheiten hatte ein gefährlicher Plaggeist das Innere Rußlands verheert. Es war eine betrübende Frucht der Siege, welche die Russen mit ihrem Blute erkämpft hatten, daß sie die Pest von Bender nach Moskau herüberschleppten, wo sie durch die grenzenlose Unwissenheit der Ärzte und ebenso durch die abergläubige Gleichgültigkeit des Volkes begünstigt, die erschreckendsten Fortschritte machte.
Schon einmal hatte die Pest verheerend in der russischen Armee gewütet, und einige Generale trugen in ihrem törichten Despotismus, hinter dem sich eigentlich doch nur ihre bleiche Furcht vor dem schrecklichen Gespenst versteckte, viel dazu bei, die Seuche noch mehr zu verbreiten, indem sie verboten, nur das Wort »Pest« auszusprechen, was dann Anlaß zur Verhinderung der einfachsten Maßregeln wurde, die einer Ansteckung durch unmittelbare Berührung hemmend hätten in den Weg treten können. Der General Stoffel, Christophor Feodorowitsch Stoffel, Generalleutnant, gest. 1770. der den Oberbefehl in Jassy geführt hatte, vermochte die meisten Ärzte und Chirurgen zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung, daß die Krankheit, die damals in der Armee herrschte und dieselbe dezimierte, nur ein gewöhnliches Fleckfieber sei. Der Chirurgus Kluge hatte den Mut, die Abgabe dieser Erklärung zu verweigern. Aber was nutzte das Beispiel eines einzelnen gegenüber dem Unverstand der großen Menge? Man versäumte die Zeit, das Sterben ging an, und die Leute fielen tot auf den Straßen nieder. Die Zahl der erkrankten Soldaten betrug mehrere tausend, die der erkrankten Einwohner blieb unbekannt, da letztere sich aufs Land und in die Wälder flüchteten. Vgl. Johann Jakob Lerches Lebens- und Reisegeschichte, Halle 1791, S. 426. Aber er wurde bald selbst ein Opfer der von ihm geleugneten Pest und starb, wohl ohne eine Beruhigung darin gefunden zu haben, sie mit einem anderen, als ihrem eigentlichen Namen bezeichnet zu sehen. Eine unzählige Menge Soldaten waren lediglich dadurch angesteckt worden, daß sie die Leichen der von der Pest hingerafften Opfer plünderten. Dies hätte nicht geschehen können, wenn man sie über das Wesen und das Gefährliche der Krankheit belehrt und nicht vielmehr die wahre Natur derselben lügenhaft verhüllt hätte.
Auch in Moskau Hunderttausend Menschen fielen hier der Pest zum Opfer, die, wie es heißt, ein Raskolnik in seinem Barte eingeschleppt hatte. Gallerie aller merkwürdigen Menschen, Katharina II., S. 66. glaubten die Ärzte anfangs, oder stellten sich wenigstens, als ob sie es glaubten, daß die Krankheit nur ein zur Epidemie ausgeartetes Fieber sei, und das Volk, welches sah, daß sie dasselbe nicht zu heilen vermochten, verfolgte die armen Jünger Äskulaps in einer Weise, daß sie sich in die entferntesten Schlupfwinkel verbergen mußten, um nur der Raserei des Pöbels zu entgehen. Als einen besonderen Beweis, wie weit die Unkenntnis des Volkes ging, und wie groß die Grausamkeit war, die sich damit verband, möge hier nur ein Beispiel angeführt werden, nämlich, daß einem italienischen Tanzlehrer, der zu seinem Unglück einem solchen Pöbelhaufen, der die Ärzte verfolgte, begegnete, die Arme und Beine absichtlich zerbrochen wurden, weil man glaubte, daß er, als ein Fremder, einer der Doktoren sein müßte.
Von einzelnen wurde die Behauptung verbreitet, daß das Bild der allerheiligsten Jungfrau, welches sich an den Toren des Kremls befand, die Eigenschaft habe, die Seuche zu heilen. Das Bild war infolge dieses leicht geglaubten Gerüchtes stets von dichten Menschenhaufen umringt und wurde der Gegenstand zahlloser Gelübde und reicher Opfergaben. Da sich aber begreiflicherweise viele Personen, die schon den Keim der Seuche in sich trugen oder sich wirklich von ihr ergriffen fühlten, in der entsetzlichen Angst eines fast gewissen Todes, wie der Ertrinkende an dem Strohhalm, sich an dieser letzten schwachen Hoffnung festhaltend, in den dichten Haufen mischten, so wurde dieses vermeintliche Schutzmittel gerade umgekehrt eine Ursache mehr, die Krankheit zu verbreiten und sie auch denen mitzuteilen, die sonst vielleicht davon verschont geblieben wären.
Der Erzbischof von Moskau, Ambrosius, sah ein, daß ein solcher Zusammenlauf von Menschen in jeder Beziehung gefährlich werden konnte, und ließ das wundertätige Bild von seinem alten Platze wegnehmen, wodurch das Volk bis zur Raserei aufgeregt wurde. Es ist für jeden, der nicht zum orthodoxen griechischen Glauben gehört, völlig unmöglich, sich nur eine annähernde Vorstellung von dem Fanatismus zu machen, mit dem die Russen an ihren Heiligenbildern hängen. Jeder hat seinen eigenen Schutzheiligen und Namenspatron, an welchen er sich nach dem Bedürfnis seines Herzens wendet. Wenn die Nachbarn sehen, daß es einem frommen Bauer in der Bebauung seines Ackers, bei der Viehzucht oder im Handel besonders glückt, so bezahlen sie ihm eine gewisse Summe für die zeitweilige Überlassung des Bildes seines Privatschutzheiligen, welchem sie in der Regel das Glück des Nachbarn zuschreiben. Man beweist dann dem entlehnten Heiligenbilde alle nur erdenkliche Ehrfurcht und führt es zu jeder Arbeit mit sich auf das Feld hinaus. Trotz dieses weitgehenden Aberglaubens sind die russischen Bauern höchst tolerant. Im vorliegenden Falle aber begnügte sich das in seiner Furcht und seinem Glauben beleidigte Volk nicht damit, den Erzbischof des Verbrechens einer Lästerung der Heiligen und einer selbstsüchtigen Zueignung seines Schatzes der allerheiligsten Jungfrau anzuklagen, sondern es sprengte in seiner nach schneller Selbsthilfe und Rache dürstenden Wut die Tore eines Klosters, in welchem der erschreckte Prälat seine Zuflucht genommen und in welchem er sich in dem Sanktuarium der Kapelle verborgen hatte, das zu betreten nach dem Ritus der griechischen Kirche allein die Priester das Recht hatten. Unglücklicherweise hatte ihn ein Kind hineingehen sehen und beeilte sich, dem ihn suchenden Pöbelhaufen Mitteilung davon zu machen. Das Volk stürzte in die Kapelle hinein, bemächtigte sich des Greises und schleppte ihn vor die Tür, um ihn dort zu ermorden.
Als der unglückliche Kirchenfürst sah, daß er sterben müsse, beschwor er seine Mörder, ihn wenigstens noch einmal zum Altar treten zu lassen, um zum letzten Male die heilige Pflicht des Kommunizierens zu erfüllen. Der Volkshaufen willigte ein und sah ruhig und mit kaltem Blute zu, wie der ehrwürdige Prälat die fromme Zeremonie vollzog. Kaum aber hatte er geschlossen, als man auch schon von neuem über ihn herstürzte, ihn aus der Kapelle hinausschleppte und auf barbarische Weise tötete.
Die Kaiserin hatte sogleich alles getan, was in ihren Kräften stand, um die Fortschritte der Seuche zu bekämpfen, aber alle Mittel waren ohne Wirkung geblieben. Es war dazu ein Mann erforderlich, dessen Macht die bedauernswerten Exzesse des Volkes zu hemmen vermochte, ihm Vorsicht anzubefehlen und sie auch zu erzwingen imstande war, und der endlich zu einer Reinlichkeit anhielt, die man noch heutigentages in Rußland allgemein nicht kennt. Grigorij Orlow war dieser Mann, denn er besaß Mut genug, nicht nur der Seuche, sondern auch dem gefährlicheren Volkswahn und Aberglauben zu trotzen. Er begab sich außerordentlich schnell nach Moskau. Kaum daselbst angelangt, verbot er sogleich alle Volksversammlungen, befahl die Einstellung aller Veranlassungen zu solchen und ging so weit, selbst ohne Scheu vor der Ansteckung die Unglücklichen zu besuchen, die schon von der Seuche ergriffen waren. Er verschaffte ihnen durch sein Beispiel und durch seine unermüdliche Tätigkeit die Hilfe, die sie entbehrten, und befahl vor allem den Chirurgen und Offizieren, die ihn bei diesen Besuchen begleiteten, sofort die Kleider und alle Gegenstände, die in unmittelbarer Berührung mit den Personen gewesen waren, welche an dieser scheußlichen Krankheit starben, verbrennen zu lassen. Durch diese Maßregeln und namentlich auch durch die hereinbrechende Winterkälte wurde endlich dem Elend ein Ende gemacht. Und damit auch einer Spekulation, die findigen Köpfen zu einem nicht unbeträchtlichen Nebenverdienst verhalf: Eine Anzahl von Leuten benutzte nämlich den durch die Seuche getroffenen Zustand allgemeiner Unordnung, um Passanten, deren Zahlungsfähigkeit außer Zweifel stand, anzuhalten, ihnen zum Gruß die Hand zu bieten und bei dieser Gelegenheit die Hand des ahnungslosen Opfers mit einer höllensteinähnlichen Masse zu beschmieren, die der Haut ein pestartiges Aussehen gab, worauf man den Alarmruf »Pest« erschallen ließ. Wollte der Betreffende nicht zu allem Pöbel in die Quarantänehäuser, so mußte er sich mit drei- bis sechshundert Rubeln loskaufen. Anekdoten zur Lebensgeschichte des Fürsten Gregorius Gregoriewitsch Orlow, S. 140.
Bei der Rückkehr nach Petersburg fand Grigorij Orlow in Katharina eine zärtliche Geliebte und eine dankbare Monarchin wieder. Sie ließ bei Czarskoje Selo einen Triumphbogen mit der Inschrift errichten: »Dem, der Moskau von der Pest befreit hat«. Gleichzeitig ließ sie eine Medaille schlagen, um auch der fernen Nachwelt das Andenken an den Dienst zu erhalten, den Orlow seinem Vaterlande geleistet hatte.
Die Pest hatte nicht allein die inneren Teile des Russischen Reiches verheert, sondern auch in der russischen sowohl als in der ottomanischen Armee arg gehaust, welch letztere sie nach Polen verbreitete, das immer schwerer unter dem Joch seufzte, welches Katharina dem Lande auferlegte.
Die polnische Bevölkerung, allgemein gegen die russische Tyrannei aufgereizt, versuchte unaufhörlich sich derselben zu entziehen. Das Volk stand in dem Glauben, daß ihr unglücklicher König im Einverständnis mit Katharina handle, und suchte aus diesem Grunde alles Ungemach, welches er dem Lande zufügte, an ihm zu rächen. Die Konföderierten hatten den Abkömmling eines alten polnischen Geschlechtes, namens Pulawski, zu ihrem General erwählt, der sich als ein kühner und für die Freiheit leidenschaftlich begeisterter Mann erwies, der aber auch nicht zögerte, durch ein Verbrechen der von ihm als gerecht anerkannten Sache zu dienen.
Pulawski beschloß im Einverständnis mit drei Konföderierten namens Strawinski, Lukaski und Kosinski, sich der Person des Königs zu bemächtigen. Nachdem die letztgenannten einen Eid abgelegt hatten, ihrem General den König lebendig zu überliefern, drangen sie mit vierzig als Dragoner verkleideten Bauern von verschiedenen Seiten in Warschau ein. Als sie erfuhren, daß der König am folgenden Sonntag den Abend bei dem Fürsten Czartoryski, Michael Friedrich Czartoryski, Großkanzler von Lithauen, 1696 bis 1775. seinem Oheime, zubringen würde, stellten sich einige von ihnen außerhalb der Stadt auf, während sich wieder andere auf dem Wege des Königs in einen Versteck legten. Gegen zehn Uhr abends kehrte Stanislaus in Begleitung von vierzehn oder fünfzehn Personen und einem Adjutantan zu Wagen nach seinem Palast zurück, als die Verschworenen plötzlich aus ihrem Versteck hervorstürzten und dem Kutscher zuriefen, zu halten. Mehrere Pistolenschüsse wurden in demselben Augenblick gegen den Wagen abgefeuert, und ein Heiduck stürzte auch wirklich von einer Kugel durchbohrt zu Boden. Das Gefolge des Königs ergriff darauf in ekler Feigheit die Flucht. Einer der Mörder durchbohrte mit seiner Kugel den Hut des Königs. Dann ergriffen sie ihn und schleppten ihn zwischen ihren Pferden festgebunden durch die finstersten Gassen der Stadt. Als sie aber sahen, daß ihm der Atem ausging, und daß er ihnen unmöglich entspringen, ja ihnen nicht mehr laufend folgen konnte, setzten sie ihn auf ein Pferd. An dem Wallgraben angelangt, welcher Warschau umgab, zwangen sie ihn, mit ihnen durch denselben zu schwimmen. Das Pferd des Königs stolperte beim Sprunge, brach ein Bein, und auch Stanislaus wurde am Fuße verwundet. Man gab ihm ein anderes Pferd. Einer der drei genannten Führer riß ihm das Band des preußischen Schwarzen Adlerordens und ein an demselben befestigtes, mit Diamanten besetztes Kreuz ab. Auf das freie Feld hinausgekommen, teilte sich der Trupp, und nur noch sieben von ihnen, unter Kosinskis Befehl, blieben bei dem König zurück, mit welchem sie lange im Finstern umherirrten, da sie sich bestreben mußten, alle befahrenen Wege zu vermeiden. Bald befanden sie sich in einem Walde, der etwa eine Meile von Warschau entfernt liegt. Einige russische Patrouillen zeigten sich, oder wurden vielmehr gehört, und die hierdurch in Schrecken und Verwirrung gesetzten Verschworenen flüchteten. Der König blieb allein mit Kosinski. Da ersterer aber nicht um Hilfe zu rufen wagte, indem er die gerechte Furcht hegte, Kosinski würde ihn töten, so versuchte er diesen gütlich zu überreden, ihn wieder entkommen zu lassen. Nach längerem Zögern ließ Kosinski sich hierzu bewegen, und nachdem er auf seinen Knien in tiefer Zerknirschung und wahrer Reue den König um Verzeihung gebeten hatte, führte er ihn nach Marienberg, wo der König bei einen deutschen Tischler Aufnahme und Hilfe fand. Daselbst angelangt, schrieb Stanislaus sogleich ein Billett, welches man dem Chef des Garderegiments zukommen ließ.
Gegen fünf Uhr morgens wurde der König wieder auf sein Schloß nach Warschau zurückgebracht, aber in dem bejammernswertesten Zustande; die Füße und Schenkel bluteten, der Rücken mit Geschwülsten, von Flintenstößen und Säbelhieben überdeckt, das Gesicht von Baumzweigen zerrissen und zerkratzt, er selbst von einem heftigen Fieber ergriffen, die Folge der ausgestandenen Todesangst.
Die Gefahr, welcher König Stanislaus ausgesetzt gewesen war, wurde von den Russen als Vorwand benutzt, die Konförderierten zu verfolgen und die Zerstückelung Polens um so sicherer vorzubereiten. Aber bedurfte Katharina noch eines Vorwandes? Sie zeigte bald, daß sie auch ohne einen solchen im rechten Augenblick zu handeln wußte.
Alexej Orlows Geschwader behauptete noch immer im griechischen Meere die Oberhand. Aber der lange Aufenthalt der Russen in einem Klima, dessen Milde dem der Provinzen entgegenstand, aus denen in der Regel die Matrosen gewählt wurden, und die Ausschweifungen, welchen sich dieselben überließen, hatten ihnen eine epidemische Krankheit zugezogen, welche der Flotte auch den letzten Mann durch den Tod zu entziehen drohte. Der neue Kapudan-Pascha, Hassan, welcher die Niederlage der türkischen Flotte zu rächen trachtete, bereitete in Konstantinopel eine Neuorganisation vor und hoffte den Russen mit einer Flotte entgegentreten zu können, die an Stärke der noch überlegen sein sollte, welche die Flammen verzehrt hatten, als der Diwan sich plötzlich bewogen fühlte einen Waffenstillstand abzuschließen und in Fokschany zu einem Kongreß zusammenzutreten.
Grigorij Orlow bat sich die Ehre aus, mit den Ministern der Pforte zu unterhandeln, und reiste nach Fokschany ab, ohne zu ahnen, daß man seine Abwesenheit bei Hofe benutzen werde, um den allmächtigen Günstling endgültig zu beseitigen.
Katharina hatte Orlow wahr und aufrichtig geliebt, und sie liebte ihn auch jetzt noch. Orlow hingegen war niemals durch eine andere Leidenschaft, als seinen brennenden Ehrgeiz an Katharina gefesselt gewesen. Lange von der Gunst der Kaiserin gehoben und getragen, machte ihn jene endlich so aufgeblasen, daß er sie mit vollem Rechte zu besitzen glaubte: seine Aufmerksamkeit gegen Katharina, sein Eifer, ihr zu gefallen, erkalteten sichtlich. Er schien sich oft absichtlich so zu benehmen, als wolle er zeigen, daß ihre Liebe ihm beschwerlich sei, und je mehr sich Katharina, in weiblicher Hingebung die Kaiserin vergessend, bemühte, ihn wieder zu sich zurückzuführen, desto mehr entfernte er sich von ihr und suchte bei anderen Personen seine Gelüste zu befriedigen. Katharina fühlte sich nicht nur tief gedemütigt durch seine Kälte, sondern als liebendes Weib zugleich durch seine oftmals bewiesene Untreue gereizt, die er sich gar nicht die Mühe gab zu verheimlichen.
Zeuge dieses unerquicklichen Verhältnisses, glaubte Panin dasselbe benutzen zu können, um einen lange gehegten Plan zur Ausführung zu bringen. Ungeachtet er keineswegs in augenfälliger Mißhelligkeit mit Grigorij Orlow lebte, wünschte er doch sehnlichst die Ungnade dieses Günstlings und versäumte niemals eine Gelegenheit, durch die er ihm Schaden zufügen konnte. Orlow dagegen, obschon er wußte, daß er fast allgemein gehaßt war, haßte seinerseits selten. Sein Stolz hatte ihm manche Feinde erworben, aber sein Platz als Günstling noch mehr Neider, welche die schlimmste Art von Feinden sind. Alle wünschten gleichmäßig ihn vom Hofe entfernt zu sehen, und auch die Kaiserin begann jetzt diesen Wunsch zu teilen. Sie hoffte, daß seine Abwesenheit gänzlich den Einfluß aufheben würde, den er über sie ausgeübt und so oft mißbraucht hatte.
Panin, der die Blicke der Kaiserin stets auf das sorgfältigste ausspähte, war es nicht entgangen, daß sie oft mit einem gewissen sinnlichen Wohlgefallen einen Unterleutnant der Garde, namens Wassiltschikow betrachtet hatte. Sogleich beschloß er sich dieses jungen Mannes zu bedienen, um Orlow womöglich zu stürzen. Graf Zachar Tschernyschew, dem der Übermut des Günstlings noch bei weitem verhaßter war als Panin, unterstützte mit größter Bereitwilligkeit den Vorschlag des Ministers. Man suchte nun vor allen Dingen, als die sicherste Grundlage für die ferneren Operationen, im Herzen der Kaiserin eine neue Neigung zu erwecken.
Alexander Wassiltschikow, den man dazu ausersehen, mußte den Damen wohl gefallen, denn er war schön, jung und stark, aber er besaß wenig Geist, keine Talente und keine Erfahrung, ja nicht einmal hervorstechende Kühnheit, doch war er jetzt nicht ohne Stütze und Ratgeber. Diejenigen, welche die Beziehungen zwischen der Kaiserin und dem neuen Geliebten anbahnten, gaben letzterem auch den Rat, wie er sich zu verhalten habe, um ein für sie alle erwünschtes Ziel zu erlangen. Wassiltschikow folgte ihren Vorschriften auf das Getreueste, und die Kaiserin war mit ihm so zufrieden, daß sie ihn sogleich zu ihrem diensttuenden Kammerherrn ernannte, ihm kostbare Geschenke machte und ihn öffentlich mit einer solchen Familiarität behandelte, daß das zwischen ihnen obwaltende intime Verhältnis nicht lange verborgen bleiben konnte. Erziehung und guter Wille ersetzten nicht den Mangel natürlicher Talente. Wassiltschikow erhielt sich mit Mühe nicht ganz zwei Jahre in der Gunst seiner Monarchin. Der klügere Potiomkin trat an seine Stelle. Heibig, Russische Günstlinge, S. 257.
An eine Liebe gewöhnt, von der er die zärtlichsten Beweise und Unterpfänder hatte, glaubte Grigorij Orlow nicht an die Möglichkeit, daß ihm das Herz der Kaiserin jemals entfremdet werden könne. Was mußte er fühlen, als er erfuhr, daß sie seine Abwesenheit benutzt habe, sich einen neuen Geliebten zu wählen. Er verfiel anfangs in eine mit größter Bestürzung gemischte Raserei. Bald aber tröstete ihn sein Hochmut wieder. Er glaubte, daß nur seine Gegenwart erforderlich sein würde, um ein Feuer, welches nicht erloschen sein konnte, von neuem anzufachen. Beseelt von diesem Gedanken, setzte er sich sogleich in eine mit zwei Pferden bespannte Kibitka und fuhr Tag und Nacht nach Petersburg. Er glaubte daselbst unerwartet ankommen zu können, aber man hatte seine Eilfertigkeit vermutet und Maßregeln dagegen getroffen. Man schickte ihm einen Kurier entgegen, mit einem Brief der Kaiserin. Sie schrieb ihm: »es sei nicht nötig, daß er Quarantäne halte, aber sie schlage ihm vor, sein Schloß Gatschina zu seinem einstweiligen Aufenthalt zu wählen.« Der Kurier, der ihm diesen Brief überbrachte, traf ihn unterwegs an. Orlow war der Verzweiflung nahe. Man würde unrecht tun, wenn man dieses Gefühl gekränkte Liebe nennen wollte; es war nur Scham, sich hintergangen zu sehen, und beleidigter Ehrgeiz, nicht mehr der erste Gebieter im Staate zu sein. In Gatschina zeigte Orlow eine Wut, die dem Petersburger Hof auch aus der Ferne schreckenerregend schien.
Die Kaiserin, welche Orlows Charakter aus mehrfachen unangenehmen Erfahrungen kannte und daher fürchtete, daß er sich, ohne Erlaubnis eingeholt zu haben, vor ihr zeigen möchte, befahl, daß die Wachen ihres Palastes verdoppelt werden sollten, und daß noch außerordentliche Posten vor den Türen der Gemächer ihres neuen Günstlings aufgestellt würden. Der Sicherheit halber ließ sie sämtliche Schlösser in ihren Zimmern ändern, da Orlow die Schlüssel zu denselben besaß. Als Panin sie beruhigen wollte und ihre Furcht unnütz nannte, sagte sie zu ihm: »Sie kennen ihn nicht, er ist fähig, mich und den Großfürsten umzubringen.« Helbig, Russische Günstlinge, S. 187. Aber all diese Vorsicht war überflüssig, denn Grigorij Orlow vermochte jetzt keine Furcht mehr einzuflößen. Sobald man seine Ungnade erfahren hatte, besaß er keinen einzigen Anhänger mehr, im Gegenteil, seine Feinde traten überall hervor.
Orlow sah sogleich die ganze Gefahr seiner Lage, aber sein Mut beugte sich darum keineswegs. Als Graf Zachar Tschernyschew in Gatschina ankam und im Namen der Kaiserin von Orlow verlangte, daß er schriftlich um die Entlassung aus allen seinen Ämtern nachsuchen solle, verweigerte er stolz dieses Ansinnen. Katharina hätte bei dieser Gelegenheit gerechterweise einen Untertanen strafen können, der es wagte, ihrem Willen zu trotzen, aber sie zog es vor, einen Menschen, welchem sie einmal die volle Liebe ihres großen Herzens geschenkt hatte, mit Schonung zu behandeln. Man unterhandelte lange mit Orlow, und nachdem dieser einige Zeit in Czarskoje Selo, dann in Reval gelebt hatte, äußerte er den Wunsch, eine Reise durch Europa zu unternehmen.
Um ihn bei guter Laune zu erhalten, gab Katharina ihm ein Gnadengeschenk von hunderttausend Rubeln, ein kostbares Silberservis und eine Domäne mit sechstausend Bauern. Er hatte schon früher das Diplom eines Fürsten empfangen, und Katharina wünschte, daß er diesen Titel annehmen möchte, um sich den fremden Nationen gegenüber in dem Glanze zu zeigen, der der Gunst entspräche, in welcher er so lange bei ihr gestanden habe.
Wirklich reiste Grigorij Orlow bald darauf ab und entwickelte auf seinen Fahrten durch die kultivierten Staaten Europas den höchsten Luxus. Er erschien in Paris in Staatskleidern, deren Knöpfe aus großen Diamanten bestanden. Sein Degen war mit Brillanten übersät. In Spaa verdunkelte er den Herzog von Chartres, späteren Herzog von Orleans, als Ludwig Philipp Egalité Ludwig Philipp Joseph, geb. 13. April 1747 in Saint Cloud, guillotiniert zu Paris 6. November 1793. so übel berüchtigt, und sein hohes Spiel schreckte auch den kecksten Spieler zurück. In Versailles erschien er dagegen auf einem Ball in einem einfachen Frack von grobem Tuch, um auf solche Weise recht deutlich darzutun, wie wenig Hochachtung er vor dem französischen Hofe habe.
Die Art, wie Katharina die Orlowsche Angelegenheit behandelte, schien eine gewisse Schwäche zu offenbaren, aber sie stand in Übereinstimmung mit ihrem sonstigen Charakter. Trotz ihres Stolzes und ihrer Entschlossenheit wußte sie sich stets da zu beugen, wo ihr Interesse dies erforderte. Sie sah ein, daß sie durch Orlows Bestrafung nur diejenigen, die ihr jetzt treu dienten, erschrecken und einschüchtern würde; sie wollte aber der großen Menge durch Selbstüberwindung die Überzeugung verschaffen, daß ihre Dankbarkeit und Erkenntlichkeit selbst ihre Leidenschaften überlebe.
Während dieser ganzen Zeit beschäftigte Katharina sich auf das angelegentlichste mit der Teilung Polens, diesem wichtigen und lange vorbereiteten Gegenstande. Sie sah endlich den Augenblick gekommen, in dem sie die Frucht des Zwiespalts und der Verwirrungen, die sie in dem unglücklichen Nachbarstaat gesät hatte, ernten könne. Man hat gesehen, wie sie schon seit langer Zeit in Übereinstimmung mit dem Könige von Preußen Sorge getragen, den Hof von Wien für die polnische Teilung zu gewinnen. Bei den andern europäischen Mächten war sie ziemlich sicher, auf kein Hindernis zu stoßen. Frankreich hatte damals in dem Herzog von Aiguillon Armand Vignerot Duplessis Richelieu, Herzog von Aiguillon, 1720–1782. einen Minister, der wenig Scharfblick und Voraussicht besaß; England war an Rußland durch das mächtigste Band, welches diese Nation kennt, durch das Interesse für seinen Handel gefesselt; Schweden und Dänemark konnten es zwar nur mit Neid ansehen, daß Rußland und Preußen Häfen an der Ostsee erwarben, aber keiner von diesen Nachbarn besaß die Mittel oder den Mut, dagegen zu opponieren. Die Türkei war aber jetzt weit weniger zu fürchten und konnte Polen keine Hilfe gewähren, da sie es so schlecht verstanden hatte, sich selbst zu verteidigen. Katharina fürchtete jetzt nur noch die Weigerung des Hofes von Wien; aber Friedrich gelang es, wenn auch unter großen Schwierigkeiten, Österreich zu bestimmen, an der polnischen Teilung zu partizipieren.
Die Pest, welche an den Grenzen Polens in ihren Verheerungen noch immer nicht innegehalten hatte, war für den König von Preußen willkommener Anlaß gewesen, unter dem Vorwand, einen schützenden Kordon gegen das Vorrücken der gräßlichen Krankheit ziehen zu müssen, seine Truppen bis dicht an die Grenze von Preußisch-Polen vorgehen zu lassen, und Kaiser Joseph benutzte denselben Vorwand, um seine Armee gleich in die Provinzen einrücken zu lassen, die ihm den größten Vorteil boten.
Die fremden Armeen breiteten sich nun über ganz Polen aus und agierten gemeinsam gegen die Konföderierten, welche dadurch gezwungen wurden, sich von einander zu trennen. Die größte Anzahl derselben ging wieder in ihre Heimat zurück, die übrigen wanderten aus, um fremde Nationen mit nutzlosen Klagen und Schilderungen ihres Unglücks zu beglücken.
Ganz Europa hatte in dieser Zeit seine Augen auf Polen gerichtet. Man konnte schlechterdings nicht begreifen, weshalb drei der größten und mächtigsten Staaten des Weltteils mit gemeinschaftlicher Kraft mitten im tiefsten Frieden ein Land angriffen, dessen Selbständigkeit durch die feierlichsten Traktate garantiert worden war. Man wurde jedoch bald aus der Überraschung gerissen, und die Auflösung des Rätsels erregte allgemeine Bestürzung. Der Minister des österreichischen Kaisers Baron Rewicki. war der erste, welcher vor dem König und dem Senat von Polen den in St. Petersburg zum Abschluß gekommenen Teilungstraktat verkündete. Der russische Ambassadeur Freiherr von Stackelberg. und der preußische Envoyé Benoit. fügten ihrerseits zur Unterstützung dieses Traktats eine besondere Erklärung bei.
Ganz Polen geriet in Schrecken und protestierte gegen dieses Unrecht. Es rief die Einmischung und den Schutz aller derjenigen Mächte an, welche einst die Integrität des Landes garantiert hatten. Einige dieser Mächte machten allerdings Vorstellungen. Letztere verhallten jedoch ebenso frucht- und nutzlos als die Klagen und Proteste, die in Polen selbst ihren Ursprung hatten. Noch nicht zufrieden damit, sich eines Teils der polnischen Provinzen bemächtigt zu haben, forderten die drei verbundenen Höfe endlich, daß ein polnischer Reichstag ihnen feierlichst die von ihnen geraubten Provinzen abtreten solle.
Dieser Reichstag wurde in der Tat zusammengerufen und reichlich Gelder und Versprechungen von den drei Höfen verschwendet, um die Deputierten für sich zu gewinnen. Fast alle Landboten ließen sich mit schnödem Geld erkaufen, andere gaben um elender Vorteile willen die Ehre ihrer Frauen preis. Fürs bloße Schweigen wurden 200 und 300 Dukaten gezahlt; die aktiven Kreaturen erhielten höheren Sold. Um die Geschäfte des Reichstages zu arrangieren, waren dem preußischen General Lentulus 50 000 Dukaten zur Verfügung gestellt worden, der russische Bevollmächtigte, Freiherr von Stackelberg, hatte bis zum September 1773 zu diesem Zweck das Doppelte ausgegeben. Hermann, Bd. V, S. 531,34. Trotzdem weigerte sich die Majorität des Reichstags geraume Zeit, die Zerstückelung anzuerkennen. Durch diesen Widerstand gereizt, den man merkwürdigerweise nicht erwartet hatte, drohten die Minister der drei Höfe dem Reichstage mit der Ungnade ihrer Souveräne und stellten eine gewaltsame Einquartierung in Aussicht, die einer Plünderung gleichzuachten war. Durch diese Manöver glückte es endlich den Ministern, die Einwilligung der Majorität des Reichstages zu gewinnen, und Kommissare wurden gewählt, welche mit den Bevollmächtigten der drei teilenden Höfe die Teilungsbedingungen festsetzen sollten, die natürlicherweise im Einklang mit dem von Anfang eingeschlagenen Verfahren von diesen Bevollmächtigten diktiert wurden. Man unterzeichnete dieselben im Monat August.
Sowohl vor der Versammlung des Reichstages, als auch nach der Eröffnung desselben hatte König Stanislaus gegen das Vorgehen der Mächte protestiert. Demungeachtet behauptete man, er habe dasselbe heimlich begünstigt, und diejenigen, welche seine alte Ergebenheit für Rußland kannten, waren besonders davon überzeugt. Nachdem über die Teilung abgestimmt worden war, begaben sich mehrere Mitglieder der Minorität des Reichstages zum König und warfen ihm in heftiger Weise den Ruin ihres Landes vor. Er antwortete ihnen erst in seiner sanften Art mit milden Worten, als er aber sah, daß sie seine Sanftmut nur noch verwegener machte, erhob er sich, warf seinen Hut zu Boden und sagte stolz: »Ich will euch nicht länger anhören. Die Teilung unseres unglücklichen Vaterlandes ist eine Folge eurer Zwistigkeiten und eures ewigen Streitens. Euch selbst müßt ihr euer Unglück zuschreiben. Ich für meinen Teil werde, so lange ich noch ein Stück polnischer Erde besitze, so groß, wie es dieser Hut bedecken kann, vor den Augen ganz Europas euer gesetzlicher, aber unglücklicher König sein.«
Durch die erste Teilung Polens verlor letzteres mehr als fünf Millionen Einwohner. Der Landesteil, welcher an Rußland fiel, enthielt 2500 Quadratmeilen mit anderthalb Millionen Einwohnern; Österreich erhielt 1500 Quadratmeilen mit drei und einer halben Million Einwohnern und Preußen 700 Quadratmeilen, von 960 000 Seelen bewohnt. Hermann, Bd. V, S. 524.
Katharina ruhte nunmehr auf ihren Lorbeeren aus und belohnte ihre Minister und Generale auf das freigebigste. Diese Freigebigkeit erstreckte sich auch auf alle Gelehrten und Künstler von bedeutendem Ruf in Europa. Bibliotheken, Gemäldesammlungen, Bildhauerwerke und Altertümer wurden angeschafft und große Kosten darauf verwandt, St. Petersburg zu bereichern.
Unter den Schriftstellern, mit welchen die Kaiserin eine fortgesetzte Korrespondenz unterhielt, waren Voltaire und Diderot diejenigen, welche sie am meisten auszeichnete. Sie lud dieselben wiederholt ein, nach Petersburg zu kommen; aber der Philosoph von Ferney kannte die Gefahren der Höfe und ließ sich nicht verführen, den russischen Hof kennen zu lernen. Der Philosoph von Paris aber zeigte sich geneigter und begab sich wirklich nach Petersburg. Katharina schmeichelte ihm daselbst mit ihrer ganzen Liebenswürdigkeit, überhäufte ihn mit Ruhm und Ehre und hielt während der ganzen Zeit, die er sich an ihrem Hofe aufhielt, täglich eine Stunde zum Gespräch für ihn bereit. Philosophie, Gesetzgebung und Politik waren die gewöhnlichen Themen ihrer Konversation. Kaiserin und Philosoph saßen nebeneinander auf dem Sofa, und von seinem Gegenstande hingerissen, schlug ihr der feurige Franzose öfters mit der Hand auf das Knie, durch welche Unschicklichkeit sie sich indes keineswegs beleidigt fühlte. Diderot entwickelte ihr seine Prinzipien über Freiheit und Volksrechte mit dem ihm eigentümlichen Enthusiasmus und seiner liebenswürdigen Beredsamkeit; die Kaiserin schien zwar entzückt, fand sich aber durchaus nicht geneigt, seine Lehren zu verwirklichen.
Im Inland wie im Ausland auf dem Höhepunkte ihres Ruhms, trat Katharina, sich nunmehr ihren häuslichen Angelegenheiten zuwendend, einer Frage näher, die sie schon lange beschäftigt hatte, der Vermählung des Thronfolgers. Sie wollte keine Prinzessin zur Schwiegertochter, deren Schönheit und sonstige Anlagen ihr die Furcht einflößen müßten, daß dieselbe vielleicht dereinst als ihre Nebenbuhlerin auftreten oder gar – durch das von ihr selbst gegebene Beispiel gereizt – es wagen könnte, sie vom Throne zu verdrängen. Im Gegenteil, sie wünschte eine solche Gattin für den Großfürsten zu finden, die weder die Mittel noch die Absicht hatte, sich gefürchtet zu machen. Sie richtete ihre Blicke auf die drei Töchter des Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Ludwig IX., als Landgraf von Hessen-Darmstadt 1768 –1790, geb. 1719. Katharina lud ihre Mutter Karoline Henriette Christine Luise, geb. 9. März 1721, gest. 30. März 1774, seit 1741 vermählt mit Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt. ein, mit denselben den Hof von St. Petersburg zu besuchen. Obschon dieser Vorschlag die Würde der Landgräfin von Hessen etwas verletzte, nahm sie denselben doch an; sie hoffte es durchzusetzen, daß eine ihrer Töchter auf den russischen Thron erhoben würde. Sie begab sich also auf die Reise nach Petersburg, Da sich die Finanzen am Darmstädter Hof in einem jammervollen Zustande befanden, streckte Katharina die Reisekosten vor, die sie durch einen Wechsel von 80 000 Gulden anweisen ließ. kam glücklich daselbst an und wurde von der Kaiserin prächtig empfangen, Außer bedeutenden Geschenken an Brillanten und Zobelpelzen erhielt die Landgräfin 100 000 Rubel und 20 000 zur Rückreise, jede Prinzessin 50 000 Rubel und reichen Schmuck. Die Kavaliere und Damen, die die Landgräfin begleitet hatten, erhielten ebenfalls Brillanten und jede Person 3000 Rubel. welche, nachdem sie hinreichend Zeit gehabt, die drei Prinzessinnen kennen zu lernen und zu prüfen, mit ihrer Wahl bei der Prinzessin Wilhelmine Geb. 15. Juni 1755, gest. 26. April 1776. stehen blieb, die nach ihrem Übertritt zur orthodoxen griechischen Kirche den Namen Natalia Alexejewna annahm und im Jahre 1773 mit dem Großfürsten vermählt wurde.