James Fenimore Cooper
Der letzte Mohikan
James Fenimore Cooper

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Drittes Kapitel.

Eh' man die Felder noch gepflügt,
Voll bis zum Rand die Flüsse strömten,
Der Wasser Melodie erfüllt'
Den frischen, weiten Wald, es rauschten
Waldströme, und das Bächlein spielt',
Und in dem Schatten sprangen Quellen.
Bryant.

Wir lassen den argwohnlosen Heyward und seine ihm vertrauenden Begleiter noch tiefer in den Wald eindringen, der so verrätherische Bewohner in sich schloß, und bedienen uns der Freiheit des Schriftstellers, die Scene einige Meilen weiter westlich von dem Orte, wo wir sie zuletzt gesehen haben, zu versetzen.

An jenem Tage schlenderten zwei Männer an dem Ufer eines kleinen aber reißenden Stroms, ungefähr eine Tagreise von dem Lager Webbs, als harrten sie der Ankunft eines Dritten, oder der Annäherung eines erwarteten Ereignisses. Das weite Laubdach des Waldes dehnte sich an dem Rande des Flusses aus, indem es das Wasser überhing und seine dunkeln Fluten mit noch tieferem Dunkel überschattete. Die Strahlen der Sonne fingen bereits an schwächer zu werden, und die übermäßige Hitze des Tages sich zu mildern, während kühlere Dünste von Quellen aus ihren Laubbetten emporstiegen und sich mit der Atmosphäre vermischten. Immer noch herrschte in dieser Einsamkeit jene Stille, welche die drückende Schwüle einer amerikanischen Juli-Landschaft charakterisirt, und wurde nur von den leisen Stimmen der Männer, dem gelegentlichen, müden Picken eines Waldspechts, dem unharmonischen Schrei eines bunten Hehers, oder dem dumpfen Rauschen eines entfernten Wasserfalls unterbrochen.

Diese schwachen und abgebrochenen Laute waren jedoch den Waldbewohnern zu vertraut, als daß sie ihre Aufmerksamkeit von dem interessanteren Gegenstand ihrer Unterhaltung abgezogen hätten. Während einer dieser müßigen Wanderer die rothe Haut und den wilden Aufzug eines Eingebornen der Wälder hatte, zeigte der andere unter der Hülle roher und fast wilder Bekleidung die hellere, wenn gleich sonnverbrannte und lang verwitterte Farbe Eines, der auf europäische Abstammung Anspruch machen durfte. Der Eine saß auf dem Rand eines bemoosten Baumstammes in einer Stellung, die ihm vergönnte, die Wirkung seiner ernsten Rede durch die ruhigen und ausdrucksvollen Gebärden des in einem Streitgespräche begriffenen Indianers zu erhöhen. Sein beinahe nackter Leib bot ein schreckhaftes Sinnbild des Todes dar, durch die verschlungene Mischung weißer und schwarzer Farbenzüge. Sein kahl geschorner Kopf, auf dem kein andres Haar, als der wohlbekannte, ritterliche SkalpirschopfDer nordamerikanische Krieger ließ sich das Haar am ganzen Leibe ausraufen, und nur einen kleinen Schopf auf dem Wirbel stehen, damit der Feind sich dessen bedienen konnte, wenn er ihm bei seinem etwaigen Falle die Kopfhaut (den Skalp) abziehen wollte. Diese war auch die einzig zuläßige Siegestrophäe. So hielt man es denn für wichtiger, die Kopfhaut zu erhalten, als den Mann zu tödten. Einige Stämme legen großes Gewicht auf die Ehre, keinen zu tödten. Diese Gewohnheit ist jedoch unter den Indianern der atlantischen Staaten beinahe ganz abgekommen. belassen worden, war ohne andern Putz, als eine einzige Adlersfeder, die über seinen Scheitel lief und auf die linke Schulter herunter hing. Ein Tomahawk und ein Skalpirmesser von englischer Arbeit stacken in seinem Gürtel, während eine Büchse von der Art, womit die Politik der Weißen ihre wilden Verbündeten bewaffnete, nachläßig über seinen bloßen, sehnigen Knien lag. Die gewölbte Brust, die vollgeformten Glieder und die ernste Haltung dieses Kriegers schienen anzudeuten, daß er sich in der Vollkraft seines Lebens befinde, ohne noch Spuren der Abnahme seiner Mannheit zu fühlen.

Die Gestalt des Weißen glich, nach den Körpertheilen zu schließen, welche er nicht mit dem Kleide bedeckte. Jemand, der seit seiner frühesten Jugend Mühseligkeiten zu ertragen und Anstrengungen zu machen gelernt hatte. Seine Person, obgleich muskulös, war eher mager, als voll; aber jeder Nerv und Muskel schien gedrungen und durch unausgesetzte Anstrengung und Arbeit abgehärtet. Er trug ein waldgrünes JagdhemdDas Jagdhemd ist ein pittoresker Kittel oder Rock, mit Franzen und Troddeln besetzt. Die Farben sollen diejenigen des Waldes nachahmen, um nicht bemerkt zu werden. Viele Corps amerikanischer Scharfschützen sind so ausgestattet und ihre Uniform ist eine der auffallendsten neueren Zeiten. Das Jagdhemd ist jedoch häufig auch weiß. mit verwittertem Gelb besetzt, und eine Sommermütze von geschornem Fell. Auch er trug ein Messer in einem Wampumgürtel, gleich dem, der die ärmliche Bekleidung des Indianers umschloß, aber keinen Tomahawk. Seine Moccasins waren nach der Weise der Eingebornen verziert, während der einzige Theil seiner untern Bekleidung, der unter dem Jagdrock sichtbar war, aus ein Paar bockledernen Kamaschen bestand, die, auf beiden Seiten verbrämt, über dem Knie mit Hirschsehnen befestigt waren. Eine Jagdtasche und ein Pulverhorn vollendeten seinen Anzug, und eine BüchseDie Büchse beim Heer ist kurz, die des Jägers immer lang. von großer Länge, welche die Theorie der erfahrneren Weißen die Waldbewohner als die gefährlichste Feuerwaffe betrachten ließ, lehnte an einem benachbarten Bäumchen. Das Auge des Jägers oder Kundschafters, was immer er seyn mochte, war klein, lebhaft, scharf und unruhig, und rollte, während er sprach, in allen Richtungen umher, als ob er ein Jagdwild suchte oder die plötzliche Annäherung eines Feindes besorgte. Trotz tiefer Symptome gewohnten Mißtrauens verrieth sein Gesicht nicht nur keine Tücke, sondern trug in dem Augenblick, da er sprach, sogar das Gepräge offener Rechtlichkeit.

»Selbst eure Ueberlieferungen sprechen für mich, Chingachgook,« entgegnete er in einer Sprache, welche allen Eingebornen, die früher das Land zwischen dem Hudson und dem Potomak bewohnten, bekannt war, und von der wir zu Gunsten des Lesers eine freie Uebersetzung geben, aber zugleich darauf Bedacht nehmen werden, einige Eigenthümlichkeiten, sowohl des Individuums als des Ausdrucks beizubehalten. »Eure Väter kamen von der untergehenden Sonne her, gingen über den großen FlußDen Missisippi. Der Kundschafter spielt auf eine Sage an, die unter den Stämmen der atlantischen Staaten sehr verbreitet ist. Der Beweis für ihre asiatische Abkunft wird aus diesem Umstand deducirt; es herrscht aber über die Geschichte der Indianer noch große Ungewißheit., kämpften mit dem Volke des Landes und nahmen dieses weg; die Meinigen kamen vom rothen Morgenhimmel über den Salzsee und thaten ganz nach dem Beispiel, das die Eurigen ihnen gegeben hatten. So laß denn Gott unsere Sache entscheiden, und Freunde darüber keine Worte verlieren.«

»Meine Väter fochten mit dem nackten rothen Mann,« versetzte der Indianer ernst, in der nämlichen Sprache. »Ist kein Unterschied, Hawk-eye (Falkenauge), zwischen dem steingespitzten Pfeil des Kriegers und der bleiernen Kugel, womit ihr tödtet?«

»Ein Indianer hat Verstand, wenn ihm gleich die Natur eine rothe Haut gegeben hat,« sprach der Weiße, den Kopf schüttelnd, gleich einem, bei dem eine solche Berufung auf seine Gerechtigkeit nicht weggeworfen war. Einen Augenblick schien es ihm, als ob er im Nachtheil wäre; dann aber nahm er sich zusammen und beantwortete den Einwurf seines Gegners so gut, als seine beschränkten Kenntnisse ihm gestatteten: »Ich bin kein Schriftgelehrter und scheere mich auch den Henker um ihre Weisheit; wenn ich aber nach dem urtheile, was ich bei meinen Jagden auf die Hirsche und Eichhörnchen von den Burschen da unten gesehen habe, da sollt' ich meinen, daß eine Büchse in den Händen ihrer Großväter nicht so gefährlich gewesen wäre, als ein Bogen von Nußbaumholz und eine gute Feuersteinspitze seyn mochten, wenn jener mit indianischer Umsicht gespannt und diese mit einem Indianerauge entsendet wurde.«

»Dir wurde die Geschichte so von deinen Vätern erzählt,« erwiederte der Andere, mit der Hand eine verächtliche Bewegung machend. »Was sagen eure alten Männer? Sagen sie den jungen Kriegern; daß die Blaßgesichter den rothen Männern entgegen getreten sind, die zum Krieg bemalt und mit der steinernen Streitaxt und dem hölzernen Geschoß bewaffnet waren?«

»Ich habe keine Vorurtheile und bin nicht der Mann, der sich natürlicher Vorrechte rühmt, obgleich der schlimmste Feind, den ich habe, und der ist ein Irokese, nicht wagen darf, zu läugnen, daß ich von ächt weißer Abstammung bin,« sprach der Kundschafter, indem er mit geheimem Wohlgefallen die verwitterte Farbe seiner knöchernen und sehnigen Hand überblickte, »und ich gestehe gerne, daß mein Volk manche Wege geht, die ich als ehrlicher Mann nicht gut heißen kann. Es ist eine ihrer übeln Gewohnheiten, daß sie in Bücher schreiben, was sie gethan und gesehen haben, statt davon in ihren Dörfern zu erzählen, wo man einen feigen Prahlhans ins Gesicht Lügen strafen und der brave Soldat seine Kameraden zu Zeugen für die Wahrheit seiner Worte aufrufen kann. In Folge dieser schlechten Sitte kann ein Mensch, der zu gewissenhaft ist, um seine Tage unter Weibern und im Lernen der schwarzen Zeichen zu verschwenden, nie von den Thaten seiner Väter hören, noch einen Stolz darein setzen, sie übertreffen zu wollen. Für meinen Theil glaube ich, daß alle Bumppo schießen konnten: denn ich habe ein natürliches Geschick für die Büchse, das sich von Geschlecht zu Geschlecht vererbt haben muß, da, wie unsre heiligen Gebote uns melden, alle guten und schlimmen Gaben von oben kommen, obgleich ich in solchen Dingen nicht gern für Andere stehe. Aber jedes Ding hat seine zwei Seiten: so frage ich dich, Chingachgook, was begab sich nach den Ueberlieferungen der rothen Männer, als unsre Väter sich zuerst getroffen haben?«

Eine augenblickliche Stille erfolgte, während welcher der Indianer stumm da saß: dann fing er, von der Würde seines Amtes erfüllt, seine kurze Erzählung mit einer Feierlichkeit an, die dazu diente, ihre anscheinende Wahrheit zu verstärken.

»Höre, Hawk-eye, und dein Ohr soll keine Lüge trinken. So haben meine Väter gesagt und die Mohikaner gethan.« Er zögerte einen Augenblick und heftete einen vorsichtigen Blick auf seinen Begleiter. Dann fuhr er auf eine Weise fort, die zwischen Frage und Behauptung getheilt war: »Fließt nicht der Strom zu unsern Füßen dem Sommer zu, bis seine Wasser salzig werden und sein Lauf aufwärts geht?«

»Es kann nicht geläugnet werden, daß eure Ueberlieferungen in diesen beiden Stücken Wahrheit enthalten,« sagte der weiße Mann: »denn ich bin da gewesen und habe sie gesehen: warum aber das Wasser, das so süß im Schatten ist, in der Sonne bitter wird, weiß ich nicht und habe mir's nie erklären können.«

»Und der Lauf!« fragte der Indianer, welcher seine Antwort mit jener Art von Interesse erwartete, das Jemand bei der Bestätigung eines Wunders fühlt, das er selbst unbegreiflich findet, während er seine Wirklichkeit anerkennt: »die Väter von Chingachgook haben nicht gelogen.«

»Die heilige Bibel ist nicht wahrer, und das ist doch das Wahrste, was es hienieden gibt. Die Leute nennen diesen aufströmenden Lauf die Flut, was bald erörtert und klar genug ist. Sechs Stunden laufen die Wasser hinein und sechs heraus und das kommt daher: wenn das Wasser in der See höher ist, als in dem Fluß, dann läuft es herein, und wenn's der Fluß gewinnt und wieder höher wird, dann läuft es wieder hinaus.«

»Die Wasser in den Wäldern und an den großen Seen laufen hinab, bis sie so flach da liegen, wie meine Hand,« versetzte der Indianer, indem er diese horizontal vor sich ausstreckte, »und dann laufen sie nicht weiter.«

»Kein ehrlicher Mann wird das bestreiten,« erwiederte der Kundschafter, ein wenig empfindlich über dieses Mißtrauen gegen seine Erklärung des Geheimnisses der Flut, »und ich gebe zu, daß es wahr ist im verjüngten Maßstab, und wo das Land eben ist. Aber alles kommt darauf an, nach welchem Maßstab du die Dinge betrachtest. Nun ist die Erde nach dem verjüngten Maßstab eben; nach dem vergrößerten aber ist sie rund. So mögen Teiche und Weiher und selbst die großen Frischwasserseen still stehen, wie du und ich wissen, weil wir sie gesehen haben; wenn du aber kommst und Wasser über eine große Fläche gießest, wie die See: wie kann da das Wasser vernünftiger Weise ruhig bleiben, wo die Erde rund ist? Eben so gut kannst du erwarten, daß der Fluß an dem Rand der schwarzen Klippen da oben eine halbe Meile über uns ruhig liegen bleibe, während deine eignen Ohren dir sagen, daß er in diesem Augenblick darüber hinwegbraust.«

Wenn auch unbefriedigt von der Philosophie seines Begleiters, so besaß der Indianer doch zu viel Würde, um seinen Unglauben zu verrathen. Er hörte zu, wie Jemand, der sich überzeugen lassen will, und nahm dann seine Erzählung mit der früheren Feierlichkeit wieder auf:

»Wir kamen von dem Orte, wo die Sonne Nachts sich verbirgt, über große Flächen, wo die Büffel leben, bis wir den großen Fluß erreichten. Hier kämpften wir mit den Alligewis, bis der Boden sich von ihrem Blute röthete. Von den Ufern des großen Flußes bis zu den Gestaden des Salzsees war keiner mehr, der es mit uns aufgenommen hätte. Dann folgten in einiger Entfernung die Maquas. Wir sagten, das Land sollte unser seyn, von der Stelle an, wo das Wasser nicht mehr stromaufwärts fließt, bis zu einem Fluße zwanzig Sonnen (Tagreisen) sommerwärts. Das Land, das wir als Krieger eroberten, behaupteten wir als Männer. Wir trieben die Maquas in die Wälder zu den Bären. Sie schmeckten blos das Salz ihrer Thränen und zogen keinen Fisch aus dem großen See: wir warfen ihnen die Gräten zu.«

»All das habe ich gehört und glaube es,« sagte der Weiße, als er bemerkte, daß der Indianer inne hielt; »aber das war lange, bevor die Engländer in das Land kamen.«

»Damals wuchs eine Fichte da, wo jetzt dieser Kastanienbaum steht. Die ersten Blaßgesichter, welche zu uns kamen, sprachen kein Englisch, Sie kamen in einem großen Canoe, als meine Väter das Tomahawk mit den rothen Männern um sie her begraben hatten. Da, Hawk-eye,« fuhr er fort, indem er seine tiefe Bewegung nur dadurch kund gab, daß er seine Stimme zu jenen tiefen Kehltönen herabsinken ließ, die seine Sprache oft so musikalisch machten; »da, Hawk-eye, waren wir ein Volk, und wir waren glücklich. Der Salzsee gab uns seine Fische, der Wald sein Wild und die Luft ihre Vögel. Wir nahmen Weiber, die uns Kinder gebaren; wir beteten den großen Geist an und hielten die Maquas außer dem Bereiche unsrer Triumphgesänge.«

»Weißt du etwas von deiner eigenen Familie zu jener Zeit?«, fragte der Weiße. »Du bist ein gerechter Mann für einen Indianer! und da du, wie ich vermuthe, ihre Eigenschaften geerbt hast, so müssen deine Väter brave Krieger und weise Männer beim Versammlungsfeuer gewesen seyn.«

»Mein Stamm ist der Ahnherr von Nationen, aber ich bin unvermischt geblieben. Das Blut von Häuptlingen rollt in meinen Adern, wo es immer verbleiben soll. Die Holländer landeten und gaben meinem Volke das Feuerwasser; sie tranken, bis Himmel und Erde sich zu berühren schienen, und wähnten in ihrer Thorheit, sie hätten den großen Geist gefunden. Dann mußten sie von ihrem Lande scheiden. Schritt vor Schritt wurden sie zurück von den Gestaden getrieben, bis ich, der ich ein Häuptling und Sagamore bin, die Sonne nie anders als durch die Bäume habe scheinen sehen; und noch nie hab' ich die Gräber meiner Väter besucht!«

»Gräber bringen das Gemüth in feierliche Stimmung,« bemerkte der Kundschafter, merklich gerührt von dem ruhigen Leiden seines Begleiters, »und oft helfen sie Einem zu guten Entschlüssen. Ich für mein Theil versehe mich dazu, daß meine Gebeine einstens unbegraben bleiben, um in den Wäldern zu bleichen, oder von den Wölfen zerrissen zu werden. Aber wo finden sich Diejenigen Deines Geschlechtes, welche vor so vielen Sommern zu ihren Verwandten nach dem Delaware gekommen sind?«

»Wo sind die Blüten jener Sommer! – gefallen, Einer nach dem Andern: denn Alle von meiner Familie sind, wie die Reihe an sie kam, in das Land der Geister hinübergegangen. Ich stehe oben auf dem Berg und muß ins Thal hinab; und wenn Uncas meinen Fußstapfen folgt, so ist keiner mehr übrig vom Blut der Sagamoren: denn mein Knabe ist der letzte Mohikaner.«

»Uncas ist da!« sprach eine andere Stimme in denselben sanften Kehllauten, dicht bei ihm; »wer fragt nach Uncas?« Der Weiße fuhr bei dieser plötzlichen Unterbrechung mit seinem Messer aus der ledernen Scheide und machte eine unwillkürliche Bewegung mit der Hand nach seiner Büchse; der Indianer aber saß ruhig da, ohne den Kopf nach den unerwarteten Tönen umzuwenden.

Im nächsten Augenblick schritt ein junger Krieger mit geräuschlosem Tritt zwischen ihnen durch und setzte sich an das Ufer des reißenden Stromes. Kein Laut der Ueberraschung entfuhr dem Vater, mehrere Augenblicke hiedurch ward keine Frage gethan, noch eine Antwort gegeben, da Jeder den Moment zu erwarten schien, wo er sprechen könnte, ohne weibische Neugierde oder kindische Ungeduld zu verrathen. Der Weiße schien ihr Beispiel nachzuahmen, zog seine Hand von der Büchse zurück und blieb gleichfalls still und in sich gekehrt. Endlich wandte Chingachgook seine Augen langsam nach seinem Sohn und fragte:

»Wagen die Maquas, die Spuren ihrer Moccasins diesen Wäldern einzudrücken?«

»Ich war ihnen auf der Fährte,« antwortete der junge Indianer, »und weiß, daß ihrer so viele sind, als Finger an meinen zwei Händen; aber sie liegen wie Feiglinge verborgen.«

»Die Diebe sind auf der Lauer nach Skalpen und nach Beute?« sprach der Weiße, den wir mit seinen Begleitern Hawk-eye nennen wollen. »Der rührige Franzmann Montcalm wird seine Spione noch bis in unser Lager schicken, aber er soll erfahren, welchen Weg wir nehmen.«

»Genug!« versetzte der Vater, sein funkelndes Auge nach der untergehenden Sonne gerichtet; »sie sollen vertrieben werden, wie das Wild aus den Büschen. Hawk-eye, wir wollen zu Nacht essen und morgen den Maquas zeigen, daß wir Männer sind.«

»Ich bin zu dem Einen, wie zu dem Andern bereit; aber um mit den Irokesen zu kämpfen, muß man sie in ihrem Verstecke finden, und um zu essen braucht man ein Wild – sprich vom Teufel und er ist nicht weit von dir; da bewegt sich ein Paar der stärksten Geweihe, die ich dieses Jahr gesehen habe, hinter den Büschen den Hügel hinab. Nun, Uncas,« fuhr er halb flüsternd fort, indem er vor sich hin lachte, wie Jemand, der gelernt hat, auf seiner Hut zu seyn, »ich wette mein Horn, dreimal mit Pulver gefüllt, gegen einen Wampumfuß, daß ich ihn zwischen den Augen und näher dem rechten als dem linken Auge nehme.«

»Es kann nicht seyn!« sprach der junge Indianer, indem er mit jugendlichem Ungestüm aufsprang; »'s ist ja Alles bis auf die Spitze des Geweihes hinter dem Gebüsch verborgen!«

»Er ist ein Knabe!« sprach der Weiße, den Kopf schüttelnd und sich zum Vater wendend. »Meint er, der Jäger könne, wenn er einen Theil vom Thiere sieht, nicht sagen, wo das Uebrige zu finden ist?«

Er richtete sein Gewehr und war im Begriff, eine Probe der Geschicklichkeit abzulegen, die er so sehr an sich schätzte, da fuhr der Krieger mit der Hand nach der Waffe und sagte:

»Hawk-eye! hast du Lust mit den Maquas zu fechten?«

»Diese Indianer kennen die Wälder wie durch Instinkt!« versetzte der Kundschafter, indem er seine Büchse sinken ließ und sich abwendete wie Einer, der sich eines Irrthums überwiesen sieht. »Ich muß den Bock deinem Pfeil überlassen, Uncas, oder wir tödten das Thier, nur um die Diebe, die Irokesen, damit zu füttern.«

Kaum hatte der Vater diese Aufforderung mit einer ausdrucksvollen Bewegung der Hand begleitet, so warf sich Uncas zu Boden und näherte sich mit vorsichtigen Bewegungen dem Thiere. Als er nur noch wenige Klafter von dem Verstecke entfernt war, legte er mit größter Sorgfalt einen Pfeil auf den Bogen, und das Geweih bewegte sich, als ob sein Besitzer Unrath witterte. Im nächsten Augenblick schwirrte der Bogen, ein weißer Streif fuhr in das Gebüsch, und der verwundete Rehbock stürzte aus seinem Schutzorte zu den Füßen des verborgenen Feindes. Dem Geweih des wüthenden Thieres ausweichend sprang Uncas auf die Seite und stach ihm das Messer durch die Kehle, der Rehbock stürzte an den Rand des Flußes und fiel zu Boden, indem er die Wasser mit seinem Blute röthete.

»Das nenn' ich Indianergeschick!« sprach der Kundschafter, vor sich hin lachend, mit großem Wohlgefallen; »und 's war ein artiger Anblick! obschon der Pfeil nur in die Nähe geht und der Nachhülfe des Messers bedarf.«

»Ha!« rief sein Begleiter, sich plötzlich wendend wie ein Hund, der die Fährte eines Wildes wittert.

»Bei Gott, da ist ein ganzes Rudel!« rief der Kundschafter, dessen Augen vor Lust zu seiner Lieblingsbeschäftigung funkelten. »Wenn sie in Kugelweite kommen, brenn' ich einem eins auf, und wenn alle sechs Nationen auf der Lauer lägen! Was hörst du, Chingachgook? Für meine Ohren sind die Wälder stumm.«

»Hier ist nur ein Reh, und das ist todt,« sprach der Indianer, indem er sich niederbückte, bis sein Ohr beinahe die Erde berührte. »Ich höre Fußtritte!«

»Vielleicht haben die Wölfe den Rehbock in das Versteck getrieben und sind ihm jetzt auf der Spur.«

»Nein, Pferde weißer Männer kommen!« erwiederte der Andere, indem er sich mit Würde erhob und mit der früheren Ruhe seinen Sitz auf dem Stamme wieder einnahm. »Hawk-eye, es sind deine Brüder; sprich mit ihnen!«

»Das will ich und in einem Englisch, auf das der König sich nicht schämen dürfte zu antworten,« versetzte der Jäger in der Sprache, deren er sich rühmte: »aber ich seh' Nichts, noch höre ich einen Laut von einem Menschen oder Vieh: 's ist sonderbar, daß ein Indianer die Laute von Weißen besser kennen soll, als Einer, dem seine Feinde selbst gestehen müssen, daß er kein Falsch in seinem Blute hat, obgleich er lange genug mit den Rothhäuten gelebt haben mag, um einiges Mißtrauen zu erregen. Ha! da kracht etwas, wie dürres Holz, – nun höre ich das Gebüsch sich bewegen – ja, ja, es sind Pferdetritte, die ich für das Fallen des Wassers nahm – und – aber da kommen sie selbst! Gott behüte sie vor den Irokesen!«


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