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Neunter Brief.

Dem Herrn James Stevenson, Esquire.

Diner bei Lord Grey. – Möbel eines englischen Hauses. – Gesellige Formen. – Der unanständige Feine. – Häusliche Manieren. – Decorationen des Adels. – Georg IV. – Der verstorbene Herzog von York. – Höfliche Manieren. – Carl X.

Einige günstige Umstände haben mir kürzlich die Gelegenheit verschafft, in die Gesellschaft der Haupt-Whigs von England zu gelangen. In einer Mittagsgesellschaft beim Lord Grey habe ich nämlich Lord Holland, Lord Lauderdale, Lord John Russell, Lord Duncannon, Lord Althorp, Lord Durham und viele Andere getroffen, die sämmtlich gleiche Gesinnungen hegen. Wenn es erlaubt wäre, dasjenige zu berichten, was sich zutrug, als man sich in einem Privathause befand, wäre ich sicher im Stande, Sie durch die Wiederholung der Conversation von Männern sehr angenehm zu unterhalten, von denen jedes Wort interessant ist; aber wir sind Beide nicht gewohnt, aus der Schule zu plaudern. Dennoch kann ich Ihnen, ohne die Schicklichkeit zu verletzen, Einiges über meinen berühmten Wirth mittheilen.

Lord Grey hat sich, trotz seiner Jahre – denn er ist nicht mehr jung – in seinen Formen viel von der Leichtigkeit und Grazie eines jungen Mannes erhalten. Er ist groß, wohlproportionirt und muß sonst ziemlich athletisch gewesen sein. In seinem Gesicht findet sich ein Ausdruck von Sanftmuth und Güte, auf den ich durch seinen Ruf nicht vorbereitet war. Er hat in der Gesellschaft etwas von einem Schauspieler, wie alle öffentliche Männer, die ich bisher gesehen habe. Anders als einfach und wohlerzogen konnte ein solcher Mann wohl nicht gut sein; in Lord Grey's Einfachheit liegt jedoch eine Natürlichkeit, die man sonst nicht immer trifft. Er ist nicht eben so muthwillig wie Lord Holland; doch er sitzt und belächelt die Ausfälle derjenigen, die ihn umgeben, als wenn er sie recht von Herzen genösse. Ich hielt ihn für den Mann, der von allen den meisten Charakter besitzt, obgleich sich dieser so ruhig und natürlich aussprach, als wenn es nicht anders sein könnte. Der Ton seines Gemüthes und Betragens war männlich.

Ich finde, die Engländer blicken auf Lord Grey mit einer gewissen geselligen Scheu; ich habe ihn jedoch jetzt mehrmals getroffen, bin zweimal bei ihm zum Diner gewesen, und habe so wenig Grund zu einer solchen Scheu gesehen oder vielmehr gefühlt, daß ich mich im Gegentheil noch niemals in der Gesellschaft eines Mannes, der so viel höher steht als ich, so frei gefühlt habe, als in der seinigen; denn Niemand scheint mehr wie er von der Gleichheit der Rechte aller derjenigen durchdrungen zu sein, die sich mit ihm in den Gesellschaftssälen befinden. Sein Haus ist in der That eins von den wenigen in England, in denen mir nichts passirt ist, was mich daran erinnert hätte, daß ich – nicht ein Fremder, sondern ein Amerikaner bin. Lord Grey wunderte sich nicht darüber, daß ich englisch sprach, er ersparte mir die Erklärung von hundert Dingen, die man hier eben so gut weiß wie überall; er bewies eine Liberalität der Gesinnung, ohne damit zu prunken, und betrug sich genau so, als wenn er von einem Nationalunterschiede gar nichts wüßte. Seine Gesellschaft war fortwährend sehr gut; und da sie im Allgemeinen nur aus Leuten von Range bestand, so fuhr ich vielleicht nur um so besser dabei. Kasten haben die Tendenz, Alle zu unterdrücken, nur nicht die Privilegirten; aber nichts davon merkte man im Hause Lord Grey's.

Vielleicht sind Sie neugierig, den Unterschied zu erfahren, der zwischen der Lebensweise eines Hauses wie das, von dem ich spreche, und einem unserer Häuser stattfindet, das mit jenem gleichsteht. Wir haben wirklich weit größere Häuser als viele der englischen Edelleute. Unsern Zimmern fehlt es jedoch gewöhnlich an Höhe und Größe; denn wo wir die Zahl der Zimmer vermehren, legen die Engländer an den Dimensionen der ihrigen zu.

Fast jedes Haus von einigem Belang in London hat eine steinerne oder marmorne Treppe, und obgleich diese hier nicht so großartig wie in Paris sind, – die einiger Paläste ausgenommen, – so gewinnt doch das Ganze dadurch ein Ansehn von Solidität und Reichthum. In anderen Marmorarbeiten übertreffen wir die Engländer; hier leiten jedoch regelmäßige Architekten diejenigen Verrichtungen, welche wir gewöhnlichen Handwerkern überlassen. Ich glaube, Verletzungen des Geschmacks bei häuslichen Verzierungen kommen in England nicht so oft vor, als bei uns.

Die alte Sitte, die Empfangszimmer im ersten Stock und die Speisezimmer darunter zu haben, ist in England sehr verbreitet; nur in solchen Häusern ist es anders, wo so viel Raum ist, daß man viele Zimmer in einer Reihe hat. Treppen findet man hier häufiger als bei uns. Dies schadet sehr dem Effekt; denn nichts kann übler für eine Gesellschaft sein, als auf dem Wege zu oder vom Tische eine lange, enge Treppe passiren zu müssen; schlimmer ist jedoch, in einem Zimmer zu essen, welches nachher zur Gesellschaft benutzt wird.

Die Engländer möbliren ihre Häuser in der Hauptsache so, wie wir die unsrigen. Französische Broncen, Schlaguhren und alle Continental – und chinesische Zierrathen sind vielleicht weniger gebräuchlich; doch haben sie viel mehr Möbel in ihren Zimmern. Die bäuerische Sitte, die Möbel alle in langen Linien an den Wänden umher zu stellen, ist mehr in Amerika zu Haus; denn in Frankreich sowohl wie in England, findet man in den Zimmern einen Ueberfluß an Ottomannen, Sofas, Divans, Sesseln und Tischen, die auf eine leichte, geschmackvolle Weise vertheilt sind. Kürzlich war ich in einem Gesellschaftszimmer, in welchem ich nicht mehr als vierzehn Sofas, Causeusen, Chaises longues und Ottomannen zählte. Diese letzteren scheinen England ganz besonders eigen, denn in Paris sieht man sie äußerst selten, wohingegen man in London kaum ein Zimmer ohne Ottomanne findet. Ich erinnere mich nicht, in Amerika jemals ein solches Möbel gesehen zu haben. In den Holzarten und Seidenstoffen mögen wir die Engländer wohl übertreffen, obgleich man bei uns nicht so viel Pracht in diesen Dingen sieht wie hier. Capitain Hall hat durchaus Recht, wenn er sagt, im Vergleich mit England sei unsere Art zu möbliren nackt; die wenigen Sachen, welche wir haben, sind jedoch so nett wie die hiesigen.

Ich habe mich sehr über die große Anzahl und die Schönheit der Gemälde gewundert, die man in den englischen Wohnungen trifft; denn in Paris findet man außer in den Galerien und im Schloß ein gutes Gemälde nur höchst selten. Es scheint mir, als würde London hierin nur von Rom allein übertroffen.

Die Wirthschaftszimmer sind bei den Engländern viel ausgedehnter als bei uns; sie nehmen nicht nur das ganze Kellergeschoß ein, sondern dehnen sich auch in der Regel noch bis in die Hintergebäude aus. Die Wohnzimmer halte ich im Allgemeinen für nicht so gut wie die unsrigen. Die Engländer behelfen sich mit mäßig großen Wohnhäusern; denn die Söhne verlassen sehr früh das elterliche Dach; man giebt ihnen gewöhnlich ein Gewisses, und überläßt sie ihren Launen.

Ich habe außerordentliche Dinge über den Ton und die Entfernung, welche man hier sogar zwischen Freunden beobachtet, und von der Förmlichkeit gehört, womit sich die nächst verwandten Glieder einer Familie unter einander behandeln. Jemand, der vermöge seiner amtlichen Stellung diese Verhältnisse kennen muß – ein fremder Diplomat – hat mir versichert, ein Sohn könne nicht ohne Umstände bei seinem Vater einsprechen, um mit ihm zu Mittag zu essen, sondern er müsse stets eine förmliche Einladung dazu abwarten; und auf diese Weise würden die geselligen Formen zwischen den nächsten Verwandten aufrecht gehalten.

Es giebt in England eine zweite und nachahmende Klasse – sie ist bedeutend groß – von welcher ich alle Abgeschmacktheiten dieser Art glaube. Diese Leute sprechen darüber, wenn Jemand Käse ißt und Bier trinkt, und sie legen auf unbedeutende Dinge die größte Wichtigkeit. Dies sind diejenigen, welche man uns in Amerika als die erste Klasse schildert – es sind die englischen Edelleute, welche zu uns kommen, und ihre ganze Bildung einem schlechten Romane entlehnt haben.

Ich will nicht sagen, daß man nicht auch zuweilen unter den Leuten von Geburt ein Subject träfe, welches zu der eben erwähnten Klasse gehörte; ich will nur nicht dulden, daß man glaubt, aus solchen Leuten bestehe überhaupt die ganze erste Klasse. Im Allgemeinen findet man in London bestimmt mehr Lebensart als in den meisten Hauptstädten. Dies rührt zum Theil von der Weise her, in welcher hier Jeder in seiner Stellung vom Bedienten an bis zum Herrn hinauf gedrillt wird – zum Theil aber auch daher, daß nicht, wie im übrigen Theile von Europa, durchaus Geburt erforderlich ist, um in die ersten Zirkel zu gelangen. Was Paris und London hierin anbetrifft, so hat natürlich Paris in Bezug auf gute Lebensart den Vorzug; denn dort scheint allemal der gesunde Menschenverstand das Benehmen zu regeln; dennoch bin ich davon weit entfernt, alle die Narrheiten zu glauben, welche man den Engländern in dieser Beziehung nachsagt.

Nichts konnte ungezwungener und liebevoller sein, als der Verkehr, den ich zwischen Vater und Sohn bemerkte. Es würde unschicklich für einen Sohn sein, der seine eigene Wirthschaft hat, zu einer ungewöhnlichen Stunde das Haus seines Vaters zu besuchen, zumal wenn dieser gewohnt ist, viel Menschen bei sich zu sehen; denn dies könnte leicht zu Verlegenheiten Veranlassung geben; und wenn man genöthigt ist, gegen Freunde dergleichen Rücksichten zu beobachten, so kann man dies wohl um so mehr gegen seine eigenen Eltern thun.

Es hat mir Vergnügen gemacht, die verschiedenen Aehnlichkeiten aufzusuchen, welche zwischen dem Benehmen der Engländer und unserem eigenen stattfinden. Die Weise, mit welcher die Aeltesten der Familien jüngere Mitglieder behandeln, ist hier ziemlich dieselbe wie bei uns. Als ich kürzlich bei Lord S– zu Mittag aß, der ein hohes ministerielles Amt bekleidet, sagte er, nachdem sich die Damen zurückgezogen hatten, zu seinem Sohne – einem Manne älter als ich, und wichtiges Parlamentsglied – » Jack, zieh die Glocke« Jack wurde bald darauf zum Kanzler ernannt.. Dies ist dieselbe Weise, wie Ihr und mein Vater unter ähnlichen Umständen gesagt haben würden.

Als ich neulich bei Lord Grey mit der Gesellschaft, die ich dort traf, zu Tische saß, blickte ich umher, um diejenigen Dinge aufzusuchen, welche mich daran erinnern möchten, daß ich mich in einem fremden Lande befand. Die Conversation abgerechnet – die natürlich englisch war – so wie unsere amerikanisch gewesen sein würde, vermochte ich nicht, irgend einen auffallenden Unterschied zu entdecken. Das Eßzimmer glich sehr denen in unsern guten Häusern. In einer Wandnische stand ein Schenktisch oder Wirthschaftsschrank mit Säulen in der Nähe. Das Ameublement war etwas einfacher als bei uns, denn ein Eßzimmer wird in Europa selten noch zu einem anderen Zwecke benutzt. Das Arrangement des Tisches war gleich dem unsrigen, nur war er größer; denn unsere kleinen Zimmer, die nun einmal jetzt Mode sind, gestatten keinen großen Tisch. Wir aßen von Silber, welches in Amerika so äußerst selten geschieht, daß es wohl einen Hauptunterschied machte. Die Bedienten waren gepudert und trugen glänzende Livréen – der Haushofmeister einen schwarzen Anzug. Diesen letzteren kann man wohl auch in Amerika sehen; drei bis vier Livréebedienten in demselben Hause habe ich jedoch in Amerika nur ein einziges Mal getroffen.

Da die um den Tisch versammelte Gesellschaft aus lauter Männern von hohem Range und persönlichen Verdiensten bestand, so würde es äußerst unschicklich sein, sie mit jener amerikanischen Race zu vergleichen, die sich nur über Wein, Handel und Dollars streitet, und aus denen der größte Theil unserer Gesellschaft in den amerikanischen Handelsstädten besteht; diese Leute haben keine Erziehung und sind auch eigentlich keine Amerikaner; aber ich spreche hier von einer Klasse, die trotz aller Neuerungen geselliger Vandalen ihre Gewohnheiten, ihre alte Einfachheit und Achtbarkeit beibehielten. Zwischen diesen Männern und denen, die ich am Tische des Lord Grey und in einigen anderen Häusern traf, habe ich fast keine andere als nur persönliche Unterschiede bemerkt.

In den Phrasen, dem Ton der Stimme, dem Gebrauch und der Aussprache der Wörter war es nicht leicht, irgend einen Unterschied zu finden, obgleich ich während des ganzen Abends aufpaßte. Die einfache und ruhige Weise, womit hier einer den anderen anredet, trägt noch dazu bei, die Aehnlichkeit vollständig zu machen. Den Titel »Mylord« hört man kaum aussprechen. Ich glaube, seit ich in London bin, habe ich es kaum sechs Mal von Herren gehört, obgleich die Bedienten und alle Leute niedriger Klasse es häufig gebrauchen. Das Wort »Mylady« scheint durchaus in der Gesellschaft verboten. Seit ich in Europa bin, habe ich es nur drei Mal gehört, und dennoch sieht man in Paris kaum weniger Mitglieder vom englischen Adel, als in London selbst. Diese drei Fälle sind der Anführung werth, da sie drei verschiedene Grade von Manieren bezeichnen. Das Wort wurde durch Sir –, einen Arzt, gebraucht, dem offenbar der Ton eines Mannes abging, welcher gewöhnt ist, mit seines Gleichen zu verkehren. Es wurde in Paris gebraucht durch Madame, eine Amerikanerin (wir thun in solchen Dingen gewöhnlich etwas zu viel), und ich sah, wie sich die Tochter der Mylady abwandte, um ein Lächeln zu verbergen. Endlich wurde es drittens durch Sir –, einen lebhaften jungen Baronet, gegen Lady – in einer Art von pathetischem Scherz gebraucht, wie man zuweilen aus Spaß Jemand bei seinem Amtstitel nennt.

Natürlich sind alle diese Dinge der Mode unterworfen, und es würde mich durchaus nicht wundern, wenn nach zehn Jahren das Gegentheil Sitte wäre. In der Einfachheit dieser Art liegt jedoch so viel guter Geschmack, daß ich glaube, das Gegentheil dieser Art würde sich nicht lange halten.

Man wiederholt sehr selten die Ausdrücke »Ew. Majestät« und » Königliche Hoheit« in den gewöhnlichen Unterhaltungen mit Königen und Prinzen. In Frankreich ist es gewöhnlich » Sire,« » oui, Sire« und » non, Sire« zu sagen; hier soll es jedoch Sitte sein – denn ich habe nie eine persönliche Unterhaltung mit einem Prinzen gehabt – » Sir« zu sagen. Die Engländer haben eine affectirte Redensart, welche sich dahin ausspricht – » man sagt nur Sir zu dem Könige und zu den Bedienten«. Ueberhaupt wird dies Wort von den Engländern weit weniger angewandt, als von uns, wie denn die Leute von Ton und Welt in Amerika es auch seltener gebrauchen als diejenigen, welche zurückgezogen leben, oder keinen Zutritt zur Gesellschaft haben, und also nicht Leute von Ton sind. Es ist jedoch ein gutes Wort, und sich oft mit vieler Grazie in eine amerikanische Unterhaltung werfen, obgleich man darin, wie in anderen guten Dingen, leicht zu viel thun kann. Es giebt Narren bei uns, die sich der Londoner Sitte halber dieses Wortes ganz enthalten; sie besitzen durchaus keine feine Lebensart.

Man hat sehr geschickt und witzig gesagt, wir hätten in Amerika eine ziemlich bedeutende Klasse, » die nichts für zu hoch hält, um danach zu streben, und nichts für zu niedrig, um es zu verrichten.« Indem ich meine Vergleichungen mit den Dingen auf dieser Seite des atlantischen Meeres anstelle, lasse ich jene geschmeidigen Leute dabei ganz außer Acht; denn man kann sie in der That mit nichts vergleichen. Sie sind die Mißgeburt besonderer Umstände, und verdanken ihre Existenz der unvergleichlichen Freiheit des Gebrauchs der Kräfte, welche durch die Grundsätze unserer Regierung, die sich besser auf Praxis als auf Theorie versteht, begünstigt wird.

Auf dem Continent von Europa ist es fast eine Auszeichnung, keine Decoration an seinem Rocke zu haben. Sterne und Bänder sind in der That so gewöhnlich, daß man sich freut, wenn man einmal einen feinen Rock ohne dieselben antrifft. Dies sind nur sehr unbedeutende Toiletten-Artikel, wenn sie nicht zu den höchsten Klassen gehören – alsdann aber ist die Sache freilich anders; denn stets haben Diamanten etwas Achtbares.

Sie wissen wahrscheinlich nicht, daß die Geburt allein Niemand zum Tragen einer Decoration berechtigt. Ein König trägt als König seine Krone, aber er trägt als solcher weder Stern noch Band. Ein Pair erbt sein Wappen und nichts weiter. Die Sterne und Bänder sind besondere Zeichen der Ritterorden, und sie weichen in Form und Farbe von einander ab. Das Band wird häufig quer über der Brust getragen, gewöhnlich jedoch unter dem Rock. Es ist breit, und die blaue Farbe scheint dabei die Ehrenfarbe zu sein. Wenigstens verlangt man nach dem » blue riband« in England und dem » cordon bleu« in Frankreich am meisten; denn diese gehören dem Hosenband- und dem Heiligengeist-Orden an.

Der Bath-Orden und der der Ehrenlegion haben rothe Bänder. Zu allen diesen Orden gehören bei feierlichen Gelegenheiten riesenmäßige Kragen und Mäntel; in Gesellschaft sieht man jedoch selten mehr als das Band und den Stern, und oft nur diesen allein. Das Hosenband am Knie wird auch zuweilen getragen.

Lord Grey hat keine Decorationen: Eben so wenig Lord Landsdowne und Lord Holland. Als ich neulich mit Lord Lauderdale am Berkeley-Platz dinirte, trug er einen Stern, denn er ist Ritter von der Distel; Lord Spencer trug den des Hosenband-Ordens. Dies sind fast die beiden einzigen Gelegenheiten, bei denen ich gesehen habe, daß Engländer in der Gesellschaft mit Orden erschienen, welches in Paris etwas ganz Gewöhnliches ist. Wenn man vom Continent kommt, so fällt dieser Unterschied sehr auf. Ein Band im Knopfloch sieht man hier äußerst selten, wenn dies hier überhaupt üblich ist; den Stern nur bei Diners oder Staatsangelegenheiten. Früher war es Mode, wie ich glaube, auch im Parlament mit dem Stern zu erscheinen; doch jetzt geschieht dies nur äußerst selten.

Ich erzähle Ihnen diese Dinge, die man, da sie nun einmal existiren, auch wissen muß. Mit Ausnahme des Bath-Ordens werden die Orden in diesem Lande gewöhnlich an persönliche Günstlinge vertheilt, oder sie sind die Preise politischer Freundschaften. Es scheint Orden zu geben, die man nur Mitgliedern aus sehr alten Familien ertheilt; während wieder andere den Zweck haben, das Verdienst auszuzeichnen.

Zur ersteren Klasse gehören in England der Hosenband-, der St. Patrick- und der Distel-Orden – zur letzteren der Bath-Orden. Sie werden sich nun denken, dieser letztere werde vom Publicum bedeutend mehr geachtet, und daß es weit ehrenvoller sei, Ritter vom Bath- als vom Hosenband-Orden zu sein. Dies würde stattfinden, wenn die Vernunft mächtiger wäre als das Vorurtheil; da dies jedoch nicht der Fall ist, so überlasse ich Ihnen zu entscheiden, welcher den Vorzug hat.

Im Verlaufe des Abends, den ich bei Lord Grey zubrachte, hatte ich mit einem der Gäste eine Unterhaltung über den Charakter der Mitglieder des regierenden Hauses. Der Mann war ein Whig, es ist wahr, und die Whigs betrachteten Georg IV. als einen Abtrünnigen und Gegner ihrer Partei; er verdiente jedoch, wie ich wußte, allen Glauben, und war äußerst bescheiden; andernfalls würde ich seine Meinungen hier nicht wiederholen.

Von dem Könige sprechend, bezeichnete er ihn als einen Mann ohne Treue und Glauben. Ein König muß durchaus einen geraden Charakter haben, und sich nie einer Doppelzüngigkeit schuldig machen – dieser Meinung war auch mein Bekannter; er behauptete jedoch, Georg IV. hätte sich sehr nach der entgegengesetzten Seite hingeneigt, und er führte eine Anekdote an, um seine Behauptung zu belegen.

Vor etwa vierzig Jahren hatten sich die Schulden des Prinzen von Wales so angesammelt, daß er es für nöthig hielt, sich wegen Bezahlung derselben an das Parlament zu wenden. Um die erforderlichen Summen zu erhalten, versprach der Prinz, von jetzt an besser zu wirthschaften und sich zu diesem Zwecke zu vermählen; dies wollte er auch thun, um dem Throne einen Erben zu sichern. Es ging indeß das Gerücht, er sei bereits heimlich mit Madame Fitzherbert verheiratet. Obgleich nun eine solche Verbindung nach den Gesetzen des Königreichs ungültig ist, so hielten sie doch viele rechtlich denkende und wohlmeinende Männer für bindend; und da das Parlament aus vielen solchen Männern bestand, so hielt man es für nöthig, diesen Scrupel zu beseitigen.

Zu diesem Zweck soll Herr Fox von dem Prinzen die Erlaubniß erlangt haben, dem Gerüchte öffentlich entgegen zu treten, wenn der Prinz wirklich noch nicht heimlich verheirathet wäre. Man soll Herrn Fox vollständig dazu autorisirt haben, und dieser theilte dem Parlamente die Sache mit, und verbürgte sich für die Freiheit des Prinzen. Später wurde es außer allen Zweifel gesetzt, daß der Prinz wirklich schon damals mit Madame Fitzherbert verheirathet war, und Herr Fox soll ihm diese Duplicität nie wieder vergeben haben.

Da sich die Unterhaltung natürlich um die Tendenz der Schmeicheleien und den verderblichen Einfluß derselben auf die moralischen Eigenschaften beider Theile drehte, erzählte mir mein Bekannter ein Beispiel davon, welches wohl verdient, nacherzählt zu werden. Ein schottischer Offizier von nicht eben allzu großen Verdiensten, der sich jedoch durch persönlichen Eifer und die Kunst zu schmeicheln zu einer bedeutenden Stellung emporgeschwungen hatte, befand sich eines Tages mit mehreren anderen Offizieren zu Windsor in der Gesellschaft Georgs III., als man eben alle Ceremonie bei Seite gesetzt hatte. Der gutmüthige Monarch, der in seiner Unterhaltung oft sehr herablassend war, rief plötzlich dem schottischen Offizier zu: – »Es scheint mir, als wären wir beide gleich groß: wir wollen uns messen – wir wollen uns messen!« Der Offizier stellte sich mit seinem Rücken gegen den des Königs; anstatt sich jedoch messen zu lassen, bewegte er fortwährend den Kopf hin und her. In demselben Augenblicke fiel dem Könige etwas ein, und er verließ das Zimmer. »Warum hielten Sie nicht still, um sich messen zu lassen?« fragte einer der Zuschauer, »Sie bewegten ja den Kopf beständig hin und her?« – »Ich wußte nicht, antwortete der Offizier, »ob er kleiner oder größer zu sein wünschte als ich.«

Georg III. ist in Amerika durch seinen Ausspruch berühmt geworden, den er gegen Herrn Adams gethan – »Ich bin der letzte Mann im Königreiche gewesen,« sagte er, »der die Unabhängigkeit von Amerika anerkannte; jetzt jedoch würde ich der letzte Mann im Königreiche sein, sie in Zweifel zu ziehen, da sie einmal anerkannt ist.« Wenn er sich jemals auf diese Weise ausgesprochen hat, so kann man dies nur eine wahrhaft königliche Weise nennen; rührt dieser Ausspruch jedoch nicht von ihm her, so ist es ihm nur gegangen, wie allen großen Herren, denen stets alles Gute und Schlechte ihrer Umgebung in die Schuhe geschoben wird.

Man weiß jetzt allgemein, daß die Antwort, welche Karl X. gegeben haben soll, als er im Jahre 1814 als Generallieutenant des Königreiches an den Thoren von Paris erschien, auf Anregung des Herrn von Talleyrand von einem geschickten Untergebenen herrühren soll; dieser Ausspruch lautete nämlich dahin – »nichts sei geändert, als daß Frankreich jetzt einen Franzosen mehr besitze« Je la revois enfin, et rien n'y est changé, si ce n'est qu'il s'y trouve un Français de plus«. Der letzte Ausspruch von Desaix wurde ihm durch den ersten Consul und zwar nur in seiner Depesche in den Mund gelegt. Diese Sache unterliegt keinem Zweifel, denn der Duc de – stand an seiner Seite, als er fiel, und versicherte mir, die Kugel sei dem General durch den Kopf gegangen, und habe ihn auf der Stelle getödtet.

 


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