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Historische Fortsetzung bis zur Befreiung Robrechts van Bethune XIII., Grafen von Flandern.

Von den sechzigtausend, die, um Flandern zu verwüsten, von Philipp dem Schönen ausgesandt waren, entkamen nur gegen siebentausend, die in aller Eile auf verschiedenen Wegen auf französischen Boden zu gelangen suchten. Gui de St. Pol hatte bei Rijssel fünftausend in einer Schar versammelt und wollte mit diesen nach Frankreich ziehen; aber als ihn ein Teil des flämischen Heeres angriff, wurde er in einem blutigen Gefecht geschlagen, und die meisten seiner Mannen fanden den Tod, der sie bei Kortrijk verschont hatte.

Die vornehmsten Edlen, die tapfersten Ritter blieben vor Kortrijk tot; ihre Zahl war so groß, daß nach den Berichten der Geschichte kein Schloß, keine Herrschaft in Frankreich war, wo man nicht Trauer anlegte: überall wurden Tränen über den Tod eines Gatten, eines Vaters oder Bruders vergossen, und das ganze Land widerhallte von Wehklagen. Durch die Sorge der flämischen Feldherren wurden die gefallenen Könige und erlauchtesten Landesherren in der Abtei von Groeningen begraben, wie sich aus einem alten Gemälde ergibt, das in der St. Michielskirche zu Kortrijk noch vorhanden ist.

Außer den goldenen Gefäßen, kostbaren Stoffen und reichen Waffen fand man auf dem Schlachtfeld siebenhundert vergoldete Sporen, die damals nur die Edlen tragen durften; man hing sie nebst den eroberten Bannern am Gewölbe der Frauenkirche zu Kortrijk auf, und davon ward das Gefecht die Schlacht der güldenen Sporen genannt. Einige tausend Pferde fielen ebenfalls in die Gewalt der Flamen, die sie in den folgenden Kriegen mit großem Vorteil verwendeten. In geringer Entfernung von Kortrijk, vor dem Genter Tor, hat man im Jahre 1831 mitten auf dem Schlachtfelde eine Kapelle zu Ehren Unsrer lieben Frau von Groeningen erbaut; auf dem Altar liest man die Namen der gefallenen französischen Feldherren, und einer der echten vergoldeten Sporen ist in der Mitte des Gewölbes angebracht.

In Kortrijk wurde der freudige Tag alljährlich durch eine öffentliche Feier und durch Volksbelustigungen begangen; das Gedächtnis an dieses Fest ist bis auf den heutigen Tag in einer Kirmes erhalten, die man »Sammeltage« nennt. Jedes Jahr im Monat Juli gehen die armen Leute von Haus zu Haus, um die alten Kleider zu erbitten und sie zu verkaufen, wie man es 1302 mit der reichen Beute getan hat; von einem Geigenspieler begleitet, begeben sie sich nach dem Pottelberg, dem ehemaligen Lagerplatz der Franzosen, und belustigen sich bis zum Ende des Tages.

Als die Nachricht von dem Verlust des Heeres nach Frankreich gelangte, herrschte am Hofe große Trauer; Philipp der Schöne entbrannte in Wut gegen seine Gemahlin Johanna, deren Bosheit schuld an diesem Unheil war. Er machte ihr bittere Vorwürfe.

In den meisten französischen Geschichtsbüchern findet man Johanna von Navarra ganz anders als boshaft geschildert. Der Nationalcharakter der Franzosen, den wir für sehr löblich erachten, läßt sie leicht die Untugenden ihrer Fürsten (wenn diese tot sind) entschuldigen; aber in unseren Chroniken ist die Wahrheit zu greifbar, um an der abscheulichen Gesinnung Johannas zu zweifeln.

Die Senatoren von Gent, sämtlich Leliaarts und der Meinung, daß Philipp der Schöne in aller Eile ein neues Heer nach Flandern senden werde, wollten ihre Tore geschlossen halten, um die Stadt bis dahin für die Franzosen zu behaupten. Sie wurden von den Gentern für dieses verräterische Vorhaben gestraft: das Volk eilt zu den Waffen, die Senatoren und Leliaarts wurden ermordet, und die vornehmsten Bürger überbrachten die Schlüssel der Stadt dem jungen Gwijde, dem sie ewige Treue schwuren.

Unterdessen kam Jan van Namen, Bruder Robrechts van Bethune, nach Flandern und nahm die Regierung des Landes in seine Hände; er bildete eiligst ein neues und mächtiges Heer, um den Franzosen Widerstand leisten zu können, und brachte die Verwaltungen der Städte in Ordnung. Ohne seine Scharen länger rasten zu lassen, zog er nach Rijssel, das sich nach einigen Sturmläufen ergab; von dort nach Dowaai ziehend, eroberte er gleichfalls die Stadt und nahm die Besatzung gefangen; die Stadt Kassel übergab sich unter gewissen Bedingungen. Nachdem er den Franzosen noch einige andere starke Plätze genommen und sah, daß keine neuen Feinde nach Flandern kamen, sandte Jan van Namen den größten Teil seines Heeres nach Hause und behielt nur einige auserlesene Scharen erfahrener Kriegsknechte zurück.

Das Land war beruhigt, und der Handel begann von neuem zu blühen; mit besserer Hoffnung auf eine gute Ernte wurden die verwüsteten Ländereien wieder bestellt, und es schien, als ob Flandern neues Leben und neue Kraft gewonnen hätte. Man meinte, daß Frankreich genügend belehrt sei, sich fürderhin vor solchem Spiele zu hüten.

Philipp der Schöne hatte in der Tat nicht viel Lust, den Krieg wieder zu beginnen; aber der Ruf nach Rache, der aus allen Teilen Frankreichs sich vernehmen ließ, die Klagen der Ritter, deren Brüder vor Kortrijk gefallen waren, und vor allem die Hetzereien der rachsüchtigen Königin Johanna stimmten ihn endlich für den Krieg um. Er versammelte denn auch ein Heer von achtzigtausend Mann, in dem sich an die zwanzigtausend Reiter befanden; doch war es bei weitem nicht so bedeutend wie das erste, das er verloren hatte, da es jetzt meist gemietete oder gezwungene Soldaten umfaßte. Der Oberbefehl wurde Louis, König von Navarra, übergeben. Dieser sollte, ehe er die Schlacht liefern würde, zuerst versuchen, Dowaai und die französischen Grenzstädte aus den Händen der Flamen zu befreien. Als dieses Heer nach Flandern kam, schlug es seine Zelte zwei Stunden vor Dowaai bei Vitrij im Felde auf.

Sobald man in Flandern vernommen hatte, daß ein französisches Heer gebildet wurde, lief der Ruf: »Zu den Waffen! Zu den Waffen!« durch das ganze Land. Niemals sah man solche Begeisterung: aus allen Städten, aus den geringsten Dörfern kamen Haufen Volks mit allerlei Waffen herbeigelaufen, und man zog singend und voller Freude gegen den Feind; Jan van Namen mußte in der Furcht, daß die Lebensmittel fehlen würden, eine große Anzahl zurückschicken. Diejenigen, die als Leliaarts bekannt waren und ihr früheres Betragen vergessen machen wollten, baten dringend darum, zum Beweise ihrer Bekehrung ihr Blut für das Vaterland vergießen zu dürfen, was ihnen denn auch freudig zugestanden ward. Unter Jan van Namen, dem Feldherrn, befanden sich die meisten aller Ritter, die sich in der Schlacht von Kortrijk ausgezeichnet hatten: der junge Gwijde, Willem van Jülich, Jan van Renesse, Jan Borluut, Pieter de Coninck, Jan Breydel und andere. Adolf van Nieuwland, der noch nicht wiederhergestellt war, konnte diesem Zuge nicht beiwohnen.

Nachdem diese Macht in mehrere Scharen verteilt war, zogen die Flamen bis auf zwei Meilen an den Feind heran und nahmen dort ihren Standplatz. Nach einiger Zeit zogen sie weiter an den Fluß Scarpe, gegen Flines; sie forderten die Franzosen täglich zum Kampfe heraus, doch da die Feldherren, sowohl die flämischen als die französischen, dem Zusammenstoß auszuweichen schienen, ward nichts ausgerichtet. Die Ursache des Stockens war, daß Jan van Namen, um die Befreiung seines Vaters und seines Bruders zu erwirken, Boten nach Frankreich gesandt hatte, um zu sehen, ob man mit Philipp dem Schönen nicht Frieden schließen könne. Es scheint, daß man am französischen Hofe über die Bedingungen nicht einig werden konnte; denn die Boten blieben aus, und man bekam nur ungünstige Antworten.

Das flämische Heer begann zu murren und wollte, trotz des Verbots seines Feldherrn, gegen die Franzosen kämpfen; dies währte so lange und der Wille der Scharen machte sich so ernstlich fühlbar, daß Jan van Namen gezwungen ward, über die Scarpe zu ziehen, um den Feind anzugreifen. Es wurde auf fünf Schuten eine Brücke über den Fluß gelegt, und das flämische Heer, erfreut, daß es zum Streite ging, zog singend und heiter hinüber; aber da kam eine zweifelhafte Kunde aus Frankreich, die sie noch einige Tage zurückhielt. Endlich wollten die Scharen sich in keiner Weise mehr halten lassen und gaben drohende Zeichen der Auflehnung. Dann ward alles zum Angriff vorbereitet, und die Flamen zogen gegen die Franzosen. Diese, die die Schlacht nicht wagten, brachen in Eile ihr Lager ab und zogen in Unordnung fort. Die Flamen fielen über die flüchtigen Franzosen her und erschlugen ihrer viele. Weiterziehend, nahmen sie das Schloß Harne, wo der König von Navarra die Heeresvorräte niedergelegt hatte. Der Vorrat, die Zelte, alles, was das französische Heer mit sich geführt hatte, fiel in die Hände der Flamen. Dann ereigneten sich noch einige unbedeutende Gefechte, deren Folge war, daß die Franzosen, mit Schande beladen, bis tief nach Frankreich hineingejagt wurden.

Als die flämischen Feldherren sahen, daß man den Feind im offenen Felde nicht mehr zu bekämpfen hatte, entließen sie einen Teil des Heeres und behielten nur hinreichend Mannen, um die Besatzungen der französischen Grenzstädte am Rauben und Brennen zu verhindern.

Aus dem Städtchen Lessen an der Grenze von Hennegau fielen täglich Söldnerhaufen auf flämischen Boden und fügten den Bewohnern des platten Landes viel Unheil zu. – Als Jan van Namen dies vernahm, ging er mit einigen Scharen dahin, erstürmte und verbrannte Lessen, das dem Grafen von Hennegau gehörte.

Unterdessen zog Willem van Jülich mit den Gewerken von Brügge und Kortrijk nach St. Omaars, um diese Stadt den Franzosen zu nehmen. Dort angekommen, ward er von französischer Reiterei, die viel zahlreicher war als er, ungestüm angegriffen; keine Aussicht sehend, ordnete er seine Mannen in einen Kreis und wehrte sich, bis die Dunkelheit ihm erlaubte, zurückzuweichen und so einer sicheren Niederlage zu entgehen.

Einige Tage später kam Jan van Namen von Lessen zurück zu Willem, wodurch ihre vereinigte Macht dreißigtausend Mann stark ward. Sie griffen das französische Heer an, schlugen es in die Flucht und zersprengten die feindlichen Scharen.

Man begann St. Omaars zu bestürmen. Tagtäglich wurde die Stadt mit unerhörtem Mute von verschiedenen Seiten angegriffen; doch da die Besatzung sehr stark war, wurden die Belagerer häufig unter Verlust von viel Volks zurückgetrieben. Dies hinderte sie jedoch nicht, eine Menge schwerer Steine über die Wälle zu schleudern und die Häuser größtenteils zu beschädigen; es wurden auch viele Einwohner von St. Omaars in den Straßen von den Steinen zermalmt. Die Franzosen, die für die Stadt fürchteten und eine kräftige Anstrengung machen wollten, riefen alle Bürger unter die Waffen und erlangten durch dieses Mittel eine bedeutende Kriegsmacht, die sie in zwei Körper teilten. Nachts, als auf den Feldern undurchdringliche Finsternis herrschte, gingen sie heimlich aus der Stadt und führten die Hälfte ihrer Macht in einen dichten Wald, der seitwärts vom flämischen Lager sich befand; der andere Teil zog gegen das Schloß Arsques, das ebenfalls von den Flamen belagert war. Bei Sonnenaufgang begann der Angriff bei Arsques mit solcher Gewalt, daß die Flamen, sich überrascht sehend, flüchten wollten; doch die Stimme ihrer Feldherren gab ihnen den Mut wieder. Sie trieben die Franzosen zurück, und der Sieg schien sich ihnen zuzuneigen, bis eine große Schar Reiter, die sie von hinten angriff, beim ersten Stoß mehrere Glieder über den Haufen warf und die Flamen nach einem kurzen Kampf in die Flucht getrieben wurden.

Der andere Teil des flämischen Heeres, unvermutet durch die im Walde versteckten Soldaten angefallen, stellte sich eiligst in Schlachtordnung und zog sich ohne Verwirrung zurück; vielleicht wären sie ohne große Verluste entkommen, aber ein beklagenswertes Unglück sollte die Ursache ihrer Niederlage werden. Am Fluß Aa angekommen, begaben sie sich in so großer Zahl und so dicht geschlossen auf die Brücke, daß diese, die das Gewicht so vieler Menschen nicht tragen konnte, unter entsetzlichem Krachen in den Fluß stürzte. Das Geschrei, das Geheul derjenigen, die zerschmettert ins Wasser stürzten, brachte Entmutigung unter die flämischen Scharen, die noch am Flusse standen; ohne auf ihre Befehlshaber zu hören, flüchteten sie und liefen in Unordnung vom Schlachtfeld. Diese Niederlage kostete die Flamen viertausend Mann.

Jan van Namen und Willem van Jülich, die sahen, daß der Feind die Verfolgung eingestellt hatte, um ihre verlassenen Lagerplätze zu plündern, bemühten sich, die Flüchtlinge nach Möglichkeit zu sammeln; und nachdem sie ihnen die Schande dieser Niederlage dargetan, flößten sie ihnen die Begierde nach baldiger Sühne ein. Dann zum Feinde zurückkehrend, überraschten sie ihn, als er dabei war, den Lagerplatz auszurauben, und fielen mit großem Geschrei unversehens über ihn her; die meisten Plünderer wurden erschlagen und die anderen in die Stadt getrieben. So behielten die Flamen ihre Güter mit dem Siege dieses Tages.

Während man gegen Frankreich einen langwierigen und unbedeutenden Krieg führte, war Seeland durch Todesfall herrenlos geworden. Willem von Hennegau wollte dieses Land in Besitz nehmen unter dem Vorgeben, daß es ihm nach Erbrecht zugehöre; die Söhne des Grafen von Flandern erhoben ebenfalls Ansprüche. Jan van Namen rüstete eiligst eine Flotte aus und landete mit einem flämischen Heere auf der Insel Cadsand; nach einem geringfügigen Gefecht setzte er seinen Zug nach Walcheren bei ter Vere fort, das sich übergab. Willem von Hennegau hatte ebenfalls ein Heer auf die Beine gebracht und kam damit nach Seeland, wo er Jan van Namen eine Schlacht anbot. Die Flamen besiegten ihn in einem furchtbaren Kampfe und jagten ihn in die Flucht bis Arnemuiden. Willem von Hennegau, dort einige neue Hilfsscharen findend, sammelte sein zerstreutes Heer und zog von neuem gegen die Flamen; aber diesmal war seine Niederlage noch schrecklicher, denn er ward genötigt, auf die Insel Schouwen zu flüchten. Kurz darauf eroberten die Flamen die Stadt Middelburg nebst noch vielen anderen Städten. Dies veranlaßte Willem von Hennegau zu einem zeitweisen Waffenstillstand, wodurch der größte Teil von Seeland an die Flamen abgetreten wurde.

Philipp der Schöne versammelte unterdessen ein mächtigeres Heer, um sich für die Schmach von Kortrijk zu rächen; er übergab den Oberbefehl Walter de Chatillon und beauftragte ihn, bei seiner Ankunft in Flandern alle Besatzungen der Grenzstädte an sich zu ziehen, wodurch sein Heer über hunderttausend Mann stark werden sollte.

Philips, einer der Söhne des alten Grafen von Flandern, der in Italien die Grafschaften Tyetta und Lorette geerbt hatte, kam, als er die Bildung des französischen Heeres vernahm, mit einigen Hilfsscharen nach Flandern, wo er von seinen Brüdern als Oberbefehlshaber erkürt wurde. Indem dem Heere, das in Seeland Krieg geführt, noch mehr Mannen zugeführt wurden, brachte er seine Macht auf fünfzigtausend Mann, zog bis St. Omaars, um die Franzosen zu erwarten, und überrumpelte das Schloß Arsques.

Die feindlichen Heere trafen bald zusammen. An den beiden ersten Tagen fanden einige vereinzelte Gefechte statt, in denen Pierre de Coutrenel, einer der französischen Feldherren, nebst seinen Söhnen das Leben ließ und die Franzosen viel Volks verloren. Walter de Chatillon, von Furcht erfüllt, wagte die allgemeine Schlacht nicht; er zog nachts mit seinem Heere nach Utrecht, und zwar so geheim, daß die Flamen diesen Abzug nicht merkten und am nächsten Tage erstaunt waren, keinen einzigen Franzosen mehr zu sehen. Philips machte sich das Entweichen des Feindes zunutze, bestürmte und nahm die Städte Terwanen, Lens, Lillers und Bassée. Zur Vergeltung für das, was die Franzosen vor der Schlacht von Kortrijk in Flandern verübt hatten, wurde das ganze Land von den Flamen verwüstet und verdorben, bis sie, mit reicher Beute beladen, nach Flandern zurückkehrten.

Der König von Frankreich, durch so viele Niederlagen überzeugt, daß es unmöglich sei, Flandern durch die Waffen noch zu gewinnen, sandte Amadäus von Savoyen als Friedensgesandten zu dem flämischen Feldherrn Philips. Die Kinder des gefangenen Grafen, die nichts mehr verlangten, als die Befreiung ihres Vaters Gwijde und ihres Bruders Robrecht, wünschten innig den Frieden mit Frankreich herbei und gingen gerne über einige Schwierigkeiten hinweg; es wurde denn auch ein Waffenstillstand vereinbart, bis die Friedensbedingungen angenommen sein würden.

Unterdessen wurde am französischen Hofe ein Friedensvertrag entworfen, der verschiedene für Flandern schädliche Punkte enthielt; doch hoffte Philipp der Schöne diese durch List zur Annahme zu bringen. Er ließ den achtzigjährigen Grafen von Flandern aus seinem Gefängnis zu Compiègne nach Flandern gehen, ihm das Ehrenwort abnehmend, daß er, wenn er die Annahme des Vertrages, wie er am französischen Hofe aufgesetzt war, nicht erreichen könne, im Mai nächsten Jahres in seinen Kerker zurückkehren würde.

Der alte Graf wurde von seinen Untertanen prunkvoll empfangen und nahm Wohnung auf Schloß Wijnendaal. Die Bedingungen des von Frankreich vorgeschlagenen Vertrages wurden im allgemeinen von den Städten zurückgewiesen; doch der alte Graf, der noch Zeit vor sich hatte, hoffte, daß er die Zustimmung bei etwas mehr Mühe noch werde erlangen können.

Als der Waffenstillstand mit Willem von Hennegau beendet war, vernahm der Graf, daß ein holländisches Heer auf die Beine gebracht wurde, um Seeland zu nehmen; in aller Eile wurde Jan van Renesse und Florens van Borsele dahin gesandt, um diesem neuen Feinde die Stirne zu bieten. – Die Flamen besiegten die holländische Flotte in einer Seeschlacht, in der die Holländer und Seeländer mehr als dreitausend Mann und ihre meisten Schiffe verloren; man nahm den Bischof von Utrecht, Feldherr der Utrechtschen Scharen, gefangen und brachte ihn nach Wijnendaal, wo er verwahrt wurde. In derselben Schlacht fielen Willem van Hoorn, Diederik van Haarlem, Diederik van Zulen und Zuederus van Beverenweerdt. Die Flamen zogen siegreich durch ganz Nord-Holland, eroberten die meisten Städte, außer Haarlem, das sich hartnäckig wehrte; die vornehmsten Einwohner von Nord-Holland wurden als Geiseln gefangen nach Gent gebracht.

Während der Graf von Hennegau das Feld verließ und Holland den Flamen überlieferte, stand in Dordrecht ein tapferer Mann auf, namens Niklaas van den Putte; dieser, der sein Vaterland befreien wollte, versammelte seine Kriegerscharen, griff mit diesen eine Abteilung Flamen an und erschlug zweitausend in einem langen Gefecht. Auf der anderen Seite brachte Witte van Haamstede, auch ein tapferer Mann, ebenfalls viele Krieger zusammen; und als er bald darauf einem Heeresteil der Flamen bei Hillegom begegnete, vernichtete er ihn bis auf den letzten Mann. Diese Einzelgefechte veränderten wenig an dem Stand der Dinge in Seeland und verhinderten nicht, daß die Belagerung von Zierikzee Fortschritte machte.

Unterdessen nahte das Ende des Waffenstillstandes mit Frankreich heran, und alles verhieß einen neuen Krieg, denn der Friede kam nicht zustande, weil die Bedingungen für die Flamen nicht annehmbar waren. Noch vor dem letzten Apriltage kehrte Gwijde, mit Krankheit und Ungemach beladen, wie ein zweiter Regulus nach Frankreich in seinen Kerker zurück. – Philipp der Schöne hatte während des Waffenstillstandes alle möglichen Mittel angewendet, um ein ungeheuer großes Heer aufzubringen; in allen Ländern hatte man auf seine Rechnung Hilfsscharen angeworben, und dem Volke waren mehrere neue Schatzungen auferlegt worden, um die Kriegskosten herbeizuschaffen. Obwohl er die größte Kriegsmacht unter sich hatte, die Frankreich jemals besessen, kam noch eine zahlreiche Flotte unter Renier Grimaldi von Genua an die flämische Seeküste, um den jungen Gwijde und Jan van Renesse, die in Seeland waren, zu bekämpfen.

Philips von Flandern hatte inzwischen auch einen Aufruf an das Land erlassen und viele Kriegerscharen unter seinem Befehl versammelt; mit diesen zog er vor das französische Heer, um Philipp dem Schönen eine Schlacht anzubieten. Die beiden Heere waren so nahe beisammen, daß man von dem einen in dem anderen die Banner wehen sah. Am ersten Tage ereignete sich ein Gefecht, in dem ein französischer Befehlshaber mit allen seinen Mannen erschlagen ward. Die Flamen, ungeduldig und nach dem Kampfe rufend, stellten sich des anderen Tags in Schlachtordnung auf und bereiteten sich auf einen gewaltigen Angriff vor; aber die Franzosen, die dies bemerkten, zogen in aller Eile nach Utrecht ab und ließen ihr Lager den Flamen als Raub zurück, die große Beute machten und alle Werke, die die Franzosen gebaut hatten, abbrachen und vernichteten. Die Stadt Bassée wurde zum zweiten Male von ihnen erobert und die Vororte der Stadt Lens niedergebrannt.

Philipp der Schöne, der Flandern von der hennegauischen Grenze aus angreifen wollte, zog mit seinem Heere nach Doornik; aber schon am ersten Tage nach seiner Ankunft standen die Flamen vor ihm. Er war nicht geneigt, die Schlacht anzunehmen, bevor er wußte, was seine Flotte in Seeland ausgerichtet. Um nicht handgemein zu werden, brach er fast jede Nacht sein Lager ab, und streifte, stets von den Flamen gefolgt, von der einen Seite zur anderen.

Am 10. August 1304 fand die Seeschlacht zwischen den beiden Flotten statt; das Gefecht dauerte zwei Tage vom Morgen bis zum Abend; am ersten Tage war der Vorteil auf Seite der Flamen, und vielleicht hätten sie den vollen Sieg errungen; aber da ihre Schiffe nachts auf eine Sandbank gerieten, wurden sie anderen Tags von den Franzosen unter dem berühmten Seehelden Renier Grimaldi geschlagen; ihre Schiffe wurden verbrannt, und der junge Gwijde fiel mit vielen anderen in die Hände des Feindes. Jan van Renesse, der mutige Seeländer, der mit wenig Volks Utrecht hielt, wollte die Stadt verlassen und ging in eine Schute, um über die Lek zu setzen; aber das Schiff, das zu stark beladen war, sank mitten in der Flut, und der edle Ritter Jan fand ein beklagenswertes Ende – er ertrank. Als die Flamen von diesem Unglück hörten, betrauerten sie ihn und schwuren, daß sie ihn nicht ungerächt lassen würden.

Als die Kunde von dem Ausgang des Seekampfes in das französische Lager gelangte, befand es sich bei Rijssel auf dem Peuvelberg. Philipp der Schöne zog ein wenig seitwärts ab und verließ diesen günstigen Platz, der denn auch sogleich von den Flamen eingenommen ward. Diese wollten die Schlacht nicht länger aufschieben; es war den Feldherren unmöglich, sie noch länger zurückzuhalten, und sie nahmen denn auch die Schlachtordnung ein, um den Feind anzugreifen. Als Philipp der Schöne dies sah, sandte er einen Boten ab, um den Frieden anzubieten; aber die Flamen wollten durchaus nicht darauf hören und erschlugen den Boten. Bald darauf fielen sie mit furchtbarem Geschrei, mit tosendem Geheul über das französische Heer her, das verwundert und erschreckt durcheinander lief. Beim ersten Stoß wurden die vordersten Scharen über den Haufen gerannt und zermalmt. Im flämischen Heere war die Raserei noch größer als in der Schlacht bei Kortrijk; auch konnten die Franzosen ihm nur schwachen Widerstand entgegensetzen, obwohl sie mit dem gleichen Mute fochten. Philips von Flandern und Willem van Jülich drangen mitten durch die feindlichen Scharen bis zum König Philipp dem Schönen vor, der dadurch in größte Gefahr geriet. Man hieb seine Leibwachen nieder, und er wäre sicher gefangen oder getötet worden, wenn man ihm nicht seinen Mantel und andere Kennzeichen abgenommen hätte. Auf solche Weise unkenntlich gemacht, flüchtete er und erhielt eine leichte Wunde durch einen eisernen Pfeil. Dieses lange Gefecht hatte den Erfolg, daß das französische Heer in die Flucht getrieben ward und die Flamen den Sieg behielten.

Die französische Kronfahne (Oriflamme) wurde in Stücke gerissen. In dieser Schlacht verlor Willem van Jülich, der Priester, das Leben. Die Flamen beschäftigten sich bis zum Abend damit, des Königs Zelt und viele andere kostbare Güter zur Beute zu machen. Sie kehrten dann, um zu speisen, nach dem Peuvelberg zurück, da sie aber dort nichts fanden, zogen sie nach Rijssel. Am anderen Tage ging jeder nach Hause.

Fünfzehn Tage später kam Philipp der Schöne mit einem Heere wieder nach Flandern, um Rijssel zu belagern. Die flämischen Bürger schlossen ihre Läden und nahmen in Menge die Waffen auf. Philips von Flandern, der sie zu Kortrijk versammelt hatte, zog einige Tage später nach Rijssel in Sicht der Franzosen. Als er ihre große Zahl sah, rief Philipp der Schöne verwundert aus:

»Mich dünkt, daß es flämische Kriegsleute spuckt oder regnet!«

Da er es nicht auf eine neue Niederlage ankommen lassen wollte, schlug er nach einigen Scharmützeln den Frieden vor, und man trat in Unterhandlungen ein, während ein Waffenstillstand geschlossen wurde. Es währte sehr lange, bis die Friedensbedingungen von beiden Seiten angenommen wurden.

Während dieser Zeit starb der alte Graf Gwijde zu Compiègne in seinem Kerker; Johanna von Navarra starb ebenfalls.

Endlich wurde der Friede zwischen Philips von Flandern und Philipp dem Schönen abgeschlossen und unterzeichnet.

Robrecht van Bethune wie auch seine Brüder Willem und Gwijde und alle anderen gefangenen Ritter wurden freigelassen und in ihr Vaterland zurückgesandt. – Das Volk war über die Bedingungen des Vertrags nicht befriedigt und nannte ihn den »Bund der Ungerechtigkeit«. Diese Mißstimmung hatte jedoch zunächst keine Folgen.

Robrecht van Bethune ward, als er nach Flandern kam, mit außergewöhnlichen Feierlichkeiten als Grafen gehuldigt. Er lebte noch siebzehn Jahre, hielt die Ehre und den Ruhm Flanderns hoch und entschlief im Herrn am 18. September 1322.

*

Du, Flame, der du dieses Buch gelesen hast, bedenke bei den ruhmreichen Taten, die es vermeldet, was Flandern ehedem war – was es heute ist – und noch mehr: was es werden wird, wenn du die heiligen Vorbilder deiner Ahnen vergissest!

 

Ende.


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