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Zwischenspiel

Bericht Marco Polos über seine Heimreise

Libro di Marco Polo I, l, 5-5

Unsere Venezianer hatten nun viele Jahre am kaiserlichen Hofe gelebt, in dieser Zeit viele Reichtümer sich erworben in Juwelen von Wert und in Gold und fühlten große Sehnsucht nach ihrem Vaterlande; und obwohl sie vom Khan in hohen Ehren gehalten wurden, war dieses Gefühl bei ihnen doch vorherrschend. Zum festen Entschlüsse aber kamen sie, als sie bedachten, wie sehr der Khan im Alter vorgerückt sei; sein Tod aber, wenn er sich vor ihrer Abreise ereignen sollte, würde sie des öffentlichen Beistandes berauben, durch den sie allein erwarten konnten, die unzähligen Schwierigkeiten einer so langen Reise zu überwinden und ihre Heimat in Sicherheit zu erreichen, während sie bei seinen Lebzeiten und durch seine Gunst wohl mit Recht hoffen konnten, sie auszuführen.

Nicolo Polo nahm daher eines Tages die Gelegenheit, als er ihn mehr als gewöhnlich freundlich fand, sich ihm zu Füßen zu werfen und ihn für sich und seine Familie zu bitten, daß Seine Majestät ihnen in Gnaden ihre Abreise gestatten möge. Aber weit entfernt, sich diesem Gesuche geneigt zu zeigen, schien er unwillig darüber und frug, was für ein Grund sie zu dem Wunsche verleiten könnte, sich allen den Unbequemlichkeiten und Gefahren einer Reise auszusetzen, bei der sie leicht ihr Leben verlieren könnten. Wenn sie nach Gewinn strebten, so sollten sie es nur sagen, er wäre bereit, ihnen das Doppelte von allem, was sie besäßen, zu geben und ihnen Ehren zu verleihen, so viel sie deren nur wünschten; aber wegen der Liebe, die er zu ihnen hege, müsse er ihre Bitte rund abschlagen.

Um diese Zeit geschah es, daß eine Königin, namens Bolgara, die Gemahlin Argons, des Königs von Persien und Khorosan, starb, und mit ihrer letzten Bitte, die sie auch in einer testamentarischen Schrift hinterließ, beschwor sie ihren Gemahl, daß keine andere ihre Stelle auf seinem Throne und in seinen Neigungen einnehmen solle, die nicht von ihrer eigenen Familie abstamme, welche sich im Lande Kataja, wo der Großkhan herrsche, befinde.

Mit dem Wunsche, dieser feierlichen Bitte nachzukommen, schickte Argon drei von seinen Edlen, zuverlässige Männer, deren Namen Ulatai, Apusca und Goza waren, mit einer zahlreichen Begleitung als seine Gesandten an den großen Khan und bat, daß er ihm eine Jungfrau zur Gemahlin geben möge aus der Verwandtschaft seiner verstorbenen Königin.

Der Großkhan nahm sie sehr freundlich auf und unter der Leitung Seiner Majestät wurde eine junge Dame von siebzehn Jahren erwählt, die sehr schön und wohlgebildet war, mit Namen Kogatin, und die den Gesandten, als sie ihnen gezeigt wurde, außerordentlich wohlgefiel.

Als alles zu ihrer Abreise bereitet und ein zahlreiches Gefolge bestellt war, der künftigen Gemahlin König Argons zu Ehren, wurden sie vom Großkhan auf das huldvollste entlassen und begaben sich mit der Prinzessin auf demselben Wege, den sie gekommen, zurück.

Acht Monate waren sie gereist, da wurde ihr weiterer Zug gehemmt und die Wege ihnen abgeschnitten durch neue Kriege, die zwischen den tatarischen Fürsten ausgebrochen waren.

Sehr gegen ihre Neigung sahen sie sich daher gezwungen, wieder in die Residenz des Großkhans zurückzukehren, dem sie erzählten, wie es ihnen ergangen war.

Gerade zu der Zeit, als sie sich wieder einstellten, kam Marco Polo zufällig von einer Reise, die er mit einigen Schiffen unter seinem Befehl nach verschiedenen Gegenden Ostindiens gemacht hatte, zurück und stattete dem Großkhan Bericht ab über die Länder, die er besucht hatte, wie über die Umstände seiner eigenen Schiffahrt, die, wie er sagte, mit der größten Sicherheit ausgeführt worden war.

Als diese letztere Bemerkung zu Ohren der drei Gesandten kam, die sehr begierig waren, wieder in ihr Land zurückzukehren, von dem sie nun drei Jahre abwesend waren, suchten sie sogleich unseren Venezianer zu einer Unterredung auf, dessen eifriger Wunsch es gleichfalls war, seine Heimat wieder zu sehen, und es wurde zwischen ihnen beschlossen, daß die Gesandten, begleitet von ihrer jungen Königin, um eine Audienz bei dem Großkhan nachsuchen und ihm vorstellen sollten, mit welcher Bequemlichkeit und Sicherheit sie ihre Rückreise nach dem Reiche ihres Herrn zur See bewerkstelligen könnten, wie auch die Seereise mit weit weniger Kosten und in viel kürzerer Zeit ausgeführt werden könnte, nach der Erfahrung Marco Polos, der vor kurzem nach jenen Gegenden gesegelt sei. Sollte sich Seine Majestät geneigt zeigen, seine Zustimmung zu geben, daß sie auf diese Art die Reise vornehmen könnten, so sollten sie in ihn dringen, es zu gestatten, daß die drei Abendländer, als Personen, die wohlgeschickt seien in der Schiffahrt, sie bis in die Reiche König Argons begleiteten.

Als der Großkhan dieses Gesuch hörte, zeigte er durch seine Mienen, daß es ihm sehr mißfällig sei, weil er der Abreise der Venezianer abgeneigt war. Da er aber fühlte, daß er nicht umhin konnte, seine Zustimmung zu geben, so wich er ihren Bitten. Hätte er sich nicht selbst durch die Wichtigkeit und Dringlichkeit dieses ganz besonderen Falles dazu veranlaßt gesehen, so würden sie nie auf eine andere Weise seine Erlaubnis erhalten haben, sich aus seinem Dienste zurückzuziehen.

Er schickte jedoch nach ihnen und redete sie mit großer Freundlichkeit und Herablassung an, indem er sie seiner Gewogenheit versicherte und von ihnen das Versprechen verlangte, daß, wenn sie einige Zeit in Europa und bei ihrer Familie zugebracht, sie wieder einmal zu ihm zurückkehren sollten. Darauf ließ er ihnen eine goldene Tafel zustellen, auf der sein Befehl eingegraben war, daß ihnen freie und sichere Aufnahme in allen Teilen seiner Staaten mit aller nötigen Unterstützung für sie und ihre Begleiter zu gewähren sei. Auch gab er ihnen Vollmacht, in der Eigenschaft von Gesandten mit dem Papst und den Königen von Frankreich und Spanien zu verhandeln.

Zu gleicher Zeit wurde Sorge getragen für die Ausrüstung von vierzehn Schiffen, von denen jedes mehr als einen Mast hatte und bis zu neun Segeln führen konnte; Bau und Einrichtung derselben würden eine lange Beschreibung erfordern, aber um alle Weitschweifigkeit zu vermeiden, soll jetzt nicht die Rede davon sein. Unter diesen Schiffen waren wenigstens vier oder fünf, die mit zweihundertfünfzig oder zweihundertsechzig Leuten bemannt waren.

Die Gesandten, die die Königin unter ihrem Schutze hatten, schifften sich ein, zusammen mit Nicolo, Maffio und Marco Polo, nachdem diese vorher Abschied vom Großkhan genommen hatten, der sie mit vielen Rubinen und anderen köstlichen Edelsteinen von großem Werte beschenkte. Auch gab er Befehl, daß die Schiffe mit Vorräten auf zwei Jahre versorgt würden.

Nachdem sie ungefähr drei Monate gefahren waren, kamen sie an eine Insel, die in südlicher Richtung lag und Java genannt wird. Von da fuhren sie weiter und brauchten achtzehn Monate in den Indischen Meeren, ehe sie imstande waren, den Platz ihrer Bestimmung in dem Lande König Argons zu erreichen.

Hier muß bemerkt werden, daß von dem Tage ihrer Abfahrt an bis zu dem ihrer Ankunft in Indien sie von den Schiffsleuten und anderen, die mitfuhren, ungefähr sechshundert Personen durch den Tod verloren, und von den Gesandten überlebte nur einer, namens Goza, die Reise, während von allen Damen und Dienerinnen nur eine starb.

Im Verfolg ihrer Reise erfuhren sie, daß der Großkhan Kublai aus dem Leben geschieden sei, wodurch ihnen alle Aussicht abgeschnitten wurde, diese Gegenden wiederzusehen.

Endlich erreichten sie die Stadt Trebisond, von wo sie nach Konstantinopel gingen, dann nach Negroponte und zuletzt nach Venedig, an welchem Orte sie frisch und gesund und mit großen Reichtümern im Jahre 1295 ankamen.

Bei dieser Gelegenheit brachten sie Gott, der sie aus soviel Mühe und Arbeit und unzähligen Gefahren befreit und zum Ziele geführt hatte, ihren Dank dar.


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